Entscheidungsdatum
18.01.2023Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §31 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Hörtnagl über die Beschwerde des AA, vertreten durch Dr. BB, Rechtsanwalt in **** Innsbruck, Adresse 1, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 07.02.2022, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 05.12.2022,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 und 3 VStG eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer war vom 02.02.1993 bis zumindest 25.01.2021 handelsrechtlicher Geschäftsführer der *** GmbH mit Sitz in 6060 Y, Adresse 2.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde ihm in dieser Funktion Folgendes vorgeworfen:
„1. Datum/Zeit: 05.10.2020
Ort: **** Y, Adresse 2
Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer gern § 9 (1) VStG und somit zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma *** GmbH, 6060 Y, Adresse 1 für die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Bestimmungen zu verantworten, dass die *** GmbH in **** Y, Adresse 1 das beanstandete Lebensmittel “Graved Lachs“, Mindesthaltbarkeitsdatum: 21.10.2020, laut Lieferschein Nr. 503580 am 05.10.2020 an die Firma *** AG, **** X, Adresse 3, geliefert und somit in Verkehr gebracht wurde (§ 3 Z. 9 LMSVG), obwohl das ggstl. Produkt „Graved Lachs“, wie anlässlich einer amtlichen Probeziehung am 08.10.2020 um 10.43 Uhr bei der Firma *** AG, **** X, Adresse 4 durch die Lebensmittelaufsicht des Amtes der Wiener Landesregierung festgestellt wurde, das Produkt nach Lagerung bis zur deklarierten Verbrauchsfrist eine Kontamination mit dem Lebensmittelinfektionserreger Listeria monocytogenes (nachweisbar in 25 g, < 100 KBE/g, gezählt 60 KBE/g) aufweist und somit der Verzehr durch die Kontamination mit Listeria monocytogenes im Sinne des Artikel 14 Abs. 5 der VO (EG) NR. 178/2002 idgF inakzeptabel ist und daher das Produkt gern. § 5 Abs. 5 Z. 2 LMSG idgF für den menschlichen Verzehr ungeeignet und nach Artikel 14 Abs. 2 lit. b der VO (EG) Nr. 178/2002 idgF als nicht sicher zu beurteilen ist. Lebensmittel sind für den menschlichen Verzehr ungeeignet, wenn die bestimmungsgemäße Verwendbarkeit nicht gewährleistet ist.
Obwohl es verboten ist, derartige Produkte in Verkehr zu bringen, wurde dieses in Verkehr gebracht.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
1. § 90 Abs. 1 Zif. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Ziffer 1 LMSVG iVm Artikel 14 Abs. 5 VO (EG) Nr. 178/2002 idgF“
Daher wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 90 Abs 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz 2006 (LMSVG) eine Geldstrafe in Höhe von Euro 250,00 (3 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt, ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von Euro 25,00 festgesetzt sowie der Ersatz der Barauslagen für die Lebensmitteluntersuchungen der AGES in Höhe von Euro 141,10 aufgetragen.
Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde aus verschiedenen Gründen.
Aus dem das beanstandete Lebensmittel betreffenden Lieferschein vom 05.10.2020 (Beleg-Datum), welcher der belangten Behörde vom Beschwerdeführer mit E-Mail vom 17.03.2021 vorgelegt wurde, wird als Liefertermin der 06.10.2020 angeführt. Das beschwerdegegenständliche Lebensmittel wurde mittels LKW an einem Tag vom Sitz des Beschwerdeführers in Hall in Tirol zum Empfänger nach Wien geliefert. Daher ist der Liefertermin gemäß Lieferschein auch der Tag der Auslieferung des Lebensmittels am Sitz des Betriebes des Beschwerdeführers. Die belangte Behörde widersprach dem nicht, sondern teilte mit, dass es sich bei dem im Straferkenntnis angegebenen Tatzeitpunkt um einen Tippfehler handle und richtigerweise vom Tatzeitpunkt 06.10.2020 auszugehen gewesen wäre.
II. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem behördlichen Akt, insbesondere dem dort einliegenden Firmenbuchauszug vom 25.01.2021, dem angefochtenen Straferkenntnis und dem Lieferschein vom 05.10.2020. Im Zuge der mündlichen Verhandlung schilderte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin nachvollziehbar, dass der Liefertermin gemäß Lieferschein auch der Tag der Auslieferung des Lebensmittels am Sitz des Betriebes des Beschwerdeführers ist. Die belangte Behörde räumte daraufhin mit Schreiben vom 19.12.2022 einen Fehler bei der Festlegung des Tatzeitpunktes ein. Der maßgebliche Sachverhalt konnte somit unstrittig festgestellt werden.
III. Rechtliche Beurteilung:
Der Beschwerdeführer ist Lebensmittelunternehmer gemäß Art 3 Z 3 der Verordnung (EG) Nr 178/2002 und hat die beschwerdegegenständliche Ware im Sinne des Art 3 Z 8 dieser Verordnung in Verkehr gebracht.
Demgemäß bezeichnet der Ausdruck „Inverkehrbringen“ das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst.
Für einen Fall wie den vorliegenden ist daher als Tatort der Ort anzusehen, wo das Lebensmittel in Verkehr gebracht wurde. Im Fall der Lieferung durch einen Erzeugungsbetrieb wird die Verwaltungsübertretung am Sitz dieses Betriebes in dem Augenblick begangen, in dem die Ware expediert wird. Korrespondierend zum Tatzeitpunkt ist Tatort der Ort, von dem aus das Lebensmittel ausgeliefert wird (vgl VwGH 27.03.2019, Ra 2017/10/0147).
Auf den gegenständlichen Fall übertragen, bedeutet dies, dass der Beschwerdeführer die Ware am 06.10.2020 durch Lieferung von seinem Betrieb in Hall in Tirol aus an den Empfänger in Wien in Verkehr gebracht hat, nicht aber zu dem im angefochtenen Straferkenntnis genannten Tatzeitpunkt, dem 05.10.2020. Dabei handelt es sich lediglich um das Belegdatum dh um jenes Datum, an welchem der Lieferschein erstellt wurde.
§ 44a VStG legt den Inhalt des Spruches eines Straferkenntnisses fest. Die als erwiesen angenommene Tat iSd Z 1 ist dabei der den Deliktstatbestand erfüllende Sachverhalt. Der Beschuldigte hat ein subjektives Recht, das ihm die als erwiesen angenommene Tat richtig und vollständig vorgehalten wird. Eine Strafe darf nur für jene Tat verhängt werden, auf die sich die – das Strafverfahren einleitende – erste Verfolgungshandlung bezogen hat (vgl Lewisch/Fister/Weilguni, VStG, § 44a, Rz 2). Eine ausreichende Konkretisierung bedingt in aller Regel die Angabe von Tatort, Tatzeit sowie des wesentlichen Inhaltes des Tatgeschehens. Wenn der Spruch des Straferkenntnisses keine oder unrichtige Angaben über den Zeitpunkt der Tat enthält, belastet dies das Straferkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl Lewisch/Fister/Weilguni, VStG, § 44a, Rz 3).
Im konkreten Fall wurde dem Beschwerdeführer im gesamten Verfahren eine falsche Tatzeit vorgehalten, es liegt somit ein Verstoß gegen § 44a Z 1 VStG vor, der nicht mehr saniert werden kann. Der Beschwerdeführer hat weder die ihm im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegte Verwaltungsübertretung am 05.10.2020 begangen, noch wurde ihm eine Verwaltungsübertretung zu jener Tatzeit, als die Ware von seinem Betrieb ausgeliefert wurde, nämlich am 06.10.2020, innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist nach § 31 Abs 1 VStG vorgeworfen.
Nach § 45 Abs 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat (Z 2) oder Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen (Z 3).
Daher war das angefochtene Straferkenntnis spruchgemäß zu beheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 und 3 VStG einzustellen.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die gegenständliche Entscheidung erfolgte im Einklang mit der höchstgerichtlichen Judikatur (vgl insbesondere VwGH 27.03.2019, Ra 2017/10/0147). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG liegt daher nicht vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag.a Hörtnagl
(Richterin)
Schlagworte
TatvorwurfEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2022.18.0736.9Zuletzt aktualisiert am
20.02.2023