TE Lvwg Erkenntnis 2022/8/23 LVwG-AV-940/001-2022

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Veröffentlicht am 23.08.2022
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Entscheidungsdatum

23.08.2022

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Dr. Wessely, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn A gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 4. August 2022, Zl. ***, betreffend Befreiung vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG keine Folge gegeben.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig (§ 25a VwGG).

Entscheidungsgründe:

Bisheriger Verfahrensgangs:

Der Beschwerdeführer wurde entsprechend dem GSchG für die Jahre 2023/2024 für das Amt als Geschworener bzw. Schöffe ausgelost. Mit Schreiben vom 24. Februar 2022 beantragte er eine Befreiung von diesem Amt und führte begründend aus, in Deutschland als Montagetischler zu arbeiten, sodass die Anreise nach Österreich (Distanz 880 km) zu weit wäre. Als Wohnanschrift gab er seinen (auch im Zentralmelderegister vermerkten) Hauptwohnsitz in ***, ***, an.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag ab, nachdem der Beschwerdeführer einem Auftrag, eine Bestätigung des Dienstgebers und eine Meldebestätigung vorzulegen, nicht nachkam. In seiner als „Einspruch“ titulierten Beschwerde verwies er darauf, er habe die Bestätigung des Dienstgebers urlaubsbedingt erst später einholen können und übermittelte diese in der Anlage. Die genannten Unterlagen schloss er der entsprechenden E-Mail jedoch nicht an.

Im Zuge des Beschwerdeverfahrens legte er über Aufforderung des Landesverwaltungsgerichts eine Bestätigung der B GmbH, ***, vor, mit der diese bestätigt, dass der Beschwerdeführer seit 1. Februar 2021 im Unternehmen tätig sei und bei den Kunden bestellte Küchen montiere. Eine Freistellung des Beschwerdeführers sei nicht möglich, da mit den Kunden feste Termine vereinbart würden und für den Beschwerdeführer kein Ersatz bereitgestellt werden könne. Unter einem übermittelte er eine Meldebestätigung, der zufolge er über eine „alleinige Wohnung“ an einer näher genannten Adresse in *** verfüge.

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in das Zentralmelderegister, in die seitens des Beschwerdeführers vorgelegten Unterlagen und in den Internetauftritt der B GmbH (***).

Feststellungen Beweiswürdigung:

Demnach steht folgender Sachverhalt fest: Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger und verfügt seit 2018 über einen Hauptwohnsitz in ***, ***. Er ist darüber hinaus seit 26. August 2021 an einer näher genannten Adresse in *** als alleinige Wohnung aufrecht gemeldet und in *** als Montagetischler bei der B GmbH, ***, tätig. Das Unternehmen verfügt über 15 Monteure einschließlich des Beschwerdeführers.

Diese Feststellungen gründen sich auf die unbedenklichen Verfahrensakten und vorgelegten Unterlagen, die Feststellungen zur personellen Ausstattung der B GmbH, ***, auf den Internetauftritt.

Daraus ergibt sich in rechtlicher Hinsicht:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht – sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist – die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen; andernfalls – zufolge § 31 Abs. 1 VwGVG – mit Beschluss. Soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen und nach § 28 Abs. 2 VwGVG grundsätzlich in der Sache zu entscheiden. Relevant ist dabei im Bescheidbeschwerdeverfahren – nach h.M. (i.d.S. auch VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076) – regelmäßig die in seinem Entscheidungszeitpunkt geltende Sach- und Rechtslage, sodass diesbezügliche Änderungen – zum Vor- und Nachteil des Beschwerdeführers (VwGH 27.3.2007, 2007/18/0059) – zu berücksichtigen sind.

Das Amt eines Geschworenen oder Schöffen ist nach § 1 GSchG ein Ehrenamt; seine Ausübung ist Mitwirkung des Volkes an der Rechtsprechung und in der demokratischen Republik Österreich allgemeine Bürgerpflicht.

