TE Dok 2022/4/28 2022-0.213.984

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Veröffentlicht am 28.04.2022
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Norm

BDG 1979 §43 Abs2 BDG i.V.m. §91

Schlagworte

Amtsmissbr, falsche Zeugenaussage

Text

Die Bundesdisziplinarbehörde hat am 26.04.2022 nach der am 26.04.2022 in Anwesenheit des Beamten, des Verteidigers, des Disziplinaranwaltes und der Schriftführerin durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Beamte ist schuldig,

1.   er hat am 31.05.2019, in N.N., im Zuge der „Klima-Demo“ gemeinsam mit den bereits rechtskräftig verurteilten A.A. dadurch einen Amtsmissbrauch begangen, als eine Festnahme nach § 35 VStG nur unter den in dieser Bestimmung normierten gesetzlichen Voraussetzungen auszusprechen und zu vollziehen ist und indem er im Zuge der Amtshandlung den B.B. nach den Bestimmungen des § 35 Z 3 VStG festnahm, obwohl B.B. weder trotz Abmahnung in der Fortsetzung einer strafbaren Handlung verharrte noch diese wiederholte,

2.   er hat am 08.11.2019 vor dem Verwaltungsgericht N.N., im Verfahren als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem er über Vorhalt seiner Aussage bei seiner Vernehmung als Beschuldigter am 25.06.2019 durch Beamte des N.N. die Richtigkeit dieser Aussage bestätigte sowie angab, dass diese Aussage sich mit seinen Wahrnehmungen decke,

er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BDG i.V.m. § 91 BDG 1979 begangen.

Über den Beamten wird gem. § 92 Abs. 1 Zi 1 BDG die Disziplinarstrafe des Verweises verhängt.

Dem Beamten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.

Begründung

Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige der Dienstbehörde vom 16.02.2022 zu N.N. sowie den Erhebungen der LPD N.N. und dem rechtskräftigen Gerichtsurteil des LG für Strafsachen N.N..

Sachverhalt:

Am 22.10.2019 langte in der Personalabteilung der LPD N.N. ein Abschlussbericht des Referats N.N. ein, wonach der Beamte im Verdacht steht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben:

Am 31.05.2019 kam es im Anschluss an die Klima-Demo in N.N., zu einer unangemeldeten Kundgebung und Sitzblockade. Die Kundgebung wurde vom Behördenvertreter aufgelöst und die Räumung der Sitzblockade angeordnet. Zahlreiche Sympathisanten nahmen im Nahbereich der Sitzblockade Aufstellung und beobachteten von dort das Geschehen. A.A. war als Gruppenkommandant in dem Bereich eingesetzt. Sein Auftrag war das Wegweisen der Sympathisanten, um Distanz zum Kundgebungsbereich zu schaffen. B.B. war einer der Sympathisanten und wurde in weiterer Folge aufgrund seines (angeblichen) aggressiven Verhaltens von A.A. gem. § 35 Zi 3 VStG festgenommen. Der Beamte unterstützte bei der Festnahme, indem er sich von hinten näherte, den Hals des Festgenommenen erfasste und diesen mit seinem Arm von hinten umklammerte (Halsklammer, „Schwitzkasten“). In dieser Haltung wurde B.B. hinter die Sperrkette verbracht und dort neben einem Polizeibus unter Einsatz einer Wurftechnik von A.A. zu Boden gebracht. Anschließend wurde der Festgenommene ins N.N. überstellt, wo er angab, Schmerzen im Bereich des linken Kieferwinkels zu haben. Der Amtsarzt stellte keine äußeren Verletzungen fest.

Am 03.06.2019 langte im Referat N.N. eine Beschwerde der C.C. inkl. Video ein. C.C. habe bei der Auflösung der Kundgebung wahrgenommen, dass eine Person (Anm.: B.B.) von einem Polizisten ohne erkennbaren Anlass in den „Schwitzkasten“ genommen worden und brutal zu Boden gebracht worden sei.

