Entscheidungsdatum
21.07.2021Text
Im Namen der Republik!
Erkenntnis
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch seinen Senat 1 mit den Mitgliedern Mag. Pathy, Dr. Drexel, BA, und Dr. Köpfle über die Anträge der A GmbH, vertreten durch Dorda Rechtsanwälte GmbH, Wien, auf Feststellung der rechtswidrigen Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne Vergabebekanntmachung gemäß § 4 Abs 3 lit b Vergabenachprüfungsgesetz sowie auf Unwirksamerklärung des geschlossenen Vertrages gemäß § 4 Abs 3 iVm § 14 Abs 1 lit a Vergabenachprüfungsgesetz im Vergabeverfahren „Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung mit einem Bieter gemäß § 37 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 für den Betrieb von COVID-19-Testungen in Vorarlberg ab 4.2.2021“ zu Recht erkannt:
Gemäß den §§ 3, 4 Abs 3 lit b und 4 sowie 13 Abs 1 und 3 des Vergabenachprüfungsgesetzes werden der Antrag auf Feststellung, dass ein Vergabeverfahren rechtswidriger Weise ohne Vergabebekanntmachung durchgeführt wurde, sowie der Antrag auf Unwirksamerklärung des geschlossenen Vertrags abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
Begründung
Verfahrensgang
1.1. In einem am 10.02.2021 eingelangten Schriftsatz stellte die Antragstellerin den Antrag auf Feststellung gemäß § 4 Abs 3 lit b Vergabenachprüfungsgesetz, dass der Auftraggeber den Vertrag betreffend die Erweiterung der COVID-19-Testungen in rechtswidriger Weise ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung bzw im Rahmen einer unzulässigen Direktvergabe vergeben und durchgeführt hat, sowie den Antrag gemäß § 4 Abs 4 iVm § 14 Abs 1 lit a Vergabenachprüfungsgesetz auf Nichtigerklärung bzw Aufhebung des betreffenden Vertrages. Darin brachte sie im Wesentlichen Folgendes vor:
Bei der gegenständlichen Direktvergabe gehe es um kostenlose Corona-Schnelltests sowie PCR-Tests zur Auswertung im Zentrallabor F, die vom Land Vorarlberg, dem Auftraggeber, angeboten und vom R, Landesverband Vorarlberg, durchgeführt würden. Ausweislich der Homepage des Landes Vorarlberg sei das Test-Angebot mit Stand 04.02.2021 massiv aufgestockt worden und könnten nunmehr wöchentlich knapp 50.000 Tests durchgeführt werden. Dies sei wegen der ab 08.02.2021 geltenden Vorgaben für das Vorweisen eines negativen COVID-19-Tests etwa bei Frisörbesuchen oder von Grenzpendlern erfolgt.
Die Antragstellerin betreibe seit Anfang Dezember 2020 in R eine Corona-Teststation mit Antigen- und PCR-Tests, die täglich von 07.00 bis 19.00 Uhr geöffnet sei. Die Antragstellerin habe dem Auftraggeber mehrfach angeboten, ebenso wie das R als Auftragnehmerin für die vom Land kostenlos angebotenen COVID-19-Tests zu fungieren. Sie habe ein konkretes Angebot zu denselben Konditionen wie das R gelegt und sei zu jeder Zeit bereit gewesen, mit dem Auftraggeber zu denselben Konditionen wie das R zusammenzuarbeiten. Der Auftraggeber habe eine Zusammenarbeit mit der Antragstellerin abgelehnt und die Zulässigkeit der Direktvergabe mit der Dringlichkeit wegen der COVID-19-Pandemie begründet. Überdies sei eine öffentliche Ausschreibung der COVID-19-Testungen angekündigt worden.
Da der geschätzte Auftragswert weit über 100.000 Euro liege, sei die vom Auftraggeber vorgenommene Direktvergabe gemäß § 46 Abs 2 Bundesvergabegesetz 2018 unzulässig gewesen. Da es sich um einen Auftrag im Oberschwellenbereich handle, hätte auch kein sonstiges Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt werden dürfen.
Die EU-Kommission habe in den „Leitlinien […] zur Nutzung des Rahmens für die Vergabe öffentlicher Aufträge in der durch die COVID-19-Krise verursachten Notsituation“ ihre Rechtsansicht dargelegt, wie mit dem vergaberechtlichen Rahmen in der COVID-19-Pandemie umzugehen sei. Diese Leitlinien seien im Rahmen der unionsrechtskonformen Auslegung des österreichischen Vergaberechts heranzuziehen. Sie würden klarstellen, dass die Direktvergabe über dem einschlägigen Schwellenwert von Aufträgen nur dann trotz äußerster Dringlichkeit zulässig sei, wenn der vorab ausgewählte Wirtschaftsteilnehmer als Einziger in der Lage sei, die erforderlichen Lieferungen innerhalb der durch die äußerste Dringlichkeit bedingten technischen und zeitlichen Zwänge durchzuführen. Neben der Antragstellerin würden zumindest zwei weitere Anbieter von flächendeckenden COVID-19-Schnelltests existieren, sodass das R nicht der einzige Anbieter sei, der in der Lage sei, die geforderten Leistungen – zeitnah wegen der Dringlichkeit – anzubieten. Am 03.11.2020 habe die Antragstellerin dem Auftraggeber erstmals ihre Leistungsbereitschaft erklärt; spätestens seit diesem Zeitpunkt habe dem Auftraggeber bekannt sein müssen, dass es zumindest einen weiteren Anbieter auf dem Markt gebe. Der Auftraggeber hätte – selbst vor dem Hintergrund der Dringlichkeit – ein Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung mit verkürzten Fristen durchführen können. Selbst wenn man dem Auftraggeber unzutreffenderweise äußerste Dringlichkeit zugestehen würde, hätte dieser ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung mit mehreren Teilnehmern durchführen und die Antragstellerin zur Angebotsabgabe einladen müssen.
