Index
L92056 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Steiermark;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Steiermärkischen Krankenanstalten Gesellschaft m.b.H., vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 2. September 1994, Zl. 9 - 18 - 15 - 1994/3, betreffend Rückersatzanspruch gemäß § 42 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Rechtsträger der Steiermärkischen Landeskrankenanstalten. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurden Anträge der Beschwerdeführerin auf Kostenersatz im Sinne des § 42 Abs. 1 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes für die durch die stationären Aufenthalte der A verursachten offenen Pflegegebühren für die Zeit vom 25. November 1989 bis 6. Jänner 1990, vom 5. März bis 6. März 1990, vom 21. März bis 25. März 1990, vom 1. April bis 4. April 1990 sowie vom 23. April bis 5. Mai 1990 in der Höhe von insgesamt S 149.170,50 abgewiesen.
Dieser Bescheid wurde - nach eingehender Darstellung des Verwaltungsgeschehens - im wesentlichen damit begründet, daß die Beschwerdeführerin den Anspruch nicht rechtzeitig geltend gemacht habe: Aus den von ihr fristgerecht erstatteten "Sicherungsmeldungen" gehe nicht hervor, daß es sich bei der Patientin um eine Marokkanerin gehandelt habe, die mit einem Sichtvermerk nach Österreich eingereist sei. Erst mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom 21. Februar 1991 seien "fünf Anträge auf Spitalskostenrückersatz aus Mitteln der Sozialhilfe" über (ursprünglich) insgesamt S 158.170,50 eingebracht worden. Diese Anträge seien damit begründet worden, daß zur Zeit des stationären Aufenthalts kein Leistungsanspruch bei der Sozialversicherung bestanden habe, die Verpflichtete (in der Folge: Patientin) keiner Beschäftigung nachgegangen sei und kein eigenes Einkommen und kein eigenes Vermögen vorhanden gewesen seien. Demgegenüber sei bei Anzeige des Anspruches auf Rückersatz die Hilfsbedürftigkeit der Patientin glaubhaft und durch geeignete Beweismittel darzulegen. Da innerhalb der Fallfrist von sechs Monaten solche Beweismittel nicht vorgelegt worden seien, sei die Übernahme der offenen Spitalskosten aus Mitteln der Sozialhilfe abzulehnen.
Die Übernahme der gegenständlichen Spitalskosten aus Mitteln der Sozialhilfe sei aber auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil sich näher bezeichnete Familienangehörige der (mittlerweile verstorbenen) Patientin im Februar 1990 bei der Bundespolizeidirektion Graz, Fremdenpolizei, durch Erklärungen verpflichtet hätten, die "angefallenen und anfallenden Spitalskosten" für die Patientin zu übernehmen. Diese sei daher nicht hilfsbedürftig; ob die Familienangehörigen der Patientin aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse in der Lage gewesen seien, die offenen Spitalskosten zu übernehmen, sei nicht "Gegenstand dieses Verfahrens".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 42 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 1/1976, lautet:
"§ 42
Rückersatzansprüche Dritter für Hilfeleistungen
(1) Der Sozialhilfeträger hat demjenigen, der einem Hilfsbedürftigen Hilfe geleistet hat, Rückersatz zu leisten, wenn:
a)
eine Gefährdung des Lebensbedarfes (§ 7) gegeben war;
b)
die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht rechtzeitig gewährt werden konnte;
c)
der Dritte nicht selbst die Kosten der Hilfe zu tragen hatte.
(2) Der Anspruch auf Rückersatz muß spätestens sechs Monate nach Beginn der Hilfeleistung bei sonstigem Anspruchsverlust dem örtlich zuständigen Sozialhilfeträger angezeigt werden.
(3) Der Sozialhilfeträger hat dem Dritten nicht mehr zu ersetzen, als er selbst nach diesem Gesetz aufzuwenden gehabt hätte."
Zum Lebensbedarf im Sinne des § 7 SHG gehört gemäß § 7 Abs. 1 lit. c auch die Krankenhilfe im Sinne des § 10 SHG.
