TE Lvwg Erkenntnis 2023/1/26 VGW-101/V/032/11370/2022

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.01.2023
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Entscheidungsdatum

26.01.2023

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
19/05 Menschenrechte
41/03 Personenstandsrecht

Norm

B-VG Art. 139
MRK Art. 8
PStG 2013 §1 Abs1
PStG 2013 §2 Abs2 Z3
PStG 2013 §41
PStG 2013 §42

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pühringer über die Beschwerde von A. B. gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wien vom 1. September 2022, Zl. MA 63-...-2021, mit welchem der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Berichtigung des Geschlechtseintrags im Zentralen Personenstandsregister gemäß § 42 Personenstandsgesetz 2013 – PStG, sowie eine Änderung des Geschlechtseintrags im Zentralen Personenstandsregister gemäß § 41 PStG abgewiesen wurde, nach mündlicher Verhandlung am 1. Dezember 2022

zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 41 Personenstandsgesetz, BGBl. I 16/2013 idF BGBl. I 32/2018, stattgegeben und der Geschlechtseintrag der beschwerdeführenden Partei im Zentralen Personenstandsregister von "weiblich" auf "nicht-binär" geändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Entscheidungsgründe

I.       Verfahrensgang

1.       Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 31. Jänner 2022, Zl. MA 63-...-2021, wurde ein Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 10. August 2021 gem. § 41 Personenstandsgesetz – PStG, ihren Geschlechtseintrag von "weiblich" auf "nicht-binär" zu "berichtigen", abgewiesen.

2.       Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei mit Schriftsatz vom 21. Februar 2022 die zur Zl. VGW-101/032/2398/2022 protokollierte Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.

3.       Mit Erkenntnis vom 5. April 2022 wurde der angefochtene Bescheid vom 31. Jänner 2022 durch das Verwaltungsgericht Wien wegen Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde aufgehoben, weil der Bescheid dem – unzuständigen – Magistrat der Stadt Wien zuzurechnen war.

4.       In der Folge erließ der Bürgermeister der Stadt Wien (folglich: belangte Behörde) den gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 1. September 2022, mit welchem der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Berichtigung bzw. Änderung des Geschlechtseintrags im Zentralen Personenstandsregister von "weiblich" auf "nicht-binär" (bzw. weiterer Eventualanträge) abgewiesen wurde. Begründend führte die belangte Behörde unter Verweis auf die "Durchführungsanleitung für die standesamtliche Arbeit" des Bundesministeriums für Inneres aus, dass alternative Geschlechtseinträge gegenüber männlich oder weiblich im Zentralen Personenstandsregister zwar möglich seien, jedoch nur für Menschen, die eine nachweisbare Variante der Geschlechtsentwicklung aufweisen, die sich durch eine atypische Entwicklung des chromosomalen, anatomischen oder hormonellen Geschlechts kennzeichnen und wo nicht Transidentität vorliege (d.h. jemand, der genetisch oder anatomisch bzw. eindeutig einem anderen Geschlecht zugewiesen sei, sich dadurch aber falsch oder unzureichend beschrieben fühle).

5.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien, mit welcher die Stattgabe der Änderung des Geschlechtseintrags gem. § 41 PStG begehrt und die Einleitung eines Verfahrens nach Art. 139 und Art. 140 B-VG angeregt wird.

6.       Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien samt dem bezughabenden Verwaltungsakt vor.

7.       Mit Schreiben vom 20. Oktober 2022 ersuchte das Verwaltungsgericht Wien die belangte Behörde, die "Durchführungsanleitung für die standesamtliche Arbeit" vorzulegen. Diesem Ersuchen kam die belangte Behörde nach.

8.       Am 1. Dezember 2022 fand eine öffentliche, mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien statt, in welcher die beschwerdeführende Partei einvernommen wurde. Auf die Verkündung der Entscheidung wurde verzichtet.

II.      Sachverhalt

1.       Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:

Die beschwerdeführende Partei wurde am … geboren und bei der Geburt dem weiblichen Geschlecht zugeordnet; sie ist seither im Zentralen Personenstandregister als "weiblich" eingetragen. Als Kind fühlte sich die beschwerdeführende Partei als untypisches Mädchen und hat oft mit Geschlechterrollen gespielt. In weiterer Folge empfand sie die Zuordnung zum weiblichen Geschlecht zunehmend als unpassend. Seit 2017 empfindet sich die beschwerdeführende Partei mittig zwischen männlich und weiblich und ist in dieser geschlechtlichen Identität gefestigt. Sie bezeichnet ihre Geschlechtsidentität selbst als "nicht-binär".

