Norm
BDG 1979 §43 Abs2Schlagworte
schwere KörperverletzungText
Die Bundesdisziplinarbehörde hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19. Dezember 2022 zu Recht erkannt:
Der Beamte ist – in Verbindung mit dem rechtskräftigen Urteil des LG, vom 14. Jänner 2022– gemäß § 126 Abs. 2 BDG schuldig: Er hat am 10. Juli 2021, um ca. 04:00 Uhr, außer Dienst, am Hauptplatz den stark alkoholisierten N.N.. – nach einer zunächst wörtlichen Auseinandersetzung - durch einen Faustschlag in das Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt und dadurch fahrlässig das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB begangen.
Der Beamte hat seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 2 BDG, nämlich in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seines Amtes erhalten bleibt, gemäß § 91 BDG schuldhaft verletzt.
Gemäß § 92 Abs. 1 Ziffer 2 BDG wird die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von € 2.500, verhängt, die gemäß § 127 Abs. 2 BDG in 25 Monatsraten zu leisten ist. Dem Beamten werden gemäß § 117 Abs. 2 BDG keine Verfahrenskosten vorgeschrieben; die eigenen Kosten hat er selbst zu tragen.
BEGRÜNDUNG
Der Beamte verrichtet als Exekutivbeamter in der Justizanstalt Dienst.
Gerichtliche Maßnahmen: Mit Urteil des LG wurde der Beamte wegen des Verbrechens nach § 84 Abs. 4 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 180 Tagsätzen a´€ 15,- (€ 2.700,-) und einer bedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Der dagegen erhobenen Berufung an das OLG wurde nicht stattgegeben.
Vorwurf von Dienstpflichtverletzungen
Der Vorwurf von Dienstpflichtverletzungen ergibt sich aus der Disziplinaranzeige des BMJ vom 11. August 2022, einschließlich Beilagen, insbesondere den Akten des Strafverfahrens und insbesondere des rechtskräftigen Urteils. Daraus ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:
Sachverhalt:
Am 10. Juli 2021, um ca. 04:00 Uhr, kam es zwischen dem Beamten und weiteren Personen zu einer zunächst verbalen Auseinandersetzung bei einem Würstelstand am Hauptplatz. Aus nicht näher bekannten Gründen eskalierte die Situation zwischen den Streitparteien und der Beamte versetzte dem bereits stark alkoholisierten Mann zwei Faustschläge auf die Schulter, bzw. die linke Gesichtshälfte. Einer dieser Schläge traf den Mann wuchtig im Gesicht, wodurch er das Gleichgewicht verlor, rückwärts auf den Boden stürzte und mit dem Kopf am Asphalt aufschlug. Unmittelbar danach verließ der Beamte den Tatort, blieb jedoch über Aufforderung eines zu Hilfe eilenden Polizeibeamten stehen.
Verletzungen des Opfers
Der Mann erlitt vier Brüche an der rechten Fußwurzel und ein Schädel-Hirn-Trauma mit einer insgesamt 24 Tage überschreitenden Gesundheitsschädigung.
Mündliche Disziplinarverhandlung
Die Disziplinarverhandlung wurde am 19. Dezember 2022 durchgeführt.
Angaben des Beamten
Der Beamte bekannte sich schuldig. Er führte – unter Vorlage entsprechender Belege - aus, dass ihm aufgrund von Regressforderungen (Behandlungskosten udgl.) bisher Kosten in der Höhe von € 40.000,- entstanden sind und ersuchte dies bei der Strafbemessung zu berücksichtigen.
Plädoyer des Disziplinaranwalts
Der DA fasste die Ergebnisse des Beweisverfahrens zusammen, subsumierte dies unter die entsprechenden Bestimmungen des BDG und stellte fest, dass der Beamte eine Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG zu verantworten habe. Er beantragte die Verhängung einer tat- und schuldangemessenen Strafe innerhalb des Rahmens des § 92 Abs. 1 Ziffer 3 BDG (Geldstrafe).
Die Bundesdisziplinarbehörde hat dazu erwogen:
Auf dieses Verfahren ist die Geschäftsordnung der Bundesdisziplinarbehörde für das Jahr 2022 anzuwenden.
§ 43 (2) BDG Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
zur Schuldfrage
Das durchgeführte Beweisverfahren hat ergeben, dass der Beamte seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat.
