TE Dok 2022/10/10 2022-0.437.459

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Veröffentlicht am 10.10.2022
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Norm

BDG 1979 §43 Abs2 und §44 Abs1 BDG i.V.m den DA „Dienstordnung der Landespolizeidirektion“, §1 „Wahrnehmung von Zuständigkeiten“ und §2 „Verhalten der Polizeibediensteten“, „Allgemeine Polizeidienstrichtlinie“, v. 19.05.2014, Pkt. II.3. „Dokumentation“ und Pkt. II.10. „Anzeigen“, „Besondere Ermittlungen: Misshandlungsvorwürfe, gerichtlich strafbare Handlungen durch Bedienstete der LPD“, v. 29.04.2013, Pkt. II.2. „Zuständigkeit des Referates Besondere Ermittlungen“ und Pkt. II.3. „Melde- und Berichterstattungspflichten“ i.V.m. §91 BDG

Schlagworte

Amtsmissbr, keine Doku

Text

Die Bundesdisziplinarbehörde hat am 28.09.2022 nach der am 28.09.2022 in Anwesenheit des Beamten, des Verteidigers, des Disziplinaranwaltes und der Schriftführerin durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Beamte ist schuldig,

er hat am 13.01.2019 als Polizeibeamter während seines Dienstes in der PI N.N. in N.N. dadurch einen Amtsmissbrauch begangen, als er es unterließ, nach Mitteilung des Hrn. A.A., dass er anlässlich eines Polizeieinsatzes in der Nacht von 12.01.2019 auf 13.01.2019 von Polizeibeamten geschlagen worden sei und nach ausdrücklicher Frage, wo er jetzt gleich eine Anzeige gegen Polizeibeamte erstatten könne, den erhobenen Misshandlungsvorwurf zu dokumentieren, seinen Dienstvorgesetzten und das Referat Besondere Ermittlungen zu verständigen, und er stattdessen dem A.A. sinngemäß zu verstehen gegeben, dass solche Situationen aufgrund widerstreitender Angaben grundsätzlich schwierig seien, er sich aber bei der „internen Polizei“ beschweren könne, wenn er der Meinung sei, er sei ungerecht behandelt worden. Darüber hinaus hat er es unterlassen, über diesen Vorfall einen Vermerk im Tagesberichtsprotokoll anzulegen;

er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BDG sowie § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. den Dienstanweisungen „Dienstordnung der Landespolizeidirektion“, § 1 „Wahrnehmung von Zuständigkeiten“ und § 2 „Verhalten der Polizeibediensteten“, „Allgemeine Polizeidienstrichtlinie“, v. 19.05.2014, Pkt. II.3. „Dokumentation“ und Pkt. II.10. „Anzeigen“, „Besondere Ermittlungen: Misshandlungsvorwürfe, gerichtlich strafbare Handlungen durch Bedienstete der LPD“, v. 29.04.2013, Pkt. II.2. „Zuständigkeit des Referates Besondere Ermittlungen“ und Pkt. II.3. „Melde- und Berichterstattungspflichten“ i.V.m. § 91 BDG 1979 begangen,

Über den Beamten wird gem. § 92 Abs. 1 Zi 2 BDG die Disziplinarstrafe der Geldbuße im Ausmaß von € 1.500,- (in Worten eintausendfünfhundert) verhängt.

Dem Beamten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.

Begründung

Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige der Dienstbehörde vom 25.04.2022 zu N.N. sowie den Erhebungen des Bundesamtes zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung und der rechtskräftigen Diversion des LG für Strafsachen N.N.

Sachverhalt:

Am 18.12.2020 langte in der Personalabteilung der LPD N.N. eine Verständigung des BAK ein, wonach gegen den Beamten ein Ermittlungsverfahren wegen § 302 StGB geführt wird. Nach abgeschlossenem Ermittlungsverfahren erhob die Staatsanwaltschaft N.N. am 20.01.2022 Anklage gegen den Beamten und legte ihm gem. Anklageschrift zusammengefasst folgendes Verhalten zur Last gelegt:

In der Nacht von 12.01.2019 auf 13.01.2019 kam es in N.N. zu einem Polizeieinsatz, an welchem acht Polizeibeamte mitwirkten. Im Zuge der AH wurde Hr. A.A. von zwei Polizeibeamten misshandelt und verletzt. Diese Straftaten wurden teilweise durch vier der anwesenden Beamten beobachtet, wobei diese nicht einschritten. Unmittelbar nach der AH begab sich Hr. A.A. in die PI N.N., um eine Anzeige aufgrund der erfolgten Misshandlungen und Körperverletzungen zu erstatten. Der anwesende Polizeibeamte B.B., welcher an der AH beteiligt war, nahm die Anzeige nicht auf, sondern verwies Hrn. A.A. an die PI N.N., ohne einen Vermerk im Tagesbericht anzulegen.

