TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/30 94/18/0529

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Veröffentlicht am 30.11.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/07 Grenzüberwachung;

Norm

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1994 §1 Abs2;
AufG 1992 §12;
AVG §66 Abs4;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs2;
FrG 1993 §17 Abs3;
FrG 1993 §22 Abs1;
GrKontrG 1969;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Mujo M in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. Mai 1994, Zl. SD 790/93, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 25. Mai 1994 verfügte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß § 17 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 4 des Fremdengesetzes die Ausweisung. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer bereits außerhalb Bosniens Schutz gefunden habe und seit 14. Oktober 1993 im Besitz eines bosnischen Reisepasses sei. Seinen Angaben zufolge sei er in einem Kombiwagen - es habe sich dabei offenbar um Schlepper gehandelt - nach Österreich eingereist und der Lenker des Fahrzeuges habe die Reisepässe vorgezeigt. Da sich jedoch im Reisepaß des Beschwerdeführers kein Grenzkontrollstempel befinde, erscheine sein Vorbringen nicht glaubwürdig. Er wäre im Falle einer ordnungsgemäßen Einreise im Hinblick auf seinen Reisepaß aufgrund des als geltend angesehenen Sichtvermerksabkommens zu einem sichtvermerksfreien dreimonatigen Aufenthalt berechtigt gewesen. Aus den angeführten Gründen käme dem Beschwerdeführer auch nicht die Verordnung des Bundesministers für Inneres (richtig: der Bundesregierung), BGBl. Nr. 402/1993, betreffend bosnische Kriegsflüchtlinge zugute. Der Beschwerdeführer habe den Besitz ausreichender Mittel für seinen weiteren Unterhalt nicht nachweisen können. Die Ausweisung im Interesse der öffentlichen Ordnung gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 des Fremdengesetzes sei daher zulässig gewesen. Außerdem lägen aber jedenfalls auch die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 in Verbindung mit § 19 leg. cit. vor, da sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte, sein Aufenthalt erst von ganz kurzer Dauer sei und bei seiner ebenfalls in Österreich befindlichen Gattin die gleichen Voraussetzungen wie bei ihm vorlägen, somit also ein Eingriff im Sinne des § 19 leg. cit. ebenfalls nicht gegeben sei. Die Situation in der Heimat des Beschwerdeführers, die Umstände, unter denen er nach Österreich gelangt sei, sowie die Frage einer Rückkehrmöglichkeit seien nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn "wegen Verletzung einfachgesetzlich gewährleisteter Rechte" aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Mit seinem Vorbringen, er habe sich entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht in einem "sicheren Drittstaat" befunden, bezieht sich der Beschwerdeführer erkennbar auf die Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 368/1994. Gemäß § 1 Abs. 1 dieser Verordnung haben Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Gemäß § 1 Abs. 2 leg. cit. besteht dieses Aufenthaltsrecht weiters für die nach dem 1. Juli 1993 einreisenden und eingereisten Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde. Gemäß § 1 Abs. 3 leg. cit. besteht dieses Aufenthaltsrecht bis zum 31. Dezember 1994. Die belangte Behörde stellte fest, daß der Reisepaß des Beschwerdeführers bei der Einreise nach Österreich nicht vorgezeigt worden sei. Diese Feststellung ergibt sich aus den Ausführungen, daß das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei in einem Kombiwagen nach Österreich eingereist und der Lenker des Fahrzeuges habe die Reisepässe vorgezeigt, nicht glaubwürdig sei, weil sich im Reisepaß des Beschwerdeführers kein Grenzkontrollstempel befinde. Aus diesem Grund erachtete sie die genannte Verordnung auf den Beschwerdeführer als nicht anwendbar.

