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16/02 RundfunkNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Gleichheitswidrigkeit von Bestimmungen des ORF-G betreffend die Ausnahme von der Verpflichtung zur Entrichtung des Programmentgelts für Personen, die ORF Programme ausschließlich über internetfähige Empfangsgeräte – aber ohne Empfang über Kabel, Satellit oder auf terrestrischem Weg – in Anspruch nehmen; sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung bei der Finanzierung des ORF durch Außerachtlassung der wesentlichen Personengruppe, die einen nach dem Stand der Technik gängigen Verbreitungsweg (Streamen) nutzt, angesichts der institutionellen Vorgaben des BVG-Rundfunk und der Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für den demokratischen und kulturellen öffentlichen KommunikationsprozessRechtssatz
Aufhebung der Wortfolge ", jedenfalls aber dann, wenn der Rundfunkteilnehmer (§2 Abs1 RGG) an seinem Standort mit den Programmen des Österreichischen Rundfunks gemäß §3 Abs1 terrestrisch (analog oder DVB-T) versorgt wird. Der Beginn und das Ende der Pflicht zur Entrichtung des Programmentgeltes sowie die Befreiung von dieser Pflicht richten sich nach den für die Rundfunkgebühren geltenden bundesgesetzlichen Vorschriften" in §31 Abs10 ORF-G idF BGBl I 126/2011 sowie des §31 Abs17 und §31 Abs18 ORF-G idF BGBl I 50/2010 (Individualantrag des ORF) unter Fristsetzung mit Ablauf des 31.12.2023.
§31 ORF-G gestaltet unter den Vorgaben des BVG Rundfunk ein gesetzliches Rechtsverhältnis, an dem der ORF (als Empfänger des Programmentgeltes) beteiligt ist. Die Regelungen über Art und Ausmaß dieses Programmentgeltes gestalten damit die Rechtssphäre des ORF. Er ist daher durch die gesetzliche Regelung, dass Rundfunkteilnehmer iSd §2 Abs1 RGG nach näherer Maßgabe zur Leistung des Programmentgeltes verpflichtet sind, in seiner Rechtssphäre betroffen, womit ihm im Lichte des ArtI Abs2 und 3 BVG Rundfunk iVm Art10 EMRK die Rechtsmacht zur Wahrnehmung dieser Rechte zukommt. Da mit den angefochtenen Bestimmungen geregelt wird, wer derzeit zur Leistung des Programmentgeltes verpflichtet ist, betreffen diese Regelungen den ORF auch aktuell. Nur in Bezug auf die durch §31 Abs10 ORF-G unter Verweis auf §2 Abs1 RGG abgegrenzten Personen kann der ORF ein Programmentgelt der Höhe nach festsetzen, das nach Maßgabe von §31 Abs17 und 18 ORF-G durch die GIS einzubringen ist. Der ORF ist an der Einbringung der Rundfunkgebühren und damit der gleichzeitigen Einhebung des Programmentgeltes nicht beteiligt (diese richten sich nach §4 Abs1 iVm §6 RGG), womit ihm auch keine andere Möglichkeit zusteht, eine behauptete Rechtsverletzung im Wege eines gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahrens an den VfGH heranzutragen. Der dritte Eventualantrag grenzt - anders als der Haupt- und der erste und zweite Eventualantrag (Zurückweisung dieser beiden unzulässigen Anträge) - die angefochtenen Bestimmungen auch nicht zu eng ab. Mit dem Wegfall der Verweisung in §31 Abs10 ORF-G und der Verknüpfung der Einhebung des Programmentgeltes mit dem Verfahren zur Einbringung der Rundfunkgebühren nach dem RGG in §31 Abs17 und Abs18 ORF-G würde die vom antragstellenden ORF behauptete verfassungswidrige Bestimmung der zur Leistung des Programmentgeltes verpflichteten Personen beseitigt. Damit blieben die gesetzlichen Regelungen zur Einhebung von Rundfunkgebühren nach dem RGG - unabhängig von der Verpflichtung zur Leistung eines Programmentgeltes und der Einbringung dieses Entgeltes - bestehen. Gegen die Vorschreibung und Einhebung von Rundfunkgebühren nach dem RGG richten sich die Bedenken des antragstellenden ORF nicht. Es ist auch nicht erforderlich, jene Bestimmungen in den an §31 Abs10 ORF-G anschließenden Absätzen des §31 ORF-G (mit) anzufechten, die Ausgleichszahlungen des Bundes für dem ORF entfallendes Programmentgelt