Die belangte Behörde hat den Antrag der Beschwerdeführerin aus zwei Gründen abgelehnt: Der Anspruch sei nicht innerhalb von sechs Monaten nach Beginn der Hilfeleistung angezeigt worden und die Patientin sei - aufgrund der von Familienangehörigen gegenüber der Fremdenpolizei abgegebenen Verpflichtungserklärungen - nicht hilfsbedürftig.
Was die Rechtzeitigkeit der Antragstellung anbelangt, so hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. Mai 1992, Zl. 92/08/0083, ausgeführt, daß der Rückersatzanspruch, d.h. der Anspruch auf Ersatz konkret bezeichneter Aufwendungen nach dem Wortlaut des § 42 Abs. 2 SHG binnen sechs Monaten nach Behandlungsbeginn anzuzeigen sei. Ob der Rückersatzberechtigte auch den urkundlichen Nachweis für seine Aufwendungen innerhalb der sechsmonatigen Frist zu erbringen habe oder ob die bloße Antragstellung auf den Rückersatz der Kosten bestimmt bezeichneter Hilfeleistungen bei Nachreichung der Rechnung (oder anderer Unterlagen) nach Ablauf der Frist ausreicht, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis offengelassen.
Der oben wiedergegebene Gesetzeswortlaut läßt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes lediglich erkennen, daß der entsprechend konkretisierte Anspruch auf Rückersatz zwar rechtzeitig angezeigt werden muß, nicht aber sieht das Gesetz bestimmte Formvorschriften für diese Antragstellung vor, insbesondere nicht die Vorlage bestimmter Unterlagen bei der Antragstellung. Es ist nur dem Sinne dieser Bestimmung zu entnehmen, daß die Leistung zumindest hinsichtlich der Art der erbrachten Aufwendungen und des Empfängers der Leistungen hinreichend individualisiert werden muß, um als fristgerechte Anzeige zu gelten. Soweit die vorgelegten Unterlagen für die Ermittlung aller Anspruchsvoraussetzungen nicht ausreichend sind, hat die Behörde - im Rahmen der sie grundsätzlich treffenden amtswegigen Ermittlungspflicht - die Beschwerdeführerin zur Nachreichung solcher Unterlagen aufzufordern. Diese trifft keine Beweislast; sie ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch u.a. verpflichtet, die Notlage des Hilfebedürftigen glaubhaft zu machen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 13. Juni 1989, Zl. 88/11/0161, und vom 3. Februar 1989, Zl. 88/11/0182, sowie vom 17. Dezember 1990, Zl. 90/19/0310, uva.). Nicht erforderlich ist hingegen, daß diese Glaubhaftmachung gleichzeitig mit der Antragstellung oder doch innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 42 Abs. 2 SHG erfolgt. Insoweit ist der gegenteiligen Auffassung der belangten Behörde nicht beizupflichten.
Diesem Rechtsirrtum der belangten Behörde käme aber dann im Ergebnis keine Bedeutung zu, wenn ihr im weiteren Begründungselement, die Patientin sei nicht hilfsbedürftig gewesen, zu folgen wäre.
Dies ist jedoch aus folgenden Gründen nicht der Fall:
Das Verhältnis des § 10 SHG über die Gewährung von Krankenhilfe zu § 42 über den Rückersatzanspruch Dritter für erbrachte Leistungen (u.a.) aus dem Bereich der Krankenhilfe ist dadurch gekennzeichnet, daß es sich im erstgenannten Fall um den (eigentlichen) Sozialhilfeanspruch des Patienten selbst, im zuletzt genannten Fall hingegen um den Ersatzanspruch für Nothilfe des Dritten handelt, der einem an sich sozialhilfeberechtigten Leistungsempfänger wegen der Dringlichkeit Hilfeleistungen erbracht hat und die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht rechtzeitig gewährt werden konnte.
