TE Dok 2022/6/22 2022-0.329.344

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Veröffentlicht am 22.06.2022
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Norm

BDG 1979 §43 Abs2 und §44 Abs1 BDG i.V.m der DA „Sprachgebrauch“ i.V.m. §91 BDG

Schlagworte

Misshandlung, keine Doku, Beschimpfung

Text

Die Bundesdisziplinarbehörde hat am 21.06.2022 nach der am 21.06.2022 in Anwesenheit des Beamten, des Verteidigers, des Disziplinaranwaltes und der Schriftführerin durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Beamte ist schuldig,

a)   er hat am 29.08.2021, gegen 19:30 Uhr, in Wien N.N., N.N., auf dem dortigen Vorplatz der Generali-Arena nach einem Fußballspiel dem A.A. im Zuge einer Amtshandlung wegen Verwaltungsübertretungen ohne ersichtlichen Grund einen Schlag mit seiner flachen rechten Hand in dessen linke Gesichtshälfte versetzt,

b)   er har den A.A. im Zuge der obigen Amtshandlung mit den Worten „Schleich dich du Hurenkind“ beschimpft,

er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BDG sowie § 44 Abs. 1 BDG 1979 i.V.m. der Dienstanweisung „Sprachgebrauch der Exekutive“ i.V.m. § 91 BDG 1979 begangen.

Über den Beamten wird gem. § 92 Abs. 1 Zi 3 BDG die Disziplinarstrafe der Geldstrafe im Ausmaß von € 3.000,- (in Worten dreitausend) verhängt.

Hingegen wurde der Beamte von dem Vorwurf,

c)   er hat es unterlassen, nach der oben angeführten Amtshandlung die Anwendung von Körperkraft – nämlich Schlag mit der flachen Hand in das Gesicht des A.A. - in der von ihm verfassten Maßnahmenmeldung vom 29.08.2021 und VStV-Anzeige GZ N.N. vom 30.08.2021 ordnungsgemäß zu dokumentieren,

er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BDG sowie § 44 Abs. 1 BDG 1979 i.V.m. den Dienstanweisungen „Dienstordnung der LPD N.N.“, „Allgemeine Polizeidienstrichtlinie“ sowie § 10 der Richtlinienverordnung betreffend „Dokumentation“ i.V.m. § 91 BDG 1979 begangen,

gemäß § 126 Abs. 2 BDG i.V.m. § 118 Abs. 1 Zi 2 BDG freigesprochen.

Dem Beamten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.

Begründung

Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige der Dienstbehörde vom 31.01.2022 zu N.N. sowie den Erhebungen der LPD N.N.

Sachverhalt:

Am 08.09.2021 langte in der Personalabteilung der LPD N.N. ein Anfallsbericht des Referats Besondere Ermittlungen ein, wonach der Beamte im Verdacht steht, am 29.08.2021 Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben. (Erstmeldung durch die Einsatzabteilung am 03.09.2021)

Aus dem Bericht ist zu entnehmen, dass dem Referat Besondere Ermittlungen am 30.08.2021 ein TikTok Video übermittelt wurde, auf welchem Teile einer polizeilichen Amtshandlung zu sehen sind. In dem Video ist ersichtlich, wie der Beamte Hrn. A.A. im Zuge einer Amtshandlung ohne ersichtlichen Grund mit seiner flachen rechten Hand einen Schlag gegen die linke Gesichtshälfte versetzt. Die beiden RevInsp B.B. und C.C. befanden sich neben dem Beamten.

Die korrespondierende Amtshandlung fand am 29.08.2021 nach Spielende des Bundesliga-Spieles Austria Wien vs. Rapid Wien auf dem Vorplatz von N.N. statt.

Hr. A.A. wurde von dem Beamten wegen Anstandsverletzung und aggressivem Verhalten unter Anwendung von Körperkraft mit Unterstützung von B.B. zu Boden gebracht und gem. § 35 Z 3 VStG festgenommen. Aufgrund von Tritten des am Boden liegenden Hrn. A.A. gegen den Beamten wurde die Verwaltungsfestnahme aufgehoben und die Festnahme gem. StPO ausgesprochen.