regeln, weil - auf Grund der entsprechenden Verweisung in §31 Abs10 ORF-G - die im RGG vorgesehenen Befreiungen von der Rundfunkgebühr auch eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Programmentgeltes miteinschließen. Bei Aufhebung der vom ORF angefochtenen Bestimmungen in §31 Abs10 ORF-G würden diese Regelungen zwar insoweit ihren Anwendungsbereich verlieren, ihr Fortbestand würde aber zu keinem dem Gesetzgeber nicht mehr zusinnbaren Inhalt führen, sodass insoweit nicht von einem untrennbaren Zusammenhang auszugehen ist. Ob, treffen die Bedenken des antragstellenden ORF zu, mit einer Aufhebung nur von Teilen der angefochtenen Bestimmungen das Auslangen gefunden werden kann, ist im Zuge der Entscheidung in der Sache zu klären. Auch dass der ORF in seinem Antrag begehrt, näher bezeichnete Wortfolgen in §31 Abs10 ORF-G sowie §31 Abs17 und Abs18 jeweils zur Gänze "idgF BGBl I 55/2014" als verfassungswidrig aufzuheben, und damit die angefochtenen Gesetzesstellen unrichtig bezeichnet, führt nicht zur Unzulässigkeit des Antrages. Dem in §62 Abs1 erster Satz VfGG festgelegten Erfordernis einer genauen und eindeutigen Bezeichnung ist hier mit der wörtlichen Wiedergabe der angefochtenen Wortfolgen und Bestimmungen Genüge getan.
Die Pflicht zur Entrichtung von Rundfunkgebühren nach Maßgabe des §3 RGG setzt gemäß §2 Abs1 RGG voraus, dass eine Person eine Rundfunkempfangseinrichtung iSd §1 Abs1 RGG betreibt bzw betriebsbereit hält (und damit zum Rundfunkteilnehmer iSd §2 Abs1 RGG wird). Nach der Rsp des VwGH sind "Rundfunkempfangseinrichtungen" iSd RGG "lediglich jene Geräte, die 'Rundfunktechnologien' verwenden (drahtloser terrestrischer Weg, Kabelnetze, Satellit). [...] Ein Computer, über den mittels dieser Rundfunktechnologien Rundfunkprogramme empfangen werden können (etwa mittels TV- oder Radiokarte, DVB-T Modul), ist demnach als Rundfunkempfangsgerät zu beurteilen. Ein Computer lediglich mit einem Internetanschluss - ohne Rundfunktechnologie - ist hingegen kein Rundfunkempfangsgerät" (VwGH 30.06.2015, Ro 2015/15/0015). Diese Rsp zum RGG führt im Hinblick auf das Programmentgelt nach der geltenden Rechtslage zu folgender Regelung, wer zur Leistung des Programmentgeltes an den ORF verpflichtet ist:
Nach §31 Abs10 Satz 1 zweiter Halbsatz und Satz 2 ORF-G ist "jedenfalls" ein "Rundfunkteilnehmer" iSd §2 Abs1 RGG zur Zahlung des Programmentgeltes verpflichtet, wenn er an seinem Standort mit den vom Versorgungsauftrag des §3 Abs1 ORF-G erfassten Programmen terrestrisch (analog oder DVB-T) versorgt wird. §2 Abs1 RGG erklärt (in der ihm vom VwGH beigemessenen Bedeutung) weiters auch Personen zu rundfunkgebührenpflichtigen Rundfunkteilnehmern, deren Empfangseinrichtung Rundfunkprogramme des ORF im Wege der Verbreitung über Kabelnetz oder Satellit erfasst, nicht aber Personen, deren Empfangseinrichtung bloß internetfähig ist, auch wenn diese Personen damit Rundfunkprogramme des ORF im Internet streamen können. §31 Abs10 Satz 2 ORF-G ordnet weiters an, dass sich Beginn und Ende der Pflicht zur Entrichtung des Programmentgeltes (sowie die Befreiung von dieser Pflicht) nach den für die Rundfunkgebühren geltenden bundesgesetzlichen Vorschriften richten. §31 Abs17 ORF-G knüpft daran an und bestimmt, dass das Programmentgelt gleichzeitig mit den Rundfunkgebühren und in gleicher Weise wie diese einzuheben ist. Ausdrücklich bestimmt §31 Abs17 zweiter Halbsatz ORF-G, dass "eine andere Art der Zahlung [...] die Schuld nicht [tilgt]." Aus diesem Regelungszusammenhang folgt, dass Programmentgelt an den ORF zu leisten hat, wer nach Maßgabe des RGG zur Entrichtung von Rundfunkgebühren verpflichtet ist (und dem ORF eine abweichende Abgrenzung der zur Leistung des Programmentgeltes verpflichteten Personen ebenso gesetzlich verwehrt ist, wie das Programmentgelt auf andere Weise als im Wege des RGG einzuheben bzw einheben zu lassen).
