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16/02 RundfunkNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verletzung im Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit betreffend Verstöße gegen das Trennungs- und Erkennbarkeitsgebot durch die Ausstrahlung von Fernsehwerbung in anderen Sendungs- und Programmteilen; Verstoß eines – in einer Sendung ausgestrahlten – unkommentierten Werbespots für Restaurants in einem Einkaufszentrum gegen das Trennungsgebot sowie eines werblich gestalteten Beitrags über einen "Atemschutzmasken-Shop" gegen das Verbot der Schleichwerbung; kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz der unterschiedlichen werberechtlichen Regelungen für audiovisuelle Kommunikation und für traditionelle Printmedien im Hinblick auf die Entgeltlichkeit von Veröffentlichungen in PrintmedienRechtssatz
Trennungs- und Erkennbarkeitsgebote (werberechtliches Trennungsgebot des §43 Abs2 Audiovisuelle MediendiensteG (AMD-G) oder das Verbot der Schleichwerbung gemäß §31 Abs2 legcit zur Erkennbarkeit von Werbung in audiovisuellen Mediendiensten zur Sicherung der Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Massenmedien als "public watchdog" in der demokratischen Gesellschaft) greifen zwar in die durch Art10 EMRK geschützte Medienfreiheit ein, sie belasten die beschwerdeführende Partei aber nicht mit Nachteilen, die im Vergleich zum Gewicht der rechtfertigenden Gründe außer Verhältnis stünden.
Denkmögliche Anwendung des AMD-G: Das BVwG prüft, ob bei kommerzieller Kommunikation (Fernsehwerbung) eine Erwähnung oder Darstellung vorliegt, für die üblicherweise nach dem Verkehrsgebrauch Entgelt zu leisten wäre. Auch im Zusammenhang mit dem Verbot der Schleichwerbung gemäß §31 Abs2 AMD-G kommt es nicht notwendig darauf an, dass für den Bericht über den "Atemschutzmasken-Shop" tatsächlich ein Entgelt gezahlt wurde, sondern es stellt auf die durch den konkreten Inhalt und die Gestaltung des Beitrages erkennbare Absicht, einen Werbezweck zu erreichen. Diese Anwendung der Regelungen über das werberechtliche Trennungsgebot und das Verbot der Schleichwerbung hält sich bei der notwendigen Einzelfallbeurteilung im Rahmen jener Grenzen, die Art10 Abs2 EMRK der Regulierung audiovisueller kommerzieller Kommunikation vorgibt.
Die Definition der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation im AMD-G folgt den Vorgaben aus Art1 Abs1 lith RL über audiovisuelle Mediendienste. Angesichts der Unbedenklichkeit dieser Regelungen im Hinblick auf Art10 EMRK (und auch Art11 GRC), sieht der VfGH keinen Anlass für ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, zumal dessen Rsp im Zusammenhang mit dem Verbot von Schleichwerbung die vom BVwG vorgenommene Auslegung stützen dürfte.
Keine gleichheitsrechtlichen Bedenken gegen §43 Abs2 AMD-G bzw §31 Abs2 leg cit im Hinblick auf §26 MedienG: Diese Regelungen dienen dem Schutz der Rezipientinnen und Rezipienten sowie der Unabhängigkeit der (elektronischen) Massenmedien und der Sicherung der Glaubwürdigkeit ihrer Berichterstattung und damit der Sicherstellung eines offenen demokratischen Meinungsbildungsprozesses. Diese Gewährleistungen gelten auch für die Auslegung des §26 MedienG, sodass allenfalls dessen Bedeutung im Lichte des Art10 EMRK dahingehend in Rede steht, ob Unterschiede zwischen der werberechtlichen Regulierung audiovisueller Kommunikation und der Regelung des Kennzeichnungsgebotes für Werbung in Printmedien dahingehend bestehen, dass diese Kennzeichnungspflicht nur für Veröffentlichungen, für die (unmittelbar) tatsächlich ein Entgelt geleistet wird, den Anforderungen des Art10 EMRK Rechnung trägt.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Medienrecht, Meinungsäußerungsfreiheit, EU-Recht Richtlinie, Privatfernsehen, Werbung, InformationsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E992.2022Zuletzt aktualisiert am
15.02.2023