TE Lvwg Erkenntnis 2020/9/7 VGW-152/022/4522/2020 , VGW-152/022/5720/2020, VGW-152/022/5721/2020, VG

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Veröffentlicht am 07.09.2020
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Entscheidungsdatum

07.09.2020

Index

41/02 Staatsbürgerschaft
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

StbG 1985 §10a Abs1 Z1
StbG 1985 §10a Abs4
StbG 1985 §16 Abs1
StbG 1985 §17 Abs1 Z2
VwGVG §8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Dr. Lehner über die Säumnisbeschwerden

1. des A. B. (geb.: 1975, StA: Ägypten) betreffend das Verfahren der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, Zl. …, hinsichtlich des Antrags auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft,

2. der C. D. (geb.: 1983, StA: Ägypten), vertreten durch A. B., betreffend das Verfahren der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, Zl. …, hinsichtlich des Antrags auf Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft,

3. der mj. E. B. (geb.: 2005, StA: Ägypten), vertreten durch deren Vater A. B., betreffend das Verfahren der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, Zl. …, hinsichtlich des Antrags auf Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft,

4. der mj. F. B. (geb.: 2008, StA: Ägypten), vertreten durch deren Vater A. B., betreffend das Verfahren der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, Zl. …, hinsichtlich des Antrags auf Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft,

5. der mj. G. B. (geb.: 2015, StA: Ägypten), vertreten durch deren Vater A. B., betreffend das Verfahren der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, Zl. …, hinsichtlich des Antrags auf Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und

6. der mj. H. B. (geb.: 2017, StA: Ägypten), vertreten durch deren Vater A. B. (Vater), betreffend das Verfahren der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, Zl. …, hinsichtlich des Antrags auf Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft,

zu Recht erkannt:

I.       Gemäß § 10a Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz (StbG), BGBl. 311/1985 idF BGBl. I 68/2017, iVm §§ 7 Abs. 2 Z 2 und 10 Abs. 2 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I 68/2017, wird der Antrag des A. B. (geb.: 1975, StA: Ägypten) auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen.

II.      Gemäß § 16 Abs. 1 StbG, BGBl. 311/1985 idF BGBl. I 38/2011, wird der Antrag der Frau C. D. (geb.: 1983, StA: Ägypten) auf Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen.

III.    Gemäß § 17 Abs. 1 StbG, BGBl. 311/1985 idF BGBl. I 136/2013, werden die Anträge der mj. E. B. (geb.: 2005, StA: Ägypten), der mj. F. B. (geb.: 2008, StA: Ägypten), der mj. G. B. (geb.: 2015, StA: Ägypten) und der mj. H. B. (geb.: 2017, StA: Ägypten) auf Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen.

IV.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Gang des Verfahren

Im Zuge einer persönlichen Vorsprache bei der belangten Behörde am 21.12.2017 stellten A. B. (im Folgenden: Erstbeschwerdeführer) und C. D. (im Folgenden Zweitbeschwerdeführerin) die folgenden Anträge: „Ich A. B., geboren 1975, und ich C. D., geboren 1083, ersuchen, uns die österreichische Staatsbürgerschaft zu verleihen und diese Verleihung auf unsere minderjährigen Kinder E. B., geboren 2005, F. B., geboren 2008, G. B., geboren 2015 und H. B., geboren 2017 zu erstrecken“.

Die belangte Behörde führte in der Folge notwendige Abfragen aus diversen Registern durch und stellte Anfragen an verschiedene Behörden, deren Mitwirkung am Verfahren notwendig war.

Mit E-Mail vom 21.3.2018 wies der rechtsfreundliche Vertreter gegenüber der belangten Behörde auf ein aufrechtes Vollmachtsverhältnis hin und ersuchte darum allfällige Anforderungen von Unterlagen an ihn zu richten.

Auch der Erstbeschwerdeführer legte in den folgenden Monaten mehrmals aus eigenem Antrieb weitere Unterlagen betreffend seine Einkommensverhältnisse vor.

Mit Schreiben vom 15.7.2019, das vom Erstbeschwerdeführer persönlich übernommen wurde, forderte die belangte Behörde den Erstbeschwerdeführer auf, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Wohnsitzfinanzamtes und „Kontoauszüge über die Zahlung der Insolvenzzahlungen“ zu übermitteln.

Mit E-Mail vom 14.10.2019 legte eine Vertreterin des Erstbeschwerdeführers eine Vollmacht (jedoch keine Zustellvollmacht) vor und ersuchte um rasche Verfahrenserledigung.

Mit Schreiben vom 17.10.2019 forderte die belangte Behörde den Erstbeschwerdeführer zu Handen seines bisherigen Vertreters auf weitere Unterlagen vorzulegen.

Mit E-Mail vom 17.10.2019 teilte der bisherige Vertreter des Erstbeschwerdeführers mit, dass das Vollmachtsverhältnis mit dem Erstbeschwerdeführer bereits im Mai 2019 aufgelöst worden war.

In der Folge richtete die belangte Behörde mit Schreiben vom 18.10.2019 die Anforderung von weiteren Unterlagen direkt an den Erstbeschwerdeführer.