Im Anschluss begab sich Hr. A.A. in die PI N.N., um dort eine Anzeige zu erstatten. Auch durch den dort anwesenden Polizeibeamten wurde keine Anzeige aufgenommen. Der Polizeibeamte konnte nicht ausgeforscht werden, ein durch die StA N.N. geführtes Ermittlungsverfahren wurde abgebrochen. A.A. begab sich in weiterer Folge ins Krankenhaus, wo er am Vormittag entlassen wurde. Unmittelbar danach fuhr Hr. A.A. erneut in die PI N.N., wo der Beamte Tagdienst versah.

Er teilte dem Beamten mit, dass sein Führerschein in der Nacht von 12. auf 13.01.2019 bei der o.a. AH abgenommen und nicht mehr zurückgegeben wurde. Im Zuge der Sachverhaltserklärung gab Hr. A.A. ebenfalls an, von den einschreitenden Beamten geschlagen worden zu sein. Der Beamte kontaktierte in Folge B.B. als einen jener Kollegen, welcher an der Amtshandlung beteiligt gewesen war, und erkundigte sich nach dem Führerschein. Er teilte Hrn. A.A. mit, dass der Führerschein laut B.B.. derzeit nicht in der PI N.N. sei, er ihm jedoch anbieten könne, am nächsten Tag neuerlich in die PI N.N. zu kommen, da der Kollege Dienst habe und Hr. A.A. mit diesem spreche könne.

Im Laufe des weiteren Gesprächs erkundigte sich Hr. A.A., wo er eine Verlustanzeige erstatten könne. Nach entsprechender Antwort des Beamten, wonach er zuerst klären solle, ob sicher der Führerschein noch im Polizeigewahrsam befindet, fragte Hr. A.A. ausdrücklich, wo er eine Anzeige gegen die Polizisten machen kann. Diese Frage beantwortete der Beamte mit den Worten: „Das weiß ich nicht. Ich tu mir, es ist grundsätzlich immer schwer, ja, wenn einer nicht dabei ist, ja, so wie jetzt, ja? Sie sagen in der Nacht das und das ist passiert. Ich persönlich war nicht dabei. Ich weiß nicht wer was gesagt hat, außer ein Vorfall war, was konkret passiert ist, ja, tu ich mir immer schwer, ja. […] “ Der Beamte teilte Hrn. A.A. weiters mit, dass er gleich zur „internen Polizei“ fahre soll, wenn er der Meinung sei, ungerecht behandelt worden zu sein. Dort könne er sich darüber beschweren.

Das Gespräch wurde von Hrn. A.A. mit seinem Mobiltelefon aufgezeichnet. Der Beamte dokumentierte das Gespräch weder in einem Amtsvermerk noch verständigte er seinen Dienstvorgesetzten und/oder das Referat Besondere Ermittlungen von den erhobenen Vorwürfen. Ebenso wenig legte er einen Vermerk im Tagesberichtprotokoll über das erfolgte Gespräch an.

Beweismittel:

A.A. gab bei seiner Vernehmung am 02.10.2020 an, er habe sich am 13.01.2019 nach seinem Krankenhausaufenthalt in die PI N.N. begeben und mitgeteilt, dass er seinen Führerschein nicht mehr findet. Einer der anwesenden Polizisten habe B.B. angerufen, welcher ihm ausrichten ließ, er solle am nächsten Tag zwischen 7 und 19 Uhr zu ihm in die PI kommen, wo er ihm dann eine Verlustbestätigung geben werde. Er habe sich bei der Vorsprache auch erkundigt, wo er eine Anzeige gegen die Polizisten machen kann, die ihn geschlagen haben. Einer der beiden Polizisten habe zu ihm gesagt, dass er nicht dabei war und sich schwertut. Er habe ihn dann zur „internen Polizei“ verwiesen. Er hat das Gespräch aufgenommen.

