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L55002 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Kärnten;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des beim Amt der Kärntner Landesregierung eingerichteten Naturschutzbeirates, vertreten durch den Vorsitzenden, Landesrat H in K, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau vom 9. Jänner 1990, Zl. 5222/27/88, betreffend die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach dem Kärntner Naturschutzgesetz (mitbeteiligte Partei:
Stadtgemeinde Spittal an der Drau, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Die mitbeteiligte Stadtgemeinde beantragte mit Eingabe vom 16. Dezember 1988 bei der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau (belangte Behörde) die Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung zur Wiederinstandsetzung des sogenannten "Lauenbaches" in Rothenthurn und zur Vornahme von Aufschüttungsmaßnahmen auf den Grundstücken 63/2, 63/9, 63/4, 102/3, 102/4, 102/1, 63/8, 63/3 und 202/3 der KG Olsach. Sie beabsichtige,
1. gemäß dem Projektsentwurf des Wasserbauamtes Spittal an der Drau die Wiederinstandsetzung des "Lauenbaches" von Rothenthurn bis zur Gemeindegrenze; dabei würden Schilf- und Röhrichtbestände berührt, und
2. für die Schaffung von Bauland die Parzellen 63/2, 63/9, 63/4, 102/3, 102/4, 102/1, 63/8, 63/3 und 202/3 je KG Olsach im Ausmaß von 12.514,0 m2 (im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan als "Bauland - Wohngebiet" ausgewiesen) laut angeschlossenen Plänen der Stadtgemeinde Spittal an der Drau bis zu einer Höhe von 1,0 m aufzuschütten.
Da der Lauenbach seit geraumer Zeit nicht mehr gewartet werde, sei das Bachbett immer mehr zugewachsen. Infolge des verminderten Durchflußprofiles könne das anfallende Wasser nicht mehr ordnungsgemäß abgeführt werden. Aus diesem Grund komme es vor allem im Frühjahr bei der Schneeschmelze, aber auch bei starken Regenfällen im Bereich der Ortschaften Rothenthurn und Neuolsach zu Überschwemmungen von Wohnobjekten und öffentlichen Flächen.
Im Laufe des Verfahrens sprachen sich die vom Hochwasser bedrohten Grundeigentümer (Landwirte) für das beantragte Projekt vehement aus; die Österreichischen Bundesbahnen als Anrainer zu den betreffenden Grundstücken erhoben dagegen keine Einwendungen.
In der mündlichen Verhandlung vom 18. Jänner 1989 wurden folgende Stellungnahmen und Gutachten abgegeben:
Die Abteilung 20 (Landesplanung) des Amtes der Kärntner Landesregierung vertrat die Auffassung, bei der Anschüttungsfläche handle es sich überwiegend um ein Mosaik verschiedener Typen von Feuchtflächen, wie sie im § 8 des Kärntner Naturschutzgesetzes, Landesgesetzblatt Nr. 54/1986 (im folgenden: NSchG), als dem besonderen Schutz des Gesetzes unterliegend, aufgezählt seien. Gerade die Vielfältigkeit an in diesem Raum ausgebildeten Vegetationselementen weise diese Fläche als einen wertvollen Lebensraum aus, sodaß eine Ausnahme von den Verbotsbestimmungen des § 10 Abs. 3 lit. a NSchG aus Sachverständigensicht nicht geltend gemacht werden könne.
Die Naturschutzsachverständigen sprachen sich für den Fall der Bewilligung des Projekts "Aufschüttung", um die Schäden in der Natur möglichst gering zu halten, für mehrere Auflagen aus. Zur Wiederinstandsetzung wurde die Ansicht vertreten, im Einflußbereich des Lauenbaches hätten sich ausgedehnte Sumpfflächen entwickelt, welche sowohl als Schilfflächen wie auch als Großseggenbestände, und insbesondere auch Kleinseggenriede ausgebildet seien, welche aus der Sicht des Naturschutzes einen hohen Wert aufwiesen. Die vorgesehenen Maßnahmen würden zu einer zumindest teilweisen Zerstörung dieser Feuchtflächen führen. Sie seien als Entwässerung von Feuchtflächen im Sinne des § 8 NSchG anzusehen und stellten daher einen prinzipiell verbotenen Tatbestand dar.
