Norm
BDG 1979 §43 Abs2 und §44 Abs1 BDG i.V.m den DA „Dienstordnung der LPD“, „Allgemeine Polizeidienstrichtlinie“ und §10 der Richtlichtlinienverordnung i.V.m. §91 BDGSchlagworte
Amtsmissbr, falsche BeweisaussageText
Die Bundesdisziplinarbehörde hat am 17.02.2022 nach der am 17.02.2022 in Anwesenheit des Beamten, des Verteidigers, des Disziplinaranwaltes und der Schriftführerin durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Der Beamte ist schuldig,
1. er hat am 31.05.2019, in N.N., im Zuge der „Klima-Demo“ einen tatsachenwidrigen Amtsvermerk über die Amtshandlung vom 31.05.2019 (mit)verfasst und unterzeichnet, indem er darin anführte, A.A. habe sich nach Aufforderung geweigert, die Sitzblockade zu beenden, weswegen er von 3 Beamten in den gesicherten Bereich getragen wurde. In weiterer Folge habe A.A. beim Eingang zur gesicherten Zone sofort begonnen, „wild mit den „freien“ Beinen herumzutreten und dabei offensichtlich mehrmals versucht, gegen B.B. und ML (der Beamte) zu treten“ (AS 419), obwohl dies nicht den Tatsachen entsprach. Auch die Anzahl der dokumentierten Nierenschläge und Angaben zu den Verletzungen haben nicht den Tatsachen entsprochen,
2. er hat am 18.12.2019 vor dem Verwaltungsgericht als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem er auf den von ihm verfassten Amtsvermerk verwies und dessen Richtigkeit bestätigte sowie die Richtigkeit der Ausführungen bei der Beschuldigtenvernehmung am 12.06.2019 bestätigte,
er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BDG, § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. den DA „Dienstordnung der LPD N.N.“, „Allgemeine Polizeidienstrichtlinie“ und § 10 der Richtlichtlinienverordnung i.V.m. § 91 BDG 1979 begangen.
Über den Beamten wird gem. § 92 Abs. 1 Zi 1 BDG die Disziplinarstrafe des Verweises verhängt.
Dem Beamten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.
Begründung
Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige der Dienstbehörde vom 25.10.2021 sowie den Erhebungen der LPD N.N. und dem anhängigen Verfahren bei der StA N.N.
Sachverhalt:
Am 25.08.2019 und am 18.09.2020 langte in der Personalabteilung der LPD N.N. ein Abschlussbericht ein, wonach der Beamte im Verdacht steht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben:
Am 31.05.2019 kam es im Anschluss an die „Klima-Demo“ in N.N. zu einer unangemeldeten Kundgebung und Sitzblockade. Die Kundgebung wurde vom Behördenvertreter aufgelöst und der Beamte, C.C. und B.B. wurden im Zuge ihres EE-Einsatzes zur Räumung der Sitzblockade beauftragt. A.A. wurde als Teil der Sitzblockade aufgefordert, aufzustehen und sich in den gesicherten Bereich zu begeben. Da er sich weigerte, wurde er von C.C. und dem Beamten an den Armen und von B.B. an den Beinen erfasst und zum gesicherten Bereich getragen. Beim Eingang zum gesicherten Bereich kam der Beamte zu Sturz und auf A.A. zu liegen. Dieser habe sofort geschrien, dass ihm der Beamte „in die Eier“ gehaut habe. Im gesicherten Bereich verschränkte A.A. seine Arme unter dem Oberkörper, weshalb D.D. mittels Schläge gegen die rechte Nierengegend versuchte, den Widerstand zu brechen, um die Handfesseln anlegen zu können. Bei der anschließenden Beschuldigtenvernehmung gab A.A. an, ein Polizist sei beim Wegtragen zu Sturz und auf ihm zu liegen gekommen, wodurch er mit dem Hinterkopf auf den Asphalt aufgeschlagen sei. Weiters sei ihm in die Weichteile und vier bis fünf Mal in die Nieren getreten worden. Es hätten auch mehrere Polizisten an ihm gezerrt und seien auf ihm gekniet.