Zwischen 2016 und 2020 unterzog sich die beschwerdeführende Partei einer Hormontherapie mit Testosteron und beendete diese, weil sie mit den damit einhergehenden körperlichen Veränderungen, unter anderem einer tieferen Stimme, einem androgyneren Gesicht sowie der Maskulinisierung von Armen und Händen, zufrieden war. Mit dieser Hormontherapie wurden irreversible körperliche Veränderungen bei der beschwerdeführenden Partei ausgelöst. Weitere medizinische Eingriffe zur Veränderung des körperlichen Erscheinungsbilds wurden nicht durchgeführt. Die beschwerdeführende Partei trägt öfters einen medizinischen Binder zum Abdecken der Brust.

Es liegt bei der beschwerdeführenden Partei im medizinischen Sinne das klinische Bild der Transidentität, Transsexualismus und sonstigen Störung der Geschlechtsidentität vor, wobei sich daran mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Zukunft nichts ändern wird. Die Geschlechtsidentität der beschwerdeführenden Partei aus psychiatrischer bzw. psychischer Sicht ist als "nicht-binär" zu bezeichnen.

2.       Diese Feststellungen ergeben sich aus folgender Beweiswürdigung:

Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, Würdigung des Beschwerdevorbingens sowie Einvernahme der beschwerdeführenden Partei in der öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2022.

Die Feststellungen zum Geburtsdatum der beschwerdeführenden Partei und zur Zuordnung zum weiblichen Geschlecht sowie zur Eintragung im Zentralen Personenstandsregister ergeben sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt.

Für das Verwaltungsgericht Wien war die Schilderung der beschwerdeführenden Partei über ihre Wahrnehmungen zu ihrer Geschlechtsidentität in der Kindheit sowie zum gegenwärtigen Zeitpunkt in der mündlichen Verhandlung glaubhaft. Diese Schilderungen decken sich auch mit dem bis dahin erstatteten schriftlichen Vorbringen der beschwerdeführenden Partei. Die Feststellungen zur Vornahme einer Hormontherapie in der Vergangenheit und den damit bei der beschwerdeführenden Partei einhergegangenen irreversiblen körperlichen Veränderungen ergeben sich aus dem schriftlichen Vorbringen der beschwerdeführenden Partei und ihren glaubhaften Schilderungen in der mündlichen Verhandlung in Zusammenschau mit von ihr vorgelegten medizinischen Unterlagen, aus welchen ersichtlich ist, dass die beschwerdeführende Partei in der Vergangenheit eine Hormonbehandlung aus ärztlicher Sicht abklären hat lassen. Für das Verwaltungsgericht Wien bestehen keine Zweifel, dass diese auch durchgeführt wurde und zu den von der beschwerdeführenden Partei genannten körperlichen Veränderungen geführt hat.

Die Feststellungen zum Vorliegen des klinischen Bilds der Transidentität, Transsexualismus und sonstigen Störung der Geschlechtsidentität bei der beschwerdeführenden Partei ergeben sich aus der dem Antrag vom 10. August 2021 beigelegten psychotherapeutischen Stellungnahme vom 19. April 2021, dem klinisch-psychologischen Befund vom 12. März 2021, dem psychiatrischen Befund vom 1. März 2021, der psychotherapeutischen Stellungnahme vom 24. April 2016, der klinisch-psychologischen Untersuchung vom 14. März 2016, sowie dem psychiatrisch-fachärztlichen Befundbericht vom 13. April 2016. In diesen von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Dokumenten, an deren Echtheit das Verwaltungsgericht Wien nicht zweifelt, wird nach der Klassifikationsliste ICD-10 im Einzelnen (aus psychiatrischer, psychologischer und psychotherapeutischer Sicht) nachvollziehbar die fachliche Einschätzung bzw. Diagnose getroffen, dass die beschwerdeführende Partei im Sinne der Schlüsselnummer F64 an Transsexualismus, Transidentität bzw. einer sonstigen Störung der Geschlechtsidentität leidet. Dieser fachlichen Einschätzung ist auch die belangte Behörde nicht entgegengetreten, vielmehr erwähnt sie im angefochtenen Bescheid selbst eine solche medizinische Diagnose in ihren Feststellungen. Für das Verwaltungsgericht Wien steht anhand dieser vorgelegten Unterlagen zudem fest, dass sich die geschlechtliche Identität der beschwerdeführenden Partei aus medizinischer Sicht am besten mit "nicht-binär" beschreiben lässt (vgl. dazu im Einzelnen die psychotherapeutische Diagnose in der psychotherapeutischen Stellungnahme vom 19. April 2021, die Schlussfolgerung im klinisch-psychologischen Befund vom 12. März 2021 und die fachliche Beurteilung im psychiatrischen Befund vom 1. März 2021, wo in den fachlichen Einschätzungen jeweils – mit unterschiedlicher Schreibweise – die Geschlechtsidentität "nicht-binär" attestiert wird).

