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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §879;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 28. Juli 1994, Zl. 121.114/4-7/94, betreffend Beendigung der Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG (mP: 1. Bund (BMWF),
2. WGKK, 3. AUVA, 4. PVA der Ang), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen von S 505,-- und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Aufwendungen von S 12.500,-- je binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 23. Juni 1993 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, daß die Pflichtversicherung des Beschwerdeführers (als Lehrbeauftragter an der Universität Wien) in der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG mit 31. März 1993 ende. Nach der Begründung sei der Beschwerdeführer auch im Wintersemester 1992/93 an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien tätig und ordnungsgemäß zur Pflichtversicherung gemeldet gewesen. Am 30. März 1993 sei vom Dekanat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien eine Abmeldung erstattet worden. Als Ende des Beschäftigungsverhältnisses und als Ende des Entgeltanspruches seien jeweils der 31. März 1993 angegeben worden. Begründet worden sei die Abmeldung mit "Ende des Lehrauftrages".
Mit Schreiben vom 11. Mai 1993 habe der Beschwerdeführer der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse u.a. mitgeteilt, daß er am 16. Dezember 1992 bei der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt einen Antrag auf Alterspension überreicht habe. Erst mit Schreiben vom 4. März 1993 habe ihm die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten mitgeteilt, daß er laufend durch den "Dienstgeber Bundesrechenamt (Sammelkonto Lehrbeauftragte)" pflichtversichert sei. Er habe hierauf seinen remunerierten Lehrauftrag fristlos zurückgelegt, was er schon früher getan hätte, wenn die Mitteilung früher ergangen wäre. Bis zum Zugang der Mitteilung vom 4. März 1993 habe er darauf vertraut, daß gemäß § 38 Abs. 4 UOG durch seinen Lehrauftrag ein Dienstverhältnis nicht begründet würde. Im Hinblick auf "diese Vertrauenslage" bitte er, ihn rückwirkend aus der Versicherung auszuscheiden.
Nach Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnisse vom 14. Dezember 1957, Zl. 1836/56, und vom 11. November 1959, Zl. 2463/56) heißt es in der Bescheidbegründung weiter, daß dem Beschwerdeführer seit Jahren, zuletzt in der Zeit vom 1. Oktober 1988 bis 31. März 1993 kontinuierlich und jeweils für ein ganzes Semester vom Bundesminister für Wissenschaft und Forschung remunerierte Lehraufträge erteilt worden seien. Nach der ständigen Spruchpraxis würden remunerierte Lehraufträge nur für volle Semester erteilt. Diese dauerten jeweils vom 1. Oktober bis 31. März (Wintersemester) und vom 1. April bis 30. September (Sommersemester). Die Bezahlung erfolge aufgrund monatlich fixer Remunerationen, wobei je Semester eine zusätzliche Remuneration als Sonderzahlung ausgezahlt werde. Der Auffassung des Beschwerdeführers, daß die Pflichtversicherung im Wintersemester 1992/93 bereits am 31. Dezember 1992 ende, könne nicht beigepflichtet werden, weil durch die Erteilung des Lehrauftrages der Lehrbeauftrage für das jeweils bestimmte Semester, also für volle sechs Monate, "Mitglied des Lehrkörpers im weiteren Sinne" werde und damit der Aufsichts- und Weisungsbefugnis des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung unterstellt sei. Die Remunerationen stellten einen nach bestimmten Zeitabschnitten festgesetzten Bezug dar, auf den noch Anspruch bestünde, wenn die Lehrveranstaltungen zum Beispiel krankheitshalber ausfallen müßten. Die Voraussetzungen für das Ende der Pflichtversicherung seien daher erst mit 31. März 1993 gegeben.
