Entscheidungsdatum
23.12.2022Norm
B-VG Art130 Abs1 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Dr Flendrovsky als Einzelrichter über die Beschwerde des A in ***, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen beleidigende Aussagen von Polizeibeamten bei einer Verkehrskontrolle sowie die vorläufige Abnahme des Führerscheins in *** am 22. bzw. 23. Juli 2022 (belangte Behörde: Bezirkshauptmannschaft Tulln), durch Verkündung am Schluss der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21. November 2022 den
BESCHLUSS
gefasst:
1. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen behauptete beleidigende Aussagen der beiden Beamten richtet, die den Beschwerdeführer zwischen 22. Juli 2022, ca. 23:40 Uhr, und 23. Juli 2022, 00:10 Uhr, mit dem von ihm gelenkten PKW zum Anhalten aufforderten und im Anschluss den Alkoholgehalt seiner Atemluft zu kontrollieren versuchten, gemäß § 28 Abs. 1 erster Halbsatz iVm § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich innerhalb von zwei Wochen Aufwendungen in der Höhe von € 628,– zu ersetzen.
3. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 und 9 B-VG iVm § 25a Abs. 1 VwGG nicht zulässig.
Darüber hinaus hat das Landesverwaltungsgericht zu Recht erkannt:
4. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 6 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
5. Der Beschwerdeführer hat dem Bund innerhalb von zwei Wochen Aufwendungen in der Höhe von € 628,– zu ersetzen.
6. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm
§ 25a Abs. 1 VwGG eine Revision nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Sachverhalt und Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer lenkte am 22. Juli 2022 gegen Mitternacht in *** den auf seine Frau, die Zeugin C, zugelassenen schwarzen Audi A3 mit dem Kennzeichen ***. An der Adresse *** wurde er etwa um 23:40 Uhr von zwei Polizeibeamten, den Zeugen E und D, angehalten. Nachdem der Beschwerdeführer deren Frage nach dem Konsum von Alkohol damit beantwortet hat, er habe vor mehreren Stunden einen Spritzer getrunken, wollten die Beamten seine Atemluft auf den Verdacht der Beeinträchtigung durch Alkohol untersuchen („Alko-Vortest“ gemäß § 5 Abs. 2a StVO 1960). Auf dem entsprechenden Gerät (vgl. § 5 Abs. 3a StVO 1960) kam allerdings kein Messergebnis zustande.
Auf Grund der Fehlversuche fiel von Seiten der Beamten gegenüber dem Beschwerdeführer sinngemäß die Äußerung, dass selbst Kinder auf dem Gerät ein Messergebnis erzielen könnten. Weiters forderten sie den Beschwerdeführer zu einer Untersuchung der Atemluft auf Alkohol am geeichten Messgerät („Alkomattest“ gemäß § 5 Abs. 2 iVm Abs. 3 StVO 1960) auf. Nachdem es dazu nicht gekommen war, behielten die einschreitenden Beamten den Führerschein des Beschwerdeführers (den er ihnen zu Beginn der Kontrolle ausgehändigt hatte) am 23. Juli 2022 um 00:10 Uhr ein und stellten ihm eine entsprechende Bestätigung aus.
2. Am 22. August 2022 erhob der – anwaltlich vertretene – Beschwerdeführer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, wobei er als belangte Behörde die Landespolizeidirektion Niederösterreich anführte. Weiters erklärte er ausdrücklich, dass die Beschwerde wegen Verletzung von Grundrechten durch die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erhoben werde.
Über den soeben unter 1. festgestellten Sachverhalt hinaus brachte der Beschwerdeführer vor, er habe redlich versucht, in das Vortestgerät zu blasen. Er habe jedoch eine Nasenscheidewandverkrümmung, die operativ behandelt worden sei. Deshalb sei es ihm nicht möglich, ausreichend lang tief einzuatmen bzw. schmerzfrei auszuatmen. Dies sei ihm aber nicht bewusst gewesen. Nach einer Einschränkung der Atemwege sei er nicht gefragt worden.