Aus den von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Unterlagen lässt sich zudem – übereinstimmend mit dem Beschwerdevorbringen – erkennen, dass die derzeitige geschlechtliche Identität der beschwerdeführenden Partei als "nicht-binär" gefestigt ist und sich daran mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nichts mehr ändern wird.

III.     Rechtliche Beurteilung:

1.       Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Personenstandsgesetzes – PStG, BGBl. I 16/2013 idF BGBl. I 104/2018, lauten:

"§ 1. (1) Personenstand im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die sich aus den Merkmalen des Familienrechts ergebende Stellung einer Person innerhalb der Rechtsordnung einschließlich ihres Namens.

[…]

Personenstandsdaten

§ 2. (1) […]

(2) Allgemeine Personenstandsdaten sind:

1. Namen;

2. Tag und Ort der Geburt;

3. Geschlecht;

[…]

Änderung und Ergänzung

§ 41.(1) Die Personenstandsbehörde hat eine Eintragung zu ändern, wenn sie nach der Eintragung unrichtig geworden ist.

(2) Die Personenstandsbehörde hat eine unvollständige Eintragung zu ergänzen, sobald der vollständige Sachverhalt ermittelt worden ist.

(3) Bei einer Namens- oder Geschlechtsänderung, die gemäß § 11 Abs. 1a MeldeG von der Personenstandsbehörde im Wege eines Änderungszugriffes auf das Zentrale Melderegister übermittelt wird, hat die Personenstandsbehörde der betroffenen Person eine Ausfertigung aus dem Zentralen Melderegister, auf der entweder die aufrechten Anmeldungen aus dem Gesamtdatensatz in aktualisierter Form oder – auf Verlangen der Person – die zuletzt geänderten Meldedaten ausgewiesen sind, auszufolgen oder zu übermitteln.

Berichtigung

§ 42. (1) Eine Eintragung ist zu berichtigen, wenn sie bereits zur Zeit der Eintragung unrichtig gewesen ist.

(2) Die Berichtigung erfolgt durch jene Personenstandsbehörde, die die unrichtige Eintragung vorgenommen hat.

(3) Die Berichtigung kann unter Wahrung des rechtlichen Gehörs auf Antrag oder von Amts wegen vorgenommen werden.

(4) Offenkundige Schreibfehler kann jede Personenstandsbehörde auch ohne Einbindung des Betroffenen berichtigen.

(5) Jedwede Berichtigung ist dem Betroffenen mitzuteilen.“

2.       Zur Durchführungsanleitung des Bundesministeriums für Inneres:

Im angefochtenen Bescheid wird auf eine Durchführungsanleitung für die standesamtliche Arbeit des Bundesministeriums für Inneres verwiesen, in welcher der Bundesminister für Inneres als "Anweisung für den Vollzug" dargelegt habe, unter welchen Bedingungen einem Antrag auf "diverse" Geschlechtseintragungen in das Zentrale Personenstandsregister entsprochen werden könne.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist zunächst zu prüfen, ob es sich bei dieser Durchführungsanleitung um eine für das Verwaltungsgericht Wien zu beachtende Rechtsnorm handelt. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn es sich dabei um eine Rechtsverordnung iSd Art. 139 B-VG handelt. Diesfalls müsste das Verwaltungsgericht Wien in Hinblick auf die von der beschwerdeführenden Partei geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken näher betrachten, ob Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit einer solchen Verordnung, etwa in Hinblick auf eine mögliche Verletzung von Kundmachungsvorschriften, bestehen. Aus Sicht des Verwaltungsgerichts Wien handelt es sich bei der angeführten Durchführungsanleitung jedoch aus folgenden Gründen um keine Rechtsverordnung und ist diese im verwaltungsgerichtlichen Verfahren daher auch nicht näher zu beachten:

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kommt es für die Qualifikation einer behördlichen Enuntitation als Verordnung im Sinne des Art. 139 B-VG auf ihre rechtsgestaltende Außenwirkung an: Die Enuntiation muss die Rechtssphäre eines unbestimmten Adressatenkreises gestalten und ein solches Maß an Publizität aufweisen, dass der betreffende Akt Eingang in die Rechtsordnung findet. Diese von Art. 139 B-VG geforderte Publizität ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichthofes gegeben, wenn die Normadressaten Kenntnis vom Inhalt der rechtsgestaltenden behördlichen Enuntiation erlangen können oder diese Enuntiation anderen Behörden (Ämtern) übermittelt wurde (VfGH 23.2.2017, V 42/2016, mwN).