Die Abteilung 18 (Wasserbau) des Amtes der Kärntner Landesregierung stellte fest, ein Projekt zum Hochwasserschutz des bestehenden Siedlungsgebietes, welches die Ableitung der Schadwässer mittels eines Rohrkanals in den Bahngraben vorsehe, wäre aus Wasserbaumitteln förderbar. Der Vertreter das Wasserbauamtes erklärte, eine schriftliche Stellungnahme betreffend einen Vergleich des beantragten Projekts und des von der Abteilung 18 des Amtes der Kärntner Landesregierung vorgeschlagenen Projektes auszuarbeiten und der Naturschutzbehörde zu übermitteln.
Die mitbeteiligte Stadtgemeinde brachte vor, die von der Aufschüttung betroffenen Grundstücksflächen dienten der Arrondierung des bestehenden Baugebietes (im Süden, Osten und Norden der Grundstücke sei eine Bebauung vorhanden). Sie mache daher öffentliche Interessen geltend. Auch seien die gegenständlichen Grundstücksflächen im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan als "Bauland - Wohngebiet" ausgewiesen. Die Mitbeteiligte erklärte sich bereit, die westlich der gegenständlichen Grundstücksflächen liegenden und in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke als geschützte Grünbestände ausweisen zu lassen. Sie wies überdies darauf hin, daß die von den Sachverständigen vorgeschlagenen Auflagen im Falle eines positiven Bewilligungsbescheides eingehalten werden würden.
Zur Wiederinstandsetzung des Lauenbaches führte die Mitbeteiligte aus, der Lauenbach diene zur Abführung der Hangwässer in Zeiten starker Niederschläge und der Schneeschmelze und gebe gleichzeitig dem südlich von diesem Bach gelegenen Wohngebiet und darüber hinaus den landwirtschaftlichen Nutzflächen einen entsprechenden Schutz vor Überflutung. Da der Lauenbach seit vielen Jahren nicht mehr im erforderlichen Maße geräumt worden sei, sei die Abführung der Niederschlagswässer in unschädlicher Weise für die angeführten Gebiete nicht mehr gegeben. Die Mitbeteiligte mache daher auch für die Räumung des Lauenbachs ein überwiegendes öffentliches Interesse geltend, da etwa acht Wohnhäuser sowie die dazugehörigen Zufahrten bzw. öffentlichen Wege von der Räumung des Lauenbachs profitieren würden.
Das Wasserbauamt Spittal an der Drau hielt in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 2. Februar 1989 dazu fest, daß, da für den Lauenbach als Gerinne eine Räumungs- und Instandhaltungspflicht durch die Anrainer (laut Wasserrechtsgesetz) bestehe, die geplante Ableitung der Schadwässer aus dem Siedlungsbereich (Variante A) über diesen - und nicht über ein eigenes Projekt B - sinnvoll sei, weil dadurch die Interessen der Anrainer und jene der Stadtgemeinde Spittal an der Drau verbunden werden könnten.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 7. März 1989 sprach sich die Abteilung 20 des Amtes der Kärntner Landesregierung aus der Sicht des Naturschutzes für die Ableitung der Schadwässer aus dem Siedlungsbereich mittels Rohrkanal aus und wies darauf hin, daß der Bahngraben ein geeigneter Vorfluter sein würde.
Mit dem am 21. April 1989 bei der belangten Behörde eingelangten Schreiben erklärte die Mitbeteiligte, sie halte nach wie vor an dem vom Wasserbauamt unter Projekt A dargelegten Vorhaben fest und betonte neuerlich, sie werde bei Vorliegen der naturschutzrechtlichen Genehmigung dieses Projekt für die Natur äußerst schonend durchführen.