Am 04.06.2019 wurde das Referat N.N. informiert, dass in den Sozialen Medien ein Video verbreitet wird, in dem zu sehen ist, dass ein Polizeiwagen beinahe über den Kopf eines Festgenommenen fährt. Es stellte sich heraus, dass es sich bei dem Festgenommenen um B.B. handelt und die Szene sich kurz nach der o.a. Festnahme ereignete. Im Video ist zu sehen, dass B.B. von A.A. und dem Beamten neben dem Polizeibus in Bauchlage zu Boden gebracht wurde und in weiterer Folge im Zuge von Körperkraftanwendungen mit dem Kopf unter dem Bus zu liegen gekommen ist. Als der Polizeibus losfuhr, wurde B.B. sofort weggezogen. Bei dem Fahrzeuglenker handelte es sich um D.D. (gegen D.D. läuft ein separates nicht rechtskräftiges Verfahren).

Im Zuge der Verhandlung der von B.B. eingebrachten Maßnahmenbeschwerde vor dem LVwG N.N. wurde ein weiteres Video bekannt, in welchem zu sehen ist, dass sich B.B. zu keinem Zeitpunkt aggressiv gegenüber A.A. verhalten hat und daher die Angaben in dessen VStV-Anzeige nicht stimmen. Aufgrund der neuen Erkenntnisse wurde das Ermittlungsverfahren gegen A.A. und den Beamten hinsichtlich § 288 falscher Beweisaussage erweitert.

Maßnahmenbeschwerde:

Mit Verkündungsprotokoll des LVwG N.N. vom 12.12.2019 wurde die Festnahme einschließlich der Art und Weise der Körperkraftanwendung, die Anhaltung und die Art und Dauer der Anhaltung sowie die Verweigerung der rechtsanwaltlichen Beratung und Vertretung für rechtswidrig erklärt. Ausschlaggebend für die Entscheidung war das weitere Video, mit welchem die Aussagen des BF bestätigt wurden, wonach er ohne Vorwarnung und Ankündigung der Anwendung von Körperkraft ausgesetzt und in weiterer Folge beim Polizeibus zu Fall gebracht wurde. Er hat auch zu keinem Zeitpunkt ein Verhalten gesetzt, das eine Festnahme iSd. § 35 Zi 3 VStG gerechtfertigt hätte.

Beweismittel:

B.B. gab bei seinen Vernehmungen zusammengefasst an, er und weitere Personen seien am Gehsteig stehend aufgefordert worden, wegzugehen, woraufhin es zu einer kurzen Diskussion gekommen sei. Als er weggegangen sei, sei er an seinen Armen ergriffen worden, welche in weiterer Folge auf seinen Rücken gedreht worden seien. Seine Handgelenke seien nach oben gedrückt worden, was schmerzhaft gewesen sei. Er kann sich nicht mehr an die ganze AH erinnern. Er sei dann in Bauchlage am Boden gelegen und die Polizeibeamten hätten weiterhin seine Arme fixiert und in die Höhe gezogen. Gleichzeitig hätten mindestens zwei Beamte ihre Knie in seinem Nacken bzw. Rückenbereich gehabt. Er sei in ruckartigen Bewegungen unter den Polizeibus gezogen worden. Er habe nach rechts geblickt und dabei die Reifen auf Augenhöhe gesehen. Plötzlich habe sich das Fahrzeug in Bewegung gesetzt und der Reifen sei frontal auf ihn zugerollt. Dann habe er mitbekommen, dass der auf ihn zukommende Reifen abgedreht habe und an seinem Kopf vorbeigefahren sei.

Verletzungen:

B.B. habe durch den Vorfall (Festnahme + Vorfall beim Bus) Prellungen am Kiefer, Zerrungen im Bereich der Schulter und Oberarme, Druckstellen und Hautabschürfungen im Bereich beider Handgelenke sowie Verspannungen und Prellungen im Rückenbereich und im Bereich der Schienbeine und Oberschenkel erlitten. Er leide auch psychisch unter dem Vorfall. Er habe keinen Arzt aufgesucht.

Weitere 11 Zeugenaussagen liegen dem Akt bei.