Die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren von der belangten Behörde vorgelegte Durchführungsanleitung für die standesamtliche Arbeit des Bundesministeriums für Inneres, Zl. 2021-0-745.145, mit Stand 8. November 2021, enthält – unter anderem – Ausführungen zu der bislang ergangenen höchstgerichtlichen Rechtsprechung in Zusammenhang mit der Berichtigung und Änderung von Geschlechtseinträgen im Zentralen Personenstandsregister. In weiterer Folge wird darin aus der dargestellten Rechtsprechung der Schluss gezogen, dass bestimmte gewünschte Eintragungen "auf Basis eines Fachgutachtens" zu erfolgen hätten, wovon abgesehen werden könne, wenn bereits bei der Antragstellung Unterlagen und Fachgutachten vorgelegt werden (vgl. Pkt. 1.1.2.1.a.3. der Durchführungsanleitung). Abgesehen davon, dass sich in der Durchführungsanleitung keine eindeutige Vorgangsweise für den Fall einer beantragten Änderung des Geschlechtseintrags auf "nicht-binär" ersehen lässt und für den Beschwerdefall schon aus diesem Grund nichts Definitives aus der Durchführungsanleitung zu gewinnen ist, ist in Hinblick auf Änderungen des Geschlechtseintrags für das Verwaltungsgericht Wien in der Durchführungsanleitung keine generelle außenwirksame Norm (vgl. VfSlg 17.023/2003, 17.869/2006) zu ersehen, die eine rechtsgestaltende Außenwirkung hat (VfSlg. 19.590/2011). Es handelt sich bei den in der Durchführungsanleitung angeführten Instruktionen vielmehr um an die vollziehenden Behörden gerichtete Erläuterungen zur Gestaltung des behördlichen Ermittlungsverfahrens (vgl. dazu auch die einleitenden Bemerkungen der Durchführungsanleitung, wonach es sich dabei um "eine Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Personenstandsbehörden" sowie "eine aktuelle und vollständige Grundlage für die tägliche Verwaltungsarbeit" handle). Die Durchführungsanleitung ist daher angesichts ihres Inhalts allenfalls eine – für das Verwaltungsgericht Wien unbeachtliche – Weisung an nachgeordnete Behörden (vgl. zum Weisungsbegriff unter vielen VwGH 26.2.2020, Ro 2018/09/0003), aber keine Rechtsverordnung iSd Art. 139 B-VG, sodass nicht weiter zu prüfen ist, ob diese Durchführungsverordnung überhaupt das nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes erforderliche Mindestmaß an Publizität erlangt hat.

3.       Zum Umfang des verfahrenseinleitenden Antrags:

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag vom 10. August 2020 begehrt die beschwerdeführende Partei, die belangte Behörde möge "möge gem. § 41 PStG den Geschlechtseintrag von 'weiblich' auf 'nicht-binär' auf 'nichtbinär' in eventu auf 'nicht binär' in eventu auf 'nonbinary' in eventu auf 'non-binary' berichtigen". In der Beschwerde wird nunmehr beantragt, das Verwaltungsgericht möge gem. § 41 PStG "den Geschlechtseintrag der beschwerdeführenden Person von 'weiblich' auf 'nicht-binär' […] abändern".

Mit diesem Antrag werden begrifflich insofern zwei nach dem Personenstandsgesetz zustehende Antragsmöglichkeiten vermengt, als § 41 PStG eine "Änderung oder Ergänzung" einer Eintragung zum Inhalt hat, während eine "Berichtigung" nach § 42 PStG zu erfolgen hat. Dem Inhalt nach unterscheidet sich eine Änderung der Eintragung nach § 41 PStG von der Berichtigung nach § 42 PStG dadurch, dass im ersten Fall eine ursprünglich richtig gewesene, aber unrichtig gewordene, Eintragung geändert werden soll, während im zweitem Fall die Eintragung schon immer unrichtig war.

Auf Grund der Begründung des von der beschwerdeführenden Partei gestellten Antrags, in welcher die beschwerdeführende Partei auf ihre Kindheit als Mädchen und einen Identitätsfindungsprozess im weiteren Lebensverlauf verweist, geht das Verwaltungsgericht Wien davon aus, dass die beschwerdeführende Partei der Sache nach eine Änderung ihres Geschlechtseintrags iSd § 41 Abs. 1 PStG begehrt, weil die Eintragung ihres Geschlechts als "weiblich" zu einem früheren Zeitpunkt richtig war, diese aber nunmehr unrichtig geworden ist.