Der Beschwerdeführer erhob Einspruch: Es gehe um seinen Alterspensionsanspruch vom 1. Jänner 1993 bis 31. März 1993, der (insoweit) davon abhänge, daß er nicht in einer Pensionsversicherung pflichtversichert gewesen sei. Er habe (lediglich) verabsäumt, gleichzeitig mit der Beendigung seines Vertragsbedienstetenverhältnisses (31. Dezember 1992) auch seinen wöchentlichen zweistündigen Lehrauftrag zurückzulegen. Da gemäß § 38 Abs. 4 Satz 2 UOG ein Dienstverhältnis durch die Tätigkeit eines Lehrbeauftragten nicht begründet werde, könne der Beschwerdeführer auch nicht Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG sein. § 38 Abs. 4 Satz 2 UOG erfasse "generell und ausnahmslos alle Bereiche des Arbeits- und Sozialrechts, in denen es auf ein Dienstgeber/Dienstnehmer-Verhältnis ankommt". Da alle gesetzlichen Regelungen zum Schutz von Dienstnehmern für Lehrbeauftragte nicht gelten würden, sei kein Grund ersichtlich, warum Lehrbeauftragte gerade und nur sozialversicherungsrechtlich "Dienstnehmer" sein sollten, in allen übrigen Bereichen des Arbeits- und Sozialrechts dagegen nicht.
Dieser Einspruch langte am 28. Juli 1993 bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ein. Diese legte den Einspruch am 19. August 1993 (Eingangsdatum) dem Landeshauptmann von Wien (Magistratsabteilung 15) vor. Die Einspruchsbehörde übermittelte den Vorlagebericht der Gebietskrankenkasse mit Schreiben vom 19. August 1993 dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme, erließ jedoch in der Folge keinen Einspruchsbescheid. Am 27. Februar 1994 (eingelangt beim Bundesminister für Arbeit und Soziales am 28. Februar 1994) beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 2 AVG den Übergang der Entscheidungspflicht über den Einspruch an den Bundesminister für Arbeit und Soziales.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 28. Juli 1994 gab der Bundesminister für Arbeit und Soziales dem Einspruch des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse. In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde in diesem Bescheid die Auffassung, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Lehrbeauftragter mit remuneriertem Lehrauftrag in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 und § 4 Abs. 2 ASVG stehe (Hinweis auf die Erkenntnisse vom 7. September 1979, Zl. 1104/77, und vom 19. Februar 1991, Zl. 89/08/0097). Der letzte Satz des § 38 Abs. 4 UOG, wonach "ein Dienstverhältnis hiedurch nicht begründet wird", schließe die erwähnte sozialversicherungsrechtliche Qualifikation nicht aus, zudem es hier nur auf den sozialversicherungsrechtlichen Begriff Dienstverhältnis ankomme. Dem Beschwerdeführer sei darin nicht zu folgen, daß der Begriff des Dienstverhältnisses im Sinne des UOG sowohl das Arbeitsrecht als auch das gesamte Sozialrecht umfasse. Dem Beschwerdeführer sei nach einer Auskunft des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung der strittige remunerierte Lehrauftrag für das Wintersemester 1992/93 (Pflichtübung aus Handelsrecht) erteilt worden; die Remunerationen für solche Lehraufträge seien gemäß § 7 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 11. Juli 1974 über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, BGBl. Nr. 463/74, jeweils in sechs Monatsraten auszuzahlen (Wintersemester:
