TE Vwgh Beschluss 1995/11/28 95/04/0221

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Veröffentlicht am 28.11.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
50/02 Sonstiges Gewerberecht;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
GewO 1973 §359a idF 1993/029;
GewO 1973 §359a;
GewRNov 1992 Art4 Abs10;
GewRNov 1992 Art4 Abs11;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, in der Beschwerdesache der F Gesellschaft m.b.H. in S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 25. September 1995, Zl. V/1-BA-9357/4, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Parteien: H und DH in P sowie 13 weitere Mitbeteiligte), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Bescheid des "Magistrates" der Stadt St. Pölten vom 31. März 1993 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1973 i.V.m. § 77 Abs. 1 GewO 1973 die Genehmigung für den Um- und Neubau eines Spanplattenwerkes in U auf den näher bezeichneten Grundstücken unter Vorschreibung von Auflagen erteilt, wobei ein Probebetrieb in einer Dauer von jeweils mindestens zwölf Monaten nach Fertigstellung jeder Baustufe gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1973 angeordnet und die Betriebsbewilligung vorbehalten wurde.

Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführerin sowie die mitbeteiligten Parteien Berufung erhoben.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde den Berufungen insofern zum Teil Folge gegeben, als verschiedene Veränderungen in den dem erstbehördlichen Bescheid beigegebener Nebenbestimmungen vorgenommen wurden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der u.a. geltend gemacht wird, die dem angefochtenen Bescheid beigegebene Rechtsmittelbelehrung, wonach eine weitere Berufung zulässig sei, sei unrichtig, weil ausgehend von der Rechtslage nach der Gewerberechtsnovelle 1992 in der vorliegenden Sache der administrative Instanzenzug erschöpft sei. Gemäß § 359a GewO 1994 gehe der administrative Instanzenzug nur dann bis zum Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, wenn eine Bewilligung von der Bezirksverwaltungsbehörde erteilt, vom Landeshauptmann hingegen nicht erteilt bzw. von der Bezirksverwaltungsbehörde nicht erteilt, vom Landeshauptmann hingegen erteilt worden sei. Genau dies treffe im vorliegenden Fall nicht zu, da sowohl die Bezirksverwaltungsbehörde als auch der Landeshauptmann die Bewilligung erteilt hätten. Art. IV Abs. 10 der Gewerberechtsnovelle 1992 ergebe nur Sinn, wenn man sie dahingehend auslege, daß gemeint sei, "in erster Instanz noch nicht abgeschlossen", weil eine Anwendung auf bereits rechtskräftig abgeschlossene Verfahren nicht möglich sei. Da das gegenständliche Verfahren vor dem Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1992, d.h. vor dem 1. Juli 1993 in erster Instanz abgeschlossen worden sei, "ist daher die Beschränkung des Rechtsmittelzuges des § 359a Gewerbeordnung anwendbar und die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde daher zulässig".

Die Beschwerde ist nicht zulässig.

Nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die im Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG normierte Prozeßvoraussetzung der Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges zur Folge, daß immer nur der Bescheid, der von der nach der gesetzlichen Ordnung des Instanzenzuges in Betracht kommenden Behörde der höchsten Organisationsstufe erlassen worden ist, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten werden kann, nicht aber ein in der Angelegenheit ergangener Bescheid einer Verwaltungsbehörde in niederer Instanz (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 6. November 1995, Zl. 95/04/0198, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Gemäß Art. IV Abs. 10 der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, sind die die Verfahren betreffend Betriebsanlagen und die Zuständigkeit zur Durchführung dieser Verfahren regelnden Bestimmungen der Gewerberechtsnovelle 1992, von der hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme des Abs. 11 abgesehen, auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gewerberechtsnovelle 1992, das ist der 1. Juli 1993, noch nicht abgeschlossene Verfahren betreffend Betriebsanlage nicht anzuwenden.