Am 10. November 1989 langte bei der Behörde wiederum eine Stellungnahme der Abteilung 20 des Amtes der Kärntner Landesregierung ein. Die Naturschutzsachverständige sprach sich im wesentlichen nochmals für die "Variante B" aus, da diese zu keinen Beeinträchtigungen des Lauenbaches und seiner Umgebung führe.
Ebenfalls am 10. November 1989 langte bei der belangten Behörde eine Stellungnahme der Abteilung 18 (Wasserbau) des Amtes der Kärntner Landesregierung ein. Diese enthielt eine Kostenschätzung für die "Variante A" unter Berücksichtigung der Auflagen der Abteilung 20 des Amtes der Kärntner Landesregierung.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid erteilte die belangte Behörde der Mitbeteiligten die Bewilligung I) zur Wiederinstandsetzung des Lauenbaches in Rothenthurn und II) zur Vornahme von Anschüttungsmaßnahmen auf den Grundstücken 63/2, 63/9, 63/4, 102/3, 102/4, 102/1, 63/8, 63/3 und 202/3, alle KG Olsach, nach Maßgabe der eingereichten Pläne und Beschreibungen, die einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides bilden, unter nachstehenden Auflagen:
I) Auflagen zur Wiederinstandsetzung des Lauenbachs:
"1. Der derzeit in der Natur vorgegebene Bachlauf ist beizubehalten.
2. Damit nach erfolgter Räumung die Tiefen- und Breitenvarianz annähernd bleibt wie momentan, ist die Räumung händisch durchzuführen.
3. Der Uferbewuchs darf nur an einem Ufer und nur in unbedingt erforderlichem Ausmaß entfernt werden und ist unmittelbar nach Abschluß der Räumungsarbeiten wieder nachzupflanzen.
4. Das Aushubmaterial darf nicht entlang des Baches gelagert bzw. planiert werden, sondern ist zur Gänze abzutransportieren. Diese Auflage ist erforderlich, um die angrenzenden Feuchtflächen zu schützen.
5. Der Lauenbach ist derzeit als typisches Wiesengerinne ohne grobblockiges Material in Sohle und Böschung zu qualifizieren, welches eine ökomorphologische Wertigkeit von 1 aufweist. Die laut Projekt vorgesehenen Sohl- und Böschungssicherungen sind daher ausschließlich in Form von Lebendbauweisen und nicht durch Bruchsteinverlegung vorzunehmen.
6. Die in Form von Rohrdurchlässen geplanten Wegquerungen dürfen eine Länge von 4 m nicht überschreiten und der Durchmesser ist so ausreichend zu dimensionieren, daß sich im unteren Drittel das natürliche Sohlsubstrat ablagern kann. Dadurch soll sichergestellt werden, daß auch nach der Räumung die Organismendrift ungehindert möglich ist.
II) Auflagen für die Anschüttungsmaßnahmen:
1. Das die gegenständliche Fläche durchquerende Gerinne ist jedenfalle offen zu führen, wobei nach Möglichkeit eine naturnahe Linienführung einzuhalten ist. Es soll also von einer kanalartigen Ausgestaltung Abstand genommen werden.
2. Allfällig erforderliche Ufersicherungen im Bereiche dieses Gerinnes sind nach den heute gültigen Richtlinien für den naturnahen Wasserbau vornehmlich in Lebendbauweise auszuführen.
3. Durch die Anschüttung im gegenständlichen Bereich dürfen keinerlei Beeinträchtigungen für die angrenzenden Feuchtflächen entstehen, insbesondere sind alle Maßnahmen im Bereich des unter Punkt 1 und 2 genannten Gerinnes so auszuführen, daß eine entwässernde Wirkung auf die umliegenden Feuchtflächen verhindert wird.