Vor dem LVwG N.N. (Maßnahmenbeschwerde) wurde ein Video vorgelegt, woraus sich Widersprüche zwischen der AH und den dokumentierten Ereignissen im Amtsvermerk ergaben. Der Beamte dokumentierte zusammen mit D.D., B.B. und C.C., sie hätten A.A. zu dritt in den gesicherten Bereich getragen, obwohl E.E. nach dem ersten Absetzen unterstützend dazu kam. Weiters entsprachen die Angaben, dass A.A. vor dem Passieren zum gesicherten Bereich wie wild mit den „freien“ Beinen herumgetreten und dabei versucht habe, mehrmals gegen B.B. und den Beamten zu treten, nicht den Tatsachen. Auch die Anzahl der dokumentierten Faustschläge und die Angaben zu den Verletzungen entsprachen nicht dem tatsächlichen Geschehen. Der Beamte tätigte als Zeuge vor dem LVwG und vor dem N.N. hierzu auch falsche Aussagen, indem er die Angaben des Amtsvermerks wiedergab.
Beweismittel:
A.A. gab an, er sei von vier Beamten von der Sitzblockade weggetragen worden, wobei ein Beamter zu Sturz und auf ihm zu liegen gekommen sei. Er sei hierbei mit dem Hinterkopf auf den Asphalt aufgeschlagen. Die Polizisten hätten ihn dann wieder hochgehoben und seien weitergegangen. Als er im gesicherten Bereich aufgestanden sei, habe ihm plötzlich ein Polizist in die Weichteile getreten und sich anschließend Richtung Kundgebung entfernt. Er habe versucht, den Beamten zu verfolgen, woran er aber von mehreren Polizisten gehindert worden sei. Diese Polizisten hätten ihn mit dem Bauch voran zu Boden gebracht, seine Hände habe er unter dem Oberkörper gehabt. Er sei dann mit einem Stiefel am Kopf fixiert worden. Anschließend sei er von einem Beamten mit voller Wucht mit dem Fuß in die rechte Nierengegend getreten worden und mehrere Beamten seien auf ihm gekniet. A.A. legte im weiteren Verlauf der Erhebungen ein nervenärztliches Attest vor und gab an, nicht vernehmungsfähig zu sein.
D.D. gab an, der Beamte habe im Anschluss an die Amtshandlung einen Amtsvermerk über alle gesetzten Maßnahmen verfasst. D.D. habe ihm dafür die gesetzten Maßnahmen mitgeteilt, habe aber nicht angeben können, wie viele Fauststöße er tatsächlich gesetzt habe. Der Amtsvermerk habe seinen damaligen Erinnerungen entsprochen.
B.B. gab an, beim Verfassen des Amtsvermerks hätten sie keine Erinnerung mehr an den ihnen unbekannten Beamten gehabt, weshalb sie geschrieben hätten, dass sie A.A. zu dritt weggetragen hätten.
C.C. gab an, er habe damals nicht mehr Fauststöße wahrgenommen. Er habe sowohl an der Verfassung des Amtsvermerks nach bestem Wissen und Gewissen entsprechend seinen Wahrnehmungen mitgewirkt als auch in diesem Sinne ausgesagt.
Verantwortung:
Der Beamte gab an, die Angaben im AV hätten seinen damaligen Wahrnehmungen und Erinnerungen entsprochen. Der AV sei federführend von ihm verfasst worden, B.B. und C.C. hätten mitgewirkt. Da er bei der Körperkraftanwendung nicht anwesend gewesen sei, habe die Dokumentation auf den Wahrnehmungen des B.B. und C.C. beruht.
Gerichtsverfahren:
Zum angeführten Vorfall wurden vom N.N. Erhebungen gepflogen, am 25.08.2019 und am 18.09.2020 erfolgte die Abschlussberichterstattung an die StA N.N.
