TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/27 94/10/0180

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Veröffentlicht am 27.11.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;
70/06 Schulunterricht;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
SchUG 1986 §75 Abs1;
SchUG 1986 §75 Abs3;
SchUG 1986 §75 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
ZPO §271 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der Eleni F in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 15. November 1994, Zl. 4150/47-I/2d/94, betreffend Anerkennung der Gleichwertigkeit eines ausländischen Zeugnisses, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am 13. Oktober 1994 beantragte die Beschwerdeführerin beim Bundesminister für Unterricht und Kunst, ihr vom Lyzeum Thessaloniki ausgestelltes Reifezeugnis als einem österreichischen Reifezeugnis gleichwertig anzuerkennen.

Über diesen Antrag entschied die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid, dessen Spruch - soweit hier von Belang - wie folgt lautet:

"Das Abschlußzeugnis vom 15. Juni 1994, ausgestellt vom Gymnasium in Thessaloniki für Eleni F. wird gemäß § 75 Abs. 1 des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. 472/1986, nach erfolgreicher Ablegung der im folgenden angeführten Prüfungen als einem Reifezeugnis eines österreichischen Oberstufenrealgymnasiums mit ergänzendem Unterricht in Biologie und Umweltkunde, Physik sowie Chemie gleichwertig anerkannt.

Nach Ablegung dieser Prüfungen gewährt das nostrifizierte Zeugnis gemäß § 75 Abs. 5 leg. cit. die gleichen Berechtigungen wie das österreichische Reifezeugnis, mit dem es gleichgehalten wird.

Die Nostrifikation wird nach dem Nachweis der erfolgreichen Ablegung der im folgenden angeführten Prüfungen gemäß § 75 Abs. 6 leg. cit. auf dem Zeugnis (oder auf einem damit fest verbundenen Anhang) beurkundet.

Sofern nicht anders angeführt, erstreckt sich der Stoff dieser Prüfungen auf den Stoff der Oberstufe. Die Anerkennung (Nostrifikation) ist von der erfolgreichen Ablegung folgender Prüfungen abhängig:

1.

Deutsch

2.

Mathematik (8. Klasse)

3.

Biologie und Umweltkunde (8. Klasse)"

In der Begründung wird nach auszugsweiser Wiedergabe von § 75 SchUG dargelegt, die "abgelegten Prüfungen" entsprächen nur zum Teil den Anforderungen für ein Zeugnis, mit dem die Gleichhaltung angestrebt werde. Der Gegenstand Deutsch sei nicht, der Gegenstand Biologie und Umweltkunde nicht ausreichend nachgewiesen. Der Gegenstand Mathematik sei in der "Panhellenischen Matura" negativ abgeschlossen. Die Nostrifikation sei daher von der erfolgreichen Ablegung der im Spruch erwähnten Prüfungen abhängig zu machen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt der Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin im Recht verletzt, daß ihr Reifezeugnis dem Reifezeugnis eines österreichischen Oberstufenrealgymnasiums mit ergänzendem Unterricht in Biologie und Umweltkunde, Physik sowie Chemie gleichwertig anerkannt werde, ohne daß dies von der erfolgreichen Ablegung einer Prüfung in Mathematik (Stoff der 8. Klasse) abhängig gemacht werde; in einem ergänzenden Schriftsatz wird ausdrücklich darauf verwiesen, daß die Prüfungen in Deutsch sowie Biologie und Umweltkunde "akzeptiert" würden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 75 Abs. 1 erster Satz SchUG sind Zeugnisse über einen im Ausland zurückgelegten Schulbesuch oder über im Ausland abgelegte Prüfungen von Personen mit ordentlichem Wohnsitz im Inland oder von österreichischen Staatsbürgern mit ordentlichem Wohnsitz im Ausland auf deren Ansuchen vom Bundesminister für Unterricht und Kunst mit einem Zeugnis über einen Schulbesuch oder die Ablegung von Prüfungen im Sinne dieses Bundesgesetzes als gleichwertig anzuerkennen (Nostrifikation), wenn glaubhaft gemacht wird, daß die Nostrifikation für das Erlangen einer angestrebten Berechtigung oder eines angestrebten Anspruches erforderlich ist und die in den folgenden Bestimmungen festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Nach § 75 Abs. 3 leg. cit. hat der Bundesminister für Unterricht und Kunst zu prüfen, ob der Schulbesuch und die abgelegten Prüfungen den Anforderungen für ein Zeugnis entsprechen, mit dem die Gleichhaltung angestrebt wird. Soweit den Anforderungen nach Abs. 3 nur zum Teil entsprochen wird, ist zufolge § 75 Abs. 4 leg. cit. die Nostrifikation vom erfolgreichen Besuch einzelner Schulstufen oder Unterrichtsgegenstände als außerordentlicher Schüler oder von der erfolgreichen Ablegung von Prüfungen abhängig zu machen.