Dieser unterschiedliche Charakter der beiden Leistungsansprüche ändert jedoch nichts daran, daß die Frage der Hilfebedürftigkeit des Patienten - wenn auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung zur bloßen Glaubhaftmachung durch den Antragsteller - nach den jeweils gleichen Grundsätzen zu beurteilen ist, wobei es im Zusammenhang mit § 42 SHG darauf ankommt, ob Hilfsbedürftigkeit im Zeitpunkt der Erbringung der Leistung vorlag (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 16. Mai 1989, Zl. 88/11/0107, und vom 19. November 1990, Zl. 90/19/0007).
Gemäß § 4 Abs. 1 SHG ist Voraussetzung der Hilfe u.a., daß der Betroffene (hier: die Patientin) den Lebensbedarf im Sinne des § 7 SHG (darunter gemäß § 7 Abs. 1 lit. c auch die Krankenhilfe im Sinne des § 10) für sich nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.
Gemäß § 5 Abs. 1 SHG ist Hilfe nur soweit zu gewähren, als das Einkommen oder das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 7) zu sichern. Gemäß § 5 Abs. 2 leg. cit. dürfen das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers soweit nicht berücksichtigt werden, als dies mit der Aufgabe der Sozialhilfe unvereinbar ist. Besondere soziale Härten für einen Hilfeempfänger und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden Angehörigen sind auszuschließen.
Gemäß § 5 Abs. 3 gehören zum verwertbaren Vermögen nicht jene Sachen, die zur persönlichen Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit oder zur Befriedigung allgemein anerkannter kultureller Bedürfnisse dienen. Hat der Hilfeempfänger Vermögen, dessen Verwertung ihm vorerst nicht möglich oder zumutbar ist, so können Hilfeleistungen gemäß § 5 Abs. 4 leg. cit. von der Sicherstellung des Ersatzanspruches (§ 39) abhängig gemacht werden, wenn die Rückzahlung voraussichtlich ohne Härte möglich sein wird.
Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides - die insoweit mit der Aktenlage übereinstimmt - bestehen die "eigenen Mittel" der Patientin nach Auffassung der belangten Behörde in einem Leistungsanspruch gegenüber in Österreich lebenden Familienangehörigen, weil diese sich gegenüber der Fremdenpolizei verpflichtet hätten, die angefallenen und anfallenden Spitalskosten für die Patientin zu übernehmen.
Diese, von den drei in Österreich lebenden Kindern der Patientin unterfertigten Verpflichtungserklärungen lauten:
"Dient zur Vorlage bei der Bundespolizeidirektion Graz, Fremdenpolizeiliches Referat
Graz, am ....
VERPFLICHTUNGSERKLÄRUNG
Ich, (Name, Geburtsdatum, Beruf, Staatsbürgerschaft, Adresse) verpflichte mich, für den gesamten Unterhalt des(r) ... P-Gasse 128, G, während des Aufenthaltes in Österreich bis Juni 1990 sowie eventuell entstehende Kosten durch ärztliche Behandlung und Krankenhausaufenthalte aufzukommen. Weiters verpflichte ich mich die Kosten der allenfalls notwendigen Außerlandschaffung zu tragen.
Unterschrift: (unleserliche Unterschrift)"
Wie der Verwaltungsgerichtshof bei vergleichbarer Rechtslage nach dem Wiener Sozialhilfegesetz zu derartigen Verpflichtungserklärungen ausgesprochen hat, schließt diese Verpflichtungserklärung die Gewährung von Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nur dann aus, wenn sich der in dieser Erklärung Genannte auch gegenüber dem Empfänger der Sozialhilfeleistung selbst zur Bestreitung des Lebensunterhaltes verpflichtet hat und dem Empfänger der Sozialhilfeleistung somit ein vertraglicher Anspruch auf Leistung des Lebensunterhaltes gegenüber den Genannten zustünde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1990, Zl. 90/19/0032).
