TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/27 93/10/0100

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Veröffentlicht am 27.11.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

LMG 1975 §20;
LMG 1975 §74 Abs5 Z3;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 16. April 1993, Zl. UVS-07/03/00513/92, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug erlassenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe als die gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellte Beauftragte der P-Aktiengesellschaft zu verantworten, daß diese Gesellschaft in W, S-Straße 51 (weitere Betriebsstätte zum Hauptbetrieb in W, T-Straße 63-67) in ihrem dort befindlichen Gewerbebetrieb am 7. August 1991 insofern nicht vorgesorgt habe, daß Lebensmittel nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt in Verkehr gebracht werden, als eine Packung Cevapcici-Faschiertes gemischt, mit dem Hinweis "gekühlt lagern, bei + 2 bis 4 Grad Celsius" in der Kühlvitrine bei einer Lagertemperatur von + 9 Grad Celsius durch Feilhalten zum Verkauf angeboten worden sei, obwohl eine Vorsorge gegen die hygienisch nachteilige Beeinflussung der Lebensmittel nach dem Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar gewesen sei. Sie habe hiedurch die Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs. 5 Z. 3 iVm § 20 Lebensmittelgesetz (LMG) 1975 begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde macht zunächst einen Verstoß gegen § 44a Z. 1 VStG geltend. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso die Beschwerdeführerin wegen des Inverkehrbringens einer Packung "Cevapcici-Faschiertes gemischt" zur Verantwortung gezogen werde. Dafür ergebe sich im gesamten Akt kein Hinweis. Das Gutachten der Lebensmitteluntersuchungsanstalt betreffe "10 Packungen Faschiertes gemischt", also unverarbeitetes Faschiertes.

Diese Darlegungen stehen im Widerspruch zum Akteninhalt. Der vom Lebensmittelaufsichtsorgan am 13. Jänner 1992 erstatteten Anzeige zufolge wurde im Betrieb der P-Aktiengesellschaft in W, S-Straße 51, am 7. August 1991 eine Probe "Cevapcici-R.Fl.Schw.Fl." (eine Packung zu 0,582 kg) gezogen (Probezeichen TR 120/91). Auf diese als "Cevapcici-Faschiertes gemischt" bezeichnete Ware bezieht sich das im Akt erliegende amtliche Untersuchungszeugnis vom 12. Dezember 1991. In der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 5. Mai 1992 und im Straferkenntnis erster Instanz wird die beanstandete Ware als "eine Packung Cevapcici-Faschiertes gemischt" bezeichnet. Weder in ihrer Verantwortung im Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz noch in der Berufung hat die Beschwerdeführerin jemals bestritten, daß Ware in Verkehr gebracht wurde, auf die die mehrfach erwähnte Bezeichnung zutrifft. Bei dieser Sachlage ist der erwähnte Beschwerdevorwurf nicht nachvollziehbar.

Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, sie habe glaubhaft gemacht, daß sie an der Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe. "Grundsätzlich" sei die Filialleiterin Eva T. verantwortlich gewesen. Die Beschwerdeführerin selbst sei lediglich 20 Wochenstunden als Filialleiter-Stellvertreter beschäftigt gewesen. Am Tag der Probenziehung sei sie auf Urlaub gewesen. An diesem Tag sei Zoran M. mit der Leitung der Filiale beauftragt gewesen.

Damit zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit auf. Nach den im Einklang mit dem Akteninhalt (insbesondere der vom 11. März 1991 datierten Urkunde) getroffenen Feststellungen wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 9 Abs. 2 VStG für den in Rede stehenden Bereich zur verantwortlichen Beauftragten bestellt. Es liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, daß noch andere Personen (etwa die Filialleiterin Eva T. oder Zoran M.) für den in Rede stehenden Bereich zu verantwortlichen Beauftragten bestellt worden wären. Nach den Ergebnissen des Strafverfahrens konnte die belangte Behörde somit ohne Rechtswidrigkeit davon ausgehen, daß die strafrechtliche Verantwortlichkeit für den in Rede stehenden Bereich im Hinblick auf ihre Bestellung zur verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG bei der Beschwerdeführerin lag.

Bei der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt. Die Beschwerdeführerin hatte daher gemäß § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft zu machen, daß sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Dabei hatte sie initiativ alles darzulegen, was für ihre Entlastung spricht, insbesondere, daß sie solche Maßnahmen getroffen habe, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten ließen. Die Behauptung des verantwortlichen Beauftragten, er sei im Tatzeitpunkt nicht im Betrieb gewesen, ist nicht geeignet, mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen. Vielmehr ist es Sache des verantwortlichen Beauftragten, glaubhaft zu machen, für die Zeit seiner Abwesenheit entsprechende Maßnahmen getroffen zu haben, insbesondere, daß für die Überwachung der Stellvertreter des verantwortlichen Beauftragten hinsichtlich der ordnungsgemäßen Wahrung der übertragenen Aufgaben gesorgt wurde. Auf eine Kontrolle durch Dritte darf sich der verantwortliche Beauftragte nicht verlassen (vgl. die Erkenntnisse vom 8. Juli 1993, Zl. 93/18/0035, und vom 23. März 1992, Zl. 91/19/0382).

Ebensowenig zielführend ist der Hinweis der Beschwerde, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß die (45 Minuten dauernde) Temperaturmessung während einer "Abtauphase" des Kühlgerätes erfolgt sei. Während dieser Abtauphasen könne die Umlufttemperatur um bis zu 5 Grad Celsius ansteigen.

Im Beschwerdefall ist nicht strittig, daß das in § 20 LMG 1975 normierte Verbot der hygienisch nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln im vorliegenden Fall eine Lagertemperatur von 2 bis 4 Grad Celsius erforderte. Es wurde auch nicht bestritten, daß die Lufttemperatur im Kühlgerät während des 45 Minuten dauernden Meßvorganges 9 Grad Celsius betragen hat. Die in § 20 LMG 1975 normierte Vorsorgepflicht ist nicht erst dann in strafbarer Weise verletzt, wenn der hygienisch nachteilige Einfluß Auswirkungen auf die Beschaffenheit des Lebensmittels nach sich gezogen hatte; vielmehr genügt die abstrakte Gefahr einer hygienisch nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 21. Jänner 1993, Zl. 92/10/0190). Mit dem oben wiedergegebenen, im übrigen - was die zeitliche Lagerung des Meßvorganges während einer "Abtauphase" betrifft - erkennbar auf Mutmaßungen aufbauenden Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Aufassung auf, mit der Lagerung der Ware bei der im Kühlgerät gemessenen Temperatur sei die abstrakte Gefahr einer hygienisch nachteiligen Beeinflussung verbunden gewesen. Ebensowenig ist ersichtlich, daß es nicht möglich bzw. (im Sinne des letzten Halbsatzes von § 20 LMG 1975) nach der Verkehrsauffassung nicht zumutbar wäre, das im vorliegenden Fall erhebliche und nicht nur ganz kurzfristige Ansteigen der Temperatur über den zur Vermeidung einer hygienisch nachteiligen Beeinflussung erforderlichen Wert zu vermeiden.

Auch mit dem Hinweis auf das Unterbleiben der Vernehmung einer beantragten Zeugin zeigt die Beschwerde keinen relevanten Verfahrensmangel auf, weil weder dargelegt wird noch ersichtlich ist, daß die Behörde auf der Grundlage der Angaben dieser Zeugin einen Sachverhalt hätte feststellen können, auf dessen Grundlage sie zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Allgemein Verantwortung für Handeln anderer Personen Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993100100.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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