Die EU-Kommission unterscheide in den Leitlinien zwischen Dringlichkeit und äußerster Dringlichkeit. Äußerste Dringlichkeit sei gegeben, wenn dringliche zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, die die betreffenden öffentlichen Auftraggeber nicht voraussehen hätten können, es nicht zulassen würden, die Fristen einzuhalten, die für die offenen, die nicht offenen Verfahren oder die Vergabeverfahren mit Verhandlung vorgeschrieben seien. Die Umstände zur Begründung der zwingenden Dringlichkeit dürften auf keinen Fall dem öffentlichen Auftraggeber zuzuschreiben sein. Da in Fällen äußerster Dringlichkeit vom Transparenzgrundsatz des Vertrages abgewichen werde, fordere der EuGH, dass dieses Verfahren weiterhin nur in Ausnahmefällen angewendet werde. Sämtliche Bedingungen müssten erfüllt sein und seien eng auszulegen. Eine direkte Vergabe des Auftrages an einen vorab ausgewählten Wirtschaftsteilnehmer sei ausschließlich dann möglich, wenn nur ein Unternehmen in der Lage wäre, den Auftrag unter den durch die zwingende Dringlichkeit auferlegten technischen und zeitlichen Zwängen zu erfüllen. Genau dies treffe im vorliegenden Fall nicht zu, weil es neben der Antragstellerin noch ein weiteres Unternehmen gebe, das flächenweit COVID-19-Tests anbieten könne. Dass in einem solchen Fall eine Direktvergabe unzulässig sei, habe das Oberlandesgericht Rostock am 09.12.2020 unter Berufung auf die Leitlinien der EU-Kommission bestätigt. Dieses Urteil gehe von einem identen Sachverhalt wie im vorliegenden Fall aus. Auftragsgegenstand seien COVID-19-Tests in Heimen und Pflegeeinrichtungen im Land Mecklenburg-Vorpommern gewesen. Das Land Mecklenburg-Vorpommern habe eine unzulässige Direktvergabe durchgeführt, obwohl sich andere Unternehmen leistungsbereit gezeigt hätten. Das OLG Rostock habe festgestellt, dass eine Direktvergabe immer nur ultima ratio sei. Es habe zudem festgehalten, dass eine Direktvergabe immer nur dann möglich sei, wenn es keine Anbieter gebe. Auch der Auftraggeber habe gewusst, dass die Antragstellerin leistungsbereit und auch leistungsfähig gewesen wäre. Trotzdem habe er das Angebot der Antragstellerin ignoriert und eine unzulässige Direktvergabe durchgeführt, die für unwirksam zu erklären sei.
All das ergebe sich auch aus dem stark an die Leitlinien der EU-Kommission angelehnten Rundschreiben des Bundesministeriums für Justiz zur „Anwendung der vergaberechtlichen Regelungen im Zusammenhang der COVID-Krise“. Nur wenn selbst bei verkürzten Fristen reguläre Vergabeverfahren mit Bekanntmachung unmöglich seien, dürfe ausnahmsweise ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt werden und nur, wenn es nachgewiesenermaßen nur einen einzigen möglichen Anbieter gebe, sei die Direktvergabe rechtlich nicht zu beanstanden.
Ungeachtet dessen liege auch keine äußerste Dringlichkeit vor, sondern sei die gegenständliche Entwicklung voraussehbar gewesen. Mit den vom Bundesheer durchgeführten Massentests sei bereits vor Weihnachten begonnen worden. Um Weihnachten sei die Diskussion betreffend das „Freitesten“ bzw das „Hineintesten“ ausführlich geführt worden. Im Zuge der Erlassung und des Inkrafttretens der 3. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung mit Ablauf des 24.01.2021 sei seitens der Regierung klargemacht worden, dass man den „harten“ Lockdown mit 08.02.2021 beenden wolle. Spätestens seit der Regierungspressekonferenz am 24.01.2021 habe der Auftraggeber damit rechnen müssen, dass es ab dem 08.02.2021 zu einem erhöhten Bedarf an COVID-19-Schnelltests kommen würde. Dass dies noch nicht mit absoluter Sicherheit festgestanden sei, sei irrelevant, weil das Vergaberecht mit der Rahmenvereinbarung ein entsprechendes Instrumentarium für einen unvorhersehbaren und nicht quantifizierbaren Aufwand biete. Die Entwicklung sei daher vorhersehbar gewesen. Eine etwaige Dringlichkeit sei daher ausschließlich dem Auftraggeber zuzuschreiben. Zum Zeitpunkt der Ausweitung des Testangebots von über 50 % in der zweiten Februarwoche 2021 sei dem Auftraggeber seit zumindest zwei Wochen klar gewesen, dass dieses Angebot erforderlich sei.
Es wäre genug Zeit zur Verfügung gestanden, ein Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung durchzuführen. Die EU-Kommission erlaube in den Leitlinien nämlich eine Verkürzung der Mindestfristen beim offenen Verfahren auf 15 Tage bei Dringlichkeit. Im konkreten Fall hätte also sogar ein offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung durchgeführt werden können oder der Auftraggeber hätte ein Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung mit mehreren Teilnehmern einleiten und rechtzeitig abschließen können.
Die gegenständliche Direktvergabe sei keine zulässige Überbrückungsmaßnahme gewesen. Vergabeverfahren ohne Transparenz, aber mit einem Mindestmaß an Wettbewerb (der hier gänzlich gefehlt habe, was allein schon rechtswidrig sei), könnten nach Ansicht der EU-Kommission eine Möglichkeit darstellen, unmittelbaren Bedarf angemessen zu decken. Sie würden zur Überbrückung dienen, bis langfristigere Lösungen gefunden seien, die über reguläre Verfahren (dazu zählten auch beschleunigte Verfahren) vergeben würden.
Die Beauftragung des R sei zur Überbrückung nicht erforderlich gewesen. Als vor Weihnachten für die Massentests ein erhöhter Bedarf bestanden habe, seien diese vom Bund auch nicht vergeben worden; vielmehr hätten die Gesundheitsbehörden gemäß Art 79 Abs 2 Z 2 B-VG und § 2 Abs 1 lit c Wehrgesetz 2001 einen Assistenzeinsatz des österreichischen Bundesheeres angefordert. Dies wäre auch im vorliegenden Fall möglich gewesen.
Die Antragstellerin beantragt, das Landesverwaltungsgericht möge feststellen, dass der Auftraggeber den Vertrag betreffend die Erweiterung der COVID-19-Testungen in rechtswidriger Weise ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung bzw im Rahmen einer unzulässigen Direktvergabe vergeben und durchgeführt hat, und den zwischen dem Auftraggeber und dem R geschlossenen Vertrag für nichtig erklären bzw aufheben.
1.2. Der Auftraggeber hat eine Gegenschrift zum Nachprüfungsantrag erstattet und ist diesem darin entgegengetreten. Er bringt dabei im Wesentlichen vor, dass das R die verfahrensgegenständlichen COVID-19-Testungen in Vorarlberg seit 04.02.2021 aufgrund eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung mit einem Bieter gemäß § 37 Abs 1 Z 4 BVergG erbringe. In Folge der damit verbundenen Dringlichkeit habe der Auftraggeber dieses Vergabeverfahren weitgehend formfrei nach Maßgabe der geltenden vergaberechtlichen Vorschriften durchgeführt.