In der Beschwerde werden diese Feststellungen über die Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich nicht bestritten. Die Ansicht der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer nicht unter den von der genannten Verordnung erfaßten Personenkreis falle, kann nicht als rechtswidrig angesehen werden. Denn dem Erfordernis, sich der Grenzkontrolle zu stellen, wird nur durch ein Tun des Fremden entsprochen: Er hat von sich aus (initiativ) an der Grenzkontrollstelle an ein Grenzkontrollorgan zwecks Durchführung der Grenzkontrolle heranzutreten. Mangels Vornahme einer Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit des Übertrittes des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet durch zu einer solchen Kontrolle berufene österreichische Organe (Grenzkontrollorgane) an einer Grenzkontrollstelle kam aber auch die Verwirklichung des weiteren, kumulativ zu erfüllenden Tatbestandsmerkmales "und ihm ... die Einreise gestattet wurde" nicht in Betracht, da ein "Gestatten" der Einreise ein entsprechendes Handeln des Grenzkontrollorganes im Rahmen der Grenzkontrolle bedingt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1995, Zl. 95/18/1099).

Da dem Beschwerdeführer ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gemäß der genannten Verordnung nicht zukam und er nicht dartut, auf welchen sonstigen Grund er einen rechtmäßigen Aufenthalt stützen könnte, erfolgte dessen Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz rechtens.

2. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers konnte die belangte Behörde - nachdem die Behörde erster Instanz die Ausweisung (lediglich) mit § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG begründet hatte - seine Ausweisung (auch) auf § 17 Abs. 1 Fremdengesetz stützen. Bei einer Ausweisung nach § 17 Abs. 1 leg. cit. und einer Ausweisung gemäß § 17 Abs. 2 leg. cit. handelt es sich nicht um zwei verschiedene Angelegenheiten, vielmehr folgt aus dem einheitlichen Begriffsinhalt der Ausweisung, nämlich der Ausreiseverpflichtung des betroffenen Fremden bei Nichtvorhandensein oder Wegfall bestimmter gesetzlicher Voraussetzungen, daß dieses Rechtsinstitut eine einzige Angelegenheit darstellt. Die Tatbestände des § 17 Abs. 1 leg. cit. und des § 17 Abs. 2 Z. 1 bis 6 leg. cit. sind (lediglich) die Gründe, die der Behörde für die Erlassung der fremdenpolizeilichen Maßnahme der Ausweisung zur Verfügung stehen. Somit ist "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 erster Satz AVG die vor der Erstbehörde in Verhandlung gestandene, den Inhalt des Spruches ihres Bescheides bildende Erlassung der Ausweisung gegen den Fremden. Im Rahmen dieser Sache ist die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG berechtigt, den erstinstanzlichen Bescheid "nach jeder Richtung", also auch unter Heranziehung des § 17 Abs. 1 Fremdengesetz abzuändern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 1994, Zl. 94/18/0013).

Wegen der zutreffenden Anwendung des § 17 Abs. 1 leg. cit. braucht auf die vom Beschwerdeführer nur am Rand relevierte Frage der Verwirklichung des Tatbestandes des § 17 Abs. 2 Z. 4 leg. cit. nicht mehr eingegangen zu werden.

3. Als Verfahrensmangel rügt der Beschwerdeführer, die Begründung der belangten Behörde erschöpfe sich darin, auf die Begründung einer anderen Behörde zu verweisen. Die allgemeinen Hinweise des Beschwerdeführers auf die Begründungspflicht der Behörde sind jedoch in keiner Weise geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Die belangte Behörde verwies zwar auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, setzte sich in der Folge mit dem Berufungsvorbringen jedoch ausreichend auseinander. In welchem Punkt das Berufungsvorbringen unbeantwortet geblieben wäre, vermag der Beschwerdeführer auch nicht darzutun, weshalb der behauptete Verfahrensmangel nicht vorliegt.

4. Durch die verfügte Ausweisung erachtet sich der Beschwerdeführer unter Hinweis darauf, daß seine Tochter seit 1992 in Österreich lebe und hier auch sozial integriert sei, in seinem Recht gemäß § 19 Fremdengesetz (auf Abstandnahme von einer Ausweisung) verletzt.

Der Beschwerdeführer übersieht, daß nach ständiger hg. Rechtsprechung den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Einhaltung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 28. Juni 1995, Zl. 95/21/0623). Selbst bei Annahme eines im Sinne des § 19 leg. cit. relevanten Eingriffes in sein Privat- und Familienleben war daher die Ausweisung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (hier: im Bereich des Fremdenwesens), somit eines im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zieles, dringend geboten und somit gemäß § 19 Fremdengesetz zulässig.

5. Da - wie ausgeführt - dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994180529.X00

Im RIS seit

29.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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