TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/28 94/08/0161

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Veröffentlicht am 28.11.1995
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §35 Abs1;
ASVG §4 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der K Gesellschaft m.b.H. in M, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 10. Juni 1994, Zl. SV(SanR)-207/6-1994-Tr/Ma, betreffend Verpflichtung zur Leistung von Sozialversicherungsbeiträgen (mitbeteiligte Partei: Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, Gruberstraße 77, 4010 Linz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalles ergibt sich aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1993, Zlen. 93/08/0025, 0026; daraus ist für das vorliegende Beschwerdeverfahren noch folgendes von Bedeutung:

Am 4. Jänner 1991 schloß die Beschwerdeführerin als Pächterin mit der D Gesellschaft m.b.H. & Co KG und der

D Gesellschaft m.b.H. als Verpächter einen Vertrag, wonach die Beschwerdeführerin das Unternehmen der Verpächtergesellschaften (von im gegebenen Zusammenhang belanglosen Ausnahmen abgesehen) um einen jährlichen Pachtzins zuzüglich bestimmter, im Vertrag näher bezeichneter Nebenkosten pachtete. Dieser Pachtvertrag enthielt in Punkt 7.3. die Vereinbarung, daß die Verpächter zwar die in ihrem Unternehmensbetrieb begründeten Dienstverhältnisse (die nicht kraft ausdrücklicher Vereinbarung der Beschwerdeführerin mit dem jeweiligen Dienstnehmer von der Beschwerdeführerin übernommen würden) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen aufzukündigen hätte; die Verpächter seien aber verpflichtet, diese Dienstnehmer in dem von der Pächterin begehrten Ausmaß während des aufrechten Fortbestandes des Dienstverhältnisses (bis zum Ablauf der Kündigungsfrist) im Betrieb der Beschwerdeführerin einzusetzen und insbesondere damit eine weitere Verarbeitung der Rohwaren und die Fertigstellung der Halbfertigprodukte zu bewirken. Des weiteren wurde in dieser Bestimmung ein Ersatz all jener baren Auslagen vereinbart, die tatsächlich aus dem Vermögen der Verpächtergesellschaften für die Tätigkeit dieser Dienstnehmer aufgewendet wurden.

Am 8. Jänner 1991 wurde über das Vermögen der

D Gesellschaft m.b.H. das Ausgleichsverfahren, am 1. August 1991 der Anschlußkonkurs eröffnet.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sprach mit Bescheid vom 5. Juli 1991 (hinsichtlich der Beitragszeiträume vom 4. Jänner bis 31. Mai 1991) und (mit ähnlichem Wortlaut) mit Bescheid vom 17. Jänner 1992 (hinsichtlich der Beitragszeiträume vom 1. Juni bis 30. September 1991) aus, daß die Beschwerdeführerin

"als Pächter des betrieblichen Anlagenvermögens der (gemeinschuldnerischen Gesellschaften) ab 4. Jänner 1991 (laut Pachtvertrag) Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG und als solcher verpflichtet (sei), für die in den beigeschlossenen Listen namentlich angeführten Versicherten ab 4.1.1991 Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten."

In der Begründung dieser Bescheide heißt es - im wesentlichen übereinstimmend -, daß die Beschwerdeführerin als Pächterin des betrieblichen Anlagevermögens der gemeinschuldnerischen Gesellschaften Dienstgeber sei, weil der Betrieb, in dem die in den beigeschlossenen Listen namentlich genannten Versicherten ab 4. Jänner 1991 beschäftigt seien bzw. gewesen seien, für Rechnung der Beschwerdeführerin geführt werde.

Der von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Einspruch wurde mit zwei (jeweils auf unterschiedliche Zeiträume bezogenen) Bescheide des Landeshauptmannes für Oberösterreich vom 15. Dezember 1992 als unbegründet abgewiesen.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1993, Zlen. 93/08/0025, 0026, wurden diese Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Zu der allein strittigen Frage, ob die Beschwerdeführerin als Pächterin Dienstgeberin der im Betrieb Beschäftigten wurde, führte der Verwaltungsgerichtshof (u.a.) folgendes aus:

"Die Dienstnehmer standen im Beschwerdefall vor dem 4. Jänner 1991 unbestrittenermaßen in (als Beschäftigungsverhältnisse im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG anzusehenden) Arbeitsverhältnissen zu den Verpächterunternehmen. Die Beschwerdeführerin könnte Dienstgeberin der im Betrieb tätigen Arbeitnehmer dadurch geworden sein, daß sie (entweder) in die bestehenden Dienstverträge eingetreten ist oder mit den Dienstnehmern jeweils neue Dienstverträge geschlossen hat. Solche Vereinbarungen könnten gemäß § 863 ABGB ausdrücklich, aber auch konkludent geschlossen worden sein (vgl. das Erkenntnis vom 15. September 1986, Zl. 84/08/0188). Für die Frage, ob die Beschwerdeführerin am 4. Jänner 1991 (also ab jenem Zeitpunkt, ab dem der Betrieb auf ihre Rechnung und Gefahr geführt wurde) verpflichtet ist, als Dienstgeber Sozialversicherungsbeiträge für die in diesem Betrieb beschäftigten Dienstnehmer zu entrichten, ist aber nicht entscheidend, welcher der beiden genannten Fälle vorliegt. Es stünde nämlich der Annahme einer konkludenten Vertragsübernahme oder eines neuen Vertragsabschlusses insbesondere nicht entgegen, daß die Beschwerdeführerin mit dem Verpächterunternehmen im Pachtvertrag vereinbart hatte, daß die Dienstverhältnisse weiterhin zur Verpächterin bestehen sollten, weil es für die Frage des Zustandekommens eines Dienstverhältnisses zwischen der Beschwerdeführerin und den im Betrieb beschäftigten Dienstnehmern nur auf das Verhalten der Beschwerdeführerin gegenüber diesen Dienstnehmern ankommt bzw. darauf, wie die Dienstnehmer nach der Verkehrssitte das ihnen gegenüber zutage getretene Verhalten der Beschwerdeführerin verstehen durften. Ungeachtet der für die vorliegenden Beschwerdeverfahren somit unbedeutenden Frage des Eintrittes in ein bestehendes Arbeitsverhältnis (etwa durch Erklärung der Weiterbeschäftigung "wie bisher" vgl. Arb. 10223 und Spielbüchler, Arbeitsrecht I, 120, sowie Krejci, Betriebsübergang und Arbeitsvertrag 207 ff) durften die Dienstnehmer eine vorbehaltlose Weiterbeschäftigung im Betrieb durch die Beschwerdeführerin zumindest in der Weise deuten, daß sie nunmehr zur Beschwerdeführerin in einem (neuen) Arbeitsverhältnis stünden.

Anders verhielte es sich allerdings dann, wenn die Beschwerdeführerin gegenüber den Dienstnehmern einen ausdrücklichen Vorbehalt in der Weise gemacht hätte, daß die Dienstnehmer ihre bis 3. Jänner 1991 gegenüber den Verpächtern bestehende Arbeitspflicht ab 4.1.1991 bei der Pächterin (Beschwerdeführerin) erfüllen sollten und die Dienstnehmer dazu ihre Zustimmung erteilt hätten. In diesem Fall wäre nämlich - unter Beachtung der zwischen der Beschwerdeführerin und den Verpächtergesellschaften ausdrücklich getroffenen Vereinbarung, daß die Dienstnehmer weiterhin zur Verpächterin in einem Dienstverhältnis stehen sollten - mit der (ausdrücklichen oder konkludenten) Zustimmung der Dienstnehmer zu dieser Vereinbarung (gleichgültig ob diese gegenüber der Verpächterin oder gegenüber der Beschwerdeführerin zum Ausdruck gebracht wurde, die insoweit als Bevollmächtigte der Verpächtergesellschaften anzusehen wäre) Leiharbeitsverhältnisse zustande gekommen, hinsichtlich derer nur die Verpächtergesellschaften als Dienstgeber anzusehen wären (vgl. dazu u.a. die Erkenntnisse vom 23. Mai 1985, Slg. Nr. 11778/A, vom 27. Juni 1989, Zl. 84/08/0161, und vom 12. November 1991, Zl. 89/08/0262)."