Mit Schreiben vom 4.11.2019 reichte der Erstbeschwerdeführer Teile der geforderten Unterlagen nach, verwies hinsichtlich der geforderten gleichlautenden Personenstandsdokumente und der Bestätigung der Botschaft darauf, dass diese bereits mehrfach vorgelegt wurden und sich, wie aufgrund der Akteneinsicht bekannt, bereits im Akt befänden. Hinsichtlich der geforderten B1-Integrationsprüfungszeugnisse wurde darauf verwiesen, dass bereits B1-Sprachzertifikate sowie Zeugnisse der Staatsbürgerschaftsprüfung vorgelegt wurden und B1-Integrationsprüfungszeugnisse daher nicht erforderlich seien.

Mit Schreiben vom 5.12.2019 wies die belangte Behörde den Erstbeschwerdeführer darauf hin, dass entgegen dessen Vorbringen noch keine gleichlautenden Personenstandsdokumente vorgelegt wurden und forderte den Erstbeschwerdeführer erneut zur Vorlage von gleichlautenden Personenstandsdokumenten und mit Hinweis auf die gesetzlichen Grundlagen zur Vorlage von B1-Integrationsprüfungszeugnissen auf.

Mit Schreiben vom 21.1.2020 nahm der Erstbeschwerdeführer dazu Stellung indem er ausführte, dass er bereits mehrfach Bestätigungen der ägyptischen Botschaft vorgelegt wurden, aus denen hervorgehe, dass sich die unterschiedlichen Schreibweisen der Namen aus der Transkription der arabischen Schrift ergeben, die Personen jedoch dieselben seien. Ebenso erörterte der Erstbeschwerdeführer erneut seine Rechtsauffassung, wonach B1-Integrationsprüfungszeugnisse nicht erforderlich seien und die belangte Behörde auch bei einer anderen Rechtsaufassung verpflichtet sei, innerhalb der sechsmonatigen Frist eine Entscheidung zu erlassen.

Mit Schreiben vom 27.1.2020, welches am 4.2.2020 der der Post übergeben wurde und am 6.2.2020 bei der belangten Behörde einlangte, erhob der Erstbeschwerdeführer Säumnisbeschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.

Mit Schreiben vom 3.4.2020, beim Verwaltungsgericht Wien eingelangt am 14.4.2020, legte die belangte Behörde die Säumnisbeschwerde dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor und teilte mit, von der Möglichkeit der Nachholung des Bescheides Abstand zu nehmen.

Mit Schreiben vom 30.4.2020 forderte das Verwaltungsgericht Wien den Erstbeschwerdeführer auf, Unklarheiten in den Begehren der verfahrenseinleitenden Anträge und der Säumnisbeschwerde zu beseitigen.

Dieser Aufforderung kam der Erstbeschwerdeführer mit Schreiben vom 13.5.2020 nach und nahm zum Inhalt der Anträge und zum Umfang der Säumnisbeschwerde dahingehend Stellung, dass er mit dem verfahrenseinleitenden Antrag die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft beantrage und seine Ehefrau, sowie die gemeinsamen minderjährigen Kinder die Erstreckung der Verleihung. Die Säumnisbeschwerde beziehe sich auf die Verfahren aller Familienmitglieder. Diese Erklärung ist sowohl vom Erstbeschwerdeführer als auch von der Zweitbeschwerdeführerin unterzeichnet. Zudem wurde eine Vollmacht der Zweitbeschwerdeführerin vorgelegt.

Mit Schreiben vom 27.5.2020 forderte das Verwaltungsgericht Wien den Erstbeschwerdeführer zur Vorlage von Unterlagen, insbesondere eines Nachweises für die Erfüllung der Integrationsvereinbarung nach § 10 Abs. 2 IntG durch den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin, auf.

Am 17.6.2020 legte der Erstbeschwerdeführer weitere Unterlagen vor, insbesondere vom Amt der Wiener Landesregierung ausgestellte Zeugnisse des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin über die positive Absolvierung der Prüfung über die Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und des Landes Wien gemäß § 10a StbG sowie ein B1-Zertifikat des ÖSD betreffend den Erstbeschwerdeführer und ein B1-Zeugnis des Internationalen Kulturinstituts betreffend die Zweitbeschwerdeführerin.

II. Sachverhalt

Der Erstbeschwerdeführer erwarb am 16.3.2013 ein Zertifikat des ÖSD in Wien über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERS).

Der Erstbeschwerdeführer absolvierte am 13.3.2017 erfolgreich die Prüfung über die Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und des Landes Wien gemäß § 10a StbG.

III. Beweiswürdigung

Der Inhalt des Deutschzertifikates und des Prüfungszeugnisses ergibt sich aus den diesbezüglichen vorgelegten Kopien.

Der Erstbeschwerdeführer hat trotz wiederholter Aufforderung durch die belangte Behörde und das Verwaltungsgericht Wien keine Nachweise für die Erfüllung der Integrationsvereinbarung nach § 10 Abs. 2 IntG vorgelegt, sodass insbesondere keine Feststellungen hinsichtlich einer erfolgreichen Absolvierung der Integrationsprüfung getroffen werden konnten. Im Übrigen wurde vom Erstbeschwerdeführer auch nicht behauptet, dass er eine Integrationsprüfung absolviert habe.