C.C. (zweite Person, die am Tonband zu hören ist) gab an, er habe damals von Dezember 2018 bis Februar 2019 seine erste Praxisphase in der PI N.N. verbracht, der Beamte sei sein Ausbildungsbeamter gewesen. Er habe sich mit Hrn. A.A. unterhalten, ihm sei damals aber nicht bewusst gewesen, wer die Partei ist und er habe keinerlei Ahnung gehabt, mit welchem Begehr sie in der PI war. Er kann sich nicht erinnern, dass er den Beginn und den Teil danach mitbekommen habe, wo der Beamte wieder zurückkam und angab, dass er den Kollegen (B.B.) jetzt telefonisch erreicht habe. Er kann es sich nur so vorstellen, dass er damals für die Dauer der Abwesenheit von dem Beamten in den Parteienraum gerufen worden sei und nach dessen Rückkehr diesen wieder verlassen habe und seinen eigenen Tätigkeiten nachgegangen sei. Dies sei auch so üblich. Er habe mit dem Beamten niemals über den vorliegenden Sachverhalt gesprochen.

Verantwortung:

Bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 18.06.2021 gab der Beamte zusammengefasst an, er habe die Anzeige nicht aufgenommen, da er das Gefühl gehabt habe, Hr. A.A. habe kein Vertrauen in die Kollegen der PI N.N. gehabt. Er habe überdies gesagt, dass die Polizisten ohnehin eine Anzeige kriegen werden und es bei ihm um den Führerschein geht. Die AH wurde weder in der EDD noch im Tagesbericht eingetragen, was im Nachhinein gesehen natürlich ein Fehler und nicht beabsichtigt gewesen sei. Die Dienstanweisung „Besondere Ermittlungen: Misshandlungsvorwürfe; gerichtlich strafbare Handlungen durch Bedienstete der LPD N.N.“ sei ihm nicht bekannt gewesen.

Bei der Hauptverhandlung am 07.04.2022 bekannte sich der Beamte schuldig im Sinne der Anklage. Zusammengefasst gab er an, er sei nicht sensibel genug gewesen, den Misshandlungsvorwurf bei der Schilderung zu erkennen. Dies sei sein Fehler gewesen, er hätte mehr auf den Vorwurf eingehen müssen. Es tue ihm sehr leid, dass er dies nicht richtig eingestuft habe. Auf die Frage der StA, warum er den Sachverhalt nicht im Tagesbericht dokumentiert hat, konnte er keinen Grund nennen - ihm sei auch dieser Fehler passiert. Es sei nicht seine Absicht gewesen, den Eindruck entstehen zu lassen, den Misshandlungsvorwurf beschwichtigen zu wollen. Man kann ihm auch nicht vorwerfen, dass er Kollegen in Schutz nehmen möchte, er habe bereits Misshandlungsvorwürfe entgegengenommen.

Gerichtsverfahren:

Zum angeführten Vorfall wurden vom BAK Ermittlungen gepflogen, am 22.06.2021 und am 28.10.2021 erfolgte die Abschlussberichterstattung an die StA N.N. (GZ: N.N.)

Das Verfahren gegen den Beamten wegen § 302 Abs. 1 StGB wurde bei der Hauptverhandlung am 07.04.2022 rechtskräftig mit einer diversionellen Maßnahme gem. §§ 198, 199, 200 StPO beendet. Der Beamte hat gemäß richterlichem Beschluss einen Gesamtbetrag i.H.v. € 2.500,- (davon Geldbuße € 2.350,-; Pauschalkostenbeitrag € 150,-) zu leisten.

Mündliche Disziplinarverhandlung:

Mit Bescheid vom 20.05.2022 wurde das ordentliche Disziplinarverfahren eingeleitet und die mündliche Disziplinarverhandlung für 28.09.2022 anberaumt und durchgeführt.

Der Beamte bekannte sich zu Beginn der Verhandlung zu der Anlastung für schuldig und führte an, dass ihm erst durch die schriftliche Version der Tonaufnahme klargeworden ist, dass er einen nicht wieder gutmachbaren Fehler gemacht habe. Er wäre sehr bemüht gewesen, der Partei zu helfen, doch der tschetschenische Bürger war nur sehr schwer zu verstehen. Erschwert wurde dies auch durch das schlechte Mikrofon in der Schleuse. Das Hauptanliegen von A.A. war der sogenannte Führerscheinverlust. Er wäre bei der Erzählung zunächst davon ausgegangen, dass diesem im Zuge eines Planquadrates und Verkehrskontrolle der Führerschein abgenommen worden war. Deshalb habe er - wie auf dem Band zu hören ist – herumtelefoniert, um zu erheben, ob der Führerschein abgenommen wurde. Nur nebenbei erwähnte er, dass er „von 2 Beamten geschlagen wurde“. Die würden aber ohnehin eine Anzeige bekommen. Dies soll aber keine Ausrede sein, er wäre nicht sensible genug gewesen, das Anliegen der Partei herauszuhören und herauszufiltern. Noch dazu war ein Schüler anwesend, und gerade da hätte er vorbildlich arbeiten müssen. Dass er diesen Sachverhalt nicht dokumentierte bedaure er sehr. Die korrekte Vorgangsweise bei Misshandlungsvorwürfen wurde bis dato im SPK N.N. nicht geschult.