Bei der amtsärztlichen Untersuchung des Hrn. A.A. am 29.08.2021 wurden keine Verletzungen festgestellt, er äußerte auch keinen Misshandlungsvorwurf.

Hr. A.A. gab bei seiner Vernehmung an, er habe am Folgetag im Bereich der linken Gesichtshälfte einen leichten Druckschmerz verspürt, welcher 3 bis 4 Tag angehalten habe. Er sei deswegen nicht beim Arzt gewesen.

Nach der angeführten Amtshandlung verfasste der Beamte eine Maßnahmenmeldung GZ N.N. v. 29.08.2021 sowie am 30.08.2021 eine VStV-Anzeige GZ N.N. wegen Anstandsverletzung und aggressivem Verhalten. Der Beamte unterließ hierbei die Dokumentation des Schlages mit der flachen Hand in das Gesicht des Hrn. A.A. Er dokumentierte zusammengefasst, er habe Hrn. A.A. wegen Anstandsverletzung (Beschimpfungen) abgemahnt und aufgefordert, die Örtlichkeit zu verlassen. Hr. A.A. habe sich daraufhin dem Beamten mit einer aggressiven Körperhaltung genähert und Äußerungen wie „Wer bist du, du Oaschloch?“ von sich gegeben.

Der Beamte habe daraufhin Körperkraft abgewandt, indem er Hrn. A.A. mit seiner ausgestreckten rechten Hand im Bereich der linken Schulter zurückgedrängt habe. Er sei wegen seines aggressiven Verhaltens abgemahnt worden, worauf er sich ihm abermals in verspannter Körperhaltung genähert habe. Der Beamte habe erneut Körperkraft in Form von Zurückdrängen an der linken Schulter angewandt und Hrn. A.A. von der Anzeigenerstattung wegen dem aggressiven Verhalten in Kenntnis gesetzt.

Da Hr. A.A. ein weiteres Mal in verspannter Körperhaltung und sich verbal entgleisend auf ihn zu bewegt habe, wurde er schließlich zusammen mit RevInsp B.B. mittels Armstreckhebel zu Boden gebracht und gem. § 35 Z 3 VStG festgenommen.

Opfer-/Zeugenaussage:

Hr. A.A. gab zusammengefasst an, er habe nach dem Spiel mit einem Freund Getränkebecher eingesammelt. Nach einiger Zeit habe er einen Anruf erhalten, da sein Freund Probleme mit der Polizei gehabt habe. Er sei daraufhin zu der Amtshandlung gegangen und habe seinen Freund mit blutigem Gesicht am Boden liegen gesehen. Er habe bei seinem festgenommenen Freund bleiben wollen und sei deshalb den Polizisten hinterher gegangen. Es sei von rechts ein Beamter (der Beamte) gekommen, habe ihn am T-Shirt in Brusthöhe gepackt und von sich weggestoßen. Dazu habe er „Schleich dich du Hurenkind“ gesagt. Dann habe er ihn zwei Mal im Bereich der linken Schulter mit der flachen Hand zurückgestoßen. Der Polizist habe ihm anschließend mit der flachen Hand heftig ins Gesicht geschlagen. Ein anderer Polizist habe ihn dann umgerissen. Da er Angst gehabt habe, einen weiteren Schlag zu erhalten, habe er versucht, den Polizisten mit den Beinen fernzuhalten.

RevInsp C.C. und RevInsp B.B. gaben an, sie standen während der AH links (RevInsp C.C.) und rechts (RevInsp B.B.) von dem Beamten und hätten den Schlag zumindest peripher wahrgenommen. Der Beamte habe ihnen nach der Festnahme mitgeteilt, dass er die Festnahme verschriftlichen und einen Amtsvermerk angelegen wird. Sie seien davon ausgegangen, dass der Beamte die gesamte AH und so auch den von ihm gesetzten Schlag protokollieren werde. Da Hr. A.A. keine Verletzungen oder Schmerzen behauptet habe, habe sich dieser Schlag für die EB als Misshandlung dargestellt. Für sie habe keine – auch keine versuchte – Körperverletzung vorgelegen.

