TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/12 95/14/0066

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Veröffentlicht am 12.12.1995
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Index

61/01 Familienlastenausgleich;

Norm

FamLAG 1967 §6 Abs2 litd;
FamLAG 1967 §6 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde der A, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 10. März 1995, Zl. 34/3-8/Nw-1995, betreffend Rückzahlung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am 6. Jänner 1972 geborene Beschwerdeführerin ist erheblich behindert und bezog ab April 1993 die erhöhte Kinderbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag.

Mit Bescheid des Finanzamtes wurde die Beschwerdeführerin verpflichtet, die für die Zeit von Oktober 1993 bis Februar 1994 bezogene erhöhte Familienbeihilfe im Gesamtbetrag von S 18.000,-- und den Kinderabsetzbetrag im Gesamtbetrag von S 1.750,-- zurückzuzahlen. Das Finanzamt ging davon aus, daß sich die Beschwerdeführerin in Anstaltspflege befinde, sodaß gemäß § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe.

In der dagegen erhobenen Berufung trat die Beschwerdeführerin dieser Annahme entgegen. In der abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt aus, daß sich die Beschwerdeführerin im maßgebenden Zeitraum in der Oberösterreichischen Landesnervenklinik Wagner-Jauregg in Linz in Anstaltspflege befunden habe.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte im Schriftsatz vom 5. Jänner 1995 vor, daß sie bis 24. April 1994 in der genannten Krankenanstalt stationär behandelt worden sei. Die Kosten seien von der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse getragen worden. Die belangte Behörde hielt der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 31. Jänner 1995 vor, auf Grund dieses Sachverhaltes müsse davon ausgegangen werden, daß in der genannten Zeit keine Unterhaltspflicht ihrer Mutter bestanden habe. Es bestehe daher kein Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 6 Abs. 5 FLAG.

Dieser Auffassung trat die Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 27. Februar 1995 mit der Begründung entgegen, daß die von der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse auf Grund des ASVG erbrachten Leistungen kein eigenes Einkommen der Beschwerdeführerin darstellten, sodaß die Unterhaltspflicht ihrer Eltern weiterbestehe. Da sie Unterhaltsleistungen ihrer Eltern tatsächlich nicht erhalte und die Leistungen der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse nicht im Rahmen der Jugendwohlfahrtspflege oder Sozialhilfe erfolgten, sei die Voraussetzung des § 6 Abs. 5 FLAG erfüllt und die Rückforderung demnach nicht berechtigt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung ihres Bescheides führte sie nach Wiedergabe des Inhaltes des § 6 Abs. 5 FLAG aus, die in dieser Gesetzesstelle enthaltene Wortfolge "... ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten ..."

zeige, daß es für einen Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe maßgeblich sei, ob die Eltern überhaupt noch verpflichtet seien, den Unterhalt für das Kind überwiegend zu leisten. Könne ein Kind die seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse aus eigenen Einkünften überwiegend oder zur Gänze selbst decken, vermindere sich der Unterhaltsanspruch gegenüber den Eltern oder falle gänzlich weg. Bräuchten sohin Eltern den Unterhalt für ihr Kind nicht überwiegend oder überhaupt nicht zu leisten, bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 6 Abs. 5 FLAG. Im Hinblick darauf, daß die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse die Kosten für den stationären Aufenthalt der Beschwerdeführerin bis 24. April 1993 zur Gänze getragen habe, müsse davon ausgegangen werden, daß in dieser Zeit die Mutter der Beschwerdeführerin nicht verpflichtet gewesen sei, überwiegend den Unterhalt der Beschwerdeführerin zu leisten, weshalb im genannten Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden habe. Dies gelte auch für die erhöhte Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag. Die zu Unrecht bezogenen Beträge seien daher zurückzufordern gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht und dessen kostenpflichtige Aufhebung beantragt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG i.d.F. des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 311/1992 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).

§ 6 Abs. 5 FLAG bezweckt - bei Vorliegen der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 bis 3 - die Gleichstellung von Kindern, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten, mit Vollwaisen, für die niemand unterhaltspflichtig ist und die deshalb einen eigenen Anspruch auf Familienbeihilfe haben. Der Gesetzgeber will mit dieser Bestimmung in jenen Fällen Härten vermeiden, in denen Kinder sich weitgehend selbst erhalten müssen. Diese Bestimmung ist daher auch dann anwendbar, wenn Eltern ihrer Unterhaltspflicht aus welchen Gründen immer nicht nachkommen (siehe das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1995, Zl. 93/14/0051).

Die Auffassung der belangten Behörde, eine (überwiegende) Unterhaltspflicht der Mutter der Beschwerdeführerin habe während des Krankenhausaufenthaltes der Beschwerdeführerin nicht bestanden, kann nicht geteilt werden, weil eine stationäre Krankenbehandlung eines Kindes in einem Krankenhaus an der Unterhaltspflicht der Eltern nichts ändert. Eine derartige Krankenbehandlung führt nämlich nicht dazu, daß das Kind Leistungen erhält, die dazu führen würden, daß es als selbsterhaltungsfähig anzusehen ist und deshalb die Unterhaltspflicht der Eltern wegfällt.

Der angefochtene Bescheid basiert nach dem Gesagten auf einer unrichtigen Anwendung des § 6 Abs. 5 FLAG und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995140066.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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