TE Lvwg Erkenntnis 2022/11/23 LVwG-S-611/001-2022

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.11.2022
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Entscheidungsdatum

23.11.2022

Norm

StVO 1960 §4
StVO 1960 §31
  1. StVO 1960 § 4 heute
  2. StVO 1960 § 4 gültig ab 01.06.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 37/2019
  3. StVO 1960 § 4 gültig von 01.09.2012 bis 31.05.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 50/2012
  4. StVO 1960 § 4 gültig von 01.07.2005 bis 31.08.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 52/2005
  5. StVO 1960 § 4 gültig von 19.01.2002 bis 30.06.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 32/2002
  6. StVO 1960 § 4 gültig von 01.07.1996 bis 18.01.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996
  7. StVO 1960 § 4 gültig von 01.05.1986 bis 30.06.1996 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 105/1986
  1. StVO 1960 § 31 heute
  2. StVO 1960 § 31 gültig ab 14.01.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 6/2017
  3. StVO 1960 § 31 gültig von 06.10.2015 bis 13.01.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2015
  4. StVO 1960 § 31 gültig von 01.07.2005 bis 05.10.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 52/2005
  5. StVO 1960 § 31 gültig von 01.10.1994 bis 30.06.2005 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 518/1994
  6. StVO 1960 § 31 gültig von 01.01.1961 bis 30.09.1994

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Dr. Marvin Novak, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn A, vertreten durch Rechtsanwalt B, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 26. Jänner 2022, Zl. ***, zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Strafsanktionsnormen im Straferkenntnis wie folgt zu lauten haben:

„zu 1.: § 99 Abs. 2 lit.a der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 39/2013,

zu 2.: § 99 Abs. 2 lit.a der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 39/2013,

zu 3.: § 99 Abs. 2 lit.e der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 39/2013.“

2.   Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von insgesamt 104,-- Euro zu leisten.

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 50 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG)

§§ 19, 64 Abs. 2 erster Satz des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG)

§ 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG)

Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)

Zahlungshinweis:

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 676,-- Euro und ist gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG iVm § 54b Abs. 1 VStG binnen zwei Wochen einzuzahlen. Es besteht die Möglichkeit bei der Verwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft Amstetten) um Zahlungserleichterungen (wie etwa Stundung oder Ratenzahlung) anzusuchen.

Entscheidungsgründe:

1.   Maßgeblicher Verfahrensgang:

1.1. Das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer basiert auf der polizeilichen Anzeige vom 27. August 2020 wegen sechs Übertretungen nach der StVO 1960 (Alkoholverweigerung, Fahrerflucht – Personenschaden, Fahrerflucht – Maßnahmen zur Vermeidung von Folgeschäden, Fahrerflucht – nicht mitgewirkt, Fahrerflucht – Identitätsaustausch, Fahrerflucht – Beschädigung Verkehrsleiteinrichtung).

Die Bezirkshauptmannschaft Amstetten wartete das gerichtliche Strafverfahren ab und holte u.a. die gekürzte Urteilsausfertigung ein. Mit Schreiben vom 25. Juni 2021 wurde der Beschwerdeführer sodann zur Rechtfertigung hinsichtlich drei Übertretungen der StVO 1960 aufgefordert. Der Beschwerdeführer gab dazu durch seinen Rechtsanwalt mit Schreiben vom 16. Juli 2021 eine Rechtfertigung ab, in welcher er sich unter Hinweis auf die gerichtliche Verurteilung auf das Doppelbestrafungsverbot berief.

1.2. Mit Straferkenntnis vom 26. Jänner 2022 wurde der Beschwerdeführer wie folgt für schuldig befunden:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

Zeit:            18.08.2020, 00:15 Uhr

Ort:             Gemeindegebiet *** auf der Landesstraße *** nächst Strkm. ***, ***, Fahrtrichtung ***

Fahrzeug:       ***, Personenkraftwagen

Tatbeschreibung:

1.   Sie sind mit einem Verkehrsunfall mit Personenschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben nicht sofort die nächste Polizeidienststelle verständigt.