Verantwortung:

Der Beamte gab bezüglich seiner Dokumentation, wonach sich Hr. A.A. nach seinen beiden Handballenstößen jeweils wieder auf ihn zubewegte an, Hr. A.A. habe im Zuge der getätigten Beschimpfungen beim Rückwärtsgehen sein Tempo immer wieder verlangsamt, weshalb es seiner Erinnerung nach auf ihn gewirkt habe, dass er ihm nähergekommen ist. Er habe dies deshalb viele Stunden später in dieser Form protokolliert. Hr. A.A. habe sich bei der bevorstehenden Vollziehung der Festnahme äußert provokant verhalten, habe ihn beschimpft und ihm gedroht, dass er „es ihm zeigen werde“. Er habe ihn ergreifen wollen, um die Festnahme durchzuführen. Hierbei habe er ihm jedoch offenbar reflexartig eine Ohrfeige auf seine linke Gesichtshälfte versetzt. Diese Handlung habe er damals aufgrund der angespannten, dynamischen und für ihn stressigen Situation als solche nicht wahrgenommen und habe diese erst durch das nachträglich gesehene Video als solche erkannt. Das Verhalten sei unüberlegt und nicht korrekt gewesen, er habe keinesfalls den Vorsatz gehabt, Hrn. A.A. zu verletzen.

Strafrechtliche Ermittlungen:

Zum angeführten Vorfall wurden vom Referat Besondere Ermittlungen Erhebungen getätigt, am 15.12.2021 erfolgte die Abschlussberichterstattung an die Staatsanwaltschaft N.N. Das Verfahren gegen den Beamten wegen § 302 StGB wurden von der StA Wien am 11.01.2022 gem. § 190 Z 2 StPO eingestellt. Die Einstellung erfolgte, weil das Vorliegen eines Straftatbestandes nicht mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden kann.

Mündliche Disziplinarverhandlung:

Mit Bescheid vom 16.02.2022 wurde das ordentliche Disziplinarverfahren eingeleitet und die mündliche Verhandlung für den 21.06.2022 anberaumt und durchgeführt.

Der Beamte bekannte sich zu Beginn der Verhandlung zu den Anlastungen teilweise schuldig und führte zu Punkt 1 aus, dass er erst auf dem vorgelegten Video gesehen hätte, dass er sich gemeinsam mit den Kollegen C.C. und B.B. etwa 20m von der Sperrkette wegbewegt hatte und dann dem A.A. gegenüberstand. Dieser wurde bereits zuvor abgemahnt, sein aggressives Verhalten und das Geschimpfe einzustellen, und sich respektvoll gegenüber den Polizisten verhalten soll, er machte aber dennoch weiter. Offenbar habe er dem A.A. dann reflexartig einen Schlag mit der flachen Hand versetzt, den er aufgrund der Dynamik der Situation nicht bewusst wahrgenommen hatte, und deshalb auch nicht in der Maßnahmenmeldung angeführt hat. Der DB führte an, dass er schon 16 Stunden im Dienst war und die Emotionen hochgingen. Er bedauerte sein Verhalten sehr, zumal er seit vielen Jahren exekutiven Außendienst verrichte und auch wusste, dass nicht nur im Stadion, sondern auch außerhalb Videokameras das Geschehen aufzeichneten.

Hinsichtlich der vorgeworfenen Beschimpfungen gab der DB an, dass er bestimmt nicht „Hurenkind“ zu A.A. gesagt hatte. Er räumte aber ein, dass er sich in der Wortwahl seinem Gegenüber „angepasst" hätte.

Um mit solchen Situationen künftig besser umgehen zu können, mache er nunmehr das Seminar Stressmanagement-Coaching, welches er auch selbst finanzieren müsse.