zur Bindungswirkung an das strafgerichtliche Urteil
Gemäß § 95 Abs. 2 BDG ist die Disziplinarbehörde an die einem rechtskräftigem Urteil zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung gebunden. Es ist also erwiesen, dass der Beamte das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB zu verantworten hat. Disziplinarrechtlich ist das Verhalten des Beamten wie folgt zu würdigen:
Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG
Gemäß § 43 Abs. 2 BDG ist der Beamte verpflichtet in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit, aber auch des Dienstgebers in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Diese Pflicht verletzt der Beamte immer dann, wenn er durch ein inner- oder außerdienstliches Verhalten bei Dritten Bedenken dagegen auslöst, dass er bei der Vollziehung immer rechtmäßig vorgehen werde und damit seine Glaubwürdigkeit einbüßt. Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liegt nach Auffassung des VwGH in der allgemeinen Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft (VwGH 24.11.1997, 95/09/0348; 15.12.1999, 98/09/0212; 18.4.2002, 2000/09/0176); insofern stellt § 43 Abs. 2 BDG auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar (VwGH 28.7.2000, 97/09/0324; 16.10.2001, 2000/09/0012) und wird von keinem anderen Tatbestand des Dienstrechts abgedeckt. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 43 Abs. 2 BDG 1979 bereits wiederholt ausgesprochen hat, lassen die Worte „in seinem gesamten Verhalten“ den Schluss zu, dass hierdurch nicht nur das Verhalten im Dienst gemeint ist, sondern auch außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 29.6.1989, Zl. 86/09/0164, sowie vom 31.5.1990, Zl. 86/09/0200 = Slg. N.F. Nr. 13.213/A). Dieser sogenannte Dienstbezug ist dann gegeben, wenn das Verhalten des Beamten bei objektiver Betrachtung geeignet ist Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben - das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben (besonderer Funktionsbezug), aber auch jene Aufgaben, die jedem Beamten zukommen - nicht in sachlicher (rechtmäßig und korrekt sowie unparteiisch und in uneigennütziger) Weise erfüllen (vgl. dazu z.B. Schwabel/Chilf, Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Landeslehrer und Soldaten, zweite Auflage, Fußnote 17 zu § 43 BDG, Seite 7 f). Dabei ist von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach entschieden hat, ist eine Verletzung der Pflicht zur Vertrauenswahrung immer dann anzunehmen, wenn der Beamte ein Rechtsgut verletzt, mit dessen Schutz er im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben betraut ist (zB: VwGH 24.2.1995, 93/09/0418; 15.12.1999, 98/09/0212). Der Beamte ist Justizwachebeamter und hat damit alle in den Bereich der Exekutive fallenden Vollzugsaufgaben zu besorgen; dazu gehört auch das Strafrecht und insbesondere das Strafvollzugsgesetz. Wie schon oben ausgeführt, ist er der Begehung einer schweren Straftat nach dem StGB (außer Dienst) überführt. Er hat ein massives Fehlverhalten im Kernbereich seiner dienstlichen Aufgaben realisiert, weil die Vollziehung der Strafgesetze grundsätzlich von jedem Exekutivbeamten zu besorgen und gerade der Schutz des Lebens, bzw. der körperlichen Unversehrtheit (1. und 3. Abschnitt des StGB) zu den wichtigsten dienstlichen Tätigkeiten eines Exekutivbeamten gehört.
Dass der Beamte strafrechtlich verurteilt wurde, ändert nichts. Der spezifische dienstrechtliche Aspekt - nämlich das Vertrauen der Allgemeinheit in eine rechtstreue Exekutive, deren Organe in der Freizeit nicht selbst Gewalt gegen andere üben – wird vom strafrechtlichen Tatbestand nicht wahrgenommen. Dieser sogenannte Dienstbezug ist dann gegeben, wenn das Verhalten des Beamten bei objektiver Betrachtung geeignet ist, Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben – das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben (besonderer Funktionsbezug), aber auch jene Pflichten, die jedem Beamten auch im außerdienstlichen Verhalten zukommen (allgemeiner Funktionsbezug) - nicht in sachlicher (rechtmäßig und korrekt sowie unparteiisch und in uneigennütziger) Weise erfüllen. Dabei geht es vor allem um Verhaltensweisen, die mit der erforderlichen Einstellung eines Beamten zum Dienst und den von ihm zu vollziehenden Gesetzen nicht vereinbar sind, wie insbesondere die Begehung strafbarer Handlungen außer Dienst. Dies ist hier der Fall.
Strafbemessung - § 93 BDG
Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den DB von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Disziplinarbeschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaße eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint.
Milderungsgründe:
Schuldeinsicht und umfassendes Geständnis, gute Dienstbeschreibung, Unbescholtenheit
Erschwerungsgründe: Keine
Nach dem Ergebnis des Disziplinarverfahrens besteht eine deutlich positive Zukunftsprognose und es ist – auch in Verbindung mit seiner guten Dienstbeschreibung - nicht davon auszugehen, dass er seine Dienstpflichten neuerlich verletzen wird. Aufgrund des objektiv nicht unbeträchtlichen Unrechtsgehalts der ihm vorgeworfenen straf- und disziplinarrechtlich relevanten Tat war aus generalpräventiven Gründen eine Geldstrafe zu verfügen. Dem Antrag der Disziplinaranwaltschaft auf Verhängung einer Geldstrafe nach § 92 Abs. 1 Ziffer 3 BDG war daher stattzugeben, wobei die Strafe jedoch im unteren Bereich zu wählen war. Die vom erkennenden Senat gewählte Sanktion in der Höhe von etwas mehr als einem Monatsbezug ist – angesichts der sehr hohen weiteren, zivilrechtlichen Kosten die der Beamte zu tragen hat (bisher ca. € 40.000,-) – jedenfalls ausreichend, den disziplinären Unrechtsgehalt der Tat spezialpräventiv abzudecken und entfaltet auch in generalpräventiver Hinsicht eine ausreichende Wirkung.
Zuletzt aktualisiert am
10.02.2023