Im Grunde des § 75 Abs. 3 SchUG war es Aufgabe der belangten Behörde, zu prüfen, ob der Schulbesuch der Beschwerdeführerin und die von ihr abgelegten Prüfungen den Anforderungen für jenes Zeugnis entsprechen, mit dem sie die Gleichhaltung begehrte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Februar 1988, Slg. 12624/A).

Gemäß § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Nach § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Das auf Grund der Bestimmungen des § 75 Abs. 1, 3 und 4 SchUG in Betracht kommende ausländische Recht ist als Tatsache anzusehen. Die Ermittlung dieses Rechtes ist Gegenstand der Beweisaufnahme, deren Ergebnis dem Parteiengehör im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG unterliegt (vgl. das Erkenntnis vom 21. Dezember 1987, Zl. 87/10/0157).

Im angefochtenen Bescheid wird die beantragte Nostrifikation von der erfolgreichen Ablegung einer Prüfung abhängig gemacht. Dem Standpunkt der Beschwerdeführerin wurde somit nicht vollinhaltlich Rechnung getragen. Der angefochtene Bescheid war daher zu begründen (vgl. § 58 Abs. 2 AVG). Nach § 60 AVG hatte die belangte Behörde dabei die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Den oben dargelegten Anforderungen wird weder das der Erlassung des Bescheides vorangegangene Verfahren noch die Begründung des angefochtenen Bescheides gerecht. Was die im Beschwerdefall maßgebende Frage betrifft, ob die Nostrifikation von der Ablegung einer Prüfung im Gegenstand Mathematik (Stoff der 8. Klasse) abhängig gemacht werden durfte, erschöpft sich die Begründung des angefochtenen Bescheides in dem Hinweis, der Gegenstand Mathematik sei in der "Panhellenischen Matura" negativ abgeschlossen worden. Dieser Hinweis läßt nicht erkennen, auf Grund welcher Ermittlungsergebnisse und auf Grund welcher rechtlichen Überlegungen (vgl. hiezu die Erkenntnisse vom 24. März 1980, Zl. 2121/77, vom 22. März 1993, Zl. 92/10/0403, und vom 29. März 1993, Zl. 92/10/0149) die belangte Behörde zu der Schlußfolgerung gelangte, der Schulbesuch der Beschwerdeführerin und die von ihr abgelegten Prüfungen entsprächen nicht den Anforderungen für das Zeugnis, mit dem die Gleichhaltung angestrebt werde.

Kommt die belangte Behörde ihrer oben umschriebenen Begründungpspflicht nicht nach, dann ist einerseits die Beschwerdeführerin, da sie über die Ergebnisse des Beweisverfahrens und die für die rechtliche Subsumtion maßgebenden Erwägungen keine Kenntnis erlangt, an der Verfolgung ihrer Rechte gehindert, andererseits der Verwaltungsgerichtshof nicht in der Lage, die Prüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes vorzunehmen. An diesem Ergebnis vermögen die Darlegungen in der Gegenschrift der belangten Behörde nichts zu ändern, da die Nachholung der Begründung in der Gegenschrift einen dem bekämpften Bescheid anhaftenden wesentlichen Begründungsmangel nicht sanieren kann (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 21. Dezember 1987, Zl. 87/10/0157).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991, auf deren Ansätze - nach Inkrafttreten der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 - die Beschwerde sich bezieht. Das Mehrbegehren betreffend den Ersatz von Stempelgebühren war abzuweisen, da dieser nur im Rahmen jener Gebührenansprüche zusteht, die auf Grund der Beibringung der notwendigen Gleichschriften und Beilagen entstehen. Der mit der Einbringung eines ergänzenden Schriftsatzes verbundene Aufwand ist durch den pauschalen Ersatz für Schriftsatzaufwand abgegolten.

Schlagworte

Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel AllgemeinBegründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelSachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994100180.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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