2.   Sie haben, obwohl Ihr Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand, nicht die zur Vermeidung von Schäden notwendigen Maßnahmen getroffen, obwohl solche Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten waren. Der PKW wurde durch den Unfall schwer beschädigt und landetet in der “***“. Es entstand Gefahr für die Umwelt, da ein Teil der Betriebsflüssigkeiten in das Wasser ausgelaufen ist.

3.   Sie haben Einrichtungen zur Regelung und Sicherheit des Verkehrs bei einem Verkehrsunfall beschädigt und in ihrer Lage verändert und haben nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle oder den Straßenerhalter unter Bekanntgabe Ihrer Identität verständigt. Beschädigt wurde ein Straßenleitpflock.“

Der Beschwerdeführer habe dadurch § 4 Abs. 2 zweiter Satz StVO 1960, § 4 Abs. 1 lit.b StVO 1960, und § 31 Abs. 1 StVO 1960 verletzt. Aufgrund dessen wurden über den Beschwerdeführer folgende Strafen verhängt: Zu 1. Geldstrafe von 220,-- Euro bzw. Ersatzfreiheitsstrafe von 100 Stunden, zu 2. Geldstrafe von 150,-- Euro bzw. Ersatzfreiheitsstrafe von 65 Stunden, zu 3. Geldstrafe von 150,-- Euro bzw. Ersatzfreiheitsstrafe von 65 Stunden. Der Kostenbeitrag zum Verwaltungsstrafverfahren wurde mit insgesamt 52,-- Euro festgesetzt.

Begründend führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass es als erwiesen anzusehen sei, dass der Beschwerdeführer einen PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verursacht habe. Der Beschwerdeführer habe es unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle zu verständigen. Auch habe er nicht die zur Vermeidung von Schäden notwendigen Maßnahmen getroffen, obwohl solche Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten gewesen seien. Es habe Gefahr für die Umwelt bestanden, weil ein Teil der Betriebsflüssigkeiten in das Wasser ausgelaufen sei. Es sei auch eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (Straßenleitpflock) beschädigt worden. All dies gehe schlüssig aus der polizeilichen Anzeige, dem Unfallbericht und dem strafgerichtlichen Urteil wegen fahrlässiger Körperverletzung hervor. Hinsichtlich des Verschuldens sei der Entlastungsbeweis nicht gelungen. Zur Strafbemessung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass mildernd und erschwerend nichts zu werten sei. Geständige Verantwortung liege vor. Es sei von einem durchschnittlichen Einkommen von 1.500,-- Euro, drei Sorgepflichten, keinen Verbindlichkeiten und keinem Vermögen ausgegangen worden. Die Strafe sei angemessen, sowohl aus spezial- als auch aus generalpräventiven Gründen.

1.3. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht eine rechtsanwaltliche Beschwerde, in welcher er einen Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot vorbringt. Die Bestrafung beruhe auf demselben Lebenssachverhalt und derselben strafbaren Handlung, welche lediglich im Lichte der StVO 1960 anders gedeutet werde. Die Situation sei keine andere als bei einem Zusammentreffen anderer subsidiärer Tatbestände, etwa alkoholisiertes Lenken und dadurch fahrlässig verschuldete Tötung oder Körperverletzung. Die Subsidiarität sei zu berücksichtigen und es seien die verwaltungsstrafrechtlichen Begleittaten durch die Verurteilung konsumiert.

1.4. Die belangte Behörde legte den Verwaltungsstrafakt mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen und es wurde auf die Durchführung einer Verhandlung verzichtet.

2.   Feststellungen und Beweiswürdigung:

2.1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein am *** geborener deutscher Staatsbürger, lenkte am 18. August 2020 um 00:15 Uhr in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand den PKW mit dem deutschen Kennzeichen *** im Gemeindegebiet *** auf der *** nächst Strkm. ***, ***, Fahrtrichtung ***, wobei der PKW in einer Rechtskurve von der Straße abkam und in das Bachbett der *** geschleudert wurde. Der Beifahrer des Beschwerdeführers, C, wurde dabei verletzt. Sowohl der Beschwerdeführer als auch sein Beifahrer entfernten sich von der Unfallstelle und sie gingen zu Fuß zu ihrer Unterkunft. Gegen 02:45 Uhr zeigte E via Notruf an, dass sein Arbeitskollege, der Beschwerdeführer, einen Unfall gehabt habe. Der Beschwerdeführer selbst hat die nächste Polizeidienststelle nicht verständigt. Er hat auch keine notwendigen Maßnahmen getroffen, um Schäden für Personen oder Sachen zu vermeiden, obwohl solche Schäden – der PKW wurde durch den Unfall schwer beschädigt und es war ein Teil der Betriebsflüssigkeiten in das Wasser ausgelaufen – zu befürchten waren. Es wurde bei dem Unfall auch ein Straßenleitpflock beschädigt ohne dass ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle oder der Straßenerhalter unter Bekanntgabe der Identität des Beschwerdeführers verständigt worden wäre.