Die Frage, welches Recht von der Behörde anzuwenden ist, ist eine Auslegungsfrage jener Bestimmungen, die den zeitlichen Anwendungsbereich zum Gegenstand haben. Sie kann sich aber auch aus dem Regelungstatbestand der Norm, um deren Anwendung es geht, implizit ergeben, oder wenn auf einen bestimmten Zeitpunkt oder einen bestimmten Zeitraum abgestellt wird. Ergibt sich hieraus keine Lösung, gilt die Zweifelsregel, daß das im Entstehungszeitpunkt in Geltung stehende Recht anzuwenden ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1987, Zl. 86/08/0115). Die Rechtsmittelbehörde hat daher im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden, insbesondere dann, wenn keine Übergangsbestimmungen dahin vorliegen, daß auf anhängige Verfahren noch das bisherige Gesetz anzuwenden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 1990, Zl. 89/18/0155). Gerade eine derartige (abweichende) Übergangsregel, daß nämlich auf noch nicht abgeschlossene Verfahren das neue Recht nicht anzuwenden ist, trifft Art. IV Abs. 10 Gewerberechtsnovelle 1992. Schon deshalb ist nicht zu finden, daß - wie die Beschwerdeführerin meint - diese Übergangsbestimmung nur einen Sinn ergebe, wenn sie einschränkend als "in erster Instanz noch nicht abgeschlossen" ausgelegt werde. Das von der Beschwerdeführerin vertretene Auslegungsergebnis verbietet sich auch aus dem Bedeutungszusammenhang und der Gesetzessystematik. Die vom Art. IV Abs. 10 abweichende Regel des Abs. 11 zeigt nämlich, daß nach dem in den Gesetzesvorschriften zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers zwischen "noch nicht abgeschlossenen Verfahren" und "in erster Instanz anhängigen Verfahren" bewußt differenziert wird. Heißt es doch im Art. IV Abs. 11 Gewerberechtsnovelle 1992:

"Die Bestimmungen des Art. I Z. 158 (§ 359b) sind auf Verfahren betreffend Betriebsanlagen, die im Fall des § 359b Abs. 1 im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes, im Falle des § 359b Abs. 2 oder 3 im Zeitpunkt des Inkrafttretens der auf Grund des § 359b Abs. 2 oder 3 zu erlassenden Verordnung noch nicht abgeschlossen sind, nur dann anzuwenden, wenn diese Verfahren im Zeitpunkt des Inkraftretens dieses Bundesgesetzes (für den Fall des § 359b Abs. 1) oder im Zeitpunkt des Inkrafttretens der gemäß § 359b Abs. 2 oder 3 zu erlassenden Verordnung (für den Fall des § 359b Abs. 2 oder 3) in erster Instanz anhängig sind und überdies noch keine Augenscheinsverhandlung anberaumt und den Nachbarn bekanntgegeben worden ist."

Da, wie sich aus der eingangs wiedergegebenen Darstellung des Ganges des Verwaltungsverfahrens ergibt, am 1. Juli 1993 das Verfahren noch nicht abgeschlossen war, ist auf den vorliegenden Fall, soweit es die die Verfahren betreffend Betriebsanlagen und die Zuständigkeit zur Durchführung dieser Verfahren regelnden Bestimmungen betrifft, die Rechtslage anzuwenden, wie sie vor Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1992 bestanden hat. Gemäß der somit anzuwendenden Bestimmung des § 359a Z. 5 GewO 1973 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992 geht in den Fällen, in denen bei Verfahren betreffend Betriebsanlagen in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde zuständig ist, der administrative Instanzenzug bis zum Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, wenn es sich um ein Verfahren über ein Ansuchen um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage (§ 81) handelt.

Da somit der im Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG normierte Tatbestand der Erschöpfung des Instanzenzuges nicht gegeben ist, erweist sich die Beschwerde als nicht zulässig. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Besondere Rechtsgebiete Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995040221.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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