TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/30 95/18/1201

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Veröffentlicht am 30.11.1995
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §6 Abs2;
AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §9 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des K, derzeit in Schubhaft, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 1. Juni 1995, Zl. SD 697/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 1. Juni 1995 wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz aus.

Der Beschwerdeführer sei seinen eigenen Angaben zufolge im Oktober 1992 in einem Lkw versteckt ohne Reisepaß in das Bundesgebiet eingereist und habe in weiterer Folge einen Asylantrag gestellt, der mit Zustellung des zweitinstanzlichen Asylbescheides rechtskräftig abgewiesen worden sei. Seit diesem Zeitpunkt verfüge der Beschwerdeführer jedenfalls über keine Aufenthaltsberechtigung mehr für das Bundesgebiet, sodaß die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 leg. cit. gegeben seien. Er halte die Ausweisung im Grunde des § 19 leg. cit. für unzulässig, weil sie nicht zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei. Diese Rechtsauffassung sei verfehlt. Er habe zu keiner Zeit eine behördliche Bewilligung für seinen Aufenthalt in Österreich gehabt und die Rechtmäßigkeit - sofern sein Aufenthalt überhaupt jemals rechtmäßig gewesen sei - seines Aufenthaltes in Österreich aufgrund einer allfälligen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung im Rahmen des Asylverfahrens erreicht, wobei sich sein diesbezüglicher Antrag mittlerweile als unbegründet erwiesen habe. In einem solchen Fall sei die Ausweisung schon im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (konkret: im Interesse eines geordneten Fremdenwesens) dringend geboten. Sohin erweise sich die Ausweisung des Beschwerdeführers auch im Grunde des § 19 leg. cit. als zulässig.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bringt der Beschwerdeführer vor, seit Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde gegen die Abweisung des Asylantrages sei er wieder rechtmäßig in Österreich aufhältig und könne somit nicht ausgewiesen werden. Zwar sei der Ausweisungsbescheid am 1. Juni 1995 erlassen und dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (seiner Beschwerde gegen die Abweisung des Asylantrages) erst einen Tag später, also am 2. Juni 1995 stattgegeben worden, und es sei sein Aufenthalt innerhalb des Zeitraumes zwischen der zweitinstanzlichen Abweisung des Asylantrages und der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung "rechtlich schwach begründet, aber sicherlich nicht illegal" gewesen. Außerdem sei der belangten Behörde bekannt gewesen, daß er am 8. Mai 1995 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz eingereicht habe, welche Antragstellung im Falle des Verlustes des Asyls auch ausnahmsweise im Inland zulässig gewesen wäre.

Mit diesen Ausführungen verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Die aufschiebende Wirkung seiner Beschwerde gegen die Abweisung des Asylantrages trat ex nunc, also mit Zustellung (Erlassung) des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes ein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. April 1995, Zl. 95/18/0581, uva.). Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides war seiner Beschwerde jedenfalls noch keine aufschiebende Wirkung zugekommen, weshalb schon aus diesem Grund der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich als unrechtmäßig angesehen werden mußte. Weiters verkennt die Beschwerde, daß eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung (§ 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991) nach dieser Bestimmung - unter der Voraussetzung rechtzeitiger Antragstellung - nur jenen Asylwerbern zukommt, die "gemäß § 6 eingereist" sind. Letzteres aber trifft auf den Beschwerdeführer - unter Zugrundelegung der von ihm nicht bestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde - nicht zu: Er fällt nicht unter § 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991, weil er nicht direkt aus dem Staat gekommen ist, in dem er behauptet Verfolgung befürchten zu müssen (Türkei); § 6 Abs. 2 leg. cit. kommt deshalb nicht zum Tragen, weil sich kein Anhaltspunkt dafür ergibt, daß ihm die Einreise formlos gestattet worden wäre, sondern im Gegenteil er versteckt in einem Lkw ohne Reisepaß in das Bundesgebiet eingereist ist. Auch unter Berücksichtigung asylrechtlicher Bestimmungen war somit der Aufenthalt des Beschwerdeführers nicht rechtmäßig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 1995, Zl. 94/18/0694).

2. Soweit sich der Beschwerdeführer auf die Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung beruft, ist ihm zu entgegnen, daß ihm die Antragstellung allein noch keinen rechtmäßigen Aufenthalt im Inland verschaffen konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 1995, Zl. 95/18/1197, ua.).

3. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 Fremdengesetz, welcher auf den Schutz des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden abstellt. Bei Vorliegen eines im Sinne dieser Bestimmung relevanten Eingriffes ist zu prüfen, ob die Erlassung einer Ausweisung dringend geboten ist. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, daß die Erlassung der Ausweisung des unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet gelangten Beschwerdeführers, dessen Asylantrag rechtskräftig mit letztinstanzlichem Bescheid abgewiesen wurde, zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens und somit zum Schutz der öffentlichen Ordnung, eines im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zieles, dringend geboten und daher gemäß § 19 Fremdengesetz zulässig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1995, Zl. 95/18/0832, u.a.).

Soweit der Beschwerdeführer unter dem Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzeigt, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides Feststellungen über seine Integration im Bundesgebiet unterlassen hat, mangelt es dieser Verfahrensrüge an der Relevanz. Denn selbst bei Vorliegen eines im Grunde des § 19 leg. cit. relevanten Eingriffes ist die Ausweisung - wie oben dargestellt - zum Schutz der öffentlichen Ordnung dringend geboten und daher gemäß § 19 Fremdengesetz zulässig.

4. Da - wie ausgeführt - bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995181201.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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