TE Vwgh Erkenntnis 1983/11/23 82/13/0211

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Veröffentlicht am 23.11.1983
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §236 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde 1) des Bedienstetenvertretungsfonds der Dienststelle städtische Wasserwerke Wien (MA 31), vertreten durch den Dienststellenausschuß in Wien, und 2) des Dienststellenausschusses der städtischen Wasserwerke Wien (MA 31) in Wien, beide vertreten durch Dr. Kurt Böhm, Rechtsanwalt in Wien I, Rathausstraße 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. August 1982, Zl. GA 7-1754/82, betreffend die Nachsicht der Körperschaft- und Gewerbesteuer für die Jahre 1973 bis 1977, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Betriebsprüfer, der bei der „Werksküche des Betriebsrates des ÖGB bei der Gemeinde Wien-Wasserwerke“ u. a. die Körperschaftsteuer 1973 bis 1977 und die Gewerbesteuer 1973 bis 1977 geprüft hatte, kam zu dem Ergebnis, daß an Körperschaftsteuer insgesamt S 38.970,-- und an Gewerbesteuer insgesamt S 21.597,-- zu entrichten sind; die sich nach den Prüfungsfeststellungen „ergebenden Besteuerungsgrundlagen, Steuerbeträge und Steuermehrbeträge wurden von den Vertretern des Unternehmens unter Rechtsmittelverzicht anerkannt“.

Den vorgelegten Akten des abgabenbehördlichen Verfahrens sind keine Abgabenbescheide angeschlossen.

Die oben bezeichnete „Werksküche des Betriebsrates“ stellte wenige Monate nach der Schlußbesprechung den Antrag, die vorgeschriebene Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer nachzusehen. Die Besteuerung werde, „dem tatsächlichen wirtschaftlichen Gehalt nicht gerecht“ und es werde „letztlich die als rein sozial geführte Institution in ihrer Existenz zumindest gefährdet“. Die Gewinnerzielungsabsicht habe gefehlt und Vermögenslosigkeit sei gegeben.

Das Finanzamt wies dieses Nachsichtsansuchen ab. Es sei keine unbillige Härte zu erkennen.

Die „Werksküche des Betriebsrates“ erhob Berufung. Unbilligkeit könne angenommen werden, wenn die Einziehung der Abgaben in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu den Nachteilen stehe, die sich daraus für den Abgabepflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben. Durch die Besteuerung des vom Betriebsprüfer „ermittelten Einnahmenüberschusses über den angeführten Zeitraum von 1973 bis 1977“ habe sich „eine Verlustgebarung“ ergeben, „die durch Eigenmittel nicht aufgebracht werden“ könne. Der „Betrieb, der ausschließlich soziale Zwecke zu erfüllen hat, ist somit in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet“.

Das Finanzamt wies mit seiner Berufungsvorentscheidung diese Berufung ab. Die „Werksküche des Betriebsrates“ stellte den Antrag, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen; die vorgenommene Besteuerung zeige, daß die Leistungen der Werksküche in dieser Form nicht mehr zu erbringen seien, was zur Einstellung mit Wirkung vom 1. Jänner 1980 geführt habe.

Die Finanzlandesdirektion wies mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Berufung ab. Da ein im Veranlagungsverfahren unterlassener Instanzenzug im Nachsichtsverfahren nicht nachgeholt werden könne, sei lediglich zu prüfen, ob besondere Umstände des Einzelfalles, die außerhalb der gesetzlichen Regelung der Abgabenvorschreibung lägen, eine Billigkeitsmaßnahme rechtfertigen. Die Abgabepflicht der „Werksküche des Betriebsrates“ sei in der steuerlichen Gleichmäßigkeit begründet. Eine Unbilligkeit des Einzelfalles sei dann nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage festzustellen sei, die alle vom Gesetz erfaßten Abgabepflichtigen in gleicher Weise treffe. Der Abgabenrückstand sei bereits in Wegfall geraten und das Abgabenkonto sei ausgeglichen. Die „Gefährdung der Existenz der Werksküche, die ihren Betrieb mittlerweile mit 1. Jänner 1980 ohnedies eingestellt hat, ist kein stichhältiges Argument für ein Nachsichtsansuchen, das in der Einhebung des Abgabenrückstandes, der bereits entrichtet wurde, eine Bedrohung des Fortbestandes des Betriebes sieht, der, sei es aus welchen Überlegungen auch immer, freiwillig aufgegeben worden ist“. Wenn auch auf die Frage der Einbringlichkeit im Zuge eines Nachsichtsverfahrens nicht einzugehen sei, sondern nur die Unbilligkeit der Einhebung der Abgabe für die Nachsicht entscheidend sei, so könne eine solche Nachsicht erst dann in Frage kommen, wenn der Abgabenrückstand im Wege der Haftung des verantwortlichen Vertreters des handlungsunfähigen Steuersubjektes beizutreiben versucht worden sei. Eine solche Haftung des Geschäftsführers wäre im Hinblick auf die Verletzung finanzstrafrechtlicher Normen durch den Obmann des Betriebsrates zweifellos gegeben. Da jedoch der Abgabenrückstand des Rechtsträgers beglichen worden sei, sei diese Frage nicht näher zu erörtern. Die Bestreitung der der Besteuerung zugrunde gelegten Gewinne stehe mit den Ergebnissen des rechtskräftig abgeschlossenen Abgabenbemessungsverfahrens im Widerspruch. Im Einbringungsverfahren seien keine Umstände hervorgekommen, die die Einhebung der Abgaben unbillig erscheinen ließen.