Die Durchführung des Alkomattests sei rechtswidrig gewesen, weil es keinen wie auch immer gearteten Anlass dafür gegeben habe. Weder sei der Beschwerdeführer zuvor durch auffälliges Fahren noch durch einen schwankenden Gang noch durch Geruch oder gerötete Augen in irgendeiner Weise verdächtig geworden, Alkohol im Übermaß getrunken zu haben. Nach kurzer Zeit habe sich herausgestellt, dass der Alkomat im Polizeiauto nicht betriebsbereit gewesen sei. Ein Beamter habe versucht, diesen in Betrieb zu setzen, wobei dem Beschwerdeführer verwehrt worden sei, dies zu beobachten. Der Beschwerdeführer habe von den Beamten dreimal verlangt, ihn darüber zu belehren, wie nun das Verfahren ablaufen würde, nachdem der Vortest gescheitert sei und der Alkomat nicht funktioniert habe.
Schließlich begehrte der Beschwerdeführer die Erlassung eines „Urteils“, mit dem einerseits die vorläufige Abnahme des Führerscheins und andererseits Aussagen der Beamten wie sinngemäß „Sogar ein Kind kann blasen“, die ihn in seiner Ehre bzw. Menschenwürde verletzen würden, für rechtswidrig erklärt werden.
3. Die belangte Behörde legte am 8. September 2022 ihren auf Grund der Verständigung von der Führerscheinabnahme bzw. der Erstattung einer Anzeige wegen der Verweigerung des Alkomattests angelegten Verwaltungsakt vor. Weiters erstattete sie eine Äußerung, die im Wesentlichen die von ihr eingeholten Stellungnahmen der Zeugen E und D wiedergab.
Darin wurde eingeräumt, dass der Beschwerdeführer von den Beamten mit der Tatsache konfrontiert worden sei, dass die korrekte Durchführung der Atemalkoholuntersuchung mittels Vortestgerät einem gesunden, erwachsenen Menschen ohne entsprechender Beeinträchtigung der Atemwege auf jedem Fall zuzutrauen sei und selbst motivierte Kinder im Volksschulalter den Anforderungen zur Durchführung einer verwertbaren Messung durchaus gewachsen seien, obwohl die anatomischen Voraussetzungen bekanntlich nicht vergleichbar wären.
Die vorläufige Führerscheinabnahme erachtete die belangte Behörde durch § 39 Abs. 1 FSG gedeckt.
4. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 21. November 2022 in *** eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer samt seinem Rechtsvertreter sowie eine Vertreterin der belangten Behörde teilnahmen. Letztere begehrte dort die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer präzisierte sein Beschwerdebegehren geringfügig. Weiters legte er ein ärztliches Attest sowie den Befund einer Computertomographie seines Thorax vor, aus denen sich seiner Ansicht nach eine Beschränkung seiner Fähigkeit, in ein Gerät zur Messung des Alkoholgehalts der Atemluft zu blasen, ergibt.
In der Verhandlung wurden der Beschwerdeführer, die Zeugin C sowie die Zeugen E und D einvernommen.
Die vorliegende Entscheidung wurde am Schluss der Verhandlung mündlich verkündet, wobei der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter nicht mehr anwesend waren.
5. Der Beschwerdeführer beantragte am 2. Dezember 2022 eine Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG. Der Antrag wurde der belangten Behörde am 5. Dezember 2022 zur Kenntnis gebracht.
6. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Gerichtsakt und wurde (bis zum damaligen Zeitpunkt) in der mündlichen Verhandlung erörtert. Es ist ihm keine Partei entgegengetreten.
Der oben unter 1. festgestellte Sachverhalt beruht auf dem Beschwerdevorbringen, das mit dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes sowie mit der Stellungnahme der belangten Behörde insoweit im Einklang steht.
7. Auf Grund der insoweit übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers sowie der Zeugen E und D in der mündlichen Verhandlung wird ergänzend festgestellt, dass die beiden Zeugen davon ausgingen, der Beschwerdeführer habe die Messung beim Vortest absichtlich manipuliert, indem er entweder die Lippen so fest zusammenpresste, dass keine Luft durch das Mundstück gelangte, oder mit der Zunge den Luftfluss in das Messgerät behinderte. Eine Frage der Beamten, ob bei ihm gesundheitliche Einschränkungen beim Blasen in ein Messgerät bestünden, beantwortete der Beschwerdeführer mit „Nicht dass ich wüsste.“
Nach mehreren Fehlversuchen nahmen die Beamten zunächst das Mundstück des Vortestgeräts ab und forderten den Beschwerdeführer auf, nur durch dieses hindurch zu blasen. Dabei setzte er das manipulierende Verhalten aus Sicht der Beamten fort, weil ein zu geringer Luftstrom aus dem Mundstück spürbar war. Dennoch gewährten sie dem Beschwerdeführer einen letzten Versuch, der wiederum misslang.