Im Zuge des Beweisverfahrens wurde das betreffende Video neuerlich vorgespielt, zudem wurde darauf hingewiesen, dass das Strafverfahren wegen der vorgeworfenen Misshandlung und Amtsmissbrauch gem. § 190 Z 2 StPO eingestellt wurde.

Der Disziplinaranwalt führte in seinem Plädoyer aus, dass der Sachverhalt aufgrund des teilweisen Geständnisses und des Beweisverfahrens hinreichend geklärt ist. Der Beamte ist hinsichtlich der ersten Punktes geständig und man sieht diese Misshandlung mit aller Deutlichkeit auch auf dem Video. Der Beamte wollte das respektlose Verhalten des A.A. beenden, doch nach vielen Stunden im Dienst waren die Emotionen sehr hoch.

Dem Beamten ist in diesem Zusammenhang unprofessionelles Handeln vorzuhalten, denn die Polizei ist nicht strafende Instanz.

Um ein derartiges Verhalten künftig zu vermeiden, macht er nunmehr ein Stressmanagement Seminar, in dem ihm vermittelt wird, dass ein Schritt nach hinten besser ist, als der Schritt nach vorne.

Ob der DB den A.A. beschimpft hat wird der Senat zu würdigen haben. Der DB sagte aus, dass er sich der Wortwahl des A.A. angepasst und sich somit auf die Stufe des A.A. hinab begeben hat.

Hinsichtlich der fehlenden Dokumentation wird auch dieser Umstand vom Senat zu würdigen sein.

Mildernd war das teilweise reumütige Geständnis, erschwerend hingegen die einschlägige disziplinarrechtliche Vormerkung zu werten.

Antrag: Geldstrafe im unteren Bereich

Der Verteidiger führte in seinem Plädoyer aus, dass dem Beamten unprofessionelles Handeln vorzuwerfen ist. Dies hat er auch erkannt und war reumütig geständig.

Zu seiner Verantwortung führte der Beamte an, dass es ein langer Dienst war, es war stressig und die Polizisten wurden bespuckt und beschimpft – diesbezüglich muss aber gesagt werden, dass Polizisten das aushalten müssen.

Dafür absolviert der DB aber einen Stressmanagement–Coaching-Kurs, den er selbst finanziert und der € 800,- kostet.

Hinsichtlich der Beschimpfung steht Aussage gegen Aussage, der DB bestreitet die Beschimpfung. Diesbezüglich wäre im Zweifel freizusprechen.

Hinsichtlich des nicht protokollierten Schlages wird seitens der Judikatur vorgebracht, dass es ein Selbstbelastungsverbot gibt und der Beamte nicht verpflichtet ist, sein strafbares Verhalten zu dokumentieren. Auch hinsichtlich dieser Anlastung wird ein Freispruch beantragt.

In Anbetracht der zahlreichen Milderungsgründe wie der sehr guten Dienstbeschreibung, der Belobigungen, der allgemein begreiflichen Gemütslage und Unbesonnenheit sowie der Reumütigkeit wird eine Geldbuße beantragt.

Der Beamte bedauerte in seinem Schlusswort nochmals sein unprofessionelles Vorgehen, zumal er wüsste, dass er als Vorgesetzter Vorbildwirkung hätte. Er wäre aber mittlerweile aus der EE ausgetreten.

Der Senat hat dazu erwogen:

Zum Schuldspruch:

Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens zu dem Erkenntnis gelangt, dass der Beamte die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen schuldhaft begangen hat.

Der Vorwurf lautet dahingehend, dass der Beamte den A.A. im Zuge der Festnahme einen Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht versetzte und den A.A. als Hurenkind beschimpfte.

Die Feststellungen ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage, sowie aus den Ausführungen des Beamten, der Zeugen und des Videos.

Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG:

Gemäß § 43 Abs. 2 BDG ist der Beamte verpflichtet, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit, aber auch des Dienstgebers in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Diese Pflicht verletzt der Beamte immer dann, wenn er durch ein inner- oder außerdienstliches Verhalten bei Dritten Bedenken dagegen auslöst, dass er bei der Vollziehung immer rechtmäßig vorgehen werde und damit seine Glaubwürdigkeit einbüßt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach entschieden hat, ist eine Verletzung der Pflicht zur Vertrauenswahrung immer dann anzunehmen, wenn der Beamte ein Rechtsgut verletzt, mit dessen Schutz er im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben betraut ist (z.B.: VwGH 24.2.1995, N.N.; 15.12.1999, N.N.). Wie schon oben ausgeführt, ist der Beamte schuldig, einen anderen körperlich attackiert zu haben, indem er diesem mit der ausgestreckten rechten Hand ins Gesicht geschlagen hat.

Er ist dabei schuldig, das Fehlverhalten im Kernbereich seiner dienstlichen Aufgaben realisiert zu haben, weil die Vollziehung der Strafgesetze grundsätzlich von jedem Polizeibeamten zu besorgen ist. Die Einhaltung der Normen des StGB ist eine der wichtigsten Aufgaben der Polizei, die dafür auch wesentliche Ressourcen aufwendet.

Von besonders geschulten Polizeibeamten, die noch dazu Jahrzehnte lange Erfahrung im exekutiven Außendienst haben, muss erwartet werden können, dass sie in der Lage sind, sich zu beherrschen, was nicht automatisch heißt, dass Sie sich alles gefallen lassen müssen. Der Senat weiß, dass die Gradwanderung der Legalität bei derart emotionsgeladenen Stimmungen, insbesondere nach einem Fußballmatch, eine schwierige ist und Handlungsabläufe oftmals eine Eigendynamik bekommen, die dann beinahe nicht mehr zu bremsen sind. Letztlich darf und kann aber Misshandlung nicht die Antwort auf aggressives provokantes Verhalten des Gegenübers sein. Dies vor allem auch deshalb, weil mittlerweile sofort von umstehenden Personen die Handlungsabläufe mittels Handy gefilmt werden, somit das Einschreiten der Polizei sofort dokumentiert und zeitnah in diversen sozialen Netzwerken verbreitet wird. Dabei bekommt die Öffentlichkeit in der Regel nicht das Gesamtgeschehen, sondern nur Videofrequenzen mit den Übergriffen der Polizei vorgespielt, sodass die handelnden Polizisten in Erklärungsnotstand geraten.

Dienstpflichtverletzung nach § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. der Dienstanweisung „Sprachgebrauch in der Exekutive“

Dienstanweisung „Sprachgebrauch in der Exekutive“ zu GZ: N.N. vom 28.12.2012:

Der Beamte bekennt sich im Sinne einer professionellen Aufgabenerfüllung dazu, dass sich sowohl während der Ausübung des Dienstes als auch außerhalb desselben solcher Umgangsformen und sprachlicher Ausdrucksformen zu bedienen haben, die den Eindruck einer diskriminierenden, erniedrigenden, entwürdigenden oder voreingenommenen Vorgangsweise bzw. einen Rückschluss auf eine solcherart motivierte Grundhaltung erst gar nicht aufkommen lassen. Dies insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass die Sicherheitsexekutive an sich selbst den Anspruch stellt, die größte Menschenrechtsorganisation zu sein.

Gemäß § 44 Abs. 1 BDG hat der Beamte die Weisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen. Das bedeutet, dass er sowohl die vom Bundesministerium für Inneres verlautbarten Erlässe, sowie auch die schriftlichen Befehle der zuständigen Landespolizeidirektion und schriftliche oder mündliche Befehle/Dienstaufträge seiner Vorgesetzten zu befolgen hat. Gerade die Befolgung von Weisungen ist in einer Sicherheitsbehörde Voraussetzung dafür, eine dem gesetzlichen Auftrag entsprechende Erfüllung der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben zu garantieren. Wie auch die Disziplinaroberkommission (bis 13.12.2013) wiederholt entschieden hat, zählen Verletzungen der Dienstpflicht nach § 44 Abs. 1 BDG zu den schwerwiegenden Verfehlungen gegen die grundlegendsten Pflichten im Rahmen eines jeden Beamtendienstverhältnisses und ist die Befolgung von dienstlichen Anordnungen für den ordnungsgemäßen sowie effizienten Ablauf des Dienstes von essentieller Bedeutung (N.N. vom 11.11.2008).