Der Beschwerdeführer wurde mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes *** vom 22. April 2021 wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und Abs. 3 (§ 81 Abs. 2) StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu 25,-- Euro bzw. zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Tagen verurteilt. Die Verurteilung stützt sich auf folgenden Sachverhalt:

„A ist schuldig, er hat am 18.08.2020 in *** als Lenker des PKW Skoda Octavia mit dem deutschen Kennzeichen *** unter Außerachtlassen der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt und Aufmerksamkeit, sohin fahrlässig, C am Körper verletzt, indem er in einer Rechtskurve geradeaus weiterfuhr, sodass der PKW von der Straße abkam, über eine Wiese schlitterte, gegen mehrere Bäume prallte und letztlich in das Bachbett der *** geschleudert wurde, wodurch C eine Zerrung der Halswirbelsäule, eine Brustkorbprellung links sowie eine Becken- und Bauchprellung erlitt, nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand (zumindest 0,8 ‰) versetzt hatte, obwohl er vorhergesehen hat oder hätte vorhersehen können, dass ihm die Lenkung eines Fahrzeuges, mithin eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet war.“

Der Beschwerdeführer war nach Aktenlage zur Tatzeit verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Er hat weder in seiner Rechtfertigung noch in der Beschwerde seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bekannt gegeben.

2.2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der vorliegenden unbedenklichen Aktenlage, insbesondere auf der Anzeige der Polizeiinspektion *** vom 27. August 2020, dem aktenkundigen Unfallbericht vom 22. September 2020 samt Lichtbildbeilage und dem Urteil des Bezirksgerichtes *** vom 22. April 2021. Vom durch einen Rechtsanwalt vertretenen Beschwerdeführer wurde zu keinem Zeitpunkt ein sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet bzw. wurde weder in der Rechtfertigung vom 16. Juli 2021 noch in der Beschwerde der Sachverhalt bestritten. Die getroffenen Feststellungen sind somit als unstrittig anzusehen. Die Feststellungen zur verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt sind zu treffen, weil dem Akteninhalt Gegenteiliges nicht zu entnehmen ist. Der Beschwerdeführer hat weder in seiner Rechtfertigung noch in der Beschwerde seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bekannt gegeben.

3.   Maßgebliche Rechtslage:

3.1. § 4 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 37/2019, lautet:

„§ 4. Verkehrsunfälle.

[…]

(2) Sind bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden, so haben die im Abs. 1 genannten Personen Hilfe zu leisten; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizeidienststelle sofort zu verständigen. Wenn bei einem Verkehrsunfall, an dem ein Schienenfahrzeug oder ein Omnibus des Kraftfahrlinienverkehrs beteiligt ist, sich erst nach dem Wegfahren des Schienenfahrzeuges bzw. des Omnibusses nach dem Unfall eine verletzte Person meldet, kann auch das Unternehmen, dem das Schienenfahrzeug bzw. der Omnibus gehört, die Polizeidienststelle verständigen.“

3.2. § 4 Abs. 1 lit.b der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 37/2019, lautet:

„§ 4. Verkehrsunfälle.

(1) Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, haben

[…]

b) wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,“

3.3. § 31 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 6/2017, lautet:

㤠31. Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs.

