Entscheidungsdatum
23.11.2022Norm
WRG 1959 §30Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter
Hofrat Mag. Wallner über die Beschwerde von A, vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH & Co KG, ***, ***, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters *** vom 26.04.2022, ***, betreffend Bestrafungen nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung am 09.11.2022 zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 50 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) hinsichtlich Spruchpunkt 3. des Straferkenntnisses vom 26.04.2022 stattgegeben und das Verwaltungsstrafverfahren vor der Verwaltungsstrafbehörde gemäß
§ 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.
Weiters wird der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 1. des genannten Straferkenntnisses nach § 50 Abs. 1 VwGVG dahingehend stattgegeben, als der Strafbetrag von € 3.630,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 336 Stunden) auf € 1.800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 165 Stunden) herabgesetzt wird.
Hinsichtlich Spruchpunkt 2. des oben genannten Straferkenntnisses wird die Beschwerde nach § 50 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.
Weiters wird der Spruch des Straferkenntnisses vom 26.04.2022 gemäß
§ 38 VwGVG iVm § 62 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrens-gesetz 1991 (AVG) dahingehend richtiggestellt, dass die Übertretungsnorm lautet:
„zu Spruchpunkt 1.: § 30 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 2 iVm § 137 Abs. 1 Z 1 WRG 1959 idF BGBl. I Nr. 73/2018
zu Spruchpunkt 2.: § 30 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 iVm § 137 Abs. 2 Z 4 WRG 1959 idF BGBl. I Nr. 73/2018.“
Außerdem wird die Strafnorm des genannten Straferkenntnisses gemäß
§ 38 VwGVG iVm § 24 VStG iVm § 62 Abs. 4 AVG dahingehend richtiggestellt, dass sie nunmehr lautet:
„zu Spruchpunkt 1.: § 137 Abs. 1 Einleitungssatz WRG 1959 idF BGBl. I Nr. 73/2018
zu Spruchpunkt 2.: § 137 Abs. 2 Einleitungssatz WRG 1959 idF BGBl. I Nr. 73/2018.“
2. Hinsichtlich Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses vom 26.04.2022 wird der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor dem Bürgermeister *** gemäß § 38 VwGVG iVm § 64 Abs. 1 und 2 VStG von € 363,-- auf € 180,-- herabgesetzt.
3. Die Beschwerdeführerin hat gemäß § 52 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 6 VwGVG iVm § 54b Abs. 1 VStG zu Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses vom 26.04.2022 einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich in der Höhe von Euro € 1.400,-- binnen zwei Wochen zu bezahlen. (Anmerkung: Innerhalb gleicher Frist sind der Strafbetrag und die Kosten des Strafverfahrens der Verwaltungsstrafbehörde zu entrichten. Es ist insgesamt ein Betrag von € 11.080,-- binnen zwei Wochen zu bezahlen.)
4. Eine Revision nach Artikel 133 Absatz 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Der Bürgermeister *** bestrafte als Verwaltungsstrafbehörde die Beschwerdeführerin mit Straferkenntnis vom 26.04.2022 wegen folgender Verwaltungsübertretungen:
„Tatbeschreibung:
Sie haben es als handelsrechtliche Geschäftsführerin der C GmbH im Standort ***, ***, mit Betriebsanlage im Standort ***, ***, Gst.Nr. ***, zu verantworten,
1. dass es diese Gesellschaft unterlassen hat, bei Gefahr einer Gewässerverunreinigung, nämlich den Austritt von AdBlue (wässrige Harnstofflösung) welcher im Zeitraum April bis Mai 2021 über rund zwei bis drei Wochen, beim händischen Betanken von Bussen aus einem Container mittels eines einfachen Schlauches ohne Überfüllsicherung und händischer Kurbelpumpe durch Kraftfahrer der Busse im südöstlichen Teil auf dem genannten Grundstück aufgetreten ist, was auf dem angeführten Grundstück zu einer Absickerung in den Boden im Ausmaß von ca. 12m² durch AdBlue geführt hat, sodass am 07.06.2021 Ablagerungen in Form von weißlichen Kristallen vorhanden waren,
unverzüglich die Bezirksverwaltungsbehörde zu verständigen.