Zu diesen entscheidungswesentlichen Fragen habe die belangte Behörde die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 10. Juni 1994 hat der Landeshauptmann von Oberösterreich den Einsprüchen (neuerlich) keine Folge gegeben und die Bescheide der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 5. Juli 1991 und 17. Jänner 1992 bestätigt. Nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens zitiert die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Einvernahmen dreier betroffener Dienstnehmer und dreier Mitteilungen der Firmenleitung an die Dienstnehmer, welche im Betrieb ausgehängt worden seien (nämlich vom 17. Jänner 1991, vom 26. März 1991 und vom 27. Mai 1991). Darin würden seitens der Beschwerdeführerin die Dienstnehmer mit "Liebe Mitarbeiter", "Liebe Dienstnehmerin, liebe Dienstnehmer" angesprochen. Die Mitteilung vom 26. März 1991 enthalte grundsätzliche Regelungen über Arbeitszeit, Überstunden, Urlaube, Krankheiten, kurzfristige Absenzen, Kilometergeldregelung, Diäten und Spesen, und Dienstnehmerwohnungen. In einer Hausmitteilung vom 27. Mai 1991 werde u.a. an die Leistungsbereitschaft jedes einzelnen Mitarbeiters appelliert. Aus diesem Beweisergebnis leitete die belangte Behörde schließlich ab, daß es als erwiesen zu gelten hätte, daß die Beschwerdeführerin als Pächterin gegenüber den im Betrieb beschäftigten Dienstnehmern ohne weitere Vorbehalte als Betriebsübernehmer aufgetreten sei. Der Zeuge W habe bestätigt, daß gegenüber den Dienstnehmern das Pachtverhältnis so dargestellt worden sei, daß der gesamte Betrieb, also auch die Dienstnehmer davon betroffen seien und dies im Pachtentgelt enthalten sei. Auch die Zeugin K habe bestätigt, daß die Dienstnehmer den Eindruck gehabt hätten, der Betrieb würde durch Dr. G. (den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin) weitergeführt. Den Dienstnehmern sei die Situation so dargestellt worden, daß der Gesamtbetrieb, "also auch die Dienstnehmer" von der Beschwerdeführerin gepachtet worden seien. Sie habe auch bestätigt, daß nach der Betriebsversammlung dem Dienstnehmer bewußt gewesen sei, daß durch den Pachtvertrag nunmehr der Geschäftsführer den Betrieb weiterführe und daß er der Ansprechpartner sei. Alle drei Dienstnehmer hätten angegeben, daß der Inhalt des Pachtvertrages den Dienstnehmern nicht bekannt gegeben worden sei, somit auch nicht die Bestimmungen über die Übernahme bzw. Nichtübernahme der Dienstverhältnisse. Auch durch die drei Mitteilungen an die Dienstnehmer würden diese Aussagen bestätigt, in welchen der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin eindeutig "als Betriebsübernehmer gegenüber den Dienstnehmern" aufgetreten sei. Sowohl aus den Zeugenaussagen als auch aus den zitierten Mitteilungen sei eindeutig ersichtlich, daß die Beschwerdeführerin gegenüber den im Betrieb beschäftigten Dienstnehmern ohne weitere Vorbehalte bereits ab Pachtbeginn als Betriebsübernehmer aufgetreten sei. Es sei daher ein konkludentes Dienstverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und den Dienstnehmern ab Pachtbeginn zustande gekommen. Es liege keines der vom Verwaltungsgerichtshof geforderten Merkmale für das konkludente Zustandekommen eines Leiharbeitsverhältnisses vor. Das im Schreiben der Beschwerdeführerin vom 18. Jänner 1994 zitierte Schreiben vom 22. April 1991 näher genannter Rechtsanwälte habe zur Beurteilung der gegenständlichen Rechtsfrage keinerlei Aussagekraft für das vom Verwaltungsgerichtshof einzig relevante Kriterium des Verhaltens der Beschwerdeführerin gegenüber den Dienstnehmern.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und - der Sache nach - auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 27. Oktober 1994 einen Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 10. Oktober 1994 vorgelegt, in welchem festgestellt wird, daß die Beschwerdeführerin als Pächterin des Betriebes der D Gesellschaft m.b.H. & Co KG und der D Gesellschaft m.b.H. in bezug auf das Zweigwerk Z (also nicht in bezug auf die hier streitgegenständlichen Betriebe) ab 4. Jänner 1991 nicht als Dienstgeberin der dort beschäftigten Dienstnehmerinnen anzusehen sei. Die von der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 94/08/0278, als unbegründet abgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin, daß die belangte Behörde ihr zwar die Ergebnisse der Beweisaufnahme (Vernehmung dreier Zeugen) zur Kenntnis gebracht habe, aber in keiner wie immer gearteten Weise auf die Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 18. Jänner 1994 reagiert habe, und zwar weder durch Aufnahme der dort angebotenen Beweise, noch durch Erörterung dieser Beweisanträge in der Bescheidbegründung. Die Beschwerdeführerin sei dadurch in ihren Rechten verletzt, daß die Berufungsentscheidung offenbar nur den persönlichen Kenntnisstand der einzelnen Dienstnehmer und nur die Verhaltensweisen der Beschwerdeführerin gegenüber diesen (drei) Dienstnehmern persönlich als entscheidungswesentlich und relevant ansehe, der Kenntnisstand der Dienstnehmervertretung und die Verhaltensweise der Beschwerdeführerin gegenüber dem bevollmächtigten Vertreter der Dienstnehmer aber als irrelevant anzusehen scheint.

