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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 12. Oktober 1994, Zl. 120.499/4-7/94, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages in einer Angelegenheit nach dem Bundespflegegeldgesetz (mP: Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin bezieht seit 15. Juli 1981 von der mitbeteiligten Versicherungsanstalt eine Alterspension nach § 253 ASVG. Mit Bescheid der mitbeteiligten Versicherungsanstalt vom 17. Juli 1991 wurde ihr Anspruch auf Hilflosenzuschuß nach § 105 a ASVG ab 8. März 1991 anerkannt.
Mit Schreiben vom 29. Juni 1993 stellte die Beschwerdeführerin (mit der Behauptung einer Verschlimmerung ihres Gesundheitszustandes) an die mitbeteiligte Versicherungsanstalt den Antrag, "das Bundespflegegeld ab 1.7.1993 auf das gesetzliche Höchstmaß anzuheben".
Mit Bescheid vom 13. Oktober 1993 anerkannte die mitbeteiligte Versicherungsanstalt gemäß den §§ 3 bis 5 des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Pflegegeld der Stufe 2 ab 1. Juli 1993. Nach einer dem Bescheid angeschlossenen Mitteilung vom selben Tag werde der Beschwerdeführerin nach dem Ergebnis der ärztlichen Begutachtung ab 1. Juli 1993 ein Pflegegeld der Stufe 5 im Betrag von monatlich S 11.000,-- gewährt. Der Differenzbetrag zwischen der Stufe 2 und der Stufe 5 betrage S 7.500,-- Gegen diese Mitteilung bestehe kein Klagerecht.
Am 18. Jänner 1994 stellte die Beschwerdeführerin an den Landeshauptmann von Wien gemäß § 24 BPGG einen Devolutionsantrag mit der Begründung, daß über ihren Antrag vom 29. Juni 1993 auf Gewährung des Pflegegeldes der Stufe 7 keine bescheidmäßige Erledigung erfolgt sei. Es sei ihr lediglich eine Mitteilung zugestellt worden, die aber keine "Erledigung im Sinne des AVG" darstelle. In einer Niederschrift vom 16. Mai 1994 gab der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin vor der Devolutionsbehörde an, ihre Zuständigkeit ergebe sich seiner Auffassung nach aus § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 24 BPGG. Ein Entfall einer Ermittlungspflicht und gegebenenfalls einer Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen lasse sich aus § 4 Abs. 4 leg. cit. nicht entnehmen. Seiner Ansicht nach beziehe sich der Ausschluß nach § 4 Abs. 4 leg. cit. nur auf den Betrag, nicht aber auf die Feststellung der Grundlagen. Die Beschwerdeführerin erachte sich daher in ihren Parteienrechten auf Mitwirkung in der Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen und auf Wahrung ihres Parteiengehörs (§ 45 AVG) verletzt.