Dies führte zur bereits festgestellten Aufforderung an den Beschwerdeführer, sich der Untersuchung seiner Atemluft am geeichten Alkomaten zu unterziehen. Sie schalteten diesen ein, wobei jedoch bis zur Betriebsbereitschaft eine Aufwärmphase abzuwarten war, die etwa fünf bis zehn Minuten dauert. Währenddessen entspann sich zwischen dem Beschwerdeführer und den Beamten eine Diskussion über die Rechtsfolgen allfälliger fehlerhafter Blasversuche am Alkomaten, bei der die Beamten unter anderem darauf hinwiesen, sie könnten das Verhalten der belangten Behörde, an die sie Anzeige erstatten würden, nicht vorhersagen. Daraufhin lehnte der Beschwerdeführer die Untersuchung seiner Atemluft am Alkomaten mit den Worten „Ich breche ab, ich verweigere!“ ab.
Die Aussage der Zeugin C (die von der Amtshandlung nur wenig mitbekam, weil sie zunächst in ihrem PKW sitzengeblieben war) steht mit diesen Feststellungen jedenfalls nicht im Widerspruch.
II. Rechtsvorschriften
1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), BGBl. 1/1930 idF BGBl. I 51/2012, erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit.
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrens-gesetzes (VwGVG) BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 109/2021, lauten auszugsweise:
„[…]
Inhalt der Beschwerde
§ 9. […]
(2) Belangte Behörde ist
[…]
2. in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG jene Behörde, der die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zuzurechnen ist,
[…]
(4) Bei Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG tritt an die Stelle der Bezeichnung der belangten Behörde, soweit dies zumutbar ist, eine Angabe darüber, welches Organ die Maßnahme gesetzt hat.
[…]
Verhandlung
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
[…]
Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
[…]
(6) Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.
[…]
Beschlüsse
§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.
[…]
Kosten im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt
§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
[...]
(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
[…]
(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:
[…]
3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.
(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.
[…]“
3. Die maßgeblichen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl. I 159 in der im Zeitpunkt der Setzung der angefochtenen Amtshandlungen geltenden Fassung BGBl. I 154/2021, lauteten:
„[…]
Besondere Sicherungsmaßnahmen gegen Beeinträchtigung durch Alkohol
§ 5. (1) Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.
[…]
(2) Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und – soweit es sich nicht um Organe der Bundespolizei handelt – von der Behörde hierzu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen,
1. die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben […]
[…]
Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.
(2a) Die Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und – soweit es sich nicht um Organe der Bundespolizei handelt – von der Behörde hierzu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind weiters berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf den Verdacht der Beeinträchtigung durch Alkohol zu überprüfen. Ergibt die Überprüfung der Atemluft den Verdacht der Beeinträchtigung durch Alkohol oder wird die Überprüfung verweigert, haben die genannten Organe eine Untersuchung der Atemluft gemäß Abs. 2 vorzunehmen.
[…]
(3) Die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt ist mit einem Gerät vorzunehmen, das den Alkoholgehalt der Atemluft mißt und entsprechend anzeigt (Alkomat).
(3a) Die Überprüfung der Atemluft auf Verdacht der Beeinträchtigung durch Alkohol ist mit einem Gerät vorzunehmen, das den Alkoholgehalt der Atemluft zwar nicht bestimmt, aber in einer solchen Weise misst und anzeigt, dass daraus Rückschlüsse auf das Vorliegen des Verdachts einer Beeinträchtigung durch Alkohol gezogen werden können.
[…]
§ 94b. Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde
(1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern der Akt der Vollziehung nur für den betreffenden politischen Bezirk wirksam werden soll und sich nicht die Zuständigkeit der Gemeinde oder – im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist – der Landespolizeidirektion ergibt, die Bezirksverwaltungsbehörde
a) für die Verkehrspolizei, das ist die Überwachung der Einhaltung straßenpolizeilicher Vorschriften und die unmittelbare Regelung des Verkehrs durch Arm- oder Lichtzeichen, nicht jedoch für die Verkehrspolizei auf der Autobahn,
[…]
§ 97. Organe der Straßenaufsicht
(1) Die Organe der Straßenaufsicht, insbesondere der Bundespolizei und im Falle des § 94c Abs. 1 auch der Gemeindewachkörper, haben die Verkehrspolizei (§ 94b Abs. 1 lit. a) zu handhaben und bei der Vollziehung dieses Bundesgesetzes durch
a) Vorbeugungsmaßnahmen gegen drohende Verwaltungsübertretungen,
b) Maßnahmen, die für die Einleitung von Verwaltungsstrafverfahren erforderlich sind,
c) Anwendung körperlichen Zwanges, soweit er gesetzlich vorgesehen ist,
mitzuwirken.
