TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/12 94/09/0026

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Veröffentlicht am 12.12.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §58 Abs2;
KOVG 1957 §13 Abs5;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Fuchs und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der M in Z, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 26. November 1993, Zl. OB. 125-148720-003, betreffend Witwenversorgung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am 31. Juli 1918 geborene Beschwerdeführerin stellte am 14. Jänner 1993 den Antrag auf Wiedergewährung der Witwenrente nach ihrem ersten Ehegatten, weil sie nunmehr mit "ihrem maßgeblichen Einkommen" nach dem (mittlerweile ebenfalls verstorbenen) zweiten Ehegatten unter der "ab 1.1.1993 gültigen Einkommensgrenze" liege.

Nach einer Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse (Fragebogenbeantwortung durch die Beschwerdeführerin am 26. Jänner 1993) gab das Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland dem Antrag auf Witwenversorgung keine Folge. Zur Begründung wies die Behörde darauf hin, daß gemäß § 38 Abs. 2 Z. 1 KOVG 1957 der Anspruch auf Witwenversorgung auf Antrag wieder auflebe, wenn die neue Ehe u. a. durch den Tod des Ehegatten aufgelöst worden und der Witwe aus dieser Ehe kein Anspruch auf Versorgung in Höhe der nach den Vorschriften dieses Bundesgesetzes jeweils in Betracht kommenden vollen Witwenversorgung (§§ 35, 36) erwachsen sei. Nach den durchgeführten Erhebungen verfüge die Beschwerdeführerin ab 1. Jänner 1993 über ein Einkommen (§ 13 KOVG 1957) nach ihrem am 1. Oktober 1991 verstorbenen zweiten Ehegatten in Höhe von insgesamt S 9.262,50. Dieser Betrag setze sich zusammen aus einem "Einkommen in Geldform (SVB Pension)" in Höhe von S 5.067,50 und "Einkommen aus Landwirtschaft übergeben und verpachtet" von S 4.195,--. Da somit die Einkommensgrenze (§§ 35, 36) in Höhe von S 9.022,-- überschritten sei, sei der Antrag auf Wiederaufleben der Witwenversorgung abzuweisen gewesen.

In der Berufung vom 22. April 1993 machte die Beschwerdeführerin geltend, das Einkommen aus übergebener und verpachteter Landwirtschaft sei laut "Einkommenstabelle gemäß § 13 Abs. 4 und 5 KOVG 1957" zu hoch angesetzt worden; richtigerweise ergebe sich folgende Berechnung:

"Einkommen aus Übergabe einer Landwirtschaft

von 6,9677 ha x 8.900,00 = EHW 62.000,--

Tabellenwert 1993 4.159,-- minus 1/2 = S 2.079,50

Einkommen aus verpachteter Landwirtschaft

von 3,4164 ha x 8.900,00 = EHW 30.000,--

Tabellenwert 1993                               S 1.843,--

Pension der SVB                                 S 5.067,50

EINKOMMEN nach dem 2. Ehegatten                 S 8.990,00"

Da die Einkommmensgrenze somit nicht erreicht werde, werde um Zuerkennung der Witwenpension ersucht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Die belangte Behörde habe die Berufungsangelegenheit geprüft und festgestellt, daß die Beschwerdeführerin folgende Einkünfte nach ihrem zweiten Ehegatten beziehe:

"Einkommen aus verpachteter und übergebener Landwirtschaft in Höhe von monatlich S 4.202,--. Bei der Bewertung des Einkommens aus Land- und Forstwirtschaft handelt es sich um gesetzlich pauschalierte Leistungen; bei der Übergabe wurde ein Einheitswert von S 62.000,-- - Anteil 1/2 - und bei der Verpachtung ein Einheitswert von S 30.000,-- - Anteil 1/1 - zugrunde gelegt. Es ist jeweils der zuletzt vor dem 1. Juli 1967 festgestellte Einheitswert maßgeblich.

Weiters bezieht die Berufungswerberin noch eine Pension der Sozialversicherungsanstalt der Bauern von monatlich S 5.067,50."

Das Einkommen nach dem zweiten Ehegatten - so die abschließenden Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides - betrage insgesamt monatlich S 9.269,50, womit die maßgebende Einkommensgrenze von derzeit S 9.022,-- überschritten sei.