Da es sich bei den die Verpflichtungserklärungen unterfertigenden Personen im Beschwerdefall überdies um die Kinder der Patientin handelte, käme im übrigen - und ganz unabhängig von der Frage, ob ungeachtet allenfalls fehlender gesetzlicher Voraussetzungen ein vertraglicher Unterhaltsanspruch begründet werden sollte - auch ein allfälliger gesetzlicher Unterhaltsanspruch der Patientin gegenüber ihren Kindern in Betracht.
Ein solcher - vertraglicher oder gesetzlicher - Unterhaltsanspruch schlösse den Anspruch auf Sozialhilfeleistungen mangels Hilfsbedürftigkeit aber nur unter einer der beiden weiteren Voraussetzungen aus, nämlich daß entweder Unterhalt im ausreichenden Umfang tatsächlich gewährt wurde (dies scheidet im Beschwerdefall aus) oder der Unterhalt in erforderlichem Umfang leicht, d.h. - bezogen auf die erforderliche Hilfeleistung - rechtzeitig realisierbar ist (vgl. dazu Pfeil, Österr. Sozialhilferecht, 413 f). In diesem Zusammenhang hätte sich die belangte Behörde mit den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der genannten Kinder auseinandersetzen müssen, zumal die Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren trotz Bemühens nur in sehr geringem Umfang in der Lage war, kleine Ratenzahlungen von den Kindern der Patientin zu erhalten. Die - offenbar dringend behandlungsbedürftige - Patientin könnte aber auf nur in kleinen Raten und daher nur sehr langfristig durchsetzbare Unterhaltsansprüche unter dem Gesichtspunkt des Vorhandenseins eigener Mittel nicht verwiesen werden.
Soweit die belangte Behörde daher aus der bloßen Existenz der genannten Verpflichtungserklärungen den Schluß auf die fehlende Hilfebedürftigkeit der Patientin gezogen hat, ist ihr ebenfalls ein Rechtsirrtum unterlaufen. Der Vollständigkeit halber sei dazu bemerkt, daß es dem Sozialhilfeträger, der Leistungen erbracht hat, freisteht, auf solche - wenn auch nicht leicht realisierbare - Unterhaltsansprüche im Wege der Ersatzpflicht gemäß § 39 Z. 2 SHG zu greifen.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde - soweit sich die bisher von ihr herangezogenen Gründe für die Versagung des Rückersatzanspruches als im Ergebnis nicht tragfähig erweisen sollten - jedenfalls auch zu prüfen haben, für welche der Krankenhausaufenthalte der Patientin jene Voraussetzung des § 42 SHG, daß die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht rechtzeitig gewährt werden konnte (insbesondere durch Gewährung von Krankenhilfe gemäß § 10 SHG), vorliegt. Es ist zwar der Beschwerdeführerin zuzugeben, daß die Patientin nicht von vornherein nur zum Zwecke einer "Chemotherapie" (wie die erstinstanzliche Behörde meinte) in die Krankenanstalt der Beschwerdeführerin aufgenommen wurde, sondern auf Grund eines behandlungsbedürftigen Akutzustandes, der nach den ersten Untersuchungen eine Krebsoperation indizierte; spätestens dann, als sich die weitere Behandlungsbedürftigkeit der Patientin - über die Behebung der akuten medizinischen Notlage hinaus - abzeichnete, hätte die Krankenanstalt jedoch im Sinne des § 10 Abs. 3 SHG für den Pflegling einen Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe durch Krankenhilfe stellen können. Unter der Voraussetzung, daß bei rechtzeitiger Stellung eines solchen Antrages die Hilfe des Sozialhilfeträgers hätte rechtzeitig gewährt werden können, stünde insoweit ein Rückersatzanspruch gemäß § 42 Abs. 1 SHG nicht zu.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, jedoch begrenzt durch den tatsächlich verzeichneten, hinter den Pauschalsätzen dieser Verordnung zurückbleibenden Schriftsatzaufwand.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweislastEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994080239.X00Im RIS seit
13.07.2001