4.       In der Sache:

4.1.    Die beschwerdeführende Partei begründet ihren Antrag – zusammengefasst – damit, dass der bestehende Geschlechtseintrag im Zentralen Personenstandsregister auf "weiblich" laute, dies aber unrichtig sei. Die beschwerdeführende Partei identifiziere sich als "nicht-binär", sowohl der Eintrag "männlich" als auch "weiblich" würden als unrichtig empfunden. Die geschlechtliche Identität werde durch Art. 8 EMRK geschützt, eine Abwägung des öffentlichen Ordnungsinteresses an binären Geschlechtseintragungen mit ihren Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK schlage zu ihren Gunsten aus. Auch aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ergebe sich, dass eine Beschränkung der möglichen Geschlechtszuschreibungen auf "männlich" und "weiblich" sowie die Möglichkeit, den Geschlechtseintrag offen zu lassen, nicht grundrechtskonform sei (VfGH 29.6.2018, G 77/2018, Rz. 32).

4.2.    Die belangte Behörde hat ihre Abweisung des verfahrensgegenständlichen Antrags damit begründet, dass Änderungen oder Berichtigungen des Geschlechtseintrags nur für Menschen möglich seien, "die eine nachweisbare Variante der Geschlechtsentwicklungen aufweisen, die sich durch eine atypische Entwicklung des chromosomalen, anatomischen oder hormonellen Geschlechts kennzeichnen und wo nicht Transidentität vorliegt (d.h. jemand, der genetisch oder anatomisch bzw. hormonell eindeutig einem anderen Geschlecht zugewiesen ist, sich dadurch falsch oder unzureichend beschrieben fühlt)". Aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ergebe sich nicht, dass Art. 8 EMRK jeder Person die Möglichkeit biete, den Geschlechtseintrag zu wählen, der ihrer geschlechtlichen Identität entspreche.

4.3.    Für das von der beschwerdeführenden Partei verfolgte Begehren auf Erlangung eines Geschlechtseintrags im Zentralen Personenstandsregister iSd § 2 Abs. 2 Z 3 PStG auf "nicht-binär" (samt mehrerer nur durch die Schreibweise zu unterscheidender Eventualanträge) ist zunächst relevant, ob § 2 Abs. 2 Z 3 PStG einen solchen Eintrag überhaupt ermöglicht. Nur unter dieser Voraussetzung könnte dem Antrag der beschwerdeführenden Partei stattgegeben werden.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 15. Juni 2018, VfSlg. 20.258/2018, ausführlich zu verschiedenen Dimensionen des Geschlechtseintrags in § 2 Abs. 2 Z 3 PStG auseinandergesetzt. Er hat dort unter näherer Darstellung der zu Art. 8 EMRK ergangenen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ausgeführt, dass das von Art 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Recht auf individuelle Geschlechtsidentität auch umfasst, dass Menschen – nach Maßgabe des Absatzes 2 dieser Verfassungsbestimmung – (nur) jene Geschlechtszuschreibungen durch staatliche Regelung akzeptieren müssen, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen (Rz. 18). Stellt der Gesetzgeber – wie in § 2 Abs. 2 Z 3 PStG– für personenstandsrechtliche Zwecke in einem öffentlichen Register auf das Geschlecht als Personenstandsdatum ab, ist er durch Art. 8 EMRK grundsätzlich gehalten, eine Eintragung vorzusehen, die die jeweilige individuelle Geschlechtsidentität zu reflektieren vermag. Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistet Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich, ihre individuelle Geschlechtsidentität adäquat zum Ausdruck zu bringen (Rz. 23). Dabei hat der Verfassungsgerichtshof in Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht außer Acht gelassen, dass der Gesetzgeber unbestritten auf das Geschlecht grundsätzlich als für den Personenstand relevantes Datum abstellen darf (Rz. 32). Der Verfassungsgerichtshof kommt aber zum Schluss, dass eine Verpflichtung zu einem und eine starre Beschränkung auf einen binären Geschlechtseintrag den Anforderungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK an die Verhältnismäßigkeit nicht gerecht werden kann. Es ist kein Grund von entsprechendem Gewicht zu erkennen, der eine solche Beschränkung des durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechts auf individuelle Geschlechtsidentität rechtfertigt. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass es nicht in einer die Funktion öffentlicher Personenstandsregister wahrenden Art und Weise möglich sein soll, den dargestellten Anforderungen aus Art. 8 Abs. 1 EMRK Rechnung zu tragen (Rz. 34). Der von § 2 Abs. 2 Z 3 PStG verwendete Begriff des Geschlechts ist so allgemein, dass er sich ohne Schwierigkeiten dahingehend verstehen lässt, dass er auch alternative Geschlechtsidentitäten miteinschließt (Rz. 37). § 2 Abs. 2 Z 3 PStG ist vor dem Hintergrund der Anforderungen aus Art. 8 EMRK so zu verstehen, dass er erstens Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich nicht dazu zwingt, personenstandsrechtlich, insbesondere bei Eintragungen im Zentralen Personenstandsregister, zur Bezeichnung des Geschlechts die Begriffe männlich oder weiblich zu verwenden. Zweitens ist diese Bestimmung damit auch so zu verstehen, dass die Personenstandsbehörden zur Bezeichnung des Geschlechts als allgemeines Personenstandsdatum eines Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich auf Antrag dieser Person eine der genannten oder diesen vergleichbaren Bezeichnungen einzutragen haben (Rz. 38).

Diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ist vor dem Hintergrund des dem Gesetzesprüfungsverfahren zugrundeliegenden Anlassfalls einer intersexuellen Person zu sehen. Intersexualität hat der Verfassungsgerichtshof als eine "Variante der Geschlechtsentwicklung, die, weil die geschlechtsdifferenzierenden Merkmale durch eine atypische Entwicklung des chromosomalen, anatomischen oder hormonellen Geschlechts gekennzeichnet sind, die Einordnung eines Menschen als männlich oder weiblich nicht eindeutig zulässt", definiert (Rz. 15). Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof in Folge ausgesprochen, dass es bei dieser Fallkonstellation sehr wohl auf das "biologische, körperliche Geschlecht" ankommt (VwGH 14.12.2018, Ro 2018/01/0015). Neben der Fallkonstellation der "Variante der Geschlechtsentwicklung" hat der Verfassungsgerichtshof aber auch die Fallkonstellation der Transidentität angeführt, die dadurch gekennzeichnet ist, dass ein Mensch zwar "eindeutig genetisch und/oder anatomisch bzw. hormonell einem Geschlecht zugewiesen [ist], […] sich in diesem Geschlecht aber falsch oder unzureichend beschrieben [fühlt] bzw. […] auch jede Form der Geschlechtszuordnung und Kategorisierung ab[lehnt]" (Rz. 15). Für das Verwaltungsgericht Wien ist in Hinblick auf die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Fallkonstellationen der Transidentität ergangenen Entscheidungen nicht ersichtlich, dass diese grundsätzlich anders zu behandeln wären, als die Fallkonstellation der Intersexualität als Variante der Geschlechtsentwicklung; auch hier hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausgesprochen, dass der Staat gehalten ist, die individuelle Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Geschlecht zu respektieren (vgl. die dazu in Rz. 15 vom Verfassungsgerichtshof zitierte Rechtsprechung des EGMR).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung geht das Verwaltungsgericht Wien davon aus, dass der in § 2 Abs. 2 Z 3 PStG verwendete Begriff des "Geschlechts" einen Geschlechtseintrag abseits der binären Kategorien "männlich" und "weiblich" grundsätzlich ermöglicht und eine solche weite Definition des Begriffs "Geschlecht" abseits der Kategorien "männlich" und "weiblich" erforderlich sein kann, um den Anforderungen des Art. 8 EMRK zu genügen (vgl. aber aus der früheren Rechtsprechung VwGH 30.9.1997, 95/01/0061, wonach die österreichische Rechtsordnung und das soziale Leben von dem Prinzip ausgehen, dass jeder Mensch entweder weiblichen oder männlichen Geschlechts sei; auch der Verfassungsgerichtshof hat unter Verweis auf VfSlg. 18.929/2009 festgehalten, dass sowohl die österreichische Rechtsordnung als auch das soziale Leben davon ausgehen, dass jeder Mensch entweder weiblich oder männlich ist, und sich diese Einschätzung der sozialen Realität heute relativiert haben mag, aber nicht grundsätzlich verändert hat [VfSlg. 20.258/2018, Rz. 14]). Dies ist jedenfalls dort zu sehen, wo ein Fall von Intersexualität als Variante der Geschlechtsentwicklung oder ein Fall von Transidentität vorliegt (vgl. auch die Ausführungen des dt. BVerfG 10.10.2017, 1 BvR 2019/16, Rz. 45, wonach der Personenstand in zentralen Punkten die rechtlich relevante Identität einer Person umschreibt und die Verwehrung der personenstandsrechtlichen Anerkennung der geschlechtlichen Identität bereits an sich, unabhängig davon, welche Folgen außerhalb des Personenstandsrechts an den Geschlechtseintrag geknüpft sind, die selbstbestimmte Entwicklung und Wahrung der Persönlichkeit einer Person spezifisch gefährdet).