Dem erwidert die belangte Behörde in der Gegenschrift, das der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 18. Jänner 1994 beigeschlossene Schreiben der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich vom 19. Oktober 1993 sei nach Erlassung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1993, Zlen. 93/08/0025, 0026, ergangen und stelle einen Versuch dar, "im nachhinein den Bestand von Leiharbeitsverhältnissen zu konstruieren". Beide Schreiben würden keinen unmittelbaren Beweis über den konkludenten Abschluß von Dienstverhältnissen bzw. Leiharbeitsverhältnissen im Sinne der im zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1993 aufgestellten Kriterien darstellen.

Die Beschwerde ist berechtigt.

Die belangte Behörde hat die Niederschriften über die Einvernahme von drei Zeugen (ehemals Beschäftigten der Beschwerdeführerin) mit Schreiben vom 12. Jänner 1994 der Beschwerdeführerin zur Kenntnisnahme und Stellungnahme übermittelt. In ihrer Stellungnahme vom 18. Jänner 1994 legte die Beschwerdeführerin ein Schreiben der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich vom 19. Oktober 1993, gerichtet an den Masseverwalter, vor, welches u.a. folgenden Wortlaut hat:

"Der Pachtvertrag zwischen der (Beschwerdeführerin) und der Firmengruppe D wurde am 4.1.1991 abgeschlossen. Die erste Betriebsversammlung mit dem Dienstnehmervertreter ... fand am 7.1.1991 statt. Der Wissensstand des Sachbearbeiters beschränkte sich auf die Kenntnis der Betriebsverpachtung und die Fortführung der Unternehmensgruppe.

Auf der Basis dieser Fakten wurde der Belegschaft mitgeteilt, daß die Dienstverhältnisse zu den ausgleichsschuldnerischen Firmen aufrecht bleiben und zu einem späteren Zeitpunkt nach den Bestimmungen der §§ 20b und c AO gelöst werden. Der Abrechnungsmodus über die Refundierung der Löhne und Gehälter zwischen der Verpächterin und der Pächterin sei ausschließlich Sache des Ausgleichsverwalters bzw. der Unternehmensgruppe D einerseits und der Pachtfirma andererseits, da die offenen Ansprüche jedenfalls durch den IAG-Fonds gesichert seien. Die Vollmachten an den Dienstnehmervertreter wurden am 8. Jänner 1991 durch die Beschäftigten unterfertigt. Die Belegschaft wußte also ab 7.1.1991, daß ihr Arbeitgeber nach wie vor die Firma D ist, jedoch die Dienstleistung von jemanden anderen in Anspruch genommen wird.

Daß die Firmengruppe D bis zum Ende des Dienstverhältnisses der Arbeitgeber war, dürfte auch die Rechsansicht des IAG-Fonds sein, ansonsten hätte man nicht die Dienstnehmerforderungen liquidiert."