2. dass es diese Gesellschaft unterlassen hat, im Zeitraum April bis Mai 2021 über rund zwei bis drei Wochen, beim händischen Betanken von Bussen aus einem Container mittels eines einfachen Schlauches ohne Überfüllsicherung und händischer Kurbelpumpe durch Kraftfahrer der Busse im südöstlichen Teil auf dem genannten Grundstück dafür Sorge zu tragen, dass der Eintritt von AdBlue (wässrige
Harnstofflösung) ins Erdreich bei den Tankvorgängen verhindert wurde, da die Betankungen auf unbefestigtem Boden, bei unbeleuchteter Fläche und ohne
automatische Tankpistole (Flüssigkeitsstopp bei Erreichen der Tankfüllmenge) erfolgte. Am 07.06.2021 waren die Absickerungen in den Boden im Ausmaß von ca. 12m² durch AdBlue durch Ablagerungen in Form von weißlichen Kristallen vorhanden.
3. dass es diese Gesellschaft unterlassen hat, den behördlicher Auftrag gem. § 31 Abs 3 WRG vom 10.06.2021, GZ ***, - Abdeckung der Fläche im
Ausmaß von 12 m² auf dem Grundstück *** Gst.Nr. ***, KG ***, südöstlicher Bereich, mit einer regendichten Plane -, welcher nicht befristet war, auszuführen. Dieser behördliche Auftrag gem. § 31 Abs 3 WRG vom 10.06.2021 wurde nicht ausgeführt, da die besagte Fläche lediglich ca. 2 Wochen mit einer wasserdichten Plane abgedeckt war und nachdem die Plane entfernt wurde, eine Sitzgelegenheit und ein Metallgestell auf diesem Platz aufgestellt wurde, was eine erhebliche Gefahr durch Einsickerung und Ausschwemmungen aufgrund von Regenfällen, für das Grundwasser herbeigeführt hat. Für die Entfernung der Plane lag keine behördliche Genehmigung vor. Der behördliche Auftrag war aufgrund einer
Kontamination der Fläche von 12 m² im Zeitraum von April bis Mai 2021, welche
aufgrund von Austritt von AdBlue (wässrige Harnstofflösung) beim händischen
Betanken von Bussen aus einem Container mittels eines einfachen Schlauches ohne
Überfüllsicherung und händischer Kurbelpumpe durch Kraftfahrer der Busse im
südöstlichen Teil auf dem genannten Grundstück hervorgerufen wurde und welche am 07.06.2021 durch Ablagerungen in Form von weißlichen Kristallen erkennbar waren.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
zu 1. § 30 Abs 1 iVm § 31 Abs 2 iVm § 137 Abs 1 Z 1 Wasserrechtsgesetz 1959 – WRG 1959
zu 2. § 30 Abs 1 iVm § 31 Abs 1 iVm § 137 Abs 2 Z 4 Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959
zu 3. Behördlicher Auftrag gem. § 31 Abs 3 WRG vom 10.06.2021, GZ 01/11/2-
2021/Mag.L.R., iVm § 137 Abs 3 Z 2 Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:
Geldstrafen von falls diese uneinbringlich ist, Gemäß
Ersatzfreiheitsstrafen von
zu 1. € 3.630,00 336 Stunden § 137 Abs 1 Einleitungssatz
Wasserrechtsgesetz 1959 –
WRG 1959
zu 2. € 7.000,00 323 Stunden § 137 Abs 2 Einleitungssatz
Wasserrechtsgesetz 1959 –
WRG 1959
zu 3. € 9.085,00 252 Stunden § 137 Abs 3 Einleitungssatz
Wasserrechtsgesetz 1959 –
WRG 1959
Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs.2
Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), das sind 10% der
Strafe, mindestens jedoch 10 Euro € 1.971,50
Gesamtbetrag: € 21.686,50“
Dagegen erhob die rechtsanwaltlich vertretene Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass aus nicht nachvollziehbaren Gründen Ende April von der D ein Container mit AdBlue auf dem gegenständlichen Grundstück abgestellt worden wäre, der Container sich aber in einer dichten Wanne befunden hätte. Es wäre eine handelsübliche Handpumpe verwendet worden, welche für ein Betanken mit AdBlue zugelassen gewesen wäre. Am 18.05.2021 wäre der Container wieder zurückgestellt worden. Es läge eine unklare Tatzeit vor und wäre der Beginn der Tatzeit mit „seit ca. dem Jahr 2017“ nicht ausreichend, weil diese Formulierung einen Interpretationsspielraum einräume im Hinblick auf den Beginn des vorgeworfenen Tatzeitraumes. (Verwiesen wurde auf VwGH vom 20.1.2022, Ra 2020/04/0175). Es wäre gegenständlich für die Beschwerdeführerin nicht erkennbar, wann die vorgeworfene Tat begonnen hätte.