Diese Verfahrenswahl habe der Auftraggeber insbesondere auf die Mitteilung der Europäischen Kommission vom 01.04.2020, 2020/C 108 I/01, gestützt. Darin habe die Kommission insgesamt fünf Tatbestandsmerkmale formuliert, die für die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Veröffentlichung aufgrund äußerster Dringlichkeit bei der Vergabe von Aufträgen zur Deckung des Bedarfs im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie kumulativ erfüllt sein müssten. Diese Tatbestandsmerkmale seien im vorliegenden Fall jeweils erfüllt, sodass der Auftraggeber berechtigt gewesen sei, das R mit den verfahrensgegenständlichen Leistungen zu beauftragen. Die Kommission führe dazu aus, dass eine Direktvergabe ausschließlich dann möglich sei, wenn nur ein Unternehmen in der Lage sein werde, den Auftrag unter den durch die zwingende Dringlichkeit auferlegten technischen und zeitlichen Zwängen zu erfüllen. Dabei handle es sich ganz offensichtlich um ein Redaktionsversehen, weil dieses Tatbestandsmerkmal jedenfalls nicht der aktuellen Rechtslage entspreche. Dies werde zusätzlich dadurch bestätigt, dass sich die Kommission ausdrücklich auf die Urteile des EuGH in der Rechtssache C-275/08 und C-352/12 beziehe, die beide zur Vorgängerfassung der EU-Vergaberichtlinien ergangen seien. Diese Vorgängerfassung habe restriktivere Anforderungen an ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung aus Dringlichkeitsgründen enthalten. In der aktuellen Rechtslage laute § 122 Abs 3 BVergG dahin, dass beim Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung die Anzahl der aufzufordernden Unternehmer, sofern nicht die Leistung nur von einem bestimmten Unternehmer erbracht werden könne oder äußerst dringliche, zwingende Gründe vorliegen würden, bei Existenz einer hinreichenden Anzahl von geeigneten Unternehmen nicht unter drei liegen dürfe. Nach dieser Regel müssten also grundsätzlich immer zumindest drei Bieter zum Verhandlungsverfahren eingeladen werden. Ausgenommen davon seien aber jene Fälle, in denen äußerst dringliche, zwingende Gründe vorlägen; in diesen Fällen müssten also nicht mehrere Bieter eingeladen werden. Vielmehr dürfe in diesen Fällen das Verhandlungsverfahren auch nur mit einem Bieter durchgeführt werden. Diese Bestimmung sei auch völlig richtlinienkonform, weil der Gesetzgeber dabei seinen legitimen Umsetzungsspielraum in Anspruch genommen habe. In der Richtlinie 2014/24/EU vom 26.02.2014 gebe es nicht den geringsten Hinweis, dass beim Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung aus Dringlichkeitsgründen mehrere Bieter zum Verfahren zuzulassen wären (vgl insbesondere Art 32 Abs 1 lit c der Richtlinie).
Selbst wenn es darauf ankommen sollte, dass nur ein Unternehmen in der Lage wäre, den Auftrag unter den durch die zwingende Dringlichkeit auferlegten technischen und zeitlichen Zwängen zu erfüllen, sei der Auftraggeber im vorliegenden Fall berechtigt gewesen, das Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung gemäß § 37 Abs 1 Z 4 BVergG durchzuführen. Neben der Antragstellerin sei dem Auftraggeber ausschließlich das R bekannt gewesen, das tatsächlich in der Lage gewesen sei, die erforderlichen Leistungen innerhalb kürzester Zeit mit der jeweils geforderten technischen Qualität zu erbringen. Die Antragstellerin sei aufgrund massiver Mängel bei den von ihr bis dato durchgeführten Tests für eine Beauftragung aus technischen Gründen nicht in Betracht gekommen.
Zum Vorbringen der Antragstellerin, die M gGmbH und der E Bundesverband (zwei weitere Unternehmen) hätten diese Leistungen flächendeckend anbieten können, sei festzustellen, dass M für eine Beauftragung der verfahrensgegenständlichen Leistungen aus technischen und zeitlichen Gründen nicht in Betracht gekommen sei. Ganz ähnlich verhalte es sich mit E. Diese Einrichtung sei dem Auftraggeber in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Leistungen völlig unbekannt gewesen.
In Punkt 2.3.1 der Mitteilung der Kommission sei als zweites Tatbestandsmerkmal genannt, dass Ereignisse vorliegen müssten, welche die betreffenden öffentlichen Auftraggeber nicht vorhersehen hätten können. Im vorliegenden Fall hätten sich die Erfordernisse für eine deutliche Ausweitung der Testkapazitäten innerhalb weniger Tage ergeben. Dies sei durch die verordneten Vorgaben des Gesundheitsministers eindeutig dokumentiert.
Drittes Tatbestandsmerkmal sei, dass eine zwingende Dringlichkeit vorliegen müsse, die eine Einhaltung der allgemeinen Fristen nicht zulasse. Auch dieses Tatbestandsmerkmal sei vorliegend erfüllt. Die verfahrensgegenständlichen Leistungen, die ab 04.02.2021 benötigt worden seien, hätten innerhalb deutlich kürzerer Fristen beauftragt und begonnen werden müssen, als es die Durchführung eines allgemeinen Vergabeverfahrens zulasse. Damit stehe fest, dass jedenfalls eine Dringlichkeit gegeben gewesen sei.
Außerdem müsse nach der Mitteilung der Kommission ein Kausalzusammenhang zwischen dem nicht voraussehbaren Ereignis und der zwingenden Dringlichkeit bestehen. Dieser Kausalzusammenhang sei vorliegend erfüllt. Ohne die COVID-19-Pandemie hätte der Auftraggeber die verfahrensgegenständlichen Leistungen nicht benötigt. Darüber hinaus ergebe sich die Dringlichkeit insbesondere auch aus den kurzen Fristen zwischen Kundmachung und Inkrafttreten der beiden Verordnungen, die zu einem erhöhten Testbedarf geführt hätten. Bei der Einreiseverordnung seien dem Auftraggeber zwischen Kundmachung und Inkrafttreten nur drei Arbeitstage Zeit geblieben, um die erforderlichen Maßnahmen zu organisieren und zu setzen. Bei der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung seien dem Auftraggeber überhaupt keine Arbeitstage für die Organisation und Umsetzung verblieben; die Verordnung sei am Freitag, den 05.02.2021, kundgemacht worden und am Montag, den 08.02.2021, in Kraft getreten.
Als fünftes Tatbestandsmerkmal führe die Kommission aus, dass die erforderlichen Maßnahmen lediglich zur Überbrückung zulässig seien, bis langfristige Lösungen verfügbar seien. Auch dieses Tatbestandsmerkmal sei vorliegend erfüllt. Der Auftraggeber habe innerhalb von sechs Tagen ab Vorliegen der gesetzlichen Grundlagen ein europaweites Vergabeverfahren mit umfassenden Ausschreibungsunterlagen eingeleitet. Die von der Europäischen Kommission formulierten Tatbestandsmerkmale des § 37 Abs 1 Z 4 BVergG seien daher erfüllt.
Zum Vorbringen der Antragstellerin, die verfahrensrelevante Entwicklung der erforderlichen Tests wäre für den Auftraggeber vorhersehbar gewesen, sei auszuführen, dass alles andere als klar gewesen sei, wie sich der Bedarf an Tests entwickeln werde. Einer öffentlichen Körperschaft stehe es nicht zu, umfassende organisatorische und beschaffungstechnische Maßnahmen allein aufgrund von Ankündigungen in einer Pressekonferenz zu ergreifen. Dem Auftraggeber habe erstmals am 04.02.2021 mit der kundgemachten Einreiseverordnung eine verlässliche Entscheidungsgrundlage vorgelegen, die eine Erweiterung der Testkapazitäten erfordert habe. Da diese Verordnung nur drei Arbeitstage später und im Übrigen die 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung bereits am 08.02.2021 in Kraft getreten sei, könne überhaupt keine Rede von einer vorhersehbaren Entwicklung sein.
