Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASchG 1972 §31 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 23. Juni 1995, Zl. VwSen-220912/13/Kon/Fb, betreffend Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften (mitbeteiligte Partei: H in L, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 21. Februar 1994 wurde die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für schuldig befunden, sie habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H. GesmbH und somit als gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher zu vertreten, daß am 5. April 1993, wie anläßlich einer Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat für den
9. Aufsichtsbezirk festgestellt worden sei, auf einer örtlich näher umschriebenen Baustelle zwei (näher angeführte) Verstöße gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften begangen worden seien. Es wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 23. Juni 1995 Folge und stellte das Strafverfahren ein.
In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, auf Grund des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens stehe fest, daß der Polier M. als Bevollmächtigter im Sinne des § 31 Abs. 5 ANSchG eingesetzt gewesen sei, der seinerseits wiederum vom Bauleiter P., der die Baustellen durchschnittlich dreimal täglich besucht habe, kontrolliert worden sei. Darüber hinaus sei die Baustelle vom gewerberechtlichen Geschäftsführer H. Kontrollen unterzogen worden. In bezug auf die Kontrollintensität sei es dabei nicht von Bedeutung, ob H. oder der Bauleiter P. die Stellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG "formell" innegehabt hätten oder nicht. Dies auch deshalb, weil H. und der Bauleiter dem Bevollmächtigten M. gegenüber übergeordnet und anordnungsbefugt gewesen seien. Insbesondere in bezug auf den Umstand, daß neben dem als Bevollmächtigten wirkenden Polier für die gegenständliche Baustelle noch ein Bauleiter (P.) eingesetzt gewesen sei und dieser die Baustelle zwei bis dreimal täglich besucht habe, könne dem Mitbeteiligten unzureichende Überwachungstätigkeit gegenüber dem Bevollmächtigten M. nicht vorgeworfen werden. Umstände, denen zufolge dieser als ungeeignet für seine Funktion gewesen wäre, seien im Verfahren nicht zu Tage getreten, sodaß auch ein Auswahlverschulden nicht anzunehmen sei. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, daß die gegenständlichen Übertretungen mit Wissen des Mitbeteiligten begangen worden seien. Zur Frage, ob ein unzureichendes Kontroll- und Überwachungssystem deshalb vorgelegen sei, weil kein anordnungsbefugter Dienstnehmer im Sinne des § 3 Abs. 2 Bauarbeiterschutzverordnung für die gegenständliche Baustelle bestellt worden sei, sei kein Beweisverfahren vorgenommen worden. Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes seien keine Gründe festzustellen, denenzufolge der Mitbeteiligte strafbar wäre, sodaß der Berufung Folge zu geben gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 2. Mai 1995, Zl. 95/02/0026, und die dort zitierte hg. Vorjudikatur) hat die Behörde von Amts wegen zu ermitteln, ob der Arbeitgeber (bzw. in den Fällen des § 9 Abs. 2 VStG das dort genannte Organ) es etwa bei der Beaufsichtigung des Bevollmächtigten an der erforderlichen Sorgfalt habe fehlen lassen, wobei allerdings dem Arbeitgeber die Verpflichtung obliegt, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen. Ob der Arbeitgeber persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit ist, hängt im Einzelfall davon ab, ob er sich (entsprechend dieser Mitwirkungspflicht) darauf zu berufen vermag, daß er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Dabei reicht die bloße Erteilung von Weisungen nicht hin, entscheidend ist deren wirksame Kontrolle, wobei vom Arbeitgeber das bezügliche Kontrollsystem darzulegen ist.
Im Beschwerdefall fällt in diesem Zusammenhang ins Gewicht, daß die belangte Behörde in Hinsicht auf die Person des Mitbeteiligten keine Feststellungen getroffen hat, inwieweit dieser, obwohl an der Spitze des "Kontrollsystems" stehend, überhaupt in dieses entsprechend eingebunden war (vgl. dazu das zitierte hg. Erkenntnis vom 2. Mai 1995, Zl. 95/02/0026). Daß die belangte Behörde insoweit die Rechtslage verkennt, geht insbesondere aus der Gegenschrift hervor, worin sie ausführt, vom Erfordernis einer Einbindung des Arbeitgebers in das Kontrollsystem sei im Falle eines wirksam bestellten Bevollmächtigten im Sinne des § 31 Abs. 2 ANSchG nicht auszugehen.
In diesem Zusammenhang sei vermerkt, daß der Mitbeteiligte in der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis zwar vorgebracht hat, daß auch die beiden handelsrechtlichen Geschäftsführer (sohin auch der Mitbeteiligte) "laufend Baustellen besuchen und somit auch den gewerberechtlichen Geschäftsführer ... überwachen", doch kann damit von der Darlegung des erforderlichen Kontrollsystems keine Rede sein, zumal selbst stichprobenartige Besuche keine ausreichende Kontrolle bilden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Mai 1995, Zl. 95/02/0026).
Was das Vorbringen des Mitbeteiligten in der Gegenschrift anlangt, der gewerberechtliche Geschäftsführer H. sei zum "verantwortlichen Beauftragten" (gemeint wohl: im Sinne des § 9 Abs. 2 und 4 VStG) bestellt gewesen, so genügt der Hinweis, daß der Mitbeteiligte in der Berufung in diesem Zusammenhang selbst vorgebracht hat, das "vom Arbeitsinspektorat gewünschte, ab 1.4.1993 erforderliche Formular, war zum Tatzeitpunkt 5.4.1993 allerdings noch nicht zur Post gegeben", womit er erkennbar auf die Bestimmung des § 23 Abs. 1 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 Bezug genommen hat, wonach die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften erst rechtswirksam wird, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist. Im übrigen sei in diesem Zusammenhang auch auf die Bestimmung des § 26 Abs. 3 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 verwiesen, nach der eine vor dem 1. April 1993 erfolgte Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 bis 4 VStG für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht für Übertretungen gilt, die nach diesem Zeitpunkt begangen werden, sofern nicht bis zu diesem Zeitpunkt eine Mitteilung an das Arbeitsinspektorat gemäß § 23 Abs. 1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 erfolgt.
Da die belangte Behörde sohin die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Schlagworte
Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht ArbeiterschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995020403.X00Im RIS seit
01.06.2001