IV. Erwägungen

1.       Zur Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes zur Entscheidung in der Sache

Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin stellten am 21.12.2017 mehrere Anträge, die auf die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Beschwerdeführer und die Beschwerdeführerinnen abzielten. Der Inhalt der Anbringen war aber insofern undeutlich, als nicht klar war, ob die Zweitbeschwerdeführerin die selbstständige Verleihung der Staatsbürgerschaft oder eine Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft vom Erstbeschwerdeführer beantragt hat. Sollte die selbstständige Verleihung an die Zweitbeschwerdeführerin beantragt worden sein, war zudem unklar, ob die Erstreckung auf die mj. Kinder (Dritt- bis Sechstbeschwerdeführerinnen) vom Erstbeschwerdeführer oder von der Zweitbeschwerdeführerin beantragt wurde.

Weist ein Anbringen einen undeutlichen Inhalt auf, so hat die Behörde nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofe gemäß §§ 37 und 39 Abs 2 AVG durch Herbeiführung einer entsprechenden Erklärung (VwSlg 11.625 A/1984 verst Sen) den wahren Willen des Einschreiters festzustellen (VwGH 20. 2. 1998, 96/15/0127; 28. 7. 2000, 94/09/0308; 19. 1. 2011, 2009/08/0058), diesen also zu einer Präzisierung aufzufordern (VwGH 26. 2. 1991, 90/04/0277; 19. 11. 1998, 98/19/0132; 3. 10. 2013, 2012/06/0185; VfSlg 14.965/1997) bzw zum Inhalt einzuvernehmen (VwGH 30. 4. 1999, 95/21/0931; 30. 6. 2004, 2004/04/0014; 28. 6. 2010, 2008/10/0002). Die Aufforderung zur Klarstellung hat – im Rahmen des Verfahrensgegenstandes (vgl. § 66 Abs 4 AVG) – durch die Berufungsbehörde zu ergehen, wenn die erste Instanz ihrer Aufgabe nicht nachgekommen ist (VwGH 29. 6. 2011, 2010/12/0213; zum Verwaltungsgericht vgl §§ 27 f VwGVG). Die Klarstellung des in diesem Sinn mit einem Anbringen tatsächlich Gewollten ist so lange möglich, „als darüber noch keine (rechtskräftige) Entscheidung getroffen wurde“ (VwGH 27. 9. 2011, 2010/12/0142), dh solange der Antrag noch oder (auf Grund eines Rechtsmittels) wieder offen ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 13, Rz 39 [Stand 1.1.2014, rdb.at]).

Dementsprechend wurde der Erstbeschwerdeführer mit Schreiben des Verwaltungsgerichtes Wien vom 30.4.2020 aufgefordert den Inhalt der verfahrenseinleitenden Anträge und den Umfang der Säumnisbeschwerde klarzustellen. Dem kamen der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin mit Schreiben vom 13.5.2020 nach, in dem sie erklärten, dass mit den verfahrenseinleitenden Anträgen die Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Erstbeschwerdeführer, sowie die Erstreckung der Verleihung auf die Zweit- bis Sechstbeschwerdeführerinnen beantragt wurde.

Damit sind die verfahrenseinleitenden Anträge hinreichend klargestellt. Mit diesen Anträgen wurde die Entscheidungspflicht der belangten Behörde ausgelöst. Die belangte Behörde setzte nach dem Einbringen eine Reihe von Verfahrensschritten, insbesondere mehrere Ersuchen um Amtshilfe bei anderen Behörden, ohne aber die Verfahren abzuschließen. Soweit der Erstbeschwerdeführer aufgeforderte wurde konkrete Unterlage vorzulegen, kam der Erstbeschwerdeführer dem insofern stets innerhalb der gesetzten Frist nach, als er entweder die entsprechenden Unterlagen vorlegte oder ausführte, weshalb die Vorlage der angeforderten Unterlagen seiner Ansicht nach für den positiven Abschluss des Verfahrens nicht notwendig seien und er sie deshalb nicht vorlegen werde.

Am 6.2.2020 langte bei der belangten Behörde eine Säumnisbeschwerde ein. Zum Zeitpunkt der Erhebung der Säumnisbeschwerde traf die belangte Behörde seit mehr als 25 Monaten die Entscheidungspflicht und sie war seit über 19 Monaten säumig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in Fällen der Verletzung der Entscheidungspflicht zur Frage des überwiegenden Verschuldens der Behörde bereits ausgesprochen, dass der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs. 2 AVG bzw. nach § 8 Abs. 1 VwGVG 2014 nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern „objektiv“ zu verstehen ist, als ein solches „Verschulden“ dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war (VwGH 19.6.2018, Ra 2018/03/0021, mit Hinweis auf VwGH 16.3.2016, Ra 2015/10/0063). Das Verwaltungsgericht übersieht nicht, dass die belangte Behörde für den Abschluss der Verfahren auf die Mitwirkung zahlreicher anderer Behörden angewiesen ist und dass die zeitliche Koordination der Verfahrensergebnisse insbesondere bei mehreren parallel zu führenden aber voneinander abhängigen Verfahren, wie hier, eine Herausforderung darstellen kann. Dem ist aber entgegen zu halten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Verzögerungen durch eine an der Entscheidung mitwirkungsbefugten Behörde grundsätzlich nicht zur Entlastung der entscheidenden Behörde in Bezug auf ihre Entscheidungspflicht führen (vgl. VwGH 30.3.2018, Ro 2017/03/0033) und dass nicht nachvollziehbar ist, wieso der Erstbeschwerdeführer erstmalig mit Schreiben vom 18.10.2019 – somit 22 Monate nach Antragsstellung bzw. zu einem Zeitpunkt als die belangte Behörde bereits seit 14 Monaten säumig war, zur Vorlage weiterer für die Erledigung notwendiger Unterlagen aufgeforderte wurde.