In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin sei in ihrem Recht auf Gewährung (Wiederaufleben) einer Witwenversorgung und in ihrem Recht auf Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme und der Einräumung einer Stellungnahme zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 38 Abs. 1 KOVG 1957 erlischt im Fall der Wiederverehelichung der Anspruch auf Witwenversorgung. Wird die neue Ehe durch den Tod des Ehegatten, durch Scheidung oder durch Aufhebung aufgelöst oder für nichtig erklärt, so lebt nach § 38 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. der Anspruch auf Witwenversorgung auf Antrag wieder auf, wenn und insolange der Witwe aus dieser Ehe kein Anspruch auf Versorgung (Unterhalt) in Höhe der nach den Vorschriften dieses Bundesgesetzes jeweils in Betracht kommenden vollen Witwenversorgung (§§ 35, 36) erwachsen ist.

Wurde ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb unentgeltlich übertragen, übergeben, verpachtet oder auf andere Weise jemandem zur Bewirtschaftung überlassen, sind gemäß § 13 Abs. 5 KOVG 1957 der Ermittlung des Einkommens ohne Rücksicht auf Art und Ausmaß der hiefür ausbedungenen Leistungen 10 v.H.

-

bei Verheirateten 5 v.H. - des letztmalig vor dem 1. Juli 1967 festgestellten Einheitswertes dieses land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zugrunde zu legen. Übersteigt der Einheitswert des Betriebes den Betrag von 10.000 S ist der nach den vorstehenden Bestimmungen ermittelte Betrag für je weitere 1.000 S des Einheitswertes um 84 S, bei Verheirateten um 109 S 20 g zu erhöhen. Ein Zwölftel des auf diese Weise errechneten Betrages gilt als monatliches Einkommen. Absetzungen von diesem Einkommen sind nicht zulässig.

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, daß der Beschwerdeführerin aus der Ehe mit ihrem zweiten Ehegatten mit monatlich S 9.269,50 ein Anspruch in Höhe der im § 38 Abs. 2 Z. 1 als Einkommensgrenze genannten vollen Witwenversorgung (§§ 35, 36) in der maßgebenden Höhe von S 9.022,-- erwachsen ist.

Neben einer - unstrittigen - Pension der Sozialversicherungsanstalt der Bauern hat die belangte Behörde bei ihrer Berechnung ein Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft herangezogen, das sie offensichtlich nach § 13 Abs. 5 KOVG 1957 berechnete. Abgesehen davon, daß sich weder im erstinstanzlichen noch im angefochtenen Bescheid ein konkreter Hinweis auf diese Gesetzesbestimmung findet, ist die Berechnung des "Einkommen aus verpachteter und übergebener Landwirtschaft in Höhe von mtl. S 4.202,--" dem angefochtenen Bescheid (und dem Erstbescheid) nicht in nachvollziehbarer Weise zu entnehmen (im angefochtenen Bescheid wird nicht einmal angegeben, warum die in der Berufung dargestellte Berechnungsweise unzutreffend wäre).

Ohne klare, unmißverständliche Feststellungen der belangten Behörde zur Art und Weise der Berechnung des in Rede stehenden Einkommens aus Land- und Forstwirtschaft ist aber auch dem Verwaltungsgerichtshof eine Prüfung, ob diese Berechnung etwa unter zutreffender Anwendung der Bestimmung des § 13 Abs. 5 KOVG 1957 erfolgt ist, nicht möglich (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 1995, 94/09/0272). Diesbezügliche Ausführungen in der Gegenschrift (die außerdem auch insgesamt keine nachvollziehbare Darstellung der Berechnung enthält) können fehlende Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht ersetzen. Im übrigen wird für das fortgesetzte Verfahren bemerkt, daß der in der Gegenschrift offenbar vertretenen Rechtsmeinung, wonach bei Einkünften aus mehreren land- und forstwirtschaftlichen Betrieben "der Betrag von S 10.000,--, der zuschlagsfrei aufgrund der Regelungen im § 13 Abs. 4 und 5 KOVG 1957 zu bleiben hat, nur einmal berücksichtigt werden" darf, nicht gefolgt werden kann. Aus dem Wortlaut des § 13 Abs. 5 KOVG ("Wurde EIN land- und forstwirtschaftlicher Betrieb ..."; "... übersteigt DER Einheitswert des Betriebes den Betrag von 10.000 S ...") ergibt sich eindeutig, daß die dort vorgesehene Berechnung jeweils pro land- und forstwirtschaftlichem Betrieb gesondert vorzunehmen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Sachverhalt Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994090026.X00

Im RIS seit

27.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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