4. Der Übergang der Anschlußfläche von Feuchtfläche zu Schüttfläche ist ohne große Höhenänderung flach verlaufend vorzunehmen.
5. Diese Übergangsflächen sind mit standortgemäßen Bäumen und Sträuchern zu bepflanzen.
6. Die Schüttung darf nur mit inertem Material vorgenommen werden.
III) Generelle Auflagen:
Für die zerstörten Feuchtflächen sind Ersatzflächen im Sinne des § 12 Abs. 1 des Kärntner Naturschutzgesetzes zu schaffen."
Die belangte Behörde führte in der Begründung ihres Bescheides im wesentlichen aus, durch die von der mitbeteiligten Stadtgemeinde geplanten Maßnahmen würden Feuchtflächen im Sinne des § 8 NSchG berührt. Nach auszugsweiser Wiedergabe der §§ 8 und 10 Abs. 3 lit. b NSchG führte die belangte Behörde weiters aus, die Stellungnahmen der zuständigen Amtssachverständigen für Naturschutz seien im Zuge des Ermittlungsverfahrens eingeholt worden. Aus der Sicht des Naturschutzes seien gegen das geplante Projekt zwar schwere Bedenken vorgebracht worden; die Naturschutzsachverständige habe sich für ein Alternativprojekt - die sogenannte Variante B - ausgesprochen, doch habe die mitbeteiligte Stadtgemeinde ein derartiges Projekt nicht eingereicht, sie habe vielmehr ausgeführt, daß sie am sogenannten Einreichprojekt (Projekt A) festhalten wolle. Auch der zuständige Sachverständige des Wasserbauamtes habe ausgeführt, daß für das geplante Projekt bzw. für eine Räumungs- und Instandhaltungspflicht des Lauenbachs die Ableitung der Schadwässer aus dem Siedlungsbereich gemäß der Variante A sinnvoller erscheine. Die Anrainer des Lauenbachs seien an der Räumung desselben interessiert, damit die derzeit auftretenden Überflutungen und zum Teil auch die Staunässe auf ihren landwirtschaftlichen Flächen verhindert würden. Die Wiederinstandsetzung des Lauenbachs bedeute demnach einen entsprechenden Schutz für das südlich des Baches gelegene Wohngebiet und darüber hinaus auch einen Schutz für die landwirtschaftlichen Nutzflächen vor Überflutung. Nach Ansicht des Vertreters der mitbeteiligten Stadtgemeinde sei eine unschädliche Abführung der Niederschlagswässer im betroffenen Gebiet derzeit nicht mehr möglich. Die vom Projekt "Aufschüttung" betroffenen Grundstücke seien im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan als "Bauland - Wohngebiet" ausgewiesen. Der Vertreter der mitbeteiligten Stadtgemeinde habe anläßlich der örtlichen mündlichen Verhandlung zu diesem Vorhaben ausgeführt, daß die Aufschüttung der beantragten Grundstücksflächen zur Arrondierung des bestehenden Baugebietes diene. Daher habe die mitbeteiligte Stadtgemeinde auch betreffend die Aufschüttung öffentliches Interesse bekundet. Bei der Abwägung des öffentlichen Interesses an den beantragten Maßnahmen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Bewahrung des betroffenen Feuchtgebiets vor störenden Eingriffen - unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohls - müsse davon ausgegangen werden, daß das öffentliche Interesse zur Wiederinstandsetzung des Lauenbachs zum Schutze der in diesem Bereich lebenden Bevölkerung höher zu bewerten sei, als das öffentliche Interesse an der Erhaltung der gegenständlichen Feuchtflächen. Ebenso sei dem öffentlichen Interesse an der Aufschüttungsmaßnahme auf den betroffenen Grundstücken der Vorzug gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Bewahrung der Feuchtflächen zu geben. Dies deshalb, weil die betroffenen Grundstücke im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan ohnehin als "Bauland - Wohngebiet" ausgewiesen seien, und die mitbeteiligte Stadtgemeinde durch diese Widmung bereits Interesse am Bauland in diesem Bereich ausdrücklich bekundet habe. Aus den oben angeführten Gründen gelange die Naturschutzbehörde daher zu der Erkenntnis, daß das öffentliche Interesse an den von der mitbeteiligten Stadtgemeinde eingereichten Projekten höher zu bewerten sei, als das öffentliche Interesse an der Erhaltung der gegenständlichen Feuchtflächen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die Mitbeteiligte hat von der Möglichkeit, eine Gegenschrift vorzulegen, insofern Gebrauch gemacht, als sie auf die in der mündlichen Verhandlung vom 18. Jänner 1989 abgegebene Stellungnahme verwies.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach dem mit "Schutz der Feuchtgebiete" überschriebenen § 8 NSchG ist in Moor- und Sumpfflächen, Schilf- und Röhrichtbeständen sowie in Au- und Bruchwäldern die Vornahme von Aufschüttungen, Entwässerungen, Grabungen und sonstigen, den Lebensraum von Tieren und Pflanzen in diesem Bereich nachhaltig gefährdenden Maßnahmen verboten. Gemäß § 10 Abs. 3 leg. cit. dürfen Ausnahmen von den Verboten des § 8 bewilligt werden, wenn
a) durch das Vorhaben weder das Landschaftsbild nachteilig beeinflußt würde, noch das Gefüge des Haushaltes der Natur im betroffenen Lebensraum oder der Charakter des betroffenen Landschaftsraumes nachhaltig beeinträchtigt würde oder
b) das öffentliche Interesse an der beantragten Maßnahme unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles höher zu bewerten ist, als das öffentliche Interesse an der Bewahrung des Feuchtgebietes vor störenden Eingriffen.
Der beschwerdeführende Naturschutzbeirat führt aus, die gegenständliche Entscheidung lasse sowohl jegliche Auseinandersetzung mit einem öffentlichen Interesse an den beantragten Maßnahmen als auch mit den öffentlichen Interessen an der Bewahrung des Feuchtgebietes vor störenden Eingriffen vermissen. Zur Begründung dieser Auffassung wird darauf verwiesen, daß im Ermittlungsverfahren keine Beweise im Zusammenhang mit der Bewertung des öffentlichen Interesses aufgenommen worden seien. Daher sei auch die Interessenabwägung mangelhaft. Es sei lediglich festgestellt worden, daß die Wiederinstandsetzung des Lauenbaches im Interesse der Anrainer liege, damit die auftretenden Überflutungen und die Staunässe auf ihren landwirtschaftlichen Flächen verhindert werde. Demnach stelle die Wiederinstandsetzung des Lauenbachs einen Hochwasserschutz für die südlich des Baches gelegenen Wohngebiete dar. Bezüglich des Aufschüttungsbereiches sei festgestellt worden, diese Flächen seien im Flächenwidmungsplan als "Bauland - Wohngebiet" ausgewiesen und sollten als "Baugebiet" arrondiert werden.
Nach Auffassung der beschwerdeführenden Partei lägen daher beide Maßnahmen (nur) in Interesse der Stadtgemeinde und es werde zwar durch die Flächenwidmung ein öffentliches Interesse dokumentiert, jedoch sei es nicht gerechtfertigt, aus der Widmung allein schon ein gegenüber dem Naturschutz höher zu bewertendes Gemeinwohlinteresse abzuleiten. Ferner fehlten konkrete Feststellungen, für welche räumlichen Bereiche, für welche Objekte, für welche Personenzahl eine Verbesserung der Situation durch die Wiederinstandsetzung eintreten würde und eine Quantifizierung des Gemeinwohlinteresses; auch sei eine Bedachtnahme auf § 9 Abs. 8 NSchG nicht erfolgt, die möglicherweise zur Variante B geführt hätte.