Die Verzögerung ist daher weder durch unüberwindliche Hindernisse verursacht worden, noch durch das Verschulden der Parteien, die am Verfahren aktiv mitgewirkt hatten (VwGH 28.1.1992, Zl. 91/04/0125 u.a.).

Die Säumnisbeschwerde ist somit zulässig und begründet. Da die belangte Behörde auf die Erlassung der Bescheide gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG innerhalb von drei Monaten verzichtet und die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt hat, ist die Zuständigkeit zur Entscheidung in diesen Sachen mit Vorlage der Beschwerde am 14.4.2020 auf das Verwaltungsgericht Wien übergegangen (vgl. VwGH 28.03.2019, Ra 2018/14/0286 mwN).

2.       Zur anzuwendenden Rechtslage

Gemäß § 64a Abs. 28 StbG sind zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I 56/2018 anhängige Verfahren nach den Bestimmungen in der Fassung vor dem BGBl. I 56/2018 zu Ende zu führen. Da die nunmehr den Gegenstand der Beschwerdeverfahren bildende Verfahren seit 21.12.2017 anhängig sind und damit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BGBl. I 56/2018 mit 14.8.2018 bereits anhängig waren, ist auf diese die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des BGBl. I 56/2018 anzuwenden. Wird in der Folge die Abkürzung „StbG“ verwendet, so ist damit das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 idF BGBl. I 32/2018 gemeint.

Soweit das StbG, etwa in § 10a StbG Verweise auf andere Normen, insbesondere das Integrationsgesetz (und in weiterer Folge auf die Integrationsvereinbarungs-Verordnung), enthält, ist zu beachten, dass diese Verweise ebenfalls gemäß § 64a Abs. 28 StbG in der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des BGBl. I 56/2018 zu verstehen sind, sodass die verwiesenen Normen in der Fassung vom 13.8.2018 anzuwenden sind.

Gemäß § 64a Abs. 26 StbG trat § 10a Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 Z 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I 68/2017 mit 1.10.2017 in Kraft. § 10a StbG idF BGBl. I 68/2017 ist also Teil jener Rechtslage die gemäß § 64a Abs. 28 StbG auf die vorliegenden Fälle anzuwenden ist.

3.       Zum Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft

Gemäß § 10a Abs. 1 Z 1 StbG, BGBl. 311/1985 idF BGBl. I 68/2017, ist Voraussetzung jeglicher Verleihung der Staatsbürgerschaft der Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I 68/2017.

Gemäß § 7 Abs. 2 IntG idF BGBl. I 68/2017 besteht die Integrationsvereinbarung aus zwei aufeinander aufbauenden Modulen:

1.   das Modul 1 dient dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur vertieften elementaren Sprachverwendung auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und der Vermittlung der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung;

2.   das Modul 2 dient dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur selbständigen Sprachverwendung auf dem Sprachniveau B1 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und der vertieften Vermittlung der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung.

Gemäß § 10a Abs. 4 StbG BGBl. 311/1985 idF BGBl. I 68/2017 gilt der Nachweis nach Abs. 1 Z 1 als erbracht, wenn die deutsche Sprache die Muttersprache des Fremden ist oder der Fremde das Modul 2 der Integrationsvereinbarung nach § 10 Abs. 2 IntG erfüllt hat, auch wenn er nach dem Integrationsgesetz dazu nicht verpflichtet ist, und einen entsprechenden Nachweis vorlegt.

Gemäß § 10 Abs. 2 IntG idF BGBl. I 68/2017, ist das Modul 2 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1.   einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 12 vorlegt,

2.   einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 12 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,

3.   minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (§ 3 Abs. 3 Schulorganisationsgesetz (SchOG), BGBl. Nr. 242/1962) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat,

4.   minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§ 3 Abs. 4 SchOG) besucht und die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand „Deutsch“ durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist,

5.   einen mindestens fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich nachweist und das Unterrichtsfach „Deutsch“ positiv abgeschlossen hat oder das Unterrichtsfach „Deutsch“ auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen hat oder eine positive Beurteilung im Prüfungsgebiet „Deutsch – Kommunikation und Gesellschaft“ im Rahmen der Pflichtschulabschluss-Prüfung gemäß Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2012 nachweist,

6.   einen positiven Abschluss im Unterrichtsfach „Deutsch“ nach zumindest vierjährigem Unterricht in der deutschen Sprache an einer ausländischen Sekundarschule nachweist,

7.   über eine Lehrabschlussprüfung gemäß dem Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969, oder eine Facharbeiterprüfung gemäß den Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzen der Länder verfügt oder

8.   mindestens zwei Jahre an einer postsekundären Bildungseinrichtung inskribiert war, ein Studienfach mit Unterrichtssprache Deutsch belegt hat und in diesem einen entsprechenden Studienerfolg im Umfang von mindestens 32 ECTS-Anrechnungspunkten (16 Semesterstunden) nachweist bzw. über einen entsprechenden postsekundären Studienabschluss verfügt.