1. Oktober bis 31. März, Sommersemester: 1. April bis 30. Juni bzw. Sommersemester allein: 1. März bis 31. August). Der Beschwerdeführer habe daher für seinen remunerierten Lehrauftrag des Wintersemesters 92/93 vom 1. Oktober 1992 bis 31. März 1993 einen Entgeltanspruch gehabt, sodaß die Versicherungspflicht mit dem zuletzt genannten Datum geendet habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in der von ihr erstatteten Gegenschrift - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich wiederholt mit der Versicherungspflicht von Lehrbeauftragten an Hochschulen bzw. Universitäten beschäftigt. Er hat dabei - noch unter der Geltung des Hochschulorganisationsgesetzes - in seinem Erkenntnis vom 4. Dezember 1957, Slg. Nr. 4495/A, die Tätigkeit einer Person als Träger eines remunerierten Lehrauftrages im Sinne des § 18 des genannten Gesetzes als der Versicherungspflicht unterliegend angesehen (so auch in Erkenntnissen vom 21. Dezember 1960, Zl. 1580/59, und vom 7. September 1979, Zl. 1104/77). Auf dem Boden dieser Rechtsprechung ging der Verwaltungsgerichtshof in der Folge auch davon aus, daß die Tätigkeit von Personen, die nach § 38 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit Abs. 4 UOG mit der Abhaltung bestimmter Lehrveranstaltungen wissenschaftlichen Charakters aufgrund eines remunerierten Lehrauftrages gemäß § 43 UOG betraut seien, diesbezüglich ebenfalls nach § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG versicherungspflichtig seien. Diese Rechtsauffassung liege auch dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1983, G 94/82, zugrunde. Der letzte Satz in § 38 Abs. 4 UOG, wonach "ein Dienstverhältnis jedoch nicht begründet wird", schließe die erwähnte sozialversicherungsrechtliche Qualifikation nicht aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1985, Slg. Nr. 11648/A).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung vermögen die neuerlich auf § 38 Abs. 4 Satz 2 UOG gestützten Argumente des Beschwerdeführers nicht zu überzeugen: Für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 ASVG ist es zwar erforderlich, daß ein Beschäftigungsverhältnis "in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt" vorliegt (und insoweit eine Identität der Merkmale mit einem Dienstvertrag gegeben ist), nicht jedoch, daß dieses Beschäftigungsverhältnis auf einem wirksamen Arbeitsvertrag beruht. Ob dieser Arbeitsvertrag aufgrund bestimmter gesetzlicher Verbote (z.B. aufgrund des Ausländerbeschäftigungsgesetzes) nichtig oder aus anderen Gründen nicht wirksam zustande gekommen ist (etwa deshalb, weil in einem GESETZ ausdrücklich festgelegt wird, daß ein Dienstverhältnis nicht begründet wird), macht bei dieser Beurteilung keinen Unterschied. Der Ausspruch des Gesetzes, daß durch Erteilung eines Lehrauftrages ein Dienstverhältnis nicht begründet wird, bedeutet lediglich, daß die arbeitsrechtlichen Rechte und Pflichten aus einem Dienstverhältnis und die an den wirksamen Bestand eines solchen anknüpfenden gesetzlichen Bestimmungen nicht anzuwenden sind. Ein fehlendes Dienstverhältnis im Sinne des Arbeitsvertragsrechtes (gleichgültig aus welchem Grund) schließt jedoch nicht aus, ein solches in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit tatsächlich durchgeführtes Beschäftigungsverhältnis als versicherungspflichtig im Sinne des § 4 ASVG zu werten, zumal die Versicherungspflicht das Bestehen eines wirksamen Arbeitsvertrages nicht voraussetzt.
Da gemäß § 11 Abs. 1 ASVG die Versicherungspflicht nach ASVG mit dem Ende des Entgeltanspruches (im Falle des Beschwerdeführers unbestrittenermaßen der 31. März 1993) endet, hat die belangte Behörde zu Recht das Ende des Dienstverhältnisses erst mit 31. März 1993 angenommen. Da der Beschwerdeführer ausdrücklich nur die Feststellung seiner Versicherungspflicht nach § 4 ASVG bekämpft, ist die Frage, ob die belangte Behörde auch das Ende der Arbeitslosenversicherungspflicht zu Recht mit 31. März 1993 angenommen hat, nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Besondere Rechtsprobleme Verhältnis zu anderen Normen Materien Sozialversicherung Zivilrecht Vertragsrecht Dienstnehmer Begriff Lehrtätigkeit Vortragstätigkeit Dienstnehmer Begriff Persönliche AbhängigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994080243.X00Im RIS seit
27.11.2000