Es lägen keine Untersuchungen darüber vor, um welches Material es sich gegenständlich gehandelt hätte, durch welches es zur Gewässerverunreinigung gekommen wäre.
AdBlue wäre stark wasserlöslich und kristallisiere nur bei Temperaturen unter -11° aus. Diese tiefen Temperaturen wären im Zeitpunkt der Aufstellung des Containers auf gegenständlichem Grundstück nicht erreicht worden. Es wäre auch technisch nicht möglich, dass das beim Betanken angeblich ausgeronnene AdBlue unterhalb des Containers geronnen wäre, da der Boden ein Gefälle von 2 % aufweise. Beantragt werde die Einholung eines ZAMG-Gutachtens über die Regenfälle im Zeitraum zwischen 16.05. und 07.06.2021, die Durchführung eines Lokalaugenscheines sowie die Einholung eines Gutachtens bzw. Beiziehung eines Sachverständigen für Geologie zum Thema der Aufnahme von Flüssigkeiten durch einen sickerfähigen Boden mit gegenständlicher Korngröße.
Die von der belangten Behörde eingeholte sachverständige Stellungnahme müsse nicht auf gleicher fachlicher Ebene entkräftet werden, Einwendungen gegen die Schlüssigkeit eines Gutachtens mit der Behauptung, die Befundaufnahme wäre unzureichend oder der Sachverständige ginge von unrichtigen Voraussetzungen aus, hätten auch dann Gewicht, wenn Sie nicht auf gleicher fachlicher Ebene wären.
Es wäre zumindest geboten gewesen, das Material zu beproben und zu analysieren.
Zum 3. Tatvorwurf werde vorgebracht, dass dieser widersprüchlich wäre und wäre unklar, welches Verhalten nun bestraft werde. Es wäre dem behördlichen Auftrag vom 10.06.2021 durch jenen vom 17.06.2021 derogiert worden und wäre letzterer mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 10.09.2021, LVwG-AV-1116/002-2021 behoben worden. Auch wäre der Auftrag vom 10.06.2021 unbestimmt, weil er nur die einmalige Abdeckung, nicht aber die Beibehaltung der Abdeckung vorgesehen hätte.
Sollte das Gericht zur Ansicht kommen, dass ein tatbestandsmäßiges und verschuldetes Verhalten vorliegt, so wären die Voraussetzungen für ein Absehen von einer Bestrafung gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG vorliegend. (Es folgen Zitierungen von Judikatur betreffend Geringfügigkeit des Verschuldens.)
Die Beschwerdeführerin hätte mehrere Wochen, bevor die Behörde zu einer Kontrolle erschienen wäre, den Abtransport des Containers veranlasst. Mildernd wäre einerseits das quarantänebedingte Unwissen der Beschwerdeführerin über die Verlagerung des Containers und die bisherige Unbescholtenheit. Die vorgeworfenen Übertretungen wären nicht als schwer zu beurteilen, da es zu keinen tatsächlichen nachgewiesenen Gewässerverunreinigungen gekommen wäre. Hinsichtlich des 3. Tatvorwurfs wäre bloß eine Ordnungsvorschrift übertreten worden, welche keine negativen Auswirkungen gehabt hätte.