In seinem Erkenntnis VfSlg. 20.258/2018 führt der Verfassungsgerichtshof aus, dass die zur Geschlechtsangabe zur Verfügung stehenden Bezeichnungen und Kategorien einen realen Bezugspunkt im sozialen Leben haben müssen und nicht frei erfunden sein dürfen (Rz. 33). Unter Verweis auf eine Stellungnahme der Bioethikkommission geht der Verfassungsgerichtshof in Zusammenhang mit der Fallkonstellation der Intersexualität davon aus, dass sich zwar (noch) keine alleinige Bezeichnung als Ausdruck einer entsprechenden Geschlechtsvariation entwickelt, sich aber eine (überschaubare) Zahl von Begrifflichkeiten herausgebildet hat, die üblicherweise zur Bezeichnung des Geschlechts bzw. zum Ausdruck der Geschlechtsidentität von Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich verwendet werden. In diesem Zusammenhang verweist der Verfassungsgerichtshof auf die Bezeichnungen "divers", "inter" und "offen" (Rz. 37, vgl. auch VfSlg. 20.266/2018, wonach der Geschlechtsbegriff dahingehend zu verstehen und auch verfassungskonform abgrenzbar ist, dass er – mangels anderweitiger Festlegung – diejenigen unterschiedlichen Bezeichnungsmöglichkeiten miteinschließt, die sich zur Benennung des in Rede stehenden Phänomens der Geschlechtsvariationen entwickelt haben).

Für das Verwaltungsgericht Wien ist nicht ersichtlich, dass bislang ausdrückliche Rechtsprechung des Verfassungs- oder des Verwaltungsgerichtshofes dazu vorliegt, ob die Bezeichnung "nicht-binär" Gegenstand eines Geschlechtseintrags iSd § 2 Abs. 2 Z 3 PStG sein kann. Unter Heranziehung der eben dargestellten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes besteht aber kein Zweifel daran, dass § 2 Abs. 2 Z 3 PStG im Lichte des Art. 8 Abs. 1 EMRK so auszulegen ist, dass diese Bestimmung einen Geschlechtseintrag "nicht-binär" zulässt, wenn dadurch Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich oder transidenten Menschen erst ermöglicht wird, ihre individuelle Geschlechtsidentität adäquat zum Ausdruck zu bringen und eine solche Bezeichnung üblicherweise verwendet wird.

In Hinblick darauf, dass die beschwerdeführende Partei im behördlichen Verfahren eine Reihe von Gutachten und fachlichen Stellungnahmen aus den Bereichen der Psychiatrie, der Psychologie und der Psychotherapie vorgelegt hat, in welchen ihr eine "nicht-binäre" Geschlechtsidentität attestiert wird, geht das Verwaltungsgericht Wien davon aus, dass es sich bei diesem Terminus um einen in Fachkreisen etablierten Begriff für die Beschreibung der Geschlechtsidentität von Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich oder transidenten Menschen handelt und ein solcher Begriff nicht frei erfunden ist (vgl. auch die mehrfache Verwendung des Begriffs "binär" in Zusammenhang mit dem Geschlechtseintrag durch den Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 20.258/2018).

Insofern erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die Anregung der beschwerdeführenden Person, hinsichtlich § 2 Abs. 2 Z 3 PStG bzw. hinsichtlich der §§ 41 und 42 PStG einen Gesetzesprüfungsantrag gem. Art. 140 B-VG an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, weil diese Bestimmungen in verfassungskonformer Interpretation das von der beschwerdeführenden Partei begehrte Verfahrensergebnis ohnehin zulassen.

4.4.    In weiterer Folge ist zu prüfen, ob angesichts des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren festgestellten Sachverhalts die beschwerdeführende Partei im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 20.258/2018 eine Variante der Geschlechtsentwicklung bzw. eine Transidentität aufweist und ob bejahendenfalls die Bezeichnung "nicht-binär" ihre individuelle Geschlechtsidentität adäquat zum Ausdruck bringt.