Zum Vorbringen der Antragstellerin, der Auftraggeber hätte einen Assistenzeinsatz des österreichischen Bundesheeres anfordern können, werde ausgeführt, dass ein solcher Assistenzeinsatz im vorliegenden Fall nicht in Frage gekommen sei. Ein solcher hätte nur als ultima ratio angefordert werden können. Dies wäre dann der Fall gewesen, wenn die Versorgung nicht auf andere Art und Weise sichergestellt werden hätte können. Da aber im relevanten Zeitraum die Versorgung durch das R möglich gewesen sei, wäre ein solcher Assistenzeinsatz nicht möglich gewesen.
Der Auftraggeber beantragt die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Feststellungsantrages samt allen Anträgen; in eventu werde der Antrag gemäß § 14 Abs 3 Vergabenachprüfungsgesetz gestellt, dass der Vertrag nicht rückwirkend für unwirksam erklärt wird. Außerdem beantragt der Auftraggeber, keine Geldbuße gemäß § 16 Vergabenachprüfungsgesetz zu verhängen.
Sachverhalt
2. Das Landesverwaltungsgericht hat in gegenständlicher Angelegenheit eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Folgender, im Wesentlichen unbestrittener Sachverhalt steht fest:
Im Jänner 2020 ist ein neuartiges Coronavirus (SARS-CoV-2) in Österreich aufgetreten. Seitdem ist die Bekämpfung der durch dieses Virus ausgelösten Pandemie die vordringlichste Aufgabe der Gesundheitsbehörden.
Aufgrund der steigenden Fallzahlen im Herbst 2020 wurden zur Pandemiebekämpfung zunehmend Antigen-Testungen auf SARS-CoV-2 durchgeführt.
Vom 04.12.2020 bis zum 06.12.2020 fanden in Vorarlberg sogenannte „Massentests“ in Form von Antigen-Testungen auf SARS-CoV-2 statt, zu denen – auf freiwilliger Basis – die gesamte Bevölkerung aufgerufen wurde. Diese Testungen sollten nach den Plänen der Bundesregierung Mitte Jänner 2021 wiederholt werden.
Aufgrund der voraussichtlichen Verlängerung des am 26.12.2020 verhängten „Dritten Lockdowns“ zumindest bis zum 24.01.2021 entschied der Auftraggeber zwischen 01.01.2021 und 05.01.2021, anstelle eines zweiten „Massentests“ ab 18.01.2021 ein permanentes kostenloses Angebot von Antigen-Tests auf SARS-CoV-2 einzurichten. Mit Presseaussendung der Vorarlberger Landeskorrespondenz vom 05.01.2021 wurde dazu Folgendes mitgeteilt:
„Wallner: ‚Ab 18. Jänner permanente Gratis-Tests an sieben Standorten‘
Vorarlberg schlägt bei Teststrategie eigenständigen Weg ein – Landeshauptmann: ‚Statt großem Testwochenende permanente kostenlose Corona-Testangebote‘
Bregenz (VLK) – Nach dem Aus für ein vorzeitiges Freitesten aus dem Lockdown schlägt Vorarlberg bei der Teststrategie einen stärker eigenständigen Weg ein, kündigt Landeshauptmann Markus Wallner an. Vom zweiten Corona-Testwochenende am 15., 16. und 17. Jänner 2021 werde abgerückt. ‚Stattdessen sollen ab 18. Jänner an sieben Standorten im Land permanente Gratis-Testungen angeboten werden‘, teilen Landeshauptmann Markus Wallner und Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher mit. Für eine gute Erreichbarkeit sind Teststationen in den Städten Bregenz, Dornbirn, Feldkirch und Bludenz sowie im Montafon, im Bregenzerwald und im Kleinwalsertal vorgesehen, verdeutlicht Sicherheitslandesrat Christian Gantner. In weiterer Folge können die eingerichteten Testzentren auch zu Impfzentren ausgebaut werden.
Die Vorgänge auf Bundesebene hätten diese organisatorische Umstellung erforderlich gemacht, erläutert Landeshauptmann Wallner: ‚Bei der Strategie können wir uns damit noch besser den Notwendigkeiten und Gegebenheiten in Vorarlberg anpassen‘. Die gegenwärtige Situation ohne die Möglichkeit eines vorzeitigen Freitestens aus dem Lockdown habe klar gegen die Durchführung eines zweiten großen Corona-Testwochenendes gesprochen, sind sich Wallner und Rüscher einig.
Permanente Gratis-Tests ab 18. Jänner
Stattdessen werden an sieben Standorten im Land permanente Probeabnahmestellen eingerichtet, die ab Montag, 18. Jänner 2021, von der Bevölkerung kostenlos genutzt werden können. Anlaufen wird die Aktion unbefristet bis auf Weiteres. Um eine gute Erreichbarkeit mit einer entsprechenden Verkehrsanbindung möglichst in Wohnortnähe sicherzustellen, sind Teststationen in den Städten Bregenz, Dornbirn, Feldkirch und Bludenz sowie im Montafon, im Bregenzerwald und im Kleinwalsertal vorgesehen, erklärt Landesrat Gantner.
Voranmeldung erforderlich
Notwendig für die Inanspruchnahme des Gratis-Testangebots ist lediglich eine Voranmeldung. ‚Es ist ein Umstieg von Flächentestungen in ein Modell eines durchgehenden Testangebots in allen Regionen‘, führt Landesrätin Rüscher aus. ‚Die jetzt eingerichteten Testzentren sollen in weiterer Folge auch zu Impfzentren ausgebaut werden können‘, ergänzt Landeshauptmann Wallner.
‚Umfassende Vorbereitungen‘
‚Die umfassenden Vorbereitungen sind bereits angelaufen. Die Bevölkerung wird rechtzeitig mit allen wichtigen Informationen versorgt‘, kündigt Wallner an.“
Zwischen dem Auftraggeber und dem R, Landesverband Vorarlberg, wurde eine mündliche Vereinbarung getroffen, aufgrund der das R ab dem 18.01.2021 die Teststraßen des Auftraggebers betrieb. Bei der Einrichtung dieses Testangebots hat der Auftraggeber mit einem wöchentlichen Bedarf von 22.000 Tests kalkuliert.
Bis dahin, also vom 01.01.2021 bis zum 18.01.2021, wurden keine Antigen-Tests auf SARS-CoV-2 über Auftrag des Auftraggebers durchgeführt. Danach wurden in der letzten Woche im Jänner (vom 25.01.2021 bis zum 31.01.2021) 18.000 Antigen-Tests und in der darauffolgenden Woche (vom 01.02.2021 bis zum 07.02.2021) 24.000 Antigen-Tests durchgeführt.