Es läge auch ein schuldbefreiendes Weisungs- und Kontrollsystem vor und verfüge die C GmbH über zuverlässige Mitarbeiter. Diese wären mit der Einhaltung und Überwachung der relevanten gesetzlichen Bestimmungen betraut und würden auch regelmäßige Schulungen erfolgen. Es gäbe weiters regelmäßige Besprechungen, wodurch die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften sichergestellt werde. Missstände müssten die Mitarbeiter ihren Vorgesetzten umgehend melden. Die Auswahl der Mitarbeiter wäre mit einem Höchstmaß an Sorgfalt erfolgt. Die Einhaltung der Vorschriften werde auch regelmäßig kontrolliert. Zum Nachweis gäbe es Dienstberichte. Ein wirksames Kontrollsystem läge daher vor.
Der Container wäre ohne ihr Wissen versetzt worden, weshalb sie kein Verschulden treffe.
Zur Strafhöhe werde ausgeführt, dass diese zu hoch wäre, da keine Erschwerungsgründe vorlägen und Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin gegeben wäre. Auch wären keine Folgen eingetreten und das Verschulden, wenn überhaupt, nur gering. Die verhängten Strafen wären daher nicht schuldangemessen. Beantragt werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Das Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich hat daraufhin eine öffentliche mündliche Verhandlung am 09.11.2022 abgehalten, in der Beweis aufgenommen wurde durch Befragung der Beschwerdeführerin.
Folgender Sachverhalt wird als erwiesen festgestellt:
Die Beschwerdeführerin hat als handelsrechtliche Geschäftsführerin der C GmbH zu verantworten, dass im April und Mai 2021 der Treibstoffzusatz „AdBlue“ auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, auf einer Fläche von ca. 12 m² auf unbefestigter Fläche versickert ist. Es ist dieser Zusatzstoff beim händischen Betanken von Bussen durch Abpumpen von AdBlue aus einem Container im südöstlichen Teil auf dem genannten Grundstück ausgetreten und ist der Umstand des Austrittes und Versickerns am 07.06.2021 von ausgebildeten Organen der technischen Gewässeraufsicht festgestellt worden. Die genannte Gesellschaft hat eine Meldung des Austrittes von AdBlue bis 07.06.2021 unterlassen. Weiters hat es diese Gesellschaft unterlassen, den Eintritt dieses Treibstoffzusatzes ins unbefestigte Erdreich zu verhindern.
Diese Feststellungen basieren auf folgender Beweiswürdigung:
Dass die Beschwerdeführerin handelsrechtliche Geschäftsführerin der C GmbH ist, wird nicht bestritten. Ebenso wenig ist unstrittig, dass auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, im April und Mai unter anderem ein Container mit zumindest einem Tank, gefüllt mit AdBlue, abgestellt gewesen ist. Schließlich steht auch unstrittig fest, dass der Untergrund dieses Grundstückes im Bereich des Containers lediglich geschottert, also unbefestigt gewesen ist.
Bestritten wird allerdings, dass es zu einem Austritt von AdBlue gekommen ist. Es lägen keine Untersuchungen darüber vor, um welches Material es sich gegenständlich gehandelt hätte und wäre es unwahrscheinlich, dass es sich tatsächlich um AdBlue gehandelt hätte. Dieses wäre stark wasserlöslich und kristallisiere nur unter -11 °C aus. Auch wäre es technisch nicht möglich, dass beim Betanken AdBlue unterhalb des Containers geronnen wäre, da der Boden vor Ort ein Gefälle aufweise und stark sickerfähig wäre. Das Material wäre zu beproben und analysieren gewesen.