[…]
(5) Die Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, durch deutlich sichtbare oder hörbare Zeichen Fahrzeuglenker zwecks Lenker- oder Fahrzeugkontrolle, zwecks anderer, den Fahrzeuglenker oder eine beförderte Person betreffende Amtshandlungen oder zwecks Durchführung von Verkehrserhebungen (wie Verkehrszählungen u. dgl.) zum Anhalten aufzufordern. Der Fahrzeuglenker hat der Aufforderung Folge zu leisten.
[…]
§ 99. Strafbestimmungen.
(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,
[…]
b) wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen […]
[…]“
4. Die maßgeblichen Bestimmungen des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I 120/1997 in der im Zeitpunkt der Setzung der angefochtenen Amtshandlungen geltenden Fassung BGBl. I 154/2021, lauteten:
„[…]
Pflichten des Kraftfahrzeuglenkers
§ 14. (1) Jeder Lenker eines Kraftfahrzeuges hat unbeschadet der Bestimmungen des § 15a und des § 102 Abs. 5 KFG 1967 auf Fahrten mitzuführen
1.den für das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug vorgeschriebenen Führerschein, Heeresführerschein oder Heeresmopedausweis,
[…]
und auf Verlangen die entsprechenden Dokumente den gemäß § 35 Abs. 2 zuständigen Organen zur Überprüfung auszuhändigen.
[…]
Behörden und Organe
§ 35. (1) Für die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Amtshandlungen ist, sofern darin nichts anderes bestimmt ist, in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, die Landespolizeidirektion zuständig.
(2) An der Vollziehung dieses Bundesgesetzes durch die Bezirksverwaltungsbehörden, die Landespolizeidirektionen und den Landeshauptmann haben mitzuwirken:
1. die Organe der Bundespolizei,
[…]
(3) Die in Abs. 2 genannten Organe haben
1. die Einhaltung der in diesem Bundesgesetz genannten Vorschriften zu überwachen; zu diesem Zweck sind sie berechtigt, gemäß § 97 Abs. 5 StVO 1960 Fahrzeuglenker zum Anhalten aufzufordern;
2. Maßnahmen zu treffen, die für die Einleitung oder Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren erforderlich sind und
3. in den in diesem Bundesgesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen einzuschreiten.
Sie unterstehen dabei in fachlicher Hinsicht der jeweils zuständigen Behörde.
[…]
Vorläufige Abnahme des Führerscheines
§ 39. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Straßenaufsicht haben einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, dass er insbesondere infolge Alkohol- oder Suchtmittelgenusses, Einnahme von Medikamenten oder eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein, den Mopedausweis oder gegebenenfalls beide Dokumente vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen. Weiters haben die Organe die genannten Dokumente vorläufig abzunehmen, wenn ein Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder mehr oder ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder mehr festgestellt wurde oder der Lenker eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b oder c StVO 1960 begangen hat, wenn der Lenker ein Kraftfahrzeug gelenkt hat, in Betrieb genommen hat oder versucht hat, es in Betrieb zu nehmen, auch wenn anzunehmen ist, dass der Lenker in diesem Zustand kein Kraftfahrzeug mehr lenken oder in Betrieb nehmen wird. Außerdem haben diese Organe Personen, denen die Lenkberechtigung mit Bescheid vollstreckbar entzogen wurde oder über die ein mit Bescheid vollstreckbares Lenkverbot verhängt wurde und die der Ablieferungsverpflichtung der Dokumente nicht nachgekommen sind, den Führerschein, den Mopedausweis oder gegebenenfalls beide Dokumente abzunehmen. Ebenso können diese Organe bei mit technischen Hilfsmitteln festgestellten Geschwindigkeitsübertretungen, die mit einer Entziehung geahndet werden, den Führerschein vorläufig abnehmen. Bei der vorläufigen Abnahme ist eine Bescheinigung auszustellen, in der die Gründe für die Abnahme und eine Belehrung über die zur Wiedererlangung des Führerscheines oder Mopedausweises erforderlichen Schritte enthalten sind.