(1) Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (insbesondere Verkehrsampeln, Signalscheiben, Straßenverkehrszeichen, Verkehrsleiteinrichtungen, Leiteinrichtungen für Menschen mit Sehbehinderung, Sockel für Verkehrsposten, Verkehrstürme, Schutzinseln, Sperrketten, Geländer, Begrenzungspfeiler, Randsteine, radableitende Randbegrenzungen, Straßenbeleuchtungseinrichtungen, Schneegatter, Verkehrsspiegel und das allenfalls mit solchen Einrichtungen verbundene Rückstrahlmaterial) dürfen nicht beschädigt oder unbefugt angebracht, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert werden.“

3.4. § 99 Abs. 2 lit.a und lit.e der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 39/2013, lauten:

㤠99. Strafbestimmungen.

[…]

(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2 180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen,

a) der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und 2 zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizeidienststelle verständigt,

[…]

e) wer Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs unbefugt anbringt, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert oder solche Einrichtungen beschädigt, es sei denn, die Beschädigung ist bei einem Verkehrsunfall entstanden und die nächste Polizeidienststelle oder der Straßenerhalter ist von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers ohne unnötigen Aufschub verständigt worden,“

4.   Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:

4.1. Zur Strafbarkeit des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer bekämpft die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nur insofern als er einen Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot vorbringt.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Gemäß Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden. Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK verbietet somit die Wiederholung eines Strafverfahrens, welches mit einer endgültigen Entscheidung beendet worden ist.

Zur Würdigung der Frage, ob „dieselbe Sache“ vorliegt, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes allein auf die Fakten abzustellen und nicht auf die rechtliche Qualifikation derselben; eine neuerliche Strafverfolgung ist dann unzulässig, wenn sie sich auf denselben oder zumindest im Wesentlichen denselben Sachverhalt bezieht. Eine Bindungswirkung wird dabei nur hinsichtlich jener Fakten anzunehmen sein, welche auch den Ausgangspunkt des vorangegangenen Strafverfahrens gebildet haben (vgl. etwa VwSlg. 19.453 A/2016; VwGH 16.12.2019, Fe 2019/02/0001).

Im vorliegenden Fall ist nicht zu erkennen, dass die vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen sich auf denselben oder zumindest im Wesentlichen denselben Sachverhalt beziehen würden. Die strafgerichtliche Verurteilung erfolgte wegen fahrlässiger Körperverletzung. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis werden hingegen davon unabhängige Verstöße gegen Verständigungs-, Mitwirkungs- und Absicherungspflichten mit eigenem Unrechtsgehalt bestraft.

Festzuhalten ist, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Judikatur auch schon ausgesprochen hat, dass eine strafgerichtliche Verfolgung wegen fahrlässiger Körperverletzung und andererseits die Verletzung der Verpflichtung zur sofortigen Verständigung der nächsten Polizeidienststelle nicht dem Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK unterliegen (vgl. VwGH 13.12.2000, 2000/03/0270). Zu verweisen ist auch auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu § 4 StVO 1960 (vgl. EGMR 7.12.2006, Fall Hauser-Sporn, Appl. 37.301/03; 26.7.2007, Fall Stempfer, Appl. 18.294/03) und auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit einer Bestrafung, wenn sich die Bestimmungen in ihren wesentlichen Elementen unterscheiden (vgl. etwa VfSlg. 20.246/2018).

Es ist daher kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot gegeben.

Darauf hinzuweisen ist schließlich, dass der Beschwerdeführer die Verwirklichung der ihm im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht bestreitet und dass er nach den getroffenen Feststellungen die Übertretungen in objektiver Hinsicht verwirklicht hat. Er hat auch kein mangelndes Verschulden (§ 5 VStG) glaubhaft gemacht. Festzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer unzweifelhaft mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden ist (vgl. etwa VwGH 22.3.2000, 99/03/0469) und dass es sich bei einem Straßenleitpflock unzweifelhaft um eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs handelt (vgl. etwa VwGH 28.9.1988, 88/02/0133).

4.2. Zur Strafbemessung:

Gemäß der bereits wiedergegebenen Rechtslage beträgt der Strafrahmen jeweils 36,-- Euro bis 2.180,-- Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen.