Dem stehen die Feststellungen in der Verhandlung am 12.08.2021 zur Geschäftszahl LVwG-AV-1116/002-2021 entgegen, in welcher ein in gegenständlicher Angelegenheit erlassener gewässerpolizeilicher Auftrag vom 17.06.2021 betreffend das Abgraben von ca. 12 m² kontaminierter Fläche auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, welcher infolge des Austrittes von AdBlue auf obgenanntem Grundstück erlassen worden war, Gegenstand gewesen ist. In dieser Verhandlung, deren Ergebnis in der Verhandlungsschrift vom 12.08.2021 festgehalten wird und welche auch der Beschwerde gegen das angefochtene Straferkenntnis des Bürgermeisters *** vom 26.04.2022 angeschlossen war, ist aus dem schriftlich verlesenen Gutachten vom 11.08.2021 des chemisch technischen Amtssachverständigen zu entnehmen, dass mehrere Liter AdBlue auf einer Fläche von 12 m² ausgeflossen und dort Kristallablagerungen zurückgeblieben sind. Er schlussfolgert, dass mit einer Beeinträchtigung des Grundwassers zu rechnen gewesen ist. Begründend führt der Amtssachverständige in diesem Gutachten aus, dass AdBlue wasserlöslich ist und bei Aufbringung auf nicht flüssigkeitsdichter Oberfläche ein Eintrag ins Grundwasser bei Vorhandensein eines solchen erfolgt. Der geohydrologische Amtssachverständige hat in dieser Verhandlung vom 12.08.2021 fachlich ausgeführt, dass es sich beim betroffenen Grundwasserkörper des *** um einen bedeutsamen handelt und aufgrund der erheblichen Niederschlagsmengen in den letzten Monaten vor der Verhandlung davon auszugehen ist, dass die Kontamination in tiefere Schichten verlagert und ins Grundwasser abtransportiert worden ist. Diese Feststellungen sind auch Ergebnis des rechtskräftigen und in der Verhandlung verkündeten Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich zur Geschäftszahl LVwG-AV-1116/002-2021. Es wurde im Erkenntnis weiters festgestellt, dass um den 07.06.2021 die Gefahr einer Gewässerverunreinigung gegeben gewesen ist, da AdBlue Stoffe enthält, die leicht wasserlöslich sind und aufgrund der gegebenen geohydrologischen Situation unweigerlich ins Grundwasser gelangt sind. Da jedoch aufgrund erheblicher Niederschläge bis zur Verhandlung am 12.08.2021 eine Verdünnung im Grundwasser eingetreten ist – so weiter im genannten verkündeten Erkenntnis vom 12.08.2021 – ist die Gefahr einer Gewässerverunreinigung im Zeitpunkt der Verkündung nicht mehr gegeben gewesen, weshalb der angefochtene gewässerpolizeiliche Auftrag, welcher Gegenstand des Beschwerdeverfahrens zur Geschäftszahl LVwG-AV-1116/002-2021, gewesen ist, aufgehoben worden ist. Dieses Erkenntnis ist in Rechtskraft erwachsen.
Dass eine Meldung durch die genannte Gesellschaft über den Austritt von AdBlue trotz Bestehens einer Gefahr einer Gewässerverunreinigung bis zum 07.06.2021 nicht an die Bezirksverwaltungsbehörde, Bürgermeister ***, erfolgt ist, geht aus der Aktenlage hervor und wird der Umstand der Nichtmeldung auch nicht bestritten.
Maßnahmen zur Verhinderung einer Gefahr einer Gewässerverunreinigung, wie etwa die Betankungsvorgänge nur auf einer befestigten Fläche durchführen zu lassen, wurden nicht getroffen. Auch aus dem Beschwerdevorbringen geht hervor, dass das gegenständliche Grundstück mit dem Container, in welchem sich Tanks mit AdBlue befunden hatten, lediglich geschottert gewesen ist. Zum Austritt von AdBlue wird auf obige Ausführungen verwiesen.
Das Schriftstück des Bürgermeisters *** vom 10.06.2021 ist, wie sich aus seinem Aufbau ergibt, kein bescheidmäßiger Auftrag nach § 31 Abs. 3 WRG 1959.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Nach § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.
Die für gegenständliche Beschwerdesache relevanten Bestimmungen des WRG 1959 lauten auszugsweise:
„DRITTER ABSCHNITT...
...
2. ...
...
1. ...
...
4. durch Außerachtlassung der ihn gemäß § 31 Abs. 1 treffenden Sorgfaltspflicht die Gefahr einer Gewässerverunreinigung herbeiführt;
5. ...