Von diesem Amt sind nach § 4 Z 2 GSchG auf Antrag für einen Zeitraum von höchstens zwei Jahren (Geltungsdauer der Jahreslisten nach § 12) Personen zu befreien, bei denen die Erfüllung ihrer Pflicht als Geschworene oder Schöffen mit einer unverhältnismäßigen persönlichen oder wirtschaftlichen Belastung für sie selbst oder Dritte oder mit einer schwerwiegenden und nicht anders abwendbaren Gefährdung öffentlicher Interessen verbunden wäre.

Der Gesetzgeber hat demnach ganz offenkundig in Kauf genommen, dass die Heranziehung der Geschworenen oder Schöffen – grundsätzlich in einem fünf Verhandlungstage pro Jahr nicht übersteigenden zeitlichen Ausmaß – für diese Personen auf Grund ihrer zeitlichen Inanspruchnahme bestimmte persönliche oder wirtschaftliche Nachteile mit sich bringt. Solche Nachteile haben die Verpflichteten selbst, aber – bei unselbstständig Erwerbstätigen – auch deren Dienstgeber grundsätzlich in Kauf zu nehmen, sofern die persönliche bzw. wirtschaftliche Belastung nicht unverhältnismäßig bzw. unzumutbar wird (VwSlg 15.533 A/2000).

Im konkreten Fall gründet der Beschwerdeführer seinen Antrag primär auf die Distanz seines Aufenthalts- und Arbeitsortes in Deutschland nach Österreich, zum anderen darauf, dass er im Unternehmen unabkömmlich sei. Beide Überlegungen verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg. So ist zunächst davon auszugehen, dass der Umstand einer allenfalls auch längeren Anreise für sich weder in persönlicher noch in wirtschaftlicher Hinsicht einen unverhältnismäßigen Nachteil darstellt (vgl. VwGH 31.5.1999, 99/10/0048 [Aufenthaltsort Mexiko]). Sieht man davon ab, dass die Distanz in angemessener Frist auch per KFZ oder Bahn überwunden werden kann, kann nicht übersehen werden, dass der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz nach wie vor in Österreich hat und diese Adresse auch der belangten Behörde gegenüber als Adresse angab. Alleine der Umstand berufsbedingter Auslandsaufenthalte bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung eines inländischen Hauptwohnsitzes genügt daher grundsätzlich nicht, eine Befreiung zu rechtfertigen.

Fraglich könnte eine Begründung über die zumindest mittelbar (im Wege der Bestätigung des Dienstgebers) geltend gemachte Unabkömmlichkeit am Arbeitsplatz sein. I.d.S können sich auf § 4 Z 2 GSchG unselbständig Erwerbstätige dann stützen, wenn auf ihre Mitarbeit auch für den Fall bloß kurzfristiger Abwesenheit auf Grund besonders gelagerter Umstände nicht verzichtet werden kann (VwGH 31.5.1999, 99/10/0048). Derartige besondere Umstände vermögen aber im vorliegenden Fall nicht erkannt zu werden, sondern handelt es sich bei den durch den vorübergehenden Ausfall des Dienstnehmers bewirkten wirtschaftlichen Nachteilen für den Dienstgeber (etwa durch notwendige Terminverschiebungen), die von diesem grundsätzlich hinzunehmen sind (VwSlg 15.533 A/2000). Sofern im Übrigen – aus welchen Gründen immer – eine sofortige Rückreise aus dem Ausland im Einzelfall nicht möglich sein sollte, sind diese Fälle im Lichte des § 16 Abs. 1 GSchG zu beurteilen. Dass jedoch jede Abreise von vornherein mit einer unverhältnismäßigen persönlichen oder wirtschaftlichen Belastung verbunden sei, kann nicht gesagt werden. Der Beschwerde war demnach kein Erfolg beschieden.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil die durchgeführte rechtliche Beurteilung aufgrund der obzitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung erfolgte.

Schlagworte

Schöffenamt; Ehrenamt; Befreiung; unverhältnismäßige Belastung; Arbeitsort;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.940.001.2022

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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