Den auf mehreren unwidersprochen gebliebenen fachlichen Gutachten und Stellungnahmen gegründeten Feststellungen zufolge liegt bei der beschwerdeführenden Partei das klinische Bild des Transsexualismus, der Transidentität bzw. der sonstigen Störung der Geschlechtsidentität vor. Die beschwerdeführende Partei hat zudem in der Vergangenheit eine Hormontherapie absolviert, welche zu irreversiblen körperlichen Veränderungen geführt hat. Zudem wird sich den Feststellungen zufolge am Zugehörigkeitsempfinden der beschwerdeführenden Partei zu ihrer geschlechtlichen Identität mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts mehr ändern (zu dieser Voraussetzung für eine Änderung des Geschlechtseintrags in Zusammenhang mit Transsexualität VwGH 27.2.2009, 2008/17/0054). Vor diesem Hintergrund besteht für das Verwaltungsgericht Wien kein Zweifel, dass bei der beschwerdeführenden Partei jedenfalls eine gefestigte und auch im Körperlichen manifestierte Geschlechtsidentität abseits der Kategorien "männlich" und "weiblich" besteht, wobei eine scharfe Abgrenzung zwischen den im Erkenntnis VfSlg. 20.258/2018 genannten Fallkonstellationen der Variante der Geschlechtsentwicklung und der Transidentität dahingestellt bleiben kann, weil – wie dargelegt – das von Art 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Recht auf individuelle Geschlechtsidentität generell gewährleistet, dass Menschen (nur) jene Geschlechtszuschreibungen durch staatliche Regelung akzeptieren müssen, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen.

Die beschwerdeführende Partei beschreibt ihre Geschlechtsidentität selbst als "nicht-binär", nach den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren getroffenen Feststellungen ist die beschwerdeführende Partei zudem aus psychiatrischer, psychologischer und psychotherapeutischer Sicht mit der Geschlechtsidentität "nicht-binär" zu beschreiben. Es bestehen daher keine Zweifel, dass diese Bezeichnung die Geschlechtsidentität der beschwerdeführenden Partei adäquat zum Ausdruck bringt.

Nach der in Pkt. III.4.3. dargestellten Rechtsprechung wird die "nicht-binäre" Geschlechtsidentität der beschwerdeführenden Partei durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützt, es besteht daher ein Rechtsanspruch, diese Geschlechtsidentität entsprechend personenstandsrechtlich abzubilden.

4.5.    Nach den eben getroffenen Ausführungen ist der aktuelle Geschlechtseintrag der beschwerdeführenden Partei im Zentralen Personenstandsregister auf "weiblich" unrichtig. Nach den Feststellungen war dieser Geschlechtseintrag nicht von Beginn an unrichtig, sondern ist erst im Laufe der Zeit unrichtig geworden. Es ist daher eine Änderung des Geschlechtseintrags gem. § 41 Abs. 1 PStG vorzunehmen. Diese Änderung der Eintragung kann vom Verwaltungsgericht Wien selbst vorgenommen werden (vgl. zur Berichtigung der Eintragung nach § 42 Abs. 1 PStG VwGH 14.12.2018, Ro 2018/01/0015 mwN).

Der richtige Geschlechtseintrag der beschwerdeführenden Partei hat auf "nicht-binär" zu lauten. Dementsprechend ist dem auf eine solche Eintragung gerichteten Antrag der beschwerdeführenden Partei stattzugeben; die, für den Fall, dass dem Hauptantrag nicht stattgegeben werde, gestellten Eventualanträge der beschwerdeführenden Partei sind damit obsolet geworden (VwGH 24.4.2018, Ra 2017/05/0215).

5.       Die ordentliche Revision ist zulässig, da – soweit für das Verwaltungsgericht Wien überblickbar – keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu vorliegt, ob § 2 Abs. 2 Z 3 PStG einen Geschlechtseintrag auf "nicht-binär" überhaupt ermöglicht und – sollte diese Frage zu bejahen sein – unter welchen sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen ein solcher Geschlechtseintrag erfolgen kann. Die bislang in Zusammenhang mit einer Berichtigung oder Änderung des Geschlechtseintrags ergangene (teilweise zitierte) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezog sich auf Fälle von Inter- oder Transsexualität und einen Wechsel des Geschlechtseintrags von "männlich" auf "weiblich" bzw. umgekehrt oder einen Eintrag auf "inter". Diese Rechtsfragen sind von grundsätzlicher Bedeutung, weil sie sich auch in anderen Fällen betreffend Person mit einer nicht-binären Geschlechtsidentität stellen können.

Schlagworte

Zentrales Personenstandsregister; Geschlechtseintragung; Änderung; nicht-binär; geschlechtliche Identität; Geschlechtsentwicklung; Intersexualität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2023:VGW.101.V.032.11370.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.02.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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