Ginge man davon aus, daß der in diesem Schreiben mitgeteilte Sachverhalt den Tatsachen entspricht, so wäre - im Sinne des im ersten Rechtsgang ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1993 - gegenüber den Dienstnehmern tatsächlich klargestellt worden, daß die Dienstverhältnisse zu den damals ausgleichsschuldnerischen Unternehmen aufrecht blieben. Der Verwaltungsgerichtshof vermag der Auffassung der belangten Behörde in der Gegenschrift nicht zu folgen, daß der Umstand allein, daß dieses Schreiben erst nach Vorliegen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes verfaßt wurde, gegen die Glaubwürdigkeit des in diesem Schreiben mitgeteilten Sachverhaltes spricht, sodaß weitere Ermittlungen zu diesem Sachverhalt entbehrlich wären. Im übrigen finden sich in den von der belangten Behörde verwerteten Zeugenaussagen Beweisergebnisse, die in die gleiche Richtung deuten: So sagte der Zeuge W aus, daß anläßlich der Betriebsversammlung vom 7. Jänner 1991 dem Dienstnehmer gegenüber "das Pachtverhältnis so dargestellt (worden sei), daß der gesamte Betrieb, also auch die Dienstnehmer davon betroffen seien und dies im Pachtentgelt enthalten sei". Auch die Zeugin K gab an, daß den Dienstnehmern gegenüber die Situation so dargestellt worden sei, daß der Gesamtbetrieb "also auch die Dienstnehmer ... gepachtet" waren. Gerade diese Umstände könnten auf eine Mitteilung darüber hindeuten, daß keine Dienstverhältnisse zur Beschwerdeführerin begründet werden sollten, sondern für die Überlassung der Dienstnehmer an die Beschwerdeführerin ein gesondertes Entgelt (wenn auch als Teil des Pachtentgelts, deklariert) an die Verpächterin zu entrichten sei. In diesem Zusammenhang wäre seitens der belangten Behörde auch eine Prüfung der Frage angezeigt gewesen, ob die Dienstnehmer - im Sinne des Schreibens der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich - im Insolvenzverfahren der Verpächtergesellschaften (bzw. beim Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds) tatsächlich auch Lohnforderungen angemeldet haben, die aus einem Zeitraum stammen, während dessen die Arbeitsleistung bereits für die Beschwerdeführerin erbracht worden ist. Bejahendenfalls wäre nämlich mit einem solchen Verhalten die Annahme, daß die Dienstnehmer nicht gewußt hätten, daß sie weiterhin zu den Verpächtergesellschaften in einem Dienstverhältnis stehen sollten, kaum vereinbar. Wäre den Dienstnehmern bzw. ihren bevollmächtigten Vertretern im zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsversammlung vom 7. Jänner 1991 aber tatsächlich gesagt worden, daß ihre Dienstverhältnisse zu den Verpächtergesellschaften aufrecht blieben, sie aber ihre Dienstleistung nunmehr für die Beschwerdeführerin erbringen sollten, dann könnte im Hinblick auf diesen AUSDRÜCKLICHEN Vorbehalt aus der bloßen Verwendung der Worte "Dienstnehmer" in Hausmitteilungen nicht der (rechtliche) Schluß gezogen werden, daß damit konkludent (nunmehr) das Bestehen von Dienstverhältnissen zur Beschwerdeführerin bestätigt würde. Auch die Mitteilung vom 26. März 1991 über grundsätzliche Regelungen hinsichtlich des arbeitsbezogenen Verhaltens der Dienstnehmer, Spesenersatz und Dienstwohnungen könnte dann nicht in der von der belangten Behörde angenommenen Richtung gedeutet werden, da die Beschwerdeführerin diesfalls nur Rechte aus der Vereinbarung mit den Verpächtergesellschaften (in deren Eigenschaft als "Verleiher") gegenüber den Dienstnehmern geltend gemacht hätte, nicht aber Rechte, die ihr aus eigenem Recht (z.B. aufgrund unmittelbar mit den Dienstnehmern geschlossener Arbeitsverträge) zukämen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 17. Jänner 1995, Zl. 93/08/0182 ff).

Hingegen kommt dem von der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren vorgelegten Berufungsbescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 10. Oktober 1994 im hier maßgebenden Zusammenhang deshalb keine Bedeutung zu, weil er sich auf ein anderes Zweigwerk in der Steiermark bezieht und nicht ausgeschlossen ist, daß die beschwerdeführende Gesellschaft in der Betriebsversammlung jenes Zweigwerkes anders aufgetreten ist und den Dienstnehmern andere Informationen erteilt hat, als in der Betriebsversammlung in den hier strittigen (oberösterreichischen) Betrieben.

Die belangte Behörde hätte aber aus den dargelegten Gründen das Schreiben der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich in ihre Beweiswürdigung einbeziehen und gegebenenfalls durch ergänzende Beweisaufnahmen klären müssen, ob der Inhalt dieses Schreibens den Tatsachen entspricht. Dadurch, daß die belangte Behörde dieses Schreiben nicht nur in ihre Beweiswürdigung nicht einbezogen, sondern mit Stillschweigen übergangen hat, hat sie Verfahrensvorschriften außer acht gelasssen, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, jedoch begrenzt durch das hinter den Sätzen dieser Verordnung zurückbleibende Kostenbegehren der Beschwerdeführerin. Das Mehrbegehren auf Ersatz von Stempelgebühren mußte im Hinblick auf die in diesem Verfahren bestehende sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 110 ASVG abgewiesen werden.

Schlagworte

Besondere Rechtsprobleme Verhältnis zu anderen Normen Materien Sozialversicherung Zivilrecht Vertragsrecht Dienstnehmer Begriff Verfahrensrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994080161.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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