Verantwortung:

Der Beamte bekannte sich bei der Hauptverhandlung schuldig im Sinne der Anklage und legte ein sehr reumütiges Verhalten an den Tag. Er habe vor Ort nur peripher mitbekommen, wie A.A. mit B.B. angeheizt geredet habe. Er habe dann gesehen, dass A.A. B.B. am Arm ergriff und habe hierbei seinen Kollegen „dummerweise“ unterstützt. Er sei damals der Meinung gewesen, dass A.A. als Charge schon weiß, was er macht. Er habe die Aktion des Kollegen nicht hinterfragt und ihm blind vertraut. B.B. habe zuvor normal gestikuliert - er habe zu keinem Zeitpunkt eine bedrohliche Situation wahrgenommen. Mit der anschließenden Anzeigenlegung habe er nichts zu tun gehabt. Es sei dumm von ihm gewesen, dass er vor dem VwG die falschen Aussagen bestätigt habe. Er sei damals noch der Meinung gewesen, A.A. habe wohl richtig gehandelt. Es sei seine erste Festnahme bei einer Demo gewesen. Er habe sich seitdem nichts mehr zu Schulden kommen lassen, bereue sein Verhalten und habe daraus gelernt.

Gerichtsverfahren:

Zum angeführten Vorfall wurden vom Referat N.N. Erhebungen gepflogen, am 03.06., 06.06.2019, 22.10.2019, 20.04.2020 und am 31.03.2021 erfolgte die Abschlussberichterstattung an die Staatsanwaltschaft N.N. Am 08.11.2021 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Beamen wegen §§ 302, 288 StGB.

Der Beamte wurde bei der am 25.01.2022 im Landesgericht N.N. stattgefundenen Hauptverhandlung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten (bedingt auf 3 Jahre) sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Des Weiteren hat er dem Privatbeteiligten 500 EUR zu überweisen.

Mündliche Disziplinarverhandlung:

Mit Bescheid vom 07.03.2022 wurde das ordentliche Disziplinarverfahren eingeleitet und die mündliche Verhandlung für 26.04.2022 anberaumt und durchgeführt.

Der Beamte bekannte sich zu Beginn der Verhandlung zu den Anlastungen schuldig und führte an, dass er zum damaligen Zeitpunkt zuerst in der Sperrkette stand und die Diskussion des A.A. mit einem Demonstranten am Rande mitbekommen hätte. Er ging zu seinem Kollegen, um diesen zu unterstützen und ihm den Rücken freizuhalten, da er inmitten von einigen Demonstranten alleine gestanden ist. Dummerweise hatte er blindes Vertrauen zu A.A. und dessen Vorgehen Vorort gehabt. Er merkte auch noch an, dass es sich um seine erste Festnahme während einer Demo gehandelt hat. Die Festnahmemeldung hat in weiterer Folge auch A.A. verfasst. Für die Meldung hätte er dem A.A. auch seinen Namen und seine Dienststelle genannt. Er selbst war zu diesem Zeitpunkt noch EB auf der PI N.N. und A.A. war Gruppenkommandant in der ODE.

Er habe dann in weiterer Folge versucht, seine Erinnerungen und seine subjektiven Wahrnehmungen mit den zahlreichen Videos, die von dem Vorfall gemacht wurden und in den Medien kursierten, zu vergleichen. Einige Sequenzen der Videos stimmten dabei mit seinen Wahrnehmungen überein, an andere Ereignisse hatte er wiederum keinerlei Erinnerung. Das Video, das ihm schließlich vor dem VwG N.N. vorgespielt wurde, hatte er in dieser Form nicht gekannt.

Zur falschen Zeugenaussage vor dem VwG N.N. führte der Disziplinarbeschuldigte aus, dass es sich dabei überhaupt um seine erste Zeugenaussage vor einem Gericht gehandelt hat. Zu diesem Zeitpunkt wurde er bereits von der StA N.N. als Beschuldigter geführt. Trotz dieses Hinweises gegenüber der Richterin habe diese gesagt, dass er aussagen müsse. Die Meldung des A.A. hätte er sich vor der Verhandlung nochmals angeschaut und den Inhalt bei seiner Zeugenaussage wiedergegeben. In weiterer Folge wurde er wegen falscher Zeugenaussage angezeigt und verurteilt.

Im Zuge des Beweisverfahrens wurde auf das rechtskräftige Urteil des LG für Strafsachen N.N. hingewiesen, wonach der Beamte zu einer bedingten Freiheitstrafe von 10 Monaten verurteilt wurde.

Der Disziplinaranwalt führte in seinem Plädoyer aus, dass der Sachverhalt aufgrund des Geständnisses und des Beweisverfahrens als erwiesen anzusehen ist.