Mit der oben angeführten Dienstanweisung wird nicht nur an professionelles dienstliches Verhalten abgestellt, sondern auch, dass sich die Beamten gegenüber Parteien normalen gesellschaftlichen Umgangsformen bedienen.

Vorliegendenfalls hat A.A., wie auch von diesem in seiner Niederschrift bestätigt, die Polizisten wüstest beschimpft und bespuckt. Dass nach einem Fußballmatch die Stimmung der Fans emotionsgeladen ist, entspricht wohl der allgemeinen Lebenserfahrung. Dass es dabei auch oftmals zu Ausschreitungen der Fans gegenüber Polzisten kommt, entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung. Damit die einschreitenden Beamten in derartigen Situationen auch stressresistent bleiben und eine höhere Hemmschwelle aufweisen als ein Durchschnittsbürger, wird in diversen Schulungen immer wieder trainiert. Dennoch ist auch völlig klar, dass sich ein Exekutivbeamter nicht alles gefallen lassen muss. Im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten kann er sich selbstverständlich wehren.

Dass der Beamte den A.A. nicht beschimpft haben will - in einer emotionsgeladenen Situation, in der er mit der flachen Hand auf ihn einschlägt - jedoch selbst zugibt, sich in seiner Wortwahl dem Niveau des Beamten angepasst zu haben, wird deshalb als reine Schutzbehauptung gewertet und ist nicht glaubwürdig.

Freispruch:

Der Beamte hat grundsätzlich in der Maßnahmenmeldung alle gesetzten Handlungen – mit Ausnahme des Schlages – ordnungsgemäß dokumentiert und seinem Vorgesetzten vorgelegt, der die Meldung auch genehmigte.

Vorliegendenfalls hat der Beamte ausgesagt, dass er den Schlag bewusst nicht wahrgenommen hat und deshalb nicht dokumentierte. Hätte er dies wahrgenommen, hätte er keinen Grund gesehen, dies nicht zu dokumentieren, zumal er aufgrund der Vielzahl an vorhandenen Überwachungskameras ohnehin davon ausgehen konnte, dass das Geschehen bildlich dokumentiert werde.

Dieser Verantwortung wurde seitens des Senates im Zweifel Glauben geschenkt wurde, und konnte die Schuld des Beamten nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden.

Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:

Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Disziplinarbeschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der jüngsten Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Disziplinarbeschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaß eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen, oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff und ihr folgend das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007, N.N.).

Maßstab für die Strafbemessung ist vor allem das Verschulden des Disziplinarbeschuldigten in der konkreten Situation und dieses verlangt aus spezialpräventiven Gründen eine Sanktion. Als Strafrahmen sah der Senat deshalb eine Geldstrafe im unteren Bereich als ausreichend an. Aus generalpräventiven Gründen muss den Kollegen vor Augen geführt werden, dass derartiges Fehlverhalten bedingungslos sanktioniert wird. Aber auch der Beamte muss von weiteren Dienstpflichtverletzungen abgehalten werden, zumal er eine einschlägige disziplinarrechtliche Vormerkung aufweist.

Im konkreten Fall waren jedoch das teilweise reumütige Geständnis, eine Vielzahl an Belobigungen, freiwilliges Stressmanagementcoaching und die sehr gute Dienstbeschreibung als mildernd zu werten.

Erschwerdend wirkten 2 Dienstpflichtverletzungen, eine einschlägige disziplinäre Vormerkung und die Vorbildwirkung als Dienstführender und Vorgesetzter.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2023
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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