Dieses Vorbringen, das der Sache nach die mangelhafte Ermittlung und Feststellung der für Interessenabwägung gemäß § 10 Abs. 3 lit. b NSchG maßgebenden Faktoren und die Interessenabwägung rügt, ist berechtigt.
Eine dem Gesetz entsprechende Interessenabwägung erfordert, daß zunächst die für und gegen das Vorhaben sprechenden Argumente möglichst präzise und umfassend dargestellt und sodann einander gegenüber gestellt werden. In beiden Punkten erweist sich die Begründung des angefochtenen Bescheides als mangelhaft.
Die Wiederinstandsetzung bzw. Ausräumung des Lauenbaches, der nach dem Inhalt der Verwaltungsakten seit vielen Jahren nicht mehr im erforderlichen Maße geräumt wurde, wird von der belangten Behörde ausschließlich auf Grund des in der Bescheidbegründung wiedergegebenen Vorbringens der mitbeteiligten Stadtgemeinde als im öffentlichen Interesse gelegene Maßnahme gewertet. Auf Beweisergebnisse gegründete Feststellungen des Inhaltes, daß Überflutungen des Lauenbaches und zum Teil auch Staunässe auf landwirtschaftlichen Flächen auftreten, fehlen im angefochtenen Bescheid. Ohne derartige Feststellungen kann aber nicht beurteilt werden, ob die projektierte Wiederinstandsetzung (Räumung) des Lauenbaches tatsächlich einen Schutz für das südlich des Baches gelegene Wohngebiet und auch einen Schutz für die landwirtschaftlichen Nutzflächen vor Überflutung bedeutet. Bemerkt sei, daß - entsprechende Feststellungen vorausgesetzt - in diesem Fall ein öffentliches Interesse im Sinne der oben angeführten Ge1etzesbestimmung anzunehmen wäre.
Was die weitere Maßnahme, nämlich die Aufschüttung der näher bezeichneten Grundstücke anlangt, so gründet sich das von der belangten Behörde angenommene öffentliche Interesse lediglich darauf, daß diese Grundstücke im Flächenwidmungsplan als Bauland-Wohngebiet ausgewiesen sind und nach dem Vorbringen des Vertreters der mitbeteiligten Stadtgemeinde zur Arrondierung des bestehenden Baugebietes dienen. Das Vorliegen eines rechtskräftigen Flächenwidmungsplanes vermag aber ein öffentliches Interesse an einer dem Flächenwidmungsplan gemäßen Nutzung der betreffenden Grundstücke noch nicht zu begründen. Die Flächenwidmung kann zwar als Indiz für ein öffentliches Interesse an der Verbauung angesehen werden, vermag jedoch die Grundlage und das Ergebnis der von der Naturschutzbehörde vorzunehmenden Darstellung der Interessenlage und der Interessenabwägung nicht vorwegzunehmen (vgl. in diesem Zusammenhang das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. April 1995, Zl. 93/10/0187).
In die Interessenabwägung gemäß § 10 Abs. 3 lit. b NSchG wird die belangte Behörde, soweit es sich um die Maßnahmen zur Wiederherstellung des Lauenbaches handelt, auch das als "Variante B" bezeichnete Alternativprojekt einzubeziehen haben. Dies deshalb, weil das öffentliche Interesse an der beantragten Maßnahme dann nicht mehr höher zu bewerten ist, wenn mit einer den Umständen nach zumutbaren Maßnahme keine nachhaltige Beeinträchtigung (oder eine entscheidend geringere Beeinträchtigung) im Sinne des § 10 Abs. 3 lit. a NSchG verbunden wäre. Auch in diesem Zusammenhang fehlt es aber an entsprechenden Feststellungen.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und die belangte Behörde ihre Begründungspflicht und damit Verfahrensvorschriften verletzt hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel SachverhaltsermittlungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1990100059.X00Im RIS seit
19.09.2001