...“
Dass die Gefahr einer Gewässerverunreinigung in gegenständlicher Angelegenheit gegeben war, hat sich aus der Verhandlung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 12.08.2021 zur Geschäftszahl LVwG-AV-1116/002-2021 und dem nach dieser Verhandlung mündlich verkündeten Erkenntnis ergeben. Diese Rechtsfrage ist bereits rechtskräftig geklärt.
Eine Meldung ist nicht erfolgt, weshalb der Verwaltungsstraftatbestand des
§ 137 Abs. 1 Z 1 iVm § 31 Abs. 2 WRG 1959 verwirklicht wurde.
Zur angeblich unklaren Tatzeit wird auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen. Sowohl Spruchpunkt, 1. als auch Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses vom 26.04.2022 enthalten den Tatvorwurf eines Dauerdeliktes. Bei einem Dauerdelikt wird die Tat so lange begangen, als der verpönte Zustand andauert. Die Festlegung der Tatzeit mit jenem Zeitpunkt, zu dem die Tat entdeckt wurde, ist demnach nicht rechtswidrig (vgl. VwGH vom 25.04.1997, 95/02/0537 u.a.).
Weiters wird auf die Judikatur verwiesen, wonach Ungenauigkeit bei der Konkretisierung der Tat in Ansehung von Tatzeit und Tatort dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides hat, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Bestraften und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird (vgl. VwGH vom 21.3.1997, 97/02/0071 u.a.).
Im gegenständlichen Fall ist ein konkretes Ereignis im April und Mai 2021, nämlich der Austritt von AdBlue, Gegenstand der angelasteten Verwaltungsübertretungen. Mit der Erlassung des Straferkenntnisses vom 26.04.2022 wird aufgrund dessen Erfassungswirkung der Zeitraum bis zur Erlassung abgedeckt und ist eine neuerliche Bestrafung wegen dieser Verwaltungsübertretung bis zum 02.05.2022 (Zustellung an die Beschwerdeführerin) nicht mehr zulässig (siehe VwGH vom 21.10.1993, 93/02/0083 u.a.). Eine Doppelbestrafung droht nicht.
Die zitierte Judikatur ist auch auf das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich anzuwenden.
Die Tatanlastung in Spruchpunkt 2. ist darauf gerichtet, dass auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, im südöstlichen Teil, wo sich der Container mit den AdBlue-Tanks befunden hat, keine Maßnahmen getroffen wurden, die ein Eindringen von AdBlue ins Erdreich verhindert hätten und dass AdBlue dort in den Untergrund versickert ist. Die Betankung erfolgte auf unbefestigtem Boden und wurde diese mit einer händischen Pumpe ohne Flüssigkeitsstopp beim Erreichen der Tankfüllmenge vorgenommen. Dadurch wurde aufgrund des vorhandenen Grundwasserkörpers die Gefahr einer Verunreinigung des Grundwassers herbeigeführt.
Das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung am 09.11.2022, der Tank mit AdBlue hätte sich in einer Wanne im Container befunden, kann nicht helfen, da die Verunreinigungen außerhalb des Containers und unterhalb desselben bereits in der Verhandlung zur Geschäftszahl LVwG-AV-1116/002-2021 und im anschließend verkündeten Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 12.08.2021 anhand der Aktenlage festgestellt wurden.
Dass die Beschwerdeführerin die Entfernung des AdBlue Containers veranlasst hat, wird geglaubt, ändert aber nichts an dem Umstand, dass es bei den Betankungsvorgängen zu einem Austritt von AdBlue und Eindringen in den unbefestigten Boden sowie weiters Verlagerung ins Grundwasser gekommen ist. Dadurch wurde zumindest die Gefahr einer Verunreinigung des Grundwassers herbeigeführt.
Gleiches wie für die Wanne gilt auch für den behaupteten Abstand von 5 m vom Container, beim Aufstellen der Busse zum Betanken.
Das übrige Beschwerdevorbringen wird als Schutzbehauptung gewertet.