Mit dem Verweis in § 10a Abs. 1 Z 1 StbG auf § 7 Abs. 2 Z 2 IntG, BGBl. I 68/2017 wird das Niveau jener Deutschkenntnisse festgelegt, die Staatsbürgerschaftswerber erbringen müssen. In § 10a Abs. 4 StbG ist näher geregelt, wie ein Staatsbürgerschaftswerber den entsprechenden Nachweis erbringen kann. Dabei ist die Aufzählung in § 10a Abs. 4 StbG abschließend zu verstehen. Ist also die deutsche Sprache nicht die Muttersprache des Staatsbürgerschaftswerbers, so kann ein nicht gemäß § 10a Abs. 2 StbG von der Erfüllung der Sprachnachweise ausgenommener (volljähriger) Antragsteller den Nachweis der ausreichenden Sprachkenntnisse nur dadurch erbringen, indem er einen Nachweis für die erfolgreiche Erfüllung des Moduls 2 der Integrationsvereinbarung nach § 10 Abs. 2 IntG vorlegt.

Für dieses taxative Verständnis der Aufzählung in § 10a Abs. 4 StbG sprechen vor allem die Entstehungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien der Bestimmungen. In der ursprünglichen Fassung des § 10a StbG idF BGBl. I 124/1998 war vorgesehen, dass Voraussetzungen jeglicher Verleihung der Staatsbürgerschaft jedenfalls entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache unter Bedachtnahme auf die Lebensumstände des Fremden sind. Die Materialien (EB RV 1283 BlgNR 20. GP 8f) führen dazu näher aus: „Der neu eingefügte § 10a soll den Intentionen des Integrationspaketes Rechnung tragen und vermitteln, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft den Schlußpunkt einer erfolgreichen Integration in Österreich darstellt. Ein wesentliches – aber nicht ausschließliches – Indiz hiefür sind sicherlich Sprachkenntnisse. Diese Sprachkenntnisse werden nicht in Form einer Prüfung unter Beweis zu stellen sein. Die Sprachkenntnisse sind jedoch von der Behörde nach den Lebensumständen des Betroffenen zu beleuchten. Die Deutschkenntnisse eines leitenden Angestellten werden sich in der Regel von jenen einer Fremden unterscheiden, die im Familienverband lebt und den Haushalt führt. Solche – den Lebensumständen angepaßte – Sprachkenntnisse sind für jegliche Verleihung, also auch für die privilegierten Verleihungen des § 10 Abs. 4 Z 2 und Abs. 6 erforderlich.“ Gemäß § 10a StbG idF BGBl. I 124/1998 war also kein bestimmtes, für alle Staatsbürgerschaftswerber gleichermaßen gültiges Sprachniveau nachzuweisen, sondern nur jenes Sprachniveau, das es dem konkreten Staatsbürgerschaftswerber erlaubte, sich nach seinen konkreten Lebensumständen zurechtzufinden.

Diesem Modell folgte zuerst auch das mit BGBl. I 126/2002 erstmals ins Fremdengesetz 1997 (FrG 1997) eingefügte System einer „Integrationsvereinbarung“. § 50a Abs. 2 FrG 1997 idF BGBl. I 126/2002 lautete nämlich: „Die Integrationsvereinbarung dient der Integration auf Dauer niedergelassener Fremder. Sie bezweckt den Erwerb von Grundkenntnissen der deutschen Sprache (§ 10a StBG) zur Erlangung der Befähigung zur Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich. Diese Befähigung kann durch den Besuch eines Deutsch-Integrationskurses erworben werden.“ Die Materialien (EB RV 1172 BlgNR 21. GP 33) führen dazu näher aus: „Der Verweis auf § 10a Staatsbürgerschaftsgesetz nimmt auf den Umstand Bedacht, dass je nach beruflicher und privater Sozialisierung durchaus unterschiedliche Anspruchsniveaus an die Grundkenntnisse der deutschen Sprache der Fremden zu stellen sein werden.“ Beachtlich ist dabei zum einen, dass schon bei der Einführung der Integrationsvereinbarung der Besuch eines Deutsch-Integrationskurses, der gemäß § 50d Abs. 1 FrG 1997 idF BGBl. 126/2002 Sprach- und Werteinhalte umfasste, zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung vorgesehen war und dass gemäß § 50b Abs. 1 Z 6 FrG 1997 idF BGBl. I 126/2002 Drittstaatsangehörige, die anlässlich der Antragstellung für die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung oder weiteren Niederlassungsbewilligung mittels Sprachdiplom (Referenzrahmen A1, § 50d Abs. 1 und 4) nachwiesen, dass sie zur Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich befähigt sind, von der Verpflichtung zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung ausgenommen waren. Die Integrationsvereinbarung diente also schon damals dem Zweck, die Integration von Fremden durch den Erwerb von Werte- und Sprachkenntnissen soweit zu fördern, dass eine Einbürgerung möglich würde.