Diesen Antrag wies der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 30. Juni 1994 gemäß § 73 AVG wegen Unzuständigkeit zurück. Begründend wurde ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin an die mitbeteiligte Versicherungsanstalt den Antrag auf Entscheidung in einer Leistungssache begehrt habe. Der Landeshauptmann sei aber nur zur Entscheidung in Verwaltungssachen berufen. Daher sei, wenn die mitbeteiligte Versicherungsanstalt ihrer Entscheidungspflicht in einer Leistungssache nicht nachkomme, kein Rechtsmittel an den Landeshauptmann möglich, weshalb der Devolutionsantrag als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte die Beschwerdeführerin ein, sie habe in der Niederschrift vom 16. Mai 1994 genau dargelegt, worauf sich ihr Anspruch stütze. Gegenstand des Verfahrens sei weder ein Leistungsstreit noch eine bestimmte Betragshöhe; es gehe vielmehr ausschließlich um die Feststellung der Anspruchsgrundlagen. Daher liege eine Verwaltungssache vor. Die Ansicht der erstinstanzlichen Behörde, es handle sich um eine Leistungssache, sei daher rechtsirrig und verfehlt. Aufgrund der bedenklichen Regelung des BPGG sei derzeit ein Leistungsstreit nicht zu führen; hingegen sei kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung im § 24 BPGG das AVG vollinhaltlich für die Behörde zweiter und dritter Rechtsstufe anzuwenden. Die Ermittlung der Beitrags- bzw. Anspruchsgrundlagen sei im § 4 BPGG nicht ausgeschlossen. Die mitbeteiligte Versicherungsanstalt meine jedoch, sich sämtlicher Tätigkeiten in dieser Richtung enthalten zu dürfen bzw. auf anonyme Sachverständige zu verweisen, deren Entscheidungen oder Gutachten der Beschwerdeführerin, unter welchem Vorwand immer, nicht zugänglich seien. Art. 18 B-VG binde wohl auch den Versicherungsträger. Der Verwaltungsgerichtshof habe mehrfach ausgesprochen, daß selbst dann, wenn besondere Verfahrensvorschriften nicht normiert seien, jedes Verwaltungsverfahren sich an AVG-Grundsätzen zu orientieren habe. § 45 AVG sei eine solche grundsätzliche Bestimmung. Darüber hinaus werde geltend gemacht, daß gemäß den §§ 448 ff ASVG der Landeshauptmann die Aufsicht über die Versicherungsträger zu führen habe und § 449 ASVG ausdrücklich normiere, "daß Gesetz und Satzung sowie die darauf beruhenden sonstigen Rechtsvorschriften beachtet werden". Die erstinstanzliche Behörde sei daher verhalten gewesen, der mitbeteiligten Versicherungsanstalt nach billigen Grundsätzen Transparenz gegenüber der Beschwerdeführerin aufzutragen bzw. aufzuerlegen. Nur unter diesen Voraussetzungen wäre eine Abweisung des Devolutionsantrages allenfalls gerechtfertigt gewesen. Der Beschwerdeführerin sei jedoch von einer solchen Vorgangsweise nichts bekannt. Die diesbezügliche Unterlassung der erstinstanzlichen Behörde werde ausdrücklich gerügt. Es liege nunmehr an der belangten Behörde als oberster (Aufsichts)behörde Ordnung in diese Angelegenheit zu bringen und der erstinstanzlichen Behörde sowie der mitbeteiligten Versicherungsanstalt Weisung zu erteilen, wie gesetzeskonform vorzugehen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Begründet wurde diese Entscheidung - nach Zitierung der §§ 4, 22 Abs. 1 Z. 1 und 24 BPGG sowie des § 354 ASVG und der §§ 65 Abs. 1 Z. 1, 67 Abs. 1 Z. 2 ASGG - damit, daß die Frage des Rechtsanspruches auf Pflegegeld gemäß § 4 BPGG eine Leistungssache im Sinne des § 354 Abs. 1 Z. 1 ASVG sowie des § 65 Abs. 1 Z. 1 ASGG sei. Die Entscheidung der mitbeteiligten Versicherungsanstalt, in der gegenständlichen Leistungssache, soweit sie den Differenzbetrag zwischen der Stufe 2 und der Stufe 7 im Sinne des § 4 BPGG betreffe, nicht durch Bescheid zu entscheiden, könne somit von der Beschwerdeführerin nur gemäß § 67 Abs. 1 Z. 2 ASGG durch Klage beim Arbeits- und Sozialgericht bekämpft werden. Daher habe der Landeshauptmann von Wien den gegenständlichen Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht zutreffenderweise infolge seiner Unzuständigkeit als unzulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, nach der sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt erachtet. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt sie vor, der Verwaltungsgerichtshof habe in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, daß jedes Verfahren einem Mindeststandard, insbesondere hinsichtlich der Parteienrechte, entsprechen müsse. Gerade dieser Grundsatz werde im vorliegenden Fall mit Füßen getreten. Wie schon in der Berufung ausgeführt worden sei, sei ein Leistungsstreit kraft gesetzlicher Anordnung derzeit nicht zu führen, sodaß im Hinblick auf die Bestimmung und den Wortlaut des § 24 BPGG auf das Verfahren in der zweiten und dritten Rechtsstufe das AVG vollinhaltlich anzuwenden gewesen sei. Setzte sich die mit der vorliegenden Beschwerde bekämpfte Ansicht des Landeshauptmannes von Wien und der belangten Behörde durch, so hätte dies zur unerträglichen Konsequenz, daß es ein Verfahren ohne jegliche Kontrolle bzw. Überprüfbarkeit durch den Verwaltungsgerichtshof gäbe bzw. daß es jeder nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes entrückt wäre. Dies sei - insbesondere im Lichte der MRK - mit einem modernen Rechtsstaat nicht vereinbar. Darüber hinaus sei das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Berufung hinsichtlich der Bestimmungen der §§ 448 ff ASVG von der bekämpften Entscheidung vollkommen ignoriert worden, sodaß sie die Sache nicht abschließend erledige. Wenngleich der Beschwerdeführerin kein subjektiv-öffentliches Recht aus Art. 18 B-VG erwachse, so bleibe dessen Nichtbeachtung durch die mitbeteiligte Versicherungsanstalt und die Behörde zweiter und dritter Rechtsstufe dennoch rechtswidrig und stelle einen Eingriff in die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin dar, die keine Möglichkeit eröffnet sehe, ihren Standpunkt zu wahren, weil durch eine bloß formelle Entscheidung jede Erörterung der Sache ausgeschlossen zu werden drohe. Außer der vorliegenden Beschwerde stehe der Beschwerdeführerin keine weitere Möglichkeit offen, ihr Recht zu suchen, weil mittlerweile das Oberlandesgericht Wien (in einem durch einen späteren Antrag der Beschwerdeführerin ausgelösten Verfahren) sich nicht bestimmt gefunden habe, § 4 Abs. 4 BPGG wegen Verdachts der Verfassungswidrigkeit durch den Verfassungsgerichtshof überprüfen bzw. aufheben zu lassen, wodurch allein das Los der Beschwerdeführerin verbesserbar erscheine.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Die mitbeteiligte Versicherungsanstalt beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde, stellte jedoch keinen Kostenantrag. Der Gegenschrift wurde eine Ausfertigung des Beschlusses des OGH vom 23. November 1994, 10 Ob S nn1, angeschlossen, mit dem dem Revisionsrekurs der Beschwerdeführerin gegen die in der Beschwerde erwähnte Entscheidung des OLG Wien - unter Hinweis auf den Beschluß des OGH vom 20. September 1994, 10 Ob S nn2, SSV-NF 8/71 - keine Folge gegeben wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen der §§ 3, 4, 22, 24, 28 und 34 BPGG in der noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 131/1995 lauten:
"§ 3. (1) Anspruch auf Pflegegeld nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes besteht für nachstehende Personen, sofern sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben:
1. Bezieher ... einer Pension ... nach dem
a) Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) ...
§ 4. (4) Ab 1. Juli 1993 besteht ein Rechtsanspruch auf das Pflegegeld in Höhen der Stufen 1 und 2, ab dem 1. Jänner 1997 auch auf das Pflegegeld in Höhe der Stufen 3 bis 7; in der Zeit ab 1. Juli 1993 bis zum 31. Dezember 1996 ist bei Vorliegen der Voraussetzungen der Differenzbetrag zwischen der Stufe 2 und einer höheren Stufe vom zuständigen Sozialversicherungsträger ... als Träger von Privatrechten zu gewähren. Ein Rechtsanspruch auf diesen Differenzbetrag besteht nicht. Im übrigen sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auf den Differenzbetrag zwischen der Stufe 2 und einer höheren Stufe des Pflegegeldes mit der Maßgabe anzuwenden, daß keine Bescheide, sondern lediglich Mitteilungen zu ergehen haben und der Rechtsweg ausgeschlossen ist.