Die 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II Nr 58/2021, wurde am 05.02.2021 kundgemacht und trat am 08.02.2021 in Kraft. Sie sieht ua vor, dass Kunden in Betriebsstätten zur Inanspruchnahme von körpernahen Dienstleistungen nur eingelassen werden dürfen, wenn sie einen Nachweis über ein negatives Ergebnis eines Antigen-Tests auf SARS-CoV-2 oder eines molekularbiologischen Tests auf SARS-CoV-2 vorweisen, deren Abnahme nicht mehr als 48 Stunden zurückliegen darf.
Die COVID-19-Einreiseverordnung, BGBl II Nr 445/2020, wurde mit der Novelle BGBl II Nr 52/2021 ua dahin abgeändert, dass eine Testpflicht für die Einreise von Berufspendlern eingeführt wurde. Diese Novelle wurde am 03.02.2021 kundgemacht und trat am 10.02.2021 in Kraft.
Aufgrund dieser beiden Verordnungen ging der Auftraggeber Anfang Februar 2021 von der Notwendigkeit eines Ausbaus der Testkapazitäten um mehr als 100 Prozent aus; der wöchentliche Bedarf an Testmöglichkeiten wurde aufgrund der Anzahl der Berufspendler und der seitens der Vorarlberger Bevölkerung zu erwartenden Nachfrage nach Tests zwecks Inanspruchnahme körpernaher Dienstleistungen, insbesondere Frisörbesuche, auf 55.000 Tests geschätzt.
Am 02.02.2021 hat der Auftraggeber mit einem Vertreter des R die Testkapazitäten besprochen und die technischen und personellen Aufgaben verteilt, um die kurzfristige Versorgung sicherzustellen und die jeweils erforderlichen Veranlassungen zu treffen. Dabei wurde vereinbart, dass das R Antigen-Tests auf SARS-CoV-2 an sieben näher genannten Teststandorten durchführen soll, bis eine parallel vorzubereitende Ausschreibung abgeschlossen ist. Der Auftraggeber ging zum damaligen Zeitpunkt davon aus, dass dies voraussichtlich bis Anfang März 2021 der Fall sein würde.
Der Auftraggeber war der Meinung, dass das R ausreichend Ressourcen und Knowhow hat, um eine geordnete Versorgung sicherzustellen, sowie dass alternative Anbieter für diese vorübergehende Tätigkeit in Anbetracht der Kurzfristigkeit sowie auch aufgrund der bisherigen negativen Erfahrungen nicht in Betracht kommen. Er nahm außerdem an, dass äußerst dringliche und zwingende Gründe vorliegen, die nicht seinem Verhalten zuzuschreiben sind und die in dieser Art auch nach einem längeren Verlauf der Pandemiebekämpfung so nicht vorhersehbar waren.
In der Woche vom 08.02.2021 bis zum 15.02.2021 wurden 50.615 Tests durchgeführt.
Am 11.02.2021 wurde seitens des Auftraggebers ein Vergabeverfahren „Rahmenvereinbarung mit einer Partei betreffend den Betrieb von Teststraßen in Vorarlberg“ eingeleitet. Mit Eingabe vom 22.02.2021 richtete die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag an das Landesverwaltungsgericht, mit dem sie näher bezeichnete Teile der Ausschreibungsunterlagen bekämpfte. Mit Erkenntnis vom 20.04.2021 hat das Landesverwaltungsgericht dem Antrag Folge gegeben und die Ausschreibung für nichtig erklärt. Am 21.05.2021 hat der Auftraggeber den betreffenden Dienstleistungsauftrag erneut ausgeschrieben.
Beweiswürdigung
3. Dieser Sachverhalt wird aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere aufgrund des Vergabeaktes und der Beweisergebnisse der mündlichen Verhandlung, als erwiesen angenommen und ist im Wesentlichen unstrittig.
Die Feststellungen zur Durchführung der Massentests von 04.12.2020 bis 06.12.2020 sowie zur Entscheidung des Auftraggebers, anstelle einer Wiederholung dieser Massentests ab 18.01.2021 ein dauerhaftes Testangebot einzurichten, ergeben sich aus den Aussagen des Auftraggebers in der mündlichen Verhandlung, ebenso die Feststellungen zur Beauftragung des R mit der Durchführung der Teststraßen ab dem 18.01.2021 sowie die Feststellungen zu den über Auftrag des Auftraggebers durchgeführten Antigen-Tests zwischen 01.01.2021 und 15.02.2021. Die Feststellungen zur Kalkulation des Bedarfs an Testkapazitäten ergeben sich aus den Angaben des Auftraggebers in seinen Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung.
Dass der Auftraggeber Anfang Februar 2021 das R mit der Erweiterung des Testangebots ab dem 04.02.2021 beauftragt hat, ist unstrittig und ergibt sich, ebenso wie die vom Auftraggeber dabei angestellten Erwägungen, aus dem Vorbringen des Auftraggebers und dem Vergabevermerk des Auftraggebers vom 04.02.2021.
Rechtliche Grundlagen
4.1. Das Gesetz über die Nachprüfung der Vergabe von Aufträgen (Vergabenachprüfungsgesetz), LGBl Nr 1/2003, idF LGBl Nr 33/2019, lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 1
Geltungsbereich und Zuständigkeiten
(1) Entscheidungen eines Auftraggebers in einem Vergabeverfahren nach dem Bundesvergabe-gesetz 2018, dem Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018 oder dem Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012, das gemäß Art. 14b Abs. 2 B-VG in den Vollziehungsbereich des Landes fällt, unterliegen der Nachprüfung durch das Landesverwaltungsgericht.
(2) In Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch Senat.
[…]
§ 3
Antragslegitimation
Ein Unternehmer kann nur dann die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragen, wenn er
a) ein Interesse an einem dem Bundesvergabegesetz 2018, dem Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018 oder dem Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 unterliegenden Vertrag hat oder hatte, und
b) durch die behauptete Rechtswidrigkeit einen Schaden erleidet oder zu erleiden droht.
§ 4
Arten der Nachprüfungsverfahren
[…]
(3) Ein Unternehmer kann die Feststellung beantragen, dass
[…]
b) das Vergabeverfahren rechtswidriger Weise ohne Vergabebekanntmachung oder ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb durchgeführt wurde; […]
(4) Ein Unternehmer kann in einem Feststellungsantrag nach Abs. 3 lit. b bis e auch den Antrag stellen, den Vertrag oder Widerruf für unwirksam zu erklären.
[…]
§ 13
Entscheidung nach dem Zuschlag
(1) Nach dem Zuschlag ist das Landesverwaltungsgericht zuständig zur Feststellung, ob der Zuschlag rechtswidrig war.
(2) In Verfahren gemäß Abs. 1 kann das Landesverwaltungsgericht auf Antrag des Auftraggebers oder des Zuschlagsempfängers feststellen, dass der Antragsteller auch bei rechtmäßigem Verhalten keine echte Chance auf den Zuschlag gehabt hätte.