Die beantragte Einholung eines ZAMG-Gutachtens über die Regenfälle im Zeitraum zwischen 16.05. und 07.06.2021 ist aufgrund obiger Ausführungen iSd § 43 Abs. 2 AVG, welcher aufgrund § 24 VStG und § 38 VwGVG auch im Beschwerdeverfahren anzuwenden ist, als unerheblich anzusehen, da es sich um einen unzulässigen Erkundungsbeweis handelt. Gleiches gilt für den beantragten Lokalaugenschein und die Beiziehung eines Sachverständigen für Geologie hinsichtlich der Aufnahme von Flüssigkeiten durch einen sickerfähigen Boden wie jenem auf gegenständlichem Grundstück.
Zu Spruchpunkt 3. des Straferkenntnisses vom 26.04.2022 kann eine Bestrafung jedoch nicht aufrechterhalten werden, da das diesem Spruchpunkt zugrundeliegende Schriftstück der Behörde vom 10.06.2021 keinen Auftrag nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 darstellt, dies aus Folgendem: Es fehlen dem Schriftstück die für einen Bescheid charakteristischen Merkmale wie Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung. Weiters wird eingangs die Höflichkeitsfloskel „Sehr geehrte Damen und Herren …“ und am Ende des Schriftstückes „Mit freundlichen Grüßen“ verwendet. Dem Schreiben vom 10.06.2021 ist vielmehr eine Aufforderung der Behörde an die Beschwerdeführerin bzw. die von ihr vertretene Gesellschaft zu entnehmen, eine Fläche von 12 m² auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, unverzüglich regendicht abzudecken. Daraus lässt sich jedoch kein normativer Charakter ableiten. Die letzten beiden Absätze dieses Schreibens enthalten lediglich Hinweise über Rechtsfolgen im Falle der Nichtbefolgung.
Dieser Spruchpunkt war daher ersatzlos aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren insoferne einzustellen.
Im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa VwGH vom 27.06.2007, 2005/03/0231) war der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses vom 26.04.2022 hinsichtlich der zum Tatzeitpunkt gültigen Fassung der verletzten Norm richtigzustellen.
Zur subjektiven Tatseite wird § 5 Abs. 1 VStG schlagend:
Es handelt sich um Unterlassungsdelikte, bei denen es der Beschwerdeführerin obliegt, darzutun, dass sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben genügt den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem nicht (vgl. VwGH vom 19.06.2016, Ra 2016/11/0112).
Weiters reichen Schulungen und Kontrollen nicht aus (vgl. VwGH vom 08.11.2016, Ra 2016/11/0144).
Das Verschulden der Beschwerdeführerin wird als im Bereich der leichten Fahrlässigkeit liegend gewertet, da der Betreiber eines Busunternehmens bei Betankungsvorgängen dafür Sorge zu tragen hat, dass keine Gefährdung von Gewässern erfolgt. Es ist Stand der Technik und entspricht den allgemeinen Erfahrungen des täglichen Lebens, dass Betankungen auf befestigter Fläche zu erfolgen haben. Wenn auch die Beschwerdeführerin als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit zur Vertretung nach außen Berufene der C GmbH die Beseitigung des gegenständlichen Containers mit den AdBlue-Tanks angeordnet hat, so wäre dennoch mittels eines geeigneten Kontrollsystems zu gewährleisten gewesen, dass bei den Betankungsvorgängen kein Austritt von AdBlue erfolgen kann. Ein solches Kontrollsystem konnte im Beschwerdevorbringen nicht ausreichend dargelegt werden.
Auch eine Covid-Erkrankung entbindet nicht von dieser Pflicht.