Mit dem Fremdenrechtspaket 2005 (BGBl. I 100/2005) und der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 (BGBl. I 37/2006) wurde das System umfassend novelliert. Zuerst wurde mit § 14 Abs. 2 NAG idF BGBl. I 100/2005 festgelegt, dass die Integrationsvereinbarung aus zwei aufeinander aufbauenden Modulen bestehen sollte, wobei das Modul 2 dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache und der Befähigung zur Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich diente. Gemäß § 14 Abs. 5 NAG idF BGBl. I 100/2005 war das Modul 2 (unter anderem) dann erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Deutsch-Integrationskurs besuchte und erfolgreich abschloss (Z 2) oder einen Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse vorlegte (Z 5). Ziel des Deutsch-Integrationskurses war gemäß § 8 Abs. 1 der Integrationsvereinbarungs-Verordnung (IV-V), BGBl. II 449/2005, die Erreichung des A2-Niveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, wie im Rahmencurriculum für Deutsch-Integrationskurse (Anlage B der IV-V) beschrieben. Im Vorwort zu diesem Rahmencurriculum wird unter anderen ausgeführt: „Beim Erlernen einer Sprache steht der Mensch im Mittelpunkt. Mit Kenntnissen der Sprache sind in der Regel besseres Verständnis für kulturelle Hintergründe und Einstellungen verbunden. Sprache kann – speziell im Falle eines Integrationskurses – nicht als reine Abstraktion vermittelt werden, sondern ist an das dahinter stehende Leben und den dahinter stehenden Lebensraum gekoppelt.“ Zudem setzte sich der inhaltliche Teil des Curriculums aus zwei Teilbereichen zusammen wobei der zweite Teilbereich „Staat und Verwaltung“ betitelt war und sich aus den Themen „Grundwerte einer europäischen demokratischen Gesellschaft, Staatsform, Politische Institutionen, Bundesländer, Bürokratiebewältigung, Sozialsystem in Österreich und Verträge“ zusammensetzte. Der Deutsch-Integrationskurs sollte nunmehr also Wertekenntnisse nicht mehr separat von den Sprachkenntnissen vermitteln, sondern ein Werteverständnis mit der Sprachvermittlung transportieren.

Anders als bisher wurde nun also in einer gemäß § 14 Abs. 6 NAG idF BGBl. I 100/2005 vom Bundesminister für Inneres erlassenen Verordnung festgelegt, dass für die Erfüllung des Moduls 2 ein einheitliches Sprachniveau zu erreichen war. So sah § 8 Abs. 1 und 2 der Integrationsvereinbarungs-Verordnung, BGBl. II 449/2005 vor, dass Ziel des Deutsch-Integrationskurses (Modul 2 der Integrationsvereinbarung) die Erreichung des A2-Niveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprache war und dass den Abschluss des Kurses eine Abschlussprüfung auf dem A2-Niveau bildete. § 9 der VO führte zudem näher aus, dass als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse im Sinne des § 14 Abs. 5 Z 5 NAG allgemein anerkannte Sprachdiplome oder Kurszeugnisse gelten sollten, wobei jede Einrichtung in dem von ihr auszustellenden Sprachdiplom oder Kurszeugnis schriftlich zu bestätigen hatte, dass der betreffende Fremde über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest auf A2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügte. Ohne eine solche Bestätigung galt der Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß Abs. 3 nicht als erbracht.

Aufbauend auf diese Systemänderung wurde auch § 10a StbG mit der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 (BGBl. I 37/2006) grundlegend neu gefasst und im Wesentlichen in jenes System gebracht, das auch heute noch besteht. Gemäß § 10a Abs. 1 StbG idF BGBl. I 37/2006 war Voraussetzung jeglicher Verleihung der Staatsbürgerschaft der Nachweis der Kenntnis der deutschen Sprache (Z 1) und von Grundkenntnissen der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes (Z 2). Gemäß Abs. 4 galt der Nachweis nach Abs. 1 Z 1 als erbracht, wenn die deutsche Sprache die Muttersprache des Fremden ist oder der Fremde das Modul 2 der Integrationsvereinbarung nach § 14 Abs. 5 Z 2 bis 5 und 7 NAG in der damaligen Fassung erfüllt hat, auch wenn er nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz dazu nicht verpflichtet ist, und einen entsprechenden Nachweis vorlegt. Die Materialien zu § 10a Abs. 4 StbG (EB RV BlgNR 1189 22. GP 6) führen dazu aus: „Abs. 4 zeichnet die Möglichkeiten vor, die einem Staatsbürgerschaftswerber offen stehen, um den Nachweis der Kenntnisse der deutschen Sprache zu erbringen. Fremde mit deutscher Muttersprache sind von der Erbringung des Sprachkenntnisnachweises befreit (Z 1). Die Feststellung, ob die deutsche Sprache die Muttersprache des Fremden ist, obliegt der Entscheidung der Behörde. Fremde mit nichtdeutscher Muttersprache können den erforderlichen Sprachkenntnisnachweis nur durch die Erfüllung der Integrationsvereinbarung (§§ 14 ff. NAG) erbringen. Die verschiedenen Möglichkeiten, wie die Integrationsvereinbarung erfüllt werden kann, ergeben sich aus § 14 Abs. 5 NAG. Die Erfüllungsmöglichkeiten nach § 14 Abs. 5 Z 6 und 8 NAG sollen als Nachweis nicht genügen, da in diesen beiden Fällen ausreichende Deutschkenntnisse nicht erforderlich sind.“

Damit wurde also festgelegt, dass alle Staatsbürgerschaftswerber, die nicht gemäß § 10a Abs. 2 StbG von der Verpflichtung zum Sprachnachweis ausgenommen waren oder aufgrund ihrer Minderjährigkeit und einem entsprechenden Schulbesuch gemäß Abs. 3 den Nachweis erbrachten, das Modul 2 der Integrationsvereinbarung zu erfüllen hatten. Dieses war etwa dann erfüllt, wenn der Staatsbürgerschaftswerber einen Deutsch-Integrationskurs besucht hat (vgl. § 14 Abs. 5 Z 2 NAG idF BGBl. I 100/2005 iVm § 8 IV-V, BGBl. II 449/2005) oder ein allgemein anerkanntes Sprachdiplom oder Kurszeugnis über das Sprachniveau A2 des GERS vorlegen konnte (vgl. § 14 Abs. 5 Z 5 NAG idF BGBl. I 100/2005 iVm § 9 IV-V, BGBl. II 449/2005).