§ 22. (1) Zur Entscheidung in Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz sind zuständig:
Für Personen nach
1. § 3 Abs. 1 Z. 1 lit. a ... der für die Gewährung der ...
Pension ... zuständige Sozialversicherungsträger; ...
§ 24. Auf das Verfahren finden, soweit dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt, vor den Sozialversicherungsträgern die Bestimmungen der §§ 354, 357 bis 361, 363 bis 367 ASVG und vor den übrigen Entscheidungsträgern die Vorschriften des AVG mit Ausnahme des § 68 Abs. 2 AVG Anwendung.
§ 28. (1) Bescheide über Anträge auf Zuerkennung des Pflegegeldes sind binnen sechs Monaten nach dem Einlangen des Antrages zu erlassen ...
§ 34. (1) Die Bestimmungen der im § 3 dieses Bundesgesetzes genannten Sozialversicherungsgesetze betreffend die Aufsicht des Bundes über die Versicherungsträger und den Hauptverband samt ihren Anstalten und Einrichtungen sind anzuwenden."
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen der §§ 65 Abs. 1 Z. 1 und 67 Abs. 2 ASGG lauten:
"§ 65. (1) Sozialrechtssachen sind Rechtsstreitigkeiten über
1. den Bestand, dem Umfang oder das Ruhen eines Anspruchs auf Versicherungs- oder Pflegegeldleistungen, ...
§ 67. (1) In einer Leistungssache nach § 65 Abs. 1 Z. 1 ... darf ... vom Versicherten eine Klage nur erhoben werden, wenn der Versicherungsträger
...
2. den Bescheid nicht innerhalb von sechs Monaten ... erlassen hat
a) nach dem Eingang des Antrags auf Erlassung eines Bescheides, wenn ein solcher nur auf ausdrückliches Verlangen zu erlassen ist (§ 367 Abs. 1 Z. 2 ASVG);
b) sonst nach dem Eingang des Antrags auf Zuerkennung der Leistung ... "
Der verwaltungsgerichtlichen Prüfung unterliegt ausschließlich die Frage, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid (mit dem in Bestätigung des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien der Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin vom 18. Jänner 1994 wegen Unzuständigkeit des Landeshauptmannes zurückgewiesen wurde) im geltend gemachten Beschwerdepunkt (nämlich im behaupteten Recht auf eine Sachentscheidung über ihren durch den Bescheid der mitbeteiligten Versicherungsanstalt vom 13. Oktober 1993 nicht erledigten, im Sinne des § 59 Abs. 1 AVG trennbaren Teil ihres Antrages) verletzt wurde. Dies wäre (wenn man den Beschwerdepunkt im Sinne der Verletzung des Rechtes auf eine Entscheidung über den Sachantrag versteht) - im Sinne des Beschlusses eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A - auch dann der Fall, wenn der Landeshauptmann den Sachantrag (und nicht den Devolutionsantrag) hätte zurückweisen müssen.