Die StA stellte am 22.09.2020 das Verfahren gegen den Beamten wegen §§ 15, 83 (1), 313 StGB (Tritt in die Weichteile) gem. § 190 Z 2 StPO ein. Am 15.07.2021 erhob die StA Anklage gegen den Beamten wegen §§ 302, 288 StGB.
Am 27.08.2021 und am 15.10.2021 fand im Landesgericht N.N. die Hauptverhandlung statt. Der Beamte wurde rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten (bedingt auf 3 Jahre) verurteilt.
Maßnahmen- u. Richtlinienbeschwerde:
Am 12.07.2019 brachte A.A. beim LVwG N.N. eine Maßnahmen- und Richtlinienbeschwerde ein. Mit Erkenntnis des LVwG N.N. vom 07.01.2020 wurde ein Teil der Maßnahmenbeschwerde (Niederringen, Versetzen eines Schlages gegen das Geschlechtsteil und Faustdruck gegen die Kehle beim Sturz des Beamten) als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerde hinsichtlich des Versetzens von Fauststößen, Knien auf dem Beschwerdeführer und Auf-dem-Boden-Halten von mehreren EB zur Anwendung von Körperkraft mit Händen und Füßen wurde Folge gegeben und für rechtswidrig erklärt.
Auch der Richtlinienbeschwerde wegen Verletzung der Achtung der Menschenwürde und wegen der nicht nachvollziehbaren Dokumentation wurde Folge gegeben und eine Verletzung festgestellt.
Mündliche Disziplinarverhandlung:
Mit Bescheid vom 10.12.2021 wurde das ordentliche Disziplinarverfahren eingeleitet und die mündliche Verhandlung nach Rechtskraft des Gerichtsurteils für 17.02.2022 anberaumt und durchgeführt.
Der Beamte bekannte sich zu Beginn der Verhandlung zu den Anlastungen schuldig und führte an, dass er am besagten Tag sehr lange Dienst hatte. Im Zuge des Wegtragens von A.A. wäre er gestolpert und auf den A.A. gefallen. Ihm wäre schlecht geworden und er hätte dann auch die Örtlichkeit verlassen – was auch im Video so ersichtlich ist. Als er wieder zur Amtshandlung zurückgekommen ist, hätte er von der Festnahme des A.A. erfahren und zugesichert, die Dokumentation der Amtshandlung zu übernehmen, zumal er der zuständige Gruppenkommandant war. Die beiden Kollegen C.C. und B.B. wirkten bei der Verfassung des Amtsvermerkes insofern mit, als sie dem Beamten ihre eigenen Wahrnehmungen und Eindrücke schilderten, besonders für den Teil der Amtshandlung, als der Beamte abwesend war. Der Amtsvermerk wurde von ihm etwa 2-3 Stunden nach Beendigung der Demonstration verfasst. Die Erinnerung war noch frisch, jedoch konnte er sich nicht mehr an alle Details erinnern, zumal an diesem Tag eine Vielzahl von Festnahmen durchzuführen und Teilnehmer wegzutragen waren. Man glaubt zwar, alle Vorfälle aus dem Gedächtnis abrufen zu können, aber es fließen viele subjektive Wahrnehmungen ein. Der 4. Kollege E.E. wäre noch immer nicht in seinem Gedächtnis und hätte er das Video nicht gesehen, hätte er es gar nicht glauben können, dass tatsächlich ein weiterer Kollege zu Hilfe gekommen ist, um den A.A. wegzutragen.
Aufgrund seiner Verurteilung hätte er nunmehr Bedenken, dass er Amtshandlungen nicht mehr ordnungsgemäß dokumentieren könne und Fehler mache.
Der gesamte Vorfall habe neben der gerichtlichen Verurteilung und den psychischen Belastungen für ihn und seine Familie und auch finanzielle Nachteile gebracht, da er bereits zw. € 15.000,- und 18.000,- Anwalts-und Gerichtskosten zu bezahlen hatte.
Im Zuge des Beweisverfahrens wurde auf das Gerichtsurteil hingewiesen und dies teilweise verlesen.