Das System des § 10a StbG in der damals neuen Fassung war auch insoweit schlüssig, als das Modul 2 der Integrationsvereinbarung in der damaligen Ausprägung vor allem auf den Spracherwerb ausgerichtet war und die Wertevermittlung nur eine untergeordnete Rolle im Zuge der Sprachvermittlung einnahm, sodass die Erfüllung des Moduls 2 als Nachweis für ausreichende Sprachkenntnisse herangezogen wurde, während für den Nachweis der Wertekenntnisse gemäß § 10a Abs. 1 Z 2 StbG eine eigene Prüfung gemäß § 10a Abs. 5 StbG geschaffen wurde.

Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 (BGBl. I 38/2011) wurde das System der Integrationsvereinbarung erneut angepasst. So wurde zwar die Gliederung in zwei Module beibehalten, der Inhalt der Module wurde aber weitgehend geändert. Diente das Modul 1 bisher dem Erwerb der Fähigkeit des Lesens und Schreibens (vgl. § 14 Abs. 2 Z 1 NAG idF BGBl. I 122/2009), so bestand das neue Ziel im Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur vertieften elementaren Sprachverwendung (vgl. § 14 Abs. 2 Z 1 NAG idF BGBl. I 38/2011). Diente Modul 2 bisher dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache und der Befähigung zur Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich (vgl. § 14 Abs. 2 Z 2 NAG idF BGBl. I 122/2009), so bestand das neue Ziel im Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur selbständigen Sprachverwendung (vgl. § 14 Abs. 2 Z 2 NAG idF BGBl. I 38/2011). Die näheren Bestimmungen zu den Inhalten der Module 1 und 2 der Integrationsvereinbarung waren zwar gemäß § 14 Abs. 3 NAG idF BGBl. I 38/2011 durch Verordnung des Bundesministers für Inneres festzulegen, die Materialien (EB RV 1078 BlgNR 24. GP 10) lassen aber keinen Zweifel daran, welche Niveaustufen der Gesetzgeber für die beiden Module mit den Umschreibungen in § 14 Abs. 2 Z 1 und 2 NAG idF BGBl. I 38/2011 vor Augen hatte: „Abs. 3 bestimmt, dass der Bundesminister für Inneres die näheren Inhalte der Module 1 und 2 mit Verordnung festzulegen hat. Entsprechend den in den Abs. 2 umschriebenen Sprachniveaus wird es sich dabei um das A2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (Modul 1) bzw. um das B1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (Modul 2) handeln.

Wie das Modul 2 der Integrationsvereinbarung erfüllt werden konnte, wurde im neu eingefügten § 14b Abs. 2 NAG idF BGBl. I 38/2011 geregelt. Dabei wurden zum Teil jene Tatbestände übernommen, die schon bisher gemäß § 14 Abs. 5 NAG idF BGBl. I 122/2009 als Möglichkeiten für die Erfüllung des Moduls 2 der Integrationsvereinbarung normiert waren, so auch die Möglichkeit einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über ausreichende Deutschkenntnisse (§ 14b Abs. 2 Z 1 NAG idF BGBl. I 38/2011) und die Möglichkeit einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse (§ 14b Abs. 2 Z 2 NAG idF BGBl. I 38/2011) vorzulegen. § 9 Abs. 1 IV-V idF BGBl. II 205/2011 regelte auch weiterhin, dass Zeugnisse von bestimmten Spracheinrichtungen insbesondere als entsprechende Nachweise anzusehen waren, wobei in Abs. 2 Z 2 nunmehr geregelt war, dass sich der Nachweis auf Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest auf B1-Niveau des GERS beziehen musste.

Weder in den einschlägigen Bestimmungen des NAG (§§ 14 bis 14b NAG) idF BGBl. I 38/2011 noch in der novellierten Integrationsvereinbarungs-Verordnung BGBl. II 205/2011 finden sich irgendwelche Vorgaben hinsichtlich einer Vermittlung von Wertekenntnissen im Rahmen des Moduls 2 der Integrationsvereinbarung. Das Modul 2 der Integrationsvereinbarung wurde also auf einen reinen Sprachnachweis reduziert.

Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 wurde auch § 10a StbG insofern angepasst, als in Abs. 1 Z 1 nun ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 2 NAG gefordert waren und ein entsprechender Nachweis gemäß Abs. 4 als erbracht galt, wenn der Fremde das Modul 2 der Integrationsvereinbarung nach § 14b Abs. 2 NAG erfüllt hat. Im Ergebnis hatten Staatsbürgerschaftswerber also weiterhin das Modul 2 der Integrationsvereinbarung zu erfüllen, was nun aber bedeutete, dass eine entsprechender Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds oder eine anerkannter Sprachnachweis auf der Niveaustufe B1 (oder die Erfüllung eines anderen Tatbestandes des § 14b Abs. 2 NAG idF BGBl. I 38/2011) nachzuweisen war. Eine „Relativierung“ des geforderten Sprachniveaus in dem Sinne, dass aufgrund der Wiederaufnahme des Begriffs „ausreichende Deutschkenntnisse“ in § 10a Abs. 1 Z 1 StbG eine Rückkehr zum System des Deutschnachweises iSd § 10a StbG idF 124/1998 ohne bestimmtes allgemein gültiges Sprachniveau geregelt wurde, ist damit aber nicht einher gegangen (vgl. die Diskussion bei Kind, in Ecker/Kind/Kvasina/Peyrl (Hrsg), StbG 1985, § 10a Rz 7ff.). Aus den Materialien zu § 14 NAG idF BGBl. I 38/2011 ergibt sich vielmehr, dass sich § 14 Abs. 2 Z 2 NAG auf ein bestimmtes Sprachniveau, nämlich B1 des GERS, bezieht (siehe dazu oben), sodass der Verweis in § 10a Abs. 1 Z 1 StbG idF BGBl. I 38/2011 nur so verstanden werden kann, dass diese Sprachniveau zu erreichen ist. Dazu kommt, dass der Sprachnachweis gemäß § 10a Abs. 4 StbG idF BGBl. I 38/2011 nur durch Erfüllung des Modul 2 der Integrationsvereinbarung erbracht werden kann, sodass für ein „Ermessen“ in dem Sinne, dass die Behörde selbstständig zu prüfen hatte, ob das geforderte Sprachniveau erreicht war, kein Platz blieb. Freilich blieb es aber der Behörde überantwortet zu beurteilen, ob ein vorgelegter Sprachnachweis den Anforderungen eines allgemein anerkannten Nachweises über ausreichende Deutschkenntnisse iSv § 14b Abs. 2 Z 2 NAG idF BGBl. I 38/2011 iVm § 9 Abs. 1 IV-V idF BGBl. II 205/2011 entsprach.

Mit BGBl. I 68/2017 wurde § 10a StbG schließlich in die auch in dieser Rechtssache anzuwendende Fassung gebracht. Dies ging mit der Erlassung des Integrationsgesetzes einher, mit dem die Bestimmungen über die Integrationsvereinbarung aus dem NAG herausgelöst und in das Integrationsgesetz übertragen wurden. Dabei wurde die Integrationsvereinbarung jedoch auch inhaltlich verändert, wie sich aus § 7 Integrationsgesetz idF BGBl. I 68/2017 ergibt. Zwar zielt die Integrationsvereinbarung wie schon bisher darauf ab, rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassene Drittstaatsangehörige zur Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich zu befähigen, anders als bisher soll dies aber nicht nur durch den Erwerb entsprechender Sprachkenntnisse, sondern auch durch den Erwerb von Kenntnissen über die demokratische Ordnung und der daraus ableitbaren Grundprinzipien bewirkt werden (vgl. § 7 Abs. 1 IntG idF BGBl. I 68/2017). In § 7 Abs. 2 IntG, BGBl. I 68/2017, wird auch die bisherige Gliederung in zwei aufeinander aufbauenden Module aufrechterhalten, wobei das Modul 2 dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur selbständigen Sprachverwendung auf dem Sprachniveau B1 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und der vertieften Vermittlung der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung dient.

§ 10 IntG, BGBl. I 68/2017, enthält die näheren Bestimmungen zur Erfüllung des Moduls 2 der Integrationsvereinbarung. Dabei orientierte sich der Gesetzgeber weitgehend an den schon bisher in § 14b Abs. 2 NAG enthaltenen Erfüllungsmöglichkeiten (vgl. zu § 10 Abs. 2 Z 3 bis 7 IntG die Materialien EB RV 1586 BlgNR 25. GP 7), nahm aber auch eine wesentliche Änderung vor. Die bisherige Möglichkeit das Modul 2 durch die Vorlage eines allgemein anerkannten Nachweises über ausreichende Deutschkenntnisse zu erfüllen, wurde nämlich nicht in die neue Bestimmung übernommen. § 10 Abs. 2 Z 1 und 2 IntG idF BGBl. I 68/2017 enthalten zwar sehr ähnlich lautende Bestimmungen wie § 14b Abs. 2 Z 1 und 2 NAG, haben aber einen anderen Inhalt. Gemäß der neuen Regelung ist die Integrationsvereinbarung auch dann erfüllte, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 12 IntG (§ 10 Abs. 2 Z 1 IntG idF BGBl. I 68/2017) oder einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 12 Abs. 4 IntG über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung (§ 10 Abs. 2 Z 2 IntG idF BGBl. I 68/2017) vorlegt.

Die inhaltlichen Anforderungen an die Erfüllung des Moduls 2 der Integrationsvereinbarung haben sich dadurch insoweit verändert, als die Integrationsprüfung gemäß § 12 Abs. 2 IntG nun nicht nur Sprach- sondern auch Werteinhalte umfasst. Der Drittstaatsangehörige muss „über vertiefte Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügen“. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig. Damit ist klar, dass reine Sprachprüfungen ohne Werteinhalte die Anforderungen an eine „Integrationsprüfungen“ iSv § 10 Abs. 2 Z 1 IntG,

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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