Eine solche Zuständigkeit (und damit eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin im geltend gemachten Beschwerdepunkt durch den angefochtenen Bescheid) ist aber auch dann zu verneinen, wenn die vorliegende Angelegenheit im Sinne der Beschwerdeausführungen nicht als Leistungssache im Sinne der §§ 65 Abs. 1 Z. 1, 67 Abs. 1 Z. 2 ASGG und des nach § 24 BPGG anwendbaren § 354 ASVG zu werten ist. Denn - unabhängig davon, ob der Landeshauptmann in Angelegenheiten des BPGG überhaupt aufgrund seines Aufsichtsrechtes über die Versicherungsträger nach § 24 BPGG in Verbindung mit den §§ 448 ff ASVG als "sachlich in Betracht kommende Oberbehörde" im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG (vgl. dazu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rz 642) angesehen werden und damit zu einer Entscheidung (mittels Bescheides) im Sinne der eben genannten Gesetzesstelle als Devolutionsbehörde zuständig sein kann (eine Zuständigkeit nach § 410 Abs. 2 ASVG scheidet deshalb aus, weil es sich bei diesen Angelegenheiten mangels eines Verweises im § 24 BPGG auf § 355 ASVG nicht um "Verwaltungssachen" handelt) - fehlte dem Landeshauptmann von Wien im gegenständlichen Fall eine funktionelle Zuständigkeit zur Entscheidung über den strittigen Teil des Sachantrages der Beschwerdeführerin mit Bescheid deshalb, weil eine solche Zuständigkeit die Verpflichtung der mitbeteiligten Versicherungsanstalt, darüber mit Bescheid zu entscheiden, voraussetzte, eine solche Verpflichtung aber nicht bestand. Die mitbeteiligte Versicherungsanstalt hatte nach § 4 Abs. 4 BPGG vielmehr - in Reaktion auf den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung des Pflegegeldes der Stufe 7 - hinsichtlich des Differenzbetrages zwischen der Stufe 2 und 7 - entsprechend der Rechtsnatur dieses Differenzbetrages nach § 4 Abs. 4 BPGG (vgl. dazu ausführlich Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich, 282 ff; OGH, SSV-NF 8/71, Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 1994, Zl. 94/08/0067) - innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 28 Abs. 1 BPGG keinen Bescheid (und zwar auch nicht über die Grundlagen eines allenfalls zu gewährenden Differenzbetrages) zu erlassen, sondern nur eine keinen Bescheid darstellende Mitteilung (vgl. den eben genannten Beschluß vom 26. April 1994) zu machen.
Schon mangels einer Bescheiderlassungspflicht der mitbeteiligten Versicherungsanstalt in der gegenständlichen Angelegenheit fehlte der erstinstanzlichen Behörde aber - entgegen den mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren übereinstimmenden Beschwerdeausführungen - auch die Zuständigkeit, aufgrund ihres Devolutionsantrages (der ja auf einen Übergang der Zuständigkeit zur bescheidmäßigen Entscheidung über den strittigen Teil des Sachantrages der Beschwerdeführerin abzielte) die mitbeteiligte Versicherungsanstalt mit Bescheid zur Einhaltung der nach Auffassung der Beschwerdeführerin bei Ermittlung des Differenzbetrages verletzten Verfahrensvorschriften zu verhalten.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 4 Abs. 4 BPGG aufgrund der von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde dargelegten sozial- und rechtspolitisch unerwünschten Konsequenzen hegt der Verwaltungsgerichtshof aus den vom ihm geteilten Überlegungen des OGH (SSV-NF 8/71) sowie von Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich, 282 ff, nicht.
Abschließend sei bemerkt, daß auch dann, wenn die Berufung der Beschwerdeführerin (aufgrund ihrer abschließenden Darlegungen in ihr) auch als Aufsichtsbeschwerde zu werten sein sollte, die Beschwerdeführerin durch die Zurückweisung der gesamten Berufung - mangels eines Rechtsanspruches auf eine Sachentscheidung über eine Aufsichtsbeschwerde (vgl. dazu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rz 494, Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 1994, Zl. 94/08/0024) - nicht in Rechten, geschweige denn im geltend gemachten Beschwerdepunkt, verletzt wäre.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994, begrenzt durch das (den in dieser Verordnung festgelegten Pauschalsatz für Vorlageaufwand unterschreitende) Begehren der belangten Behörde.
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Angelegenheiten des Privatrechts Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Mitteilungen und Rechtsbelehrungen Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Verhältnis zu anderen Materien und Normen Aufsichtsbehördliches Verfahren (siehe auch Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994080287.X00Im RIS seit
11.07.2001