Die Beschwerdeführer - Bedienstetenvertretungsfonds der Dienststelle städtischer Wasserwerke Wien (MA 31), vertreten durch den Dienststellenausschuß, und Dienststellenausschuß der städtischen Wasserwerke Wien (MA 31) - behaupten in der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde, sie seien in ihrem Recht auf „richtige Anwendung des Gesetzes (Bestimmungen der BAO über die Nachsicht, insbesondere § 236 BAO) verletzt“ worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Gemäß § 236 Abs. 2 leg. cit. findet § 236 Abs. 1 leg. cit. auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb der Frist des § 238 leg. cit. - Verjährung fälliger Abgaben - zulässig.

Die unterschiedliche Bezeichnung des Abgabepflichtigen und des Berufungswerbers auf der einen Seite und der Beschwerdeführer auf der anderen Seite soll in diesem Zusammenhang auf sich beruhen; die beiden Personen, die die Niederschrift anläßlich der Betriebsprüfung unterfertigten, waren laut Mitteilung der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten der Obmann und der Obmannstellvertreter des durch sie entsprechend vertretenen Dienststellenausschusses der Bediensteten der städtischen Wasserwerke Wien (MA 31).

Der Unbilligkeitstatbestand stellt auf die Einhebung ab. Erscheint dem Abgabenschuldner die Vorschreibung unbillig, etwa zufolge der seiner Auffassung nach unzutreffenden, aber unbekämpft gebliebenen Abgabenbescheide, so kann nicht mit Nachsichtsmaßnahmen vorgegangen werden. Es ist nicht Sinn des Nachsichtsverfahrens, die Wirkungen von Verfahrenshandlungen, die der Abgabenschuldner versäumt hat, auf diesem Weg herbeizuführen (vgl. Stoll, BAO, Handbuch, 585).

Durch die Behauptung, „daß im Ermittlungsverfahren Ausgaben, die mit dem Werksküchenbetrieb im Zusammenhang standen, nicht als Betriebsausgaben anerkannt wurden, wodurch sich Gewinne ergaben, die der Ertragsbesteuerung zugrunde gelegt worden sind“, suchen die Beschwerdeführer in unzulässiger Weise die Rechtskraft der Abgabenbescheide zu durchbrechen. Ihre Auffassung, es habe sich keine materiellrechtliche Handhabe zur Bekämpfung der Abgabenbemessung ergeben, sodaß „zwangsläufig zur Beseitigung der sich aus dem angeführten Sachverhalt ergebenden Härte das Nachsichtsverfahren eingeleitet werden mußte“, ist nicht zu teilen. Die Frage, ob Entschädigungen, die für Manipulationen mit dem fertig gelieferten Essen bezahlt worden sein sollen, als Betriebsausgaben anzuerkennen sind, ist im Veranlagungsverfahren zu klären und dort kann sie auch - wenn nicht anders, dann durch Schätzung - geklärt werden.

Der Betrieb der Werksküche wurde mit Jahresende 1979 eingestellt. Damit kann sich für den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Frage der Existenzgefährdung nicht stellen. Abgesehen davon ist nach dem Beschwerdevorbringen die Einstellung des Werksküchenbetriebes erfolgt, „da eine Fortführung unter Beachtung der geltenden steuerrechtlichen Normen (für einen Betrieb gewerblicher Art) bei den angesetzten Minimalmargen für den Speisen- und Getränkeverkauf nicht mehr möglich war“.

Die Abgabenschuld ist beglichen. Ob sie nur „zunächst“ aus Mitteln des ÖGB beglichen wurde, kann in diesem Fall allein deshalb dahin stehen, weil die Beschwerdeführer bei eingestelltem Werksküchenbetrieb das Fehlen einer „Substanz (Vermögen)“ behaupten und nach dem unwidersprochen gebliebenen Bericht des Betriebsprüfers „die Einnahmen und Ausgaben aus einem Abrechnungsbuch gegenüber dem ÖGB ermittelt“ wurden.

Die Beschwerde ist deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 23. November 1983

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1983:1982130211.X00

Im RIS seit

20.02.2023

Zuletzt aktualisiert am

20.02.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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