[…]
(2) Der vorläufig abgenommene Führerschein oder Mopedausweis ist unverzüglich der Behörde vorzulegen, in deren örtlichem Wirkungsbereich er abgenommen wurde; […]
[…]“
III. Rechtliche Beurteilung
1. Festzuhalten ist zunächst, dass die Rechtsgrundlagen der Anhaltung des Beschwerdeführers sowie der anschließenden Amtshandlung, bei der versucht wurde, seine Atemluft auf eine Beeinträchtigung durch Alkohol bzw. den Verdacht einer solchen zu untersuchen, in der StVO 1960 liegen. Die vorläufige Führerscheinabnahme erfolgte auf Grundlage des FSG. Somit sind die Beamten bei den vom Beschwerdeführer bekämpften Amtshandlungen nicht im Rahmen der – durch § 2 SPG definierten – Sicherheitsverwaltung tätig geworden. Das Beschwerderecht nach § 88 Abs. 2 SPG gegen schlicht hoheitliches (sicherheitsbehördliches) Handeln kommt dem Beschwerdeführer somit nicht zu. Der StVO 1960 bzw. dem FSG sind vergleichbare Beschwerdemöglichkeiten fremd.
Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer nach § 89 SPG die Verletzung einer Richtlinie für das Einschreiten geltend machen wollte, finden sich in der Beschwerde nicht. Somit kann diese – entsprechend ihrer Bezeichnung als Maßnahmenbeschwerde – nur auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützt werden, der ausschließlich ein Recht zur Bekämpfung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt einräumt.
2. Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde die Landespolizeidirektion Niederösterreich als belangte Behörde bezeichnet.
Aus § 94b Abs. 1 lit. a iVm § 97 Abs. 1 StVO 1960 bzw. § 35 FSG ergibt sich jedoch, dass das angefochtene Handeln der eingeschrittenen Organe der Bundespolizei (der Zeugen E und D) der Bezirkshauptmannschaft Tulln, in deren Sprengel sich die Amtshandlung ereignete, zuzurechnen ist. Somit ist diese auch gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 VwGG im vorliegenden Beschwerdeverfahren nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG belangte Behörde.
Daran ändert die verfehlte Bezeichnung in der Beschwerde nichts. Insbesondere berechtigt diese alleine das Landesverwaltungsgericht nicht zur Zurück- oder Abweisung der Beschwerde, tritt doch gemäß § 9 Abs. 4 VwGVG im Maßnahmenbeschwerdeverfahren an die Stelle der Bezeichnung der belangten Behörde eine Angabe darüber, welches Organ die Maßnahme gesetzt hat. Diese Angaben enthält die Beschwerde. Auf deren Grundlage im Zusammenhalt mit dem sonstigen Beschwerdevorbringen war die belangte Behörde vom Landesverwaltungsgericht von Amts wegen zu bestimmen (vgl. VwGH 18.10.2016, Ro 2015/03/0029, mwN, wo dies selbst für bestimmte Fälle fehlerhafter Angaben über die einschreitenden Organe bejaht wurde).
3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellen bloße verbale Attacken und beleidigende Ausdrucksweisen eines amtshandelnden Organs keine Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar (VwGH 23.02.1994, 93/01/0456, mwN).
Somit ist die Beschwerde, soweit mit ihr Beleidigungen durch die Zeugen E und D im Zuge der von ihnen veranlassten Anhaltung des Beschwerdeführers bzw. der beabsichtigten Kontrolle seiner Atemluft auf eine Beeinträchtigung durch Alkohol oder auf den Verdacht einer solchen behauptet und bekämpft werden, nicht zulässig und war dementsprechend zurückzuweisen.