Im Zuge des Beweisverfahrens wurde die Verschriftung der Tonbandaufzeichnung als auch der AV der Senatsvorsitzenden verlesen, wonach tatsächlich laut Auskunft des Stadtpolizeikommandanten-Stellvertreters keine internen Schulungen betreffend Vorgangsweise bei Misshandlungsvorwürfen stattgefunden haben, sowie auf die diversionelle Entscheidung des Gerichtes Bezug genommen.

Der Disziplinaranwalt führte in seinem Plädoyer aus, dass der Sachverhalt aufgrund des reumütigen Geständnisses und des Beweisverfahrens hinreichend geklärt ist.

Es ist eine wesentliche Aufgabe eines Polizisten Anzeigen aufzunehmen. Auch wenn die Partei der deutschen Sprache nicht so mächtig war und deshalb schwer zu verstehen war, hat er darauf hingewiesen, geschlagen worden zu sein. Die Verfehlung an sich ist schwerwiegend, jedoch wäre mildernd zu werten: die Verfahrensdauer und die zahlreichen Belobigungen und die durchaus gute Dienstbeschreibung. Aus generalpräventiven Gründen ist eine Geldbuße vom mittleren bis unteren Bereich zu verhängen.

Der Verteidiger führte in seinem Plädoyer aus, dass dieser Sachverhalt gezeigt hat, dass eine Konversation oft anders in Erinnerung bleibt, als sie tatsächlich geführt wurde. Richtig wäre gewesen, dass der Beamte alles dokumentiert. Polizisten sind auch nur Menschen und machen Fehler. Hier ist ein Fehler passiert. Der Polizist ist ja einsichtig. Er hat 29 Belobigungen von Mai 2015 bis heute, also auch nach dem Vorfall. Auch da war sein Fleiß und Wille, einen anständigen Dienst zu entrichten, gegeben. Das kann man auf jeden Fall berücksichtigen. Er bitte den Senat, eine milde Strafe zu verhängen.

Der Beamte bedauerte in seinem Schlusswort neuerlich sein Verhalten.

Der Senat hat dazu erwogen:

Zum Schuldspruch:

Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens zum Erkenntnis gelangt, dass der Beamte die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen schuldhaft begangen hat.

Der Vorwurf lautet dahingehend, dass der Beamte eine Anzeige wegen eines Misshandlungsvorwurfes nicht entgegengenommen hat, dies nicht dokumentierte und auch den Dienstvorgesetzten nicht verständigt hat.

Die Feststellungen ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage, der Diversion und aus den Ausführungen des Beamten.

Der Senat ist zwar gem. § 95 Abs. 2 BDG nur an ein Urteil und die darin enthaltenen Tatsachenfeststellungen gebunden und nicht an eine diversionelle Entscheidung, dennoch hat sich der Beamte disziplinarrechtlich zu verantworten.

Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG:

Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben

erhalten bleibt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 43 Abs. 2 BDG 1979 bereits wiederholt ausgesprochen hat, lassen die Worte 'in seinem gesamten Verhalten' den Schluss zu, dass hierdurch nicht nur das Verhalten im Dienst gemeint ist, sondern auch außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 29.6.1989, Zl. N.N., sowie vom 31.5.1990, Zl. N.N. = Slg. N.F. Nr. N.N.). Dieser sogenannte Dienstbezug ist dann gegeben, wenn das Verhalten des Beamten bei objektiver Betrachtung geeignet ist Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben - das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben (besonderer Funktionsbezug), aber auch jene Aufgaben, die jedem Beamten zukommen - nicht in sachlicher (rechtmäßig und korrekt sowie unparteiisch und in uneigennütziger) Weise erfüllen (vgl. dazu z.B. Schwabel/Chilf, Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Landeslehrer und Soldaten, zweite Auflage, Fußnote 17 zu § 43 BDG, Seite 7 f) und damit seine Glaubwürdigkeit einbüßt. Dabei ist von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen.

Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liegt nach Auffassung des VwGH in der allgemeinen Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft (VwGH 18.04.2002 zu N.N.; 15.12.1999 zu N.N.). Insofern stellt § 43 Abs. 2 BDG auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar und wird von keinem anderen Tatbestand des Dienstrechts abgedeckt.