Damit ist zur Leistung des Programmentgeltes nach §31 Abs10 iVm §31 Abs17 ORF-G iVm §2 Abs1 RGG verpflichtet, wer über eine Rundfunkempfangseinrichtung Rundfunkprogramme des ORF auf drahtlosem terrestrischen Weg, über Kabelnetze oder über Satellit empfangen kann (dabei kommt es auf die Möglichkeit, nicht auf die technische Qualität und auch nicht darauf an, ob die Empfangseinrichtung für diese Programme genützt wird oder nicht).
Wie der Gesetzgeber in den genannten Bestimmungen die Verpflichtung zur Entrichtung von Rundfunkgebühren und (wegen der Verknüpfung in §31 ORF-G) damit auch zur Leistung des Programmentgeltes an den ORF festlegt, führt also dazu, dass Personen, die über ein internetfähiges Empfangsgerät verfügen, das aber keinen Empfang von Rundfunkprogrammen des ORF auf terrestrischem Weg, über Kabel oder Satellit ermöglicht, keiner Verpflichtung zur Entrichtung der Rundfunkgebühr und damit auch nicht der Verpflichtung zur Bezahlung des Programmentgeltes unterliegen; dies ungeachtet der Tatsache, dass sie über dieses internetfähige Empfangsgerät ORF-Programme, die über das Internet verbreitet werden, hören und sehen können.
Aus Sicht des antragstellenden ORF entsteht auf Grund dieser gesetzlichen Regelung der Verpflichtung zur Leistung des Programmentgeltes eine sogenannte "Streaming-Lücke", weil Personen, die zwar (unabhängig von empfangstechnischen Einzelheiten wie Verzögerungen) dieselben Programme des ORF hören und sehen ("streamen") können wie Personen, die (Programmentgeltpflicht auslösend) die Rundfunkprogramme des ORF auf terrestrischem Weg, über Kabel- oder Satellitenübertragung nutzen, keiner Verpflichtung zur Zahlung eines Programmentgeltes unterliegen.
BVG Rundfunk und Art10 EMRK konstituieren - über Art10 Abs1 Satz 3 EMRK verbunden (E v 06.10.2021, E2477/2021) - eine Funktionsverantwortung des Gesetzgebers in demokratischer und kultureller Hinsicht für die Ausgestaltung der Rundfunkordnung. Diese beruht auf der in Art10 EMRK gewährleisteten individuellen Rundfunkfreiheit ebenso wie auf den institutionellen Vorgaben des BVG Rundfunk und soll umfassend die Freiheit des öffentlichen Diskurses im Wege des Rundfunks gewährleisten. Erfasst von dieser Gewährleistungspflicht ist - ungeachtet eines, die entsprechende Kommunikation individualrechtlich absichernden weiteren Schutzbereiches des Art10 Abs1 EMRK - Rundfunk iSd ArtI Abs1 BVG Rundfunk. Für den in dieser Verfassungsbestimmung umschriebenen Rundfunk gelten die institutionellen Garantien des ArtI Abs2 und Abs3 BVG Rundfunk in Verbindung mit, derartigen Rundfunk ebenso von seinem Schutzbereich miteinschließend, Art10 EMRK.