4. Hinsichtlich der darüber hinaus angefochtenen vorläufigen Führerscheinabnahme ist die Beschwerde hingegen zulässig.
5. Die einschreitenden Organe – die Zeugen E und D – haben diese Maßnahme auf § 39 Abs. 1 FSG gestützt. Nach der dazu vorliegenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der vorläufigen Abnahme des Führerscheines um eine Sicherungsmaßnahme, mit der einer unmittelbaren Unfallgefahr entgegengewirkt werden soll. Daher reicht es für die Rechtmäßigkeit der Maßnahme aus, wenn die Organe vertretbar davon ausgehen können, dass der Betroffene eine in § 39 Abs. 1 FSG genannte Verwaltungsüber-tretung begangen hat. Ob die Übertretung tatsächlich begangen wurde, es später zu einer Bestrafung wegen derselben oder einer Entziehung der Lenkberechtigung kommt, ist ohne Relevanz (so VwGH 18.06.2008, 2005/11/0048, mwN, zu einer ebenfalls in § 39 Abs. 1 FSG genannten Geschwindigkeitsübertretung).
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer noch während der Aufwärmphase des Alkomaten die Untersuchung seiner Atemluft, zu welcher er zuvor von den Zeugen E und D aufgefordert worden war, verweigerte. Irgendwelche Erkrankungen, die der Untersuchung entgegenstehen, führte er damals nicht ins Treffen.
Somit konnten die Beamten damals vertretbar von der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 ausgehen. Auf die erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Befunde, die eine Unfähigkeit des Beschwerdeführers belegen sollen, mit ausreichender Stärke in den Alkomaten zu blasen, kommt es nicht an. Soweit dieser ins Treffen führt, die Beamten hätten ihn nicht über die Konsequenzen der Verweigerung belehrt, ist ihm entgegenzuhalten, dass eine derartige Belehrung weder eine Voraussetzung für die Begehung der genannten Verwaltungsübertretung noch für die vorläufige Führerscheinabnahme darstellt. Im Übrigen haben nach den getroffenen Feststellungen die Beamten dem Beschwerdeführer die Folgen einer Verweigerung der Untersuchung verdeutlicht. Wenn sie dabei auch anführten, sie könnten das auf Grund einer von ihnen erstatteten Anzeige gesetzte Verhalten der Behörde nicht (vollständig) vorhersagen, kann darin kein Umstand erblickt werden, der in irgendeiner Weise die vorläufige Abnahme des Führerscheins im Lichte des § 39 Abs. 1 FSG rechtswidrig erscheinen lassen würde.
6. Die Beschwerde war daher insoweit als unbegründet abzuweisen.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandersatzverordnung.
Zu berücksichtigen war, dass der Beschwerdeführer zwei Verwaltungsakte angefochten hat, die schon im Hinblick auf ihre unterschiedlichen Rechtsgrundlagen (einerseits in der StVO 1960 und andererseits im FSG; vgl. dazu schon oben 1.) einer isolierten Betrachtung zugänglich sind: Der erste angefochtene Verwaltungsakt sind die vom Beschwerdeführer als beleidigend empfundenen Äußerungen bei der Anhaltung und dem anschließenden Versuch der eingeschrittenen Organe, seine Atemluft auf Alkohol zu untersuchen. Der zweite Verwaltungsakt ist die vorläufige Abnahme des Führerscheins.
Da nur eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat und von der belangten Behörde auch nur ein Verwaltungsakt vorgelegt wurde, gebührt der Vorlage- und Verhandlungsaufwand (€ 57,40 + € 461,–) dennoch nur einmal und ist zwischen den beiden Rechtsträgern Land Niederösterreich und Bund, denen jeweils ein angefochtener Verwaltungsakt zuzurechnen ist, zu teilen. Der Schriftsatzaufwand (€ 368,80) gebührt hingegen jedem Rechtsträger einmal, weil die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme vom 8. September 2022 auf das Beschwerdevorbringen zu beiden angefochtenen Verwaltungsakten eingegangen ist (VwGH 16.03.2016, Ra 2015/05/0090; 26.06.2013, 2012/01/0126, jeweils mwN).
IV. Zur Unzulässigkeit der Revision
Die Revision ist nicht zulässig, weil im Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Insbesondere weicht die Entscheidung weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt eine solche Rechtsprechung noch wird die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet. Die Lösung der maßgeblichen Rechtsfragen ergibt sich vielmehr aus dem klaren Wortlaut des Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG, des § 39 Abs. 1 FSG und des § 35 VwGVG (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei klarem Gesetzeswortlaut etwa VwGH 07.05.2021, Ra 2020/12/0036, mwN) im Zusammenhalt mit der zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Bestimmungen.
Schlagworte
Maßnahmenbeschwerde; Sicherheitsverwaltung; Führerschein; Abnahme;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.M.50.001.2022Zuletzt aktualisiert am
09.02.2023