Gemäß § 19 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die übertretenen Rechtsvorschriften dienen dem Schutz bedeutender verkehrsrechtlicher Interessen und es hat der Beschwerdeführer die Normzwecke nicht bloß geringfügig beeinträchtigt. Ein geringes Verschulden ist nicht gegeben, zumal davon nur dann zu sprechen ist, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. etwa VwGH 9.9.2016, Ra 2016/02/0118). An Milderungsgründen liegt lediglich die nach Aktenlage zum Tatzeitpunkt gegebene Unbescholtenheit des Beschwerdeführers vor. Ein reumütiges Geständnis ist nicht gegeben, weil eine gesinnungsmäßige Missbilligung der Tat gefordert wäre (vgl. etwa VwGH 30.01.2015, 2011/17/0081) und weil das bloße Zugeben des Tatsächlichen nicht schon als mildernd zu werten ist (vgl. etwa VwGH 23.2.2017, Ro 2015/09/0013). Die Verfahrensdauer ist nicht als kurz, aber auch noch nicht als überlang zu bezeichnen und es liegt die Tat noch nicht so lange zurück als dass von einem länger andauernden „Wohlverhalten“ auszugehen wäre (vgl. etwa VwGH 25.5.2007, 2006/02/0322; 3.2.2020, Ra 2019/02/0212). Erschwerungsgründe sind keine gegeben. Zu seinen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen hat der Beschwerdeführer keine Angaben getätigt (vgl. etwa VwGH 15.10.2015, 2013/11/0184).

In einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände sind die im Straferkenntnis festgesetzten Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen keineswegs als zu hoch bemessen anzusehen. Dies insbesondere auch, weil die Strafen ohnehin jeweils im untersten Bereich des Strafrahmens festgesetzt wurden (vgl. dazu etwa VwGH 16.10.2001, 2000/09/0015; 17.12.2007, 2003/03/0248; 23.3.2012, 2011/02/0244) und weil nicht nur auf den Beschwerdeführer selbst spezialpräventiv eingewirkt werden soll, sondern es soll durch die Strafen auch generalpräventive Wirkung erzielt werden (vgl. etwa VwGH 17.11.2004, 2002/09/0186). Der Beschwerdeführer hat die Strafen auch nicht als überhöht bekämpft.

Die Strafsanktionsnormen sind allerdings entsprechend der wiedergegebenen Rechtslage spruchgemäß zu präzisieren.

Schließlich ist auch noch darauf hinzuweisen, dass die Voraussetzungen des § 33a VStG (Beraten statt Strafen) und des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG (Einstellung bzw. Ermahnung) nicht vorliegen. Weder ist die Bedeutung der strafrechtlich geschützten Rechtsgüter noch die Intensität der Beeinträchtigung durch die Tat oder das Verschulden des Beschwerdeführers als derart gering zu erkennen (vgl. etwa VwGH 9.9.2016, Ra 2016/02/0118).

4.3. Zu den Kosten:

Gemäß § 64 Abs. 2 VStG ist der Kostenbeitrag für das Verfahren erster Instanz mit 10% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10,-- Euro zu bemessen. Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Dieser Betrag ist für das Beschwerdeverfahren gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10,-- Euro zu bemessen. Ausgehend davon hat die belangte Behörde die Kosten für das verwaltungsbehördliche Verfahren zu Recht mit insgesamt 52,-- Euro festgesetzt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind mit insgesamt 104,-- Euro festzusetzen.

4.4. Zur Nichtdurchführung einer Verhandlung:

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte – zumal eine solche vom durch einen Rechtsanwalt vertretenen Beschwerdeführer trotz Hinweises in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Straferkenntnisses nicht beantragt wurde (vgl. etwa VwSlg. 19.038 A/2015) – gemäß § 44 Abs. 3 Z 1 und Z 3 VwGVG unterbleiben. Darüber hinaus lässt eine mündliche Erörterung im vorliegenden Fall auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten (vgl. zu einer angemessenen Entscheidung anhand des schriftlichen Vorbringens und der Aktenlage auch etwa EGMR 18.7.2013, Fall Schädler-Eberle, Appl. 56.422/09).

4.5. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Derartige Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind im vorliegenden Fall nicht hervorgekommen und es folgen die Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur (vgl. zudem zur Strafbemessung als Ermessensentscheidung etwa VwGH 8.3.2021, Ra 2020/17/0089).

Schlagworte

Verkehrsrecht; Straßenverkehr; Verwaltungsstrafe; Verkehrsunfall; Doppelbestrafungsverbot; Einrichtungen zur Sicherung des Verkehrs;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.611.001.2022

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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