Der Disziplinaranwalt führte in seinem Plädoyer aus, dass im Gerichtsurteil eine beträchtliche Strafe ausgesprochen wurde und darüber hinaus im Urteil 2x auf die Stellung als Polizeibeamter Bezug genommen wurde.
Es wurde auch angeführt, dass eine Diversion aus generalpräventiven Gründen nicht möglich gewesen ist.
Der Disziplinaranwalt ist davon überzeugt, dass das Verschulden gering ist und der Beamte konnte in der mündlichen Verhandlung glaubhaft die damalige Stresssituation schildern.
Als mildernd können die disziplinarrechtliche Unbescholtenheit und die gute Dienstbeschreibung gewertet werden.
Erschwerend waren 2 Dienstpflichtverletzungen.
Antrag: Bestrafung im unteren Bereich
Der Verteidiger führte in seinem Plädoyer aus, dass kein Motiv für einen wahrheitswidrigen Amtsvermerk erkennbar ist, weil es keinen Unterschied macht, ob A.A. gegen einen oder mehrere Polizisten tritt und vor allem wann er getreten hat, denn beide Ereignisse – ob vor dem gesicherten Bereich oder erst im gesicherten Bereich – passieren beinahe zeitgleich und ist eine Trennung der beiden Vorfälle gedanklich im Nachhinein nur sehr schwer möglich, da die Ereignisse fließend passiert sind.
Natürlich gibt es Bindungswirkung an das Gerichtsurteil, aber in Anbetracht der hohen Gerichtsstrafe wird ein mildes Urteil beantragt.
Der Beschuldigte schloss sich den Worten des Verteidigers an.
Der Senat hat dazu erwogen:
Zum Schuldspruch:
Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens zu der Erkenntnis gelangt, dass der Beamte die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen schuldhaft begangen hat.
Der Vorwurf lautet dahingehend, dass der Beamte einen wahrheitswidrigen Amtsvermerk gelegt und eine falsche Zeugenaussage vor dem LVwG getätigt hat.
Die Feststellungen ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage, dem rechtskräftigen Urteil des N.N. sowie aus den Ausführungen des Beamten.
Der Beamte wurde wegen Amtsmissbrauch und falscher Beweisaussage seitens des LG für Strafsachen N.N. zu einer bedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 12 Monaten verurteilt.
Gemäß § 95 Abs. 2 BDG ist die Disziplinarbehörde an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung gebunden. Es ist daher erwiesen, dass der Disziplinarbeschuldigte das Verbrechen des Amtsmissbrauchs nach § 302 StGB und des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs. 1 StGB zu verantworten hat.
Zu prüfen bleibt in diesem Fall nur mehr, ob und zu welchen Punkten ein disziplinärer Überhang gegeben ist.
Dazu ist folgendes anzuführen:
Zum Vorliegen des disziplinären Überhanges wird ausgeführt, dass in den Fällen, in denen eine Ahndung gemäß § 43 Abs. 2 BDG in Betracht kommt, ein disziplinärer Überhang immer vorliegen wird. Gerade diese Bestimmung enthält nämlich mit ihrem Abstellen auf das „Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben“ einen spezifisch dienstrechtlichen Aspekt, der von keinem Tatbestand eines anderen Strafrechtsbereiches wahrgenommen ist. Auch der VwGH vertritt diese Ansicht, dass der Gesichtspunkt der Vertrauenswahrung ein spezifisch dienstrechtlicher ist und daher sogar bei einer gerichtlichen Verurteilung nicht berücksichtigt wird.
Unbeschadet dessen hat der Beamte aber seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 2 BDG verletzt. Diese Norm enthält nämlich – wie unten noch weiter auszuführen sein wird - mit dem Abstellen auf das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung des Amtes einen spezifisch dienstrechtlichen Aspekt, welcher gemäß ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von keinem Tatbestand eines anderen Strafrechtsbereichs umfasst ist (VwGH 17.1.2000, 97/09/0026; 18.12.2001, 99/09/0056; 18.4.2002, 2000/09/0176).
Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG:
Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben
erhalten bleibt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 43 Abs. 2 BDG 1979 bereits wiederholt ausgesprochen hat, lassen die Worte 'in seinem gesamten Verhalten' den Schluss zu, dass hierdurch nicht nur das Verhalten im Dienst gemeint ist, sondern auch außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 29.6.1989, Zl. 86/09/0164, sowie vom 31.5.1990, Zl. 86/09/0200 = Slg. N.F. Nr. 13.213/A). Dieser sogenannte Dienstbezug ist dann gegeben, wenn das Verhalten des Beamten bei objektiver Betrachtung geeignet ist Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben - das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben (besonderer Funktionsbezug), aber auch jene Aufgaben, die jedem Beamten zukommen - nicht in sachlicher (rechtmäßig und korrekt sowie unparteiisch und in uneigennütziger) Weise erfüllen (vgl. dazu z.B. Schwabel/Chilf, Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Landeslehrer und Soldaten, zweite Auflage, Fußnote 17 zu § 43 BDG, Seite 7 f) und damit seine Glaubwürdigkeit einbüßt. Dabei ist von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen.
Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liegt nach Auffassung des VwGH in der allgemeinen Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft (VwGH 18.04.2002 zu 2000/09/0176; 15.12.1999 zu 98/09/0212). Insofern stellt § 43 Abs. 2 BDG auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar und wird von keinem anderen Tatbestand des Dienstrechts abgedeckt.
Ob das vorliegende Verhalten an die Öffentlichkeit gelangt ist, ist unerheblich und spielt bei der Beurteilung des Dienstbezuges keine rechtserhebliche Rolle. Tatsache ist jedoch, dass sich der Vorfall in der Öffentlichkeit, nämlich im Zuge der Klima-Demo in N.N. mit Tausenden Demonstranten, zugetragen hat und man auf dem Handyvideo das Entfernen des A.A. aus der Sitzblockade und somit das Agieren der Polizei sehen kann. Die Polizei steht gerade jetzt im Fokus der Öffentlichkeit und wird jegliches Einschreiten der Exekutive seitens der Bevölkerung nicht nur mit Argwohn beobachtet, sondern auch zumeist mittels der modernen Technik (Handy) dokumentiert und unverzüglich über soziale Netzwerke verbreitet. Auch vorliegendenfalls wurde der gegenständliche Vorfall von einer Privatperson mittels Handy gefilmt und unverzüglich über die sozialen Netzwerke verbreitet.
Die Allgemeinheit wird dabei lediglich über eine kurze Sequenz eines Polizeieinsatzes informiert. Wie sich dieser Polizeieinsatz bereits im Vorfeld gestaltet hat oder welche Ereignisse für das weitere Geschehen Auslöser waren, sind auf dem Video nicht zu sehen und spielen für die Öffentlichkeit auch keine Rolle. Sie sehen lediglich Polizisten, die einen Demonstranten „misshandeln“. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass mit einer derartigen Vorgangsweise eine Diskussion über Polizeigewalt in den Medien entfacht, das Ansehen der Behörde geschädigt und die Arbeit der Polizei denunziert werden soll.
Für die Glaubwürdigkeit einer Polizeiorganisation ist aber bedeutsam, dass die Allgemeinheit Vertrauen in die Polizeiorgane und deren professionelles Handeln hat. Dazu gehört aber auch, dass die Öffentlichkeit sich darauf verlassen können muss, dass sich Polizeibeamte dem Anlass entsprechend verhältnismäßig und besonnen verhalten, und es muss auch darauf hingewiesen werden, dass die Beschuldigten bei Eintritt in den Polizeidienst einen Eid auf die österreichische Rechtsordnung und deren Einhaltung geschworen haben.
Aus der Treuepflicht ergibt sich, dass der Bedienstete dem Dienstgeber (Vorgesetzten) gegenüber ehrlich und wahrhaftig sein muss. Er hat also insbesondere über seine dienstlichen Tätigkeiten wahrheitsgemäß zu berichten und entsprechende Meldungen so zu erstatten, dass diese die tatsächlich erledigten Aufgaben richtig abbilden. Meldungen und Aktenvermerke sind somit nicht nur ein wichtiges Instrument der Dienstaufsicht.