Rundfunk iSd ArtI Abs1 BVG Rundfunk hat eine technische ("Benützung elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung bzw längs oder mittels eines Leiters") und eine inhaltliche, publizistische ("Darbietungen aller Art in Wort, Ton und Bild") Komponente. Erstere ist insofern technologiebestimmt, als sie auf elektronische und nicht auf Printmedien abstellt, aber ansonsten in dem Sinn technologieoffen gestaltet ist, dass technische Entwicklungen miteingeschlossen sind. Nur so können die an die Bestimmung von Rundfunk iSd ArtI Abs1 BVG Rundfunk anknüpfenden Garantien in Art1 Abs2 und 3 BVG Rundfunk auch in einer sich verändernden technologischen Welt wirksam bleiben. Die publizistische Komponente stellt auf eine spezifisch massenmediale Bedeutung des Rundfunks ab, die sich insbesondere aus der Wirkkraft der Verbindung von Wort, Ton und Bild und dem in der Programmgestaltung und Programmsetzung zum Ausdruck kommenden Einfluss auf den demokratischen und kulturellen öffentlichen Kommunikationsprozess ergibt. ArtI Abs1 BVG Rundfunk steht dabei mit den Funktions- und Entwicklungsgarantien der Absätze 2 und 3 dieses Bundesverfassungsgesetzes in einer Wechselwirkung. Auf Einzelheiten dieses verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs kommt es in der Folge nicht an.
Für den vorliegenden Zusammenhang ist die Feststellung ausreichend, dass sich die auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beziehenden rundfunkverfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere im Hinblick auf seine Finanzierung und die dabei zu gewährleistende Unabhängigkeit (sowohl von, seine Funktionsfähigkeit beeinträchtigenden, staatlichen als auch privaten Einflussnahmen und Abhängigkeiten), insoweit am Rundfunkbegriff des ArtI Abs1 BVG Rundfunk auszurichten haben, als dieser im Grundsatz bestimmt, für welche Rundfunkkommunikation die Funktionsverantwortung des ArtI Abs2 und 3 BVG Rundfunk gilt. In der so definierten Rundfunkordnung muss dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk seine nach Maßgabe des BVG Rundfunk und des Art10 EMRK funktionsadäquate Stellung zukommen. Darauf bezieht sich die Finanzierungsgarantie des BVG Rundfunk für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich. Innerhalb dieser Vorgaben hat, wie die Bundesregierung zu Recht ausführt, der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einen Gestaltungsspielraum.
Das bedeutet aber nicht, dass die für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk konstitutive staatlich garantierte Finanzierung zur Wahrnehmung seiner besonderen demokratischen und kulturellen Aufgabe bei einem Finanzierungsmodell wie dem des "Programmentgeltes" gemäß §31 ORF-G uneingeschränkt am Rundfunkbegriff des ArtI Abs1 BVG Rundfunk ansetzen muss. Solange eine den Vorgaben des BVG Rundfunk insgesamt entsprechende Finanzierung des ORF gewährleistet ist, kann der Gesetzgeber grundsätzlich bei der Abgrenzung der Personen, die er zur Leistung eines Programmentgeltes und damit für eine entsprechend staatlich garantierte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks heranzieht, etwa auch typisieren, Mehrfachnutzungen berücksichtigen, auf Aspekte der Verwaltungsökonomie Bedacht nehmen oder Differenzierungen aus sozial- und rundfunkpolitischen Zielsetzungen vornehmen.
Damit stellt sich vorliegend ausschließlich die Frage, ob die Ausnahme aller Personen, die ORF-Programme ausschließlich über internetfähige, aber für den Empfang von Rundfunkprogrammen über terrestrischen Weg, Kabel- oder Satellitenempfang nicht geeignete Geräte hören oder sehen können, mit den rundfunkverfassungsrechtlichen Vorgaben oder sonstigen Verfassungsverbürgungen, insbesondere dem Gleichheitsgrundsatz, vereinbar ist.
Den Gestaltungsvorgaben des ArtI Abs2 und Abs3 BVG Rundfunk kommt es wesentlich auf die demokratische und kulturelle Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Gesamtrundfunkordnung an. Dabei hat die aus diesen Verfassungsbestimmungen folgende Funktions- und Finanzierungsverantwortung des Gesetzgebers für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk - auf Grund des Zusammenhanges zwischen dem verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff des ArtI Abs1 BVG Rundfunk und den daran anknüpfenden Garantien der Absätze 2 und 3 dieses Bundesverfassungsgesetzes - Rundfunk iSd ArtI Abs1 BVG Rundfunk vor Augen.
