TE Vfgh Erkenntnis 1993/10/11 B1164/91

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Veröffentlicht am 11.10.1993
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Quasianlaßfall; Anlaßfallwirkung der Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Wien vom 24.06.88 (Plandokument Nr. 6040) mit E v 11.10.93, V74/92.

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Die Gemeinde Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit 15.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 8. August 1991 erteilte die Bauoberbehörde für Wien unter Auflagen die Bewilligung zur Errichtung einer aus insgesamt sieben Wohnungen bestehenden Wohnhausanlage; die vom Beschwerdeführer als Nachbar erhobenen Einwendungen wurden teils ab- und teils zurückgewiesen.

In der dagegen gerichteten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer insbesondere die Verletzung in Rechten infolge Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, nämlich des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes Plandokument 6040, geltend und begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Mit dem heute gefällten Erkenntnis V74/92 hob der Verfassungsgerichtshof die Verordnung des Gemeinderates der Stadt Wien vom 24. Juni 1988, Pr.Zl. 1797/88 (Plandokument 6040), als gesetzwidrig auf.

II. 1. Wie sich aus Art139 Abs6 B-VG ergibt, wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlaßfall zurück. Es ist darum so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zur Zeit der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlaßfall im engeren Sinne (anläßlich dessen ein Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist) sind all jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung mit Beginn der nichtöffentlichen Beratung) bereits anhängig waren (i.d.S. VfSlg. 10616/1985, 11711/1988; VfGH 28. September 1992, B104/91).

Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren fand am 11. Oktober 1993 statt.

Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 15. Oktober 1991 - also vor der Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren - eingelangt.

Nach dem Gesagten ist der Fall daher einem Anlaßfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig befundene Verordnung an. Nach der Lage des Falles ist es offenkundig, daß die Anwendung dieser Vorschrift für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Es ist daher auszusprechen, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid wegen der Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt wurde sowie daß der Bescheid aufgehoben wird (vgl. etwa VfSlg. 10736/1985).

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 2.500 S enthalten.

3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG abgesehen.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:B1164.1991

Dokumentnummer

JFT_10068989_91B01164_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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