Es handelt sich dabei um Dokumentationen, die bei Amtshandlungen, bei der Ausübung von Zwangsmaßnahmen oder bei Beschwerden gegen Beamte wichtige Beweismittel in gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren darstellen können und welche im vorliegenden Fall auch als wichtiges Beweismittel fungierte und wahrheitswidrig erstellt wurde.
Wie der Beamte in der heutigen Verhandlung ausdrücklich hervorhob, hat er seine subjektiven Wahrnehmungen nach besten Wissen und Gewissen dokumentiert und sich beim LVwG genau auf diese Meldung berufen. Als Beispiel führte er an, dass er den Kollegen E.E. bis heute bei der Amtshandlung nicht in Erinnerung hat, auch wenn das Video eindeutig anderes belegte. Er hätte gemeinsam mit den Kollegen C.C. und B.B. einige Stunden nach Beendigung der Demonstration den Amtsvermerk verfasst, wobei jeder der Kollegen seinen Teil der Geschehnisse schilderte und daraus der Bericht entstand.
Wie bereits auch die Staatsanwaltschaft ausführte, ist es beinahe menschenunmöglich, nach mehrstündigem Einsatz und hoher Stressbelastung alle Details exakt wiederzugeben. Somit dürften die Ereignisse, die sich tatsächlich im gesicherten Bereich zugetragen haben, aufgrund subjektiver Wahrnehmung und Erinnerung in den Eingangsbereich verlagert worden sein. Auch die Videos dazu zeigen, dass die beiden Vorfälle nahezu nahtlos ineinander übergehen und auch räumlich nur 2-3 Meter auseinanderliegen.
Unter diesem Gesichtspunkt ist der Senat der Ansicht, dass sowohl aus spezialpräventiven Gründen als auch nach den Aspekten der Generalprävention mit einem Verweis im Hinblick auf die auffallend hohe Gerichtsstrafe das Auslangen zu finden sein wird, zumal auch im Gerichtsurteil 2x ausdrücklich auf die Stellung als Polizist eingegangen wurde.
Seitens des Senates wurde auch geprüft, ob ein Schuldspruch ohne Strafe zu verhängen ist, jedoch geht das Gerichtsurteil von einer schweren Schuld aus und eine der Voraussetzungen des § 115 BDG ist das Vorliegen geringer Schuld. Wie bereits erwähnt, ist der Senat an das Gerichtsurteil gebunden. Das ist keine „Kann-Bestimmung“, sondern eine „Muss-Bestimmung“, was bedeutet, dass die Disziplinarkommission alle Tatsachenfeststellungen, Feststellungen zur Schuldform und den Schuldelementen, die das Gericht im Urteil getroffen hat, als gegeben hinzunehmen hat, das gilt auch für die Beweiswürdigung.
Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:
Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Disziplinarbeschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der jüngsten Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Disziplinarbeschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaß eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen, oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff und ihr folgend das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115).
Maßstab für die Strafbemessung ist vor allem das Verschulden des Disziplinarbeschuldigten in der konkreten Situation und dieses verlangt aus spezialpräventiven Gründen eine Sanktion. Als Strafrahmen sah der Senat deshalb einen Verweis als ausreichend an, zumal die finanzielle Belastung der bereits hohen Gerichts-und Anwaltskosten im Ausmaß von € 15.000,- bis 18.000,- einen beträchtlichen finanziellen Einschnitt für den Beamten und seine Familie darstellt. Aus generalpräventiven Gründen muss den Kollegen vor Augen geführt werden, dass derartige Dienstpflichtverletzungen sanktioniert wird.
Im konkreten Fall war jedoch das Geständnis, die disziplinäre Unbescholtenheit, die sehr gute Dienstbeschreibung sowie die positive Zukunftsprognose aus heutiger Sicht mildernd zu werten.
Erschwerend wirkten 2 Dienstpflichtverletzungen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zuletzt aktualisiert am
09.02.2023