Eine Finanzierung über Programmentgelt, wie sie das ORF-G derzeit vorsieht, also durch Verpflichtung aller potentiellen Nutzerinnen und Nutzer der Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, zu seiner Finanzierung beizutragen, hat auch einen die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit sichernden Aspekt. Bei dieser Finanzierung über Programmentgelt ist es wesentlich, dass grundsätzlich alle, die Rundfunk iSd BVG Rundfunk potentiell empfangen und damit über Rundfunk am öffentlichen Diskurs - auf den die umfassende Rundfunkfreiheit, die das BVG Rundfunk vor Augen hat, abstellt und um dessentwillen dieses Bundesverfassungsgesetz entsprechende Garantien für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorsieht - teilhaben können, in die gesetzliche Finanzierung des ORF einbezogen werden, und nicht eine wesentliche Gruppe aus Gründen der Nutzung eines bestimmten, nach dem Stand der Technik gängigen Verbreitungsweges ausgenommen wird.
Angesichts der Zielsetzungen, die ArtI Abs2 BVG Rundfunk dem Gesetzgeber für die Gestaltung der Rundfunkordnung vorgibt, umfasst diese Gewährleistungspflicht auch Rundfunkprogramme, die, wenn sie auch die publizistische Komponente des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs des ArtI Abs1 BVG Rundfunk erfüllen, über das Internet verbreitet werden. Nach Stand und Entwicklung der Kommunikationstechnologie ist, worauf der ORF zu Recht hinweist, "Internet-Rundfunk" mit "Broadcasting-Rundfunk" im Hinblick auf die Zielsetzungen des BVG Rundfunk vergleichbar. Geht der Gesetzgeber in Wahrnehmung seiner Finanzierungsverantwortung für den ORF von einer Finanzierung über ein Programmentgelt aus, dann darf er im Hinblick auf die Vorgaben des BVG Rundfunk nicht ein für die Rundfunkordnung insgesamt wesentliches Nutzungsverhalten von dieser Finanzierungsverpflichtung ausnehmen, weil er damit die Finanzierungslast bei grundsätzlich vergleichbarer Teilhabemöglichkeit im Lichte der Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wie sie das BVG Rundfunk vor Augen hat, maßgeblich ungleich verteilt.
Zwar ist der Gesetzgeber bei einer Finanzierung des ORF über Programmentgelt gehalten, die Verpflichtung zur Leistung des Programmentgeltes im Hinblick auf einen Empfang von Rundfunkprogrammen des ORF über das Internet näher und differenziert auszugestalten. Die gänzliche Ausnahme maßgeblich möglicher kommunikativer Teilhabe an den Programmen des ORF ist aber mit einem teilhabeorientierten Finanzierungssystem, wie es der Gesetzgeber im Wege des Programmentgeltes mit Blick auf die Unabhängigkeitsvorgaben des BVG Rundfunk gewählt hat, und damit mit dessen Anforderungen nicht vereinbar.
Indem die maßgeblichen Bestimmungen in §31 Abs10 ORF-G in Verbindung mit §31 Abs17 und Abs18 ORF-G bewirken, dass Personen, die die Programme des ORF nur über das Internet nutzen können, deswegen nicht zur Entrichtung des Programmentgeltes verpflichtet sind, verstoßen sie gegen die dargestellten Vorgaben des BVG Rundfunk.
Zur Beseitigung des festgestellten Verfassungsverstoßes ist es ausreichend, jene Bestimmungen im ORF-G aufzuheben, die die Verpflichtung zur Leistung des Programmentgeltes an die im RGG geregelte Verpflichtung zur Entrichtung von Rundfunkgebühren binden. Der VfGH hat daher die angegebene Wortfolge in §31 Abs10 ORF-G idF BGBl I 126/2011 sowie §31 Abs17 idF BGBl I 50/2010 und, wegen des untrennbaren Zusammenhanges mit der Einhebung des Programmentgeltes auf die im RGG geregelte Weise, auch §31 Abs18 ORF-G idF BGBl I 50/2010 als verfassungswidrig aufzuheben.
(Quasi-Anlassfall E846/2022, E v 14.12.2022).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Rundfunk, Medienrecht, Rundfunkfreiheit, Rundfunkgebühren, Meinungsäußerungsfreiheit, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Verwerfungsumfang, VfGH / Weg zumutbarer, Eventualantrag, VfGH / Individualantrag, VfGH / FristsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:G226.2021Zuletzt aktualisiert am
17.02.2023