Zweifelsohne sind Exekutivbeamte im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben in der Regel zum Schutz von Verletzungen des gesamten StGB berufen und ist von ihnen zu erwarten, dass sie die darin geschützten Rechtsgüter nicht verletzen. Auch die Entgegennahme von Anzeigen und Dokumentation gehört zu den Kernaufgaben eines Beamten.

Vorliegendenfalls hat es der Beamte unterlassen, eine Anzeige wegen eines Misshandlungsvorwurfes entgegenzunehmen.

Diesbezüglich muss aber seitens des Senates erwähnt werden, dass der tschetschenische Staatsbürger – wie aus dem aufgezeichneten Gespräch eindeutig hervorgeht – augenscheinlich mehr Wert darauf legte, seinen Führerschein ausgefolgt zu bekommen, als Anzeige wegen einer Misshandlung durch zwei Polizisten zu erstatten. Nichts desto trotz muss jedem vorgebrachten Misshandlungsvorwurf unverzüglich nachgegangen werden und ist diese Anzeige entgegenzunehmen und auch entsprechend zu dokumentieren.

Dienstpflichtverletzung gem. § 44 Abs. 1 BDG:

Gemäß § 44 Abs. 1 BDG hat der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist und Weisungen mündlich erteilt. Daneben hat sich der Beamte natürlich auch an schriftliche Weisungen, des Bundesministeriums für Inneres (Erlässe, etc.) als auch schriftliche Weisungen der zuständigen Landespolizeidirektion (LPD) oder seiner Vorgesetzten (zB SPK, BPK, etc.) zu halten und diese zu befolgen.

Besonders die Befolgung von Weisungen ist in einem militärisch organisierten Wachkörper wie der Exekutive Voraussetzung dafür, eine dem gesetzlichen Auftrag entsprechende Erfüllung der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben zu garantieren.

Der VwGH hat diese Bestimmung als eine so „grundsätzliche Bestimmung des Dienstrechtes“ gesehen, dass er bei der unberechtigten Ablehnung der Befolgung einer Weisung bzw. eines Befehls, eine Disziplinarstrafe für unbedingt erforderlich hält und die Voraussetzungen der geringen Schuld in § 118 Abs. 1 Z 4 BDG als keinesfalls gegeben angenommen hat (ua. VwGH 21.02.1991, N.N.).

Die vorliegenden Dienstanweisungen der LPD N.N., § 1 „Wahrnehmung von Zuständigkeiten“ und § 2 „Verhalten der Polizeibediensteten“, „Allgemeine Polizeidienstrichtlinie“, GZ: N.N. v. 19.05.2014, Pkt. II.3. „Dokumentation“ und Pkt. II.10. „Anzeigen“, „Besondere Ermittlungen: Misshandlungsvorwürfe, gerichtlich strafbare Handlungen durch Bedienstete der LPD N.N.“, v. 29.04.2013, Pkt. II.2. „Zuständigkeit des Referates Besondere Ermittlungen“ und Pkt. II.3. „Melde- und Berichterstattungspflichten“ sind als schriftliche generelle Weisungen, die nicht nur an einen einzelnen Normadressaten gerichtet sind, zu betrachten, und die ordnungsgemäß im Intranet kundgemacht wurden. Es ist die Pflicht jedes Polizeibediensteten sich über diese Verlautbarungen stets informiert zu halten.

Wie sowohl aus Pkt. II.3 „Dokumentation“ der DA „Allgemeine Polizeidienstrichtlinie“ v. 19.05.2014, GZ: N.N., als auch aus Pkt. II.10. „Anzeigen“ eindeutig hervorgeht, sind die Dienstverrichtung, Amtshandlungen und sämtliche relevante Sachverhalte generell – unter Beachtung der speziellen Vorschriften – nachvollziehbar zu dokumentieren und sind die Bediensteten verpflichtet, Anzeigen entgegenzunehmen, die erforderlichen Erhebungen zu führen und an die zuständigen Behörden oder Dienststellen weiterzuleiten.

Vorliegendenfalls hat der Beamte über das Vorbringen der Partei und den damit im Zusammenhang stehenden Sachverhalt keine Dokumentationen durchgeführt und auch unterlassen, den Dienstvorgesetzten vom Misshandlungsvorwurf zu verständigen und damit eindeutig gegen die oben zitierten Dienstanweisungen verstoßen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

09.02.2023
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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