(3) Weiters ist das Landesverwaltungsgericht zuständig zur Erklärung der rückwirkenden Unwirksamkeit des Vertrages (§ 14), zur Aufhebung des Vertrages (§ 15) sowie zur Verhängung von Geldbußen (§ 16).
§ 14
Unwirksamerklärung des Vertrages
(1) Der Vertrag muss rückwirkend (von Anfang an) für unwirksam erklärt werden, wenn das Landesverwaltungsgericht feststellt, dass
a) der Auftrag rechtswidriger Weise ohne vorherige Vergabebekanntmachung oder ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb vergeben wurde; […]
(2) Abweichend von Abs. 1 darf der Vertrag nicht rückwirkend für unwirksam erklärt werden, wenn das Landesverwaltungsgericht
a) gemäß § 13 Abs. 2 feststellt, dass der Antragsteller auch bei rechtmäßigem Verhalten keine echte Chance auf den Zuschlag gehabt hätte;
b) über Antrag des Auftraggebers feststellt, dass zwingende Gründe des Allgemeininteresses das Fortbestehen des Vertrages rechtfertigen; wirtschaftliche Interessen kommen als zwingende Gründe nur in Betracht, wenn sie in keinem Zusammenhang mit dem Vertrag stehen und dazu führen, dass eine Unwirksamkeit des Vertrages unverhältnismäßige Folgen hätte; oder
c) den Vertrag gemäß § 15 Abs. 1 oder 2 aufhebt.
[…]“
4.2. Folgende Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2018, BGBl I Nr 65/2018, idF BGBl I Nr 100/2018, sind für das gegenständliche Verfahren maßgeblich:
„Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung bei Dienstleistungsaufträgen
§ 37. (1) Dienstleistungsaufträge können im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden, wenn
[…]
4. äußerst dringliche, zwingende Gründe, die nicht dem Verhalten des öffentlichen Auftraggebers zuzuschreiben sind, im Zusammenhang mit Ereignissen, die der öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die im offenen Verfahren, im nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung oder in einem gemäß § 34 durchzuführenden Verhandlungsverfahren vorgeschriebenen Fristen einzuhalten, […]
Teilnehmer im nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung und im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung
§ 122. (1) Beim nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung und beim Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung hat die Aufforderung zur Angebotsabgabe nur an geeignete Unternehmer zu erfolgen.
(2) Die Auswahl der aufzufordernden Unternehmer hat in nicht diskriminierender Weise stattzufinden. Der öffentliche Auftraggeber hat die aufzufordernden Unternehmer so häufig wie möglich zu wechseln. Nach Möglichkeit sind insbesondere kleine und mittlere Unternehmer am Vergabeverfahren zu beteiligen.
(3) Die Anzahl der aufzufordernden Unternehmer ist entsprechend der Leistung festzulegen und darf beim nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung nicht unter drei liegen. Beim Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung darf die Anzahl der aufzufordernden Unternehmer, sofern nicht die Leistung nur von einem bestimmten Unternehmer erbracht werden kann oder äußerst dringliche, zwingende Gründe vorliegen, bei Existenz einer hinreichenden Anzahl von geeigneten Unternehmern nicht unter drei liegen. Die festgelegte Anzahl muss einen echten Wettbewerb gewährleisten und hat den besonderen Erfordernissen der zur Ausführung gelangenden Leistung Rechnung zu tragen. Beim Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung im Unterschwellenbereich darf die Anzahl der aufzufordernden Unternehmer auch aus anderen sachlichen Gründen unter drei liegen; die Gründe für diese Unterschreitung sind vom öffentlichen Auftraggeber festzuhalten.“
Zuständigkeit und Zulässigkeit
5.1. Das Land Vorarlberg ist ein öffentlicher Auftraggeber iSd § 4 Abs 1 Z 1 BVergG 2018.
Das Vergabeverfahren, das dem gegenständlichen Vergabenachprüfungsverfahren zugrunde liegt, fällt gemäß Art 14b Abs 2 B-VG in den Vollziehungsbereich des Landes.
Der gegenständliche Auftrag ist ein Dienstleistungsauftrag, der in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung mit einem Bieter gemäß § 37 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 vergeben wurde. Im Hinblick auf die Vertragsdauer und die tatsächlich aufgelaufenen Kosten ist davon auszugehen, dass der geschätzte Auftragswert im Oberschwellenbereich liegt.
Das Landesverwaltungsgericht ist daher für die Behandlung des gegenständlichen Feststellungsantrages sachlich und örtlich zuständig.
5.2. Gemäß § 3 Vergabenachprüfungsgesetz kann ein Unternehmer nur dann die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragen, wenn er
a) ein Interesse an einem dem Bundesvergabegesetz 2018, dem Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018 oder dem Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 unterliegenden Vertrag hat oder hatte
b) durch die behauptete Rechtswidrigkeit einen Schaden erleidet oder zu erleiden droht.
Die Antragstellerin betreibt bereits eine Teststraße in Vorarlberg und hat vorgebracht, dass sie gegenüber dem Auftraggeber am 04.02.2021 ein Angebot zur Erbringung der verfahrensgegenständlichen Leistungen gelegt habe. Damit hat sie glaubhaft gemacht, dass sie ein Interesse am Erhalt des gegenständlichen Auftrages hatte. Ihren drohenden Schaden hat die Antragstellerin mit einem Betrag von 50.000 bis 100.000 € täglich beziffert. Ungeachtet der tatsächlichen Höhe des Schadens hat die Antragstellerin mit diesem Vorbringen glaubhaft gemacht, dass sie durch die behauptete Rechtswidrigkeit einen Schaden zu erleiden droht. Sie ist daher antragslegitimiert. Da auch sonst keine Unzulässigkeitsgründe vorliegen, ist der Feststellungsantrag zulässig.
Rechtliche Beurteilung
6. Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Antrag die Feststellung, dass die in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung mit einem Bieter an das R vergebene Erweiterung der Kapazitäten zur Durchführung von Antigen-Tests auf SARS-CoV-2 ab dem 04.02.2021 rechtswidrig ist.
§ 37 Abs 1 BVergG 2018 normiert die Voraussetzungen, unter denen ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt werden kann. Der Auftraggeber stützt sich vorliegend auf den Ausnahmetatbestand der Z 4 leg cit. Ausweislich dieser Bestimmung ist die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung zulässig, wenn
- äußerst dringliche, zwingende Gründe vorliegen,
- die nicht dem Verhalten des öffentlichen Auftraggebers zuzuschreiben sind,
- die im Zusammenhang mit Ereignissen stehen, die der öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte,
- und die es nicht zulassen, die im offenen Verfahren, im nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung oder in einem gemäß § 34 durchzuführenden Verhandlungsverfahren vorgeschriebenen Fristen einzuhalten.