Der begehrte Ausspruch einer Ermahnung nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG, oder von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen, konnte aufgrund der Bedeutung des zu schützenden Rechtsgutes nicht erfolgen. Gegenständlich ist das Grundwasser, welches vom geohydrologischen Amtssachverständigen in der Verhandlung am 12.08.2021 zur Geschäftszahl LVwG-AV-1116/002-2021 als bedeutender Grundwasserkörper eingestuft wurde, jedenfalls gefährdet worden. Die Ausführungen der beigezogenen Amtssachverständigen in dieser Verhandlung haben sogar ergeben, dass mit einer Beeinträchtigung des Grundwassers zu rechnen gewesen ist. Angelastet wurde der Beschwerdeführerin als zur Vertretung nach außen Berufener der C GmbH jedoch nicht, eine Verunreinigung des Grundwasserkörpers zu verantworten zu haben, sondern lediglich die Herbeiführung einer Gefahr und die Unterlassung der rechtzeitigen Meldung einer solchen an die Behörde. Das Grundwasser gehört zu den bedeutendsten Schutzgütern im WRG 1959, nach § 30 Abs. 1 WRG 1959 soll dieses nämlich derart rein gehalten werden, dass es als Trinkwasser verwendet werden kann.
Diese Bedeutung des Schutzgutes „Grundwasser“ zeigt sich auch in der Strafnorm, welche gegenständlich für Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses vom 26.04.2022 herangezogen wurde. Es ist dies § 137 Abs. 2 WRG 1959, welcher eine Strafdrohung bis zu einer Geldstrafe von € 14.530 vorsieht. Dieser Strafrahmen wurde gegenständlich nur bis zur Hälfte ausgeschöpft.
Für die Strafbemessung vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich sind aufgrund § 38 VwGVG die Bestimmungen des § 19 VStG sinngemäß heranzuziehen. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat bei der Straffestsetzung, wie bereits im angefochtenen Straferkenntnis vom 26.04.2022, das Vorliegen verwaltungsstrafrechtlicher Unbescholtenheit und das Fehlen von Erschwerungsgründen gewertet. Weiters berücksichtigt wurde die Bedeutung des zu schützenden Rechtsgutes Grundwasser sowie die in der Verhandlung am 09.11.2022 von der Beschwerdeführerin angegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (€ 2.800,-- netto pro Monat, eine Sorgepflicht, kein Vermögen). Darüber hinaus war auch die Beeinträchtigung des Schutzgutes zu berücksichtigen. Das Verschulden wird als im unteren Bereich liegend gewertet.
Dem Eventualbegehren auf Herabsetzung der Strafhöhe wird betreffend Spruchpunkt 1. durch die ausgesprochene Strafreduktion nachgekommen, da es sich um eine erstmalige Meldepflichtverletzung handelt. Bei Spruchpunkt 2. konnte jedoch aufgrund der großen Bedeutung des Schutzgutes Grundwasser eine Reduktion nicht vorgenommen werden, der Strafrahmen wurde auch nicht übermäßig ausgeschöpft und erscheint die verhängte Geldstrafe angemessen.
Spruchpunkt 3. des angefochtenen Straferkenntnisses vom 26.04.2022 war, wie oben bereits dargelegt, aufzuheben.
Aufgrund der Strafreduktion war der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der Verwaltungsstrafbehörde entsprechend herabzusetzen (€ 180,--), hinsichtlich Spruchpunkt 2. aber zusätzlich zum Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren vor der Verwaltungsstrafbehörde ein Kostenbeitrag für das durchgeführte Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe (€ 1.400,--) festzulegen gewesen.
Es sind daher insgesamt € 11.080,-- (das sind 1800,-- + 180,-- + 7000,-- + 700,-- + 1400,--) zu bezahlen.
Sollte die Geldstrafe nicht auf einmal bezahlt werden können, besteht die Möglichkeit, bei der Strafbehörde Bürgermeister ***, unter Vorlage geeigneter Unterlagen, um Ratenzahlung anzusuchen.
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seiner Entscheidung auszusprechen, ob eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Eine Revision nach Artikel 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig, da in gegenständlicher Angelegenheit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war. Die Entscheidung weicht weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt eine solche oder liegt eine nicht einheitliche Rechtsprechung vor.
Schlagworte
Umweltrecht; Wasserrecht; Verwaltungsstrafe; Gewässerverunreinigung; Auftrag; Verschulden; Tatzeit;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.1595.001.2022Zuletzt aktualisiert am
13.02.2023