RS Vfgh 2022/12/13 G174/2022

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 13.12.2022
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Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein
37/02 Kreditwesen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
EMRK 1. ZP Art1
StGG Art2
StGG Art5
2. COVID-19-Justiz-BegleitG §2 Abs6
EpidemieG 1950
BankwesenG §1
VfGG §7 Abs1
  1. B-VG Art. 7 heute
  2. B-VG Art. 7 gültig ab 01.08.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.2004 bis 31.07.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 7 gültig von 16.05.1998 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/1998
  5. B-VG Art. 7 gültig von 14.08.1997 bis 15.05.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/1997
  6. B-VG Art. 7 gültig von 01.07.1988 bis 13.08.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  7. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.1975 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  8. B-VG Art. 7 gültig von 19.12.1945 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  9. B-VG Art. 7 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. B-VG Art. 140 heute
  2. B-VG Art. 140 gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2008
  5. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  6. B-VG Art. 140 gültig von 06.06.1992 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 276/1992
  7. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.1991 bis 05.06.1992 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  8. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1988 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  9. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1976 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  10. B-VG Art. 140 gültig von 19.12.1945 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 140 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Kein Verstoß gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums durch eine Regelung des 2. COVID-19-Justiz-BegleitG betreffend die Verschiebung der Fälligkeit von Zahlungen bei Kreditverträgen (Kreditmoratorium); Eigentumsbeschränkungen der Kreditinstitute (Verlängerung der Kreditverträge, Tragung der Kosten und die Verpflichtung, das Kapital für zusätzliche zehn Monate zur Verfügung zu stellen) sind nicht unverhältnismäßig und dienen dem Schutz der von der Pandemie betroffenen Verbraucher und Kleinstunternehmer; zahlreiche wesentliche geldpolitische und bankaufsichtsrechtliche Maßnahmen der EZB für Kreditinstitute zur Abfederung der Folgen der COVID-19-Pandemie

Rechtssatz

§2 des 2. COVID-19-Justiz-BegleitG greift in die Privatautonomie der Vertragsparteien ein, weil die Fälligkeit der Leistungen aus dem Kreditvertrag für die Dauer von zehn Monaten für Verbraucherkreditverträge bzw Kreditverträge mit Kleinstunternehmen, die zwischen 01.04.2020 und 30.06.2020 fällig wurden, gesetzlich hinausgeschoben wird (Kreditmoratorium). Sie bildet auf Grund dieser Verschiebung der Fälligkeit von Zahlungsverpflichtungen in laufenden Verträgen einen Eingriff in das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums. Dieser Eingriff ist als Eigentumsbeschränkung der antragstellenden Kreditinstitute zu qualifizieren, weil ihnen dadurch die Möglichkeit genommen wird, ihr Kapital für einen Zeitraum von zehn Monaten, um den die Fälligkeit der Zahlungsverpflichtungen hinausgeschoben wird, anderweitig zu verwenden.

Kein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums: Das - von den antragstellenden Parteien ausdrücklich nicht angegriffene - Kreditmoratorium und die dadurch bewirkte Verlängerung der Kreditverträge stellt für sich genommen grundsätzlich einen erheblichen Eingriff in die Privatautonomie der Kreditinstitute und damit auch in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums dar. Die Kosten für das Kreditmoratorium sind einseitig und pauschal von den Kreditgebern zu tragen: Kreditgeber dürfen den Kreditnehmern für den Zeitraum der Stundung keine Sollzinsen verrechnen und die Verlängerung der Kreditverträge ist unentgeltlich. Die angefochtene Bestimmung dient dem öffentlichen Interesse des Schutzes der von der Pandemie betroffenen Verbraucher und Kleinstunternehmen. Sie soll diese Gruppen vor negativen Konsequenzen bewahren, die dadurch entstehen können, dass auf Grund der COVID-19-Pandemie und der dadurch vielfach verursachten Einkommensverluste laufende Kreditraten (samt Zinsverbindlichkeiten) nicht beglichen werden können. Die angefochtene Bestimmung, welche die Fälligkeit der Leistungen aus dem Kreditvertrag für die Dauer von zehn Monaten hinausschiebt und für die Dauer des Kreditmoratoriums eine Zinsfreistellung bewirkt, ist geeignet, dieses Ziel zu erreichen, weil den Kreditnehmern dadurch Zeit verschafft wird, das für die Rückzahlung erforderliche Kapital bereitzustellen.

Relativierung der Erheblichkeit des Eigentumseingriffs: Anwendung des Kreditmoratoriums nur auf Kreditnehmer, die sich in einer derart unzumutbaren Lage befanden, dass sie voraussichtlich (ohnehin) die Kreditzahlungsverpflichtungen (zumindest vorübergehend) nicht erfüllen hätte können. Wenn nun der Gesetzgeber für diesen besonderen Sachverhalt ein (zinsloses) Kreditmoratorium statuiert, greift er zwar nachträglich in die vertraglichen Regelungen zwischen dem Kreditinstitut und dem Kreditnehmer ein; es kann nicht ohne weiteres von einem gravierenden Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gesprochen werden. Da viele Kreditinstitute die Voraussetzungen für das Kreditmoratorium nicht geprüft hatten, kam ein wesentlicher Teil der Kreditnehmer in den Genuss des zinslosen Kreditmoratoriums. Bei einer Prüfung der Voraussetzungen wären die von den antragstellenden Parteien angegebenen Rückstellungen für Zinszahlungen möglicherweise von vornherein erheblich geringer gewesen. Die antragstellenden Parteien haben zudem nicht dargelegt, welche Auswirkungen die angefochtene Bestimmung hinsichtlich der Dauer des Kreditvertrags, fixe oder variable Verzinsung bzw Fälligkeitsregelungen ..., nach sich gezogen hat.

Zahlreiche wesentliche geldpolitische und bankaufsichtsrechtliche Maßnahmen der EZB zur Abfederung der Folgen der COVID-19-Pandemie: Erweiterung der gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (günstige, langfristige Kredite für die Kreditinstitute zu einem Zinssatz von -0,5% bis -1%); pandemische längerfristige Notfall-Refinanzierungsgeschäfte (Zurverfügungstellung ausreichender Liquidität), Lockerung der Anforderungen an die zu hinterlegenden Sicherheiten für Refinanzierungsgeschäfte; Möglichkeit der Verwendung der Kapital- und Liquiditätspuffer zur Kreditvergabe; Lockerung der Regeln, nach welchen Kriterien notleidende Kredite finanziert werden.

Kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz: Regelungen betreffend Kreditgeber und Wohnungsvermieter sind unterschiedliche Sachverhalte, die nicht am Maßstab des Gleichheitsgrundsatzes gemessen werden können.

Entscheidungstexte

Schlagworte

COVID (Corona), Kreditwesen, Eigentumsbeschränkung, Eigentumseingriff, Verhältnismäßigkeit, Rechtspolitik, Geldwesen, VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, Privatautonomie

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:G174.2022

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2023
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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