Es muss daher ein für den Auftraggeber nicht vorhersehbares Ereignis vorliegen, das zu einem äußerst dringlichen, zwingenden Beschaffungsbedarf führt, der nicht durch das Verhalten des Auftraggebers hervorgerufen wurde und es nicht zulässt, rechtzeitig ein allenfalls beschleunigtes Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zur Deckung dieses Bedarfs durchzuführen.
Zum Vorliegen der Voraussetzungen für eine Anwendung des § 37 Abs 1 Z 4 BVergG 2018
6.1. Die Vergabe des gegenständlichen Dienstleistungsauftrages erfolgte am 02.02.2021. Es ist daher zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Durchführung eines Verfahrens gemäß § 37 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 zu diesem Zeitpunkt vorlagen.
Das unvorhersehbare Ereignis, auf das sich der Auftraggeber zur Begründung der Inanspruchnahme des § 37 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 beruft, sind Maßnahmen des Bundes zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie. Ab dem 08.02.2021 war ein Nachweis über ein negatives Ergebnis eines Antigen-Tests oder eines molekularbiologischen Tests auf SARS-CoV-2 Voraussetzung für die Inanspruchnahme körpernaher Dienstleistungen; ab dem 10.02.2021 war ein solches Testergebnis Voraussetzung für die Einreise von Grenzpendlern in das Bundesgebiet. Folglich hätten ohne das rechtzeitige Vorhandensein entsprechender Testkapazitäten Grenzpendler ihrer Beschäftigung nicht mehr nachgehen können und körpernahe Dienstleister hätten ihre Dienstleistungen nicht erbringen können. Beide Maßnahmen wurden nur wenige Tage vor ihrem Inkrafttreten kundgemacht.
Diese Maßnahmen führten zu einem äußerst dringlichen, zwingenden Bedarf nach einer Erweiterung der bestehenden Testkapazitäten. Wie aus der im Sachverhalt festgestellten Anzahl an durchgeführten Testungen im Zeitraum vom 18.01.2021 bis 15.02.2021 hervorgeht, erhöhte sich die Nachfrage nach entsprechenden Testkapazitäten ab dem 08.02.2021 um mehr als 100 Prozent. Auch konnte der Auftraggeber angesichts dieser Maßnahmen die Beschaffung der für die Erweiterung der entsprechenden Testkapazitäten notwendigen Dienstleistungen nicht auf einen Zeitpunkt verschieben, zu dem ein Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung zur Vergabe der betreffenden Dienstleistungen abgeschlossen gewesen wäre.
Dieser äußerst dringliche, zwingende Bedarf nach einer Erweiterung der Testkapazitäten war auch nicht dem Verhalten des Auftraggebers zuzuschreiben, sondern hat sich aus den Maßnahmen des Bundes zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie ergeben, auf die der Auftraggeber keinen Einfluss hatte. Diese Maßnahmen des Bundes erfolgten kurzfristig in Reaktion auf die zum damaligen Zeitpunkt sehr dynamische Pandemieentwicklung.
Der Auftraggeber konnte die Notwendigkeit zur Erweiterung der bestehenden Testkapazitäten bei der von ihm zu erwartenden Voraussicht auch nicht so zeitgerecht vorhersehen, dass er die in einem (beschleunigten) Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung vorgeschriebenen Fristen einhalten hätte können.
Die Antragstellerin hat vorgebracht, dass die Entscheidung für die Einrichtung der permanenten Teststraßen schon am 05.01.2021 gefallen sei und dass man schon zu diesem Zeitpunkt eine Rahmenvereinbarung ausschreiben hätte können.
Richtig ist, dass der Auftraggeber bereits Anfang Jänner 2021 gewusst hat, dass künftig Antigen-Tests benötigt werden, und dass er bereits im Jänner ein entsprechendes Vergabeverfahren zur Beschaffung dieser Tests einleiten hätte können. Allerdings folgt daraus nicht, dass die dringlichen Gründe, die Anfang Februar 2021 vorlagen, dem Verhalten des Auftraggebers zuzuschreiben waren.
Selbst wenn bereits Anfang Jänner 2021 ein Vergabeverfahren vorbereitet worden wäre, hätte dies nicht dazu geführt, dass damit der am 08.02.2021 bestehende Bedarf rechtzeitig gedeckt werden hätte können. Anfang Jänner 2021 kalkulierte der Auftraggeber mit einem wöchentlichen Bedarf von 22.000 Tests. Für diesen Bedarf hätte er eine Ausschreibungsunterlage vorbereiten können. Im Falle eines (beschleunigten) offenen Vergabeverfahrens hätte die benötigte Leistung in der Ausschreibungsunterlage hinreichend genau beschrieben werden müssen, da spätere Verhandlungen über den Ausschreibungsgegenstand im offenen Verfahren nicht zulässig gewesen wären. Dies hätte zunächst einige Tage in Anspruch genommen; im Anschluss hätte die Angebotsfrist zumindest 15 Tage betragen (vgl § 74 Z 1 BVergG 2018). Nach Prüfung der Angebote hätten die Zuschlagsentscheidung mitgeteilt und die zehntägige Stillhaltefrist abgewartet werden müssen (vgl §§ 143 und 144 BVergG 2018). Es wäre daher praktisch nicht möglich gewesen, dieses Verfahren bis zum 08.02.2021 abzuwickeln.
Dieselben Überlegungen gelten auch für den Fall, dass der Auftraggeber ein (beschleunigtes) Verhandlungsverfahren (oder nicht offenes Verfahren) mit vorheriger Bekanntmachung durchgeführt hätte. In diesem Fall hätte eine Teilnahmefrist von mindestens 15 Tagen und eine Angebotsfrist von mindestens 10 Tagen eingehalten werden müssen (vgl § 74 Z 2 und 3 BVergG 2018). Auch hätte die zehntägige Stillhaltefrist abgewartet werden müssen. Selbst wenn an die Ausarbeitung der Ausschreibungsunterlage kein so strenger Maßstab wie im offenen Verfahren angelegt würde, weil Verhandlungen über den Leistungsgegenstand im Verhandlungsverfahren zulässig gewesen wären, wäre es ebenfalls nicht möglich gewesen, diese Verfahren rechtzeitig abzuwickeln.
Auch nach den Ausführungen der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung war für den Auftraggeber Anfang Jänner 2021 noch nicht abschätzbar, dass es aufgrund von Maßnahmen des Bundes mit 08.02.2021 zu einer Steigerung des Testbedarfs um mehr als 100 Prozent kommen würde. Daher hätte der Auftraggeber Anfang Jänner 2021 keinen Grund gehabt, so viele Tests auszuschreiben und zu beschaffen, wie ab dem 08.02.2021 tatsächlich benötigt wurden. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass Vergabeverfahren nur dann durchzuführen sind, wenn die Absicht besteht, die Leistung auch tatsächlich zu vergeben (vgl § 20 Abs 4 BVergG 2018), und dass der Auftraggeber auch bei der Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung einen quantitativen und qualitativen Rahmen für die Leistungserbringung festlegen hätte müssen. Daher müssen die wesentlichen Parameter der zu erbringenden Leistung, insbesondere auch zumindest grobe Mengenangaben, bereits zum Ausschreibungszeitpunkt bekannt sein (vgl dazu jüngst EuGH 17.06.2021, C-23/20, Simonsen & Weel).
Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, mit der Ankündigung der Bundesregierung am 24.01.2021, den harten Lockdown am 08.02.2021 beenden zu wollen, sei für den Auftraggeber die Steigerung des Testbedarfs vorhersehbar gewesen. Selbst wenn jedoch der Auftraggeber bereits zu diesem Zeitpunkt von den beabsichtigten Regelungen Kenntnis gehabt und darauf basierend eine Rahmenvereinbarung mit diesen Bedarfsmengen ausgeschrieben hätte, wäre es in Anbetracht der Dauer eines (beschleunigten) Vergabeverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung nicht möglich gewesen, die benötigten Tests in einem (beschleunigten) Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung rechtzeitig zu beschaffen.
Zusammenfassend ergibt sich daher, dass der Auftraggeber Anfang Februar 2021 in der Situation war, die bestehenden Testkapazitäten dringend erweitern zu müssen, und dass er sich auch dann in dieser Situation befunden hätte, wenn er bereits Anfang Jänner 2021 den ihm damals bekannten Bedarf und ab dem 24.01.2021 die Erweiterung dieses Bedarfs ausgeschrieben hätte. Es kann folglich nicht festgestellt werden, dass der Auftraggeber die betreffende Dienstleistung so rechtzeitig ausschreiben hätte können, dass am 08.02.2021 die Erbringung dieser Dienstleistung gesichert gewesen wäre. Denn zu dem Zeitpunkt, als der Auftraggeber ein (beschleunigtes) Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung rechtzeitig durchführen hätte können, hat er noch nicht gewusst, dass er die betreffende Leistung benötigen wird; zu dem Zeitpunkt, als er gewusst hat, dass die Leistung benötigt wird, blieb ihm hingegen nicht mehr genügend Zeit für die Durchführung eines (beschleunigten) Verfahrens mit vorheriger Bekanntmachung.
Am 02.02.2021 bestand daher ein äußerst dringlicher, zwingender Bedarf nach einer Erweiterung der Testkapazitäten zur Durchführung von SARS-CoV-2-Antigentests, der durch Ereignisse begründet wurde, die nicht dem Verhalten des Auftraggebers zuzuschreiben waren und die für diesen auch nicht so zeitgerecht vorhersehbar waren, dass er die rechtzeitige Leistungserbringung mittels Durchführung eines (beschleunigten) Verfahrens mit vorheriger Bekanntmachung sicherstellen hätte können. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der Auftraggeber Anfang Februar das gegenständliche Verfahren in rechtswidriger Weise ohne Vergabebekanntmachung durchgeführt hat.
Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass der Auftraggeber die gegenständliche Dienstleistung am 11.02.2021 in einem Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung ausgeschrieben hat. Der gegenständliche Auftrag diente daher lediglich der Überbrückung bis zum Abschluss eines Vergabeverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung.
Zum Vorbringen der Antragstellerin, dass der Auftraggeber auch aus der BBG-Rahmenvereinbarung abrufen hätte können und daher keine Dringlichkeit vorliege, ist auszuführen, dass der Auftraggeber nicht verpflichtet ist, aus einer Rahmenvereinbarung der BBG abzurufen, zumal nach den Ausführungen des Auftraggebers dieser von der BBG vor Einleitung des betreffenden Vergabeverfahren nicht um Zustimmung ersucht worden sei und dementsprechend auch seinen Bedarf nicht bekannt gegeben habe. Die Antragstellerin ist diesen Ausführungen nicht entgegengetreten.
Auch im Hinblick auf das Vorbringen der Antragstellerin, wonach der Auftraggeber einen Assistenzeinsatz des Bundesheeres anfordern hätte können, ist auszuführen, dass der Auftraggeber dazu nicht verpflichtet ist, um eine Auftragsvergabe gemäß § 37 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 zu vermeiden.
Zur Frage der Rechtmäßigkeit der Durchführung eines Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung mit einem Bieter
6.2. Die Antragstellerin macht – unter Verweis auf die Leitlinien der Kommission – auch geltend, dass die Vergabe der Erweiterung der COVID-19-Testungen an das R in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung mit nur einem Bieter selbst dann rechtswidrig sei, wenn äußerste Dringlichkeit vorliegen würde.
6.2.1. Die Antragstellerin hat einen Feststellungsantrag gemäß § 4 Abs 3 lit b Vergabenachprüfungsgesetz gestellt. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung geht das Antragsrecht eines Unternehmers nicht so weit, dass er auch Rechtswidrigkeiten bei der Durchführung eines zulässigerweise ohne Vergabebekanntmachung durchgeführten Vergabeverfahrens geltend machen könnte (vgl dazu auch die Ausführungen im Erkenntnis VwGH 09.09.2015, Ro 2015/04/0013, zum insoweit vergleichbaren § 331 Abs 1 BVergG 2006, wonach ein Antragsrecht nach dieser Bestimmung nur hinsichtlich der Feststellung bestimmter Vorgehensweisen des Auftraggebers als rechtswidrig besteht). Gegenstand eines Feststellungsverfahrens gemäß § 4 Abs 3 lit b Vergabenachprüfungsgesetz ist daher lediglich die Frage, ob der Zuschlag rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung erteilt wurde (vgl VwGH 01.02.2017, Ro 2014/04/0056; zur insoweit vergleichbaren Rechtslage gemäß § 312 BVergG 2006 auch Thienel in Schramm/Aicher/Fruhmann, Bundesvergabegesetz 2006, § 312 Rz 269). Diese Frage ist vorliegend allein anhand der Prüfung der Voraussetzungen des § 37 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 zu beurteilen. Auch kommt dem Landesverwaltungsgericht keine Zuständigkeit zu, andere als die in § 4 Vergabenachprüfungsgesetz vorgesehenen Feststellungen zu treffen (vgl VwGH 25.09.2012, 2008/04/0045; 11.12.2013, 2012/04/0133).
6.2.2. Selbst wenn man – entgegen dem Wortlaut dieser Bestimmung – die Auffassung vertreten würde, dass das Antragsrecht gemäß § 4 Abs 3 lit b Vergabenachprüfungsgesetz sich auch auf die Durchführungsmodalitäten eines Verfahrens gemäß § 37 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 erstreckte, wäre für die Beurteilung dieser Durchführungsmodalitäten § 122 Abs 3 BVergG 2018 heranzuziehen. Diese Bestimmung ermöglicht nach ihrem klaren Wortlaut bei Vorliegen äußerst dringlicher, zwingender Gründe ein Abweichen vom Grundsatz, dass die Anzahl der aufzufordernden Unternehmer nicht unter drei liegen darf (vgl auch Pesendorfer/Gruber Schramm/Aicher/Fruhmann, Bundesvergabegesetz 2018, §§ 35-37, Rz 10; Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann, Bundesvergabegesetz 2018, § 122, Rz 23; Gö