Die Anlastungen sind durchaus schwerwiegend, dennoch ist auch nachvollziehbar, dass sich ein junger Beamter auf den vorgesetzten Gruppenkommandanten verlassen können muss.

Mildernd waren das Geständnis, die sehr gute Dienstbeschreibung und die lange Verfahrensdauer bei Gericht.

Erschwerend wirkten 2 Dienstpflichtverletzungen.

Antrag: Geldbuße

Der Verteidiger führte in seinem Plädoyer aus, dass der EB strafgerichtlich verurteilt wurde und natürlich wäre es nicht tolerierbar, dass Festnahmen rechtswidrig durchgeführt werden. Der EB habe daraus gelernt und ist, wie auch in der Dienstbeschreibung angeführt, vorbildlich und deeskalierend.

Die Situation bei den Klima-Demos ist stressbelastend, die jungen Polizisten wussten nicht, wie mit den Provokateuren umzugehen ist. Zudem hat es sich um seine 1. Festnahme während einer Demo gehandelt und es war auch seine 1. Zeugenaussage vor einem Gericht, wobei ihn die Richterin hinsichtlich seiner Aussageverweigerung 3x falsch belehrt hat.

Antrag: milde Strafe

Seitens des Beamten wird in seinem Schlusswort angeführt, dass er aus dem Vorfall viel gelernt hat und sein Verhalten bedaure.

Der Senat hat dazu erwogen:

Zum Schuldspruch:

Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens zu dem Erkenntnis gelangt, dass der Beamte die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen schuldhaft begangen hat.

Der Vorwurf lautet dahingehend, dass der Beamte eine rechtswidrige Festnahme durchführte und eine falsche Zeugenaussage vor dem VwG N.N. getätigt hat.

Die Feststellungen ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage, dem rechtskräftigen Urteil des LG für Strafsachen N.N. sowie aus den Ausführungen des Beamten.

Der Beamte wurde vom Landesgericht für Strafsachen N.N. wegen Amtsmissbrauch und falscher Zeugenaussage vor dem Verwaltungsgericht N.N. zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt.

Der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung liegt zugrunde, dass der Beamte zum einen bei der Klima-Demo im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit A.A. eine Festnahme nach § 35 Z 3 VStG vornahm, ohne dass dafür die rechtlichen Voraussetzungen vorlagen und zum anderen als Zeuge im Zuge der förmlichen Vernehmung vor dem VwG N.N. falsch ausgesagt hat, indem er anführte, dass sich seine Wahrnehmungen bezüglich der oben angeführten Festnahme mit der Aussage vor der LPD N.N. decken.

Das Gericht hat weiters festgestellt, dass dadurch das Verbrechen des Amtsmissbrauchs sowie das Vergehen der falschen Beweisaussage begangen wurden, wobei als mildernd der bisherige ordentliche Lebenswandel, das reumütige Geständnis, die überlange Verfahrensdauer und das Wohlverhalten seit der Tat, als erschwerend jedoch das Zusammentreffen von einem Verbrechen und einem Vergehen gewertet wurde.

An diese von Gericht vorgenommenen Tatsachenfeststellungen und auch Beweisfeststellungen ist die Disziplinarkommission gemäß § 95 Abs. 2 BDG gebunden.

Zu prüfen bleibt in diesem Fall nur mehr, ob und zu welchen Punkten ein disziplinärer Überhang gegeben ist.

Dazu ist folgendes anzuführen:

Zum Vorliegen des disziplinären Überhanges wird ausgeführt, dass in den Fällen, in denen eine Ahndung gemäß § 43 Abs. 2 BDG in Betracht kommt, ein disziplinärer Überhang immer vorliegen wird. Gerade diese Bestimmung enthält nämlich mit ihrem Abstellen auf das „Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben“ einen spezifisch dienstrechtlichen Aspekt, der von keinem Tatbestand eines anderen Strafrechtsbereiches wahrgenommen ist. Auch der VwGH vertritt diese Ansicht, dass der Gesichtspunkt der Vertrauenswahrung ein spezifisch dienstrechtlicher ist und daher sogar bei einer gerichtlichen Verurteilung nicht berücksichtigt wird.

Unbeschadet dessen hat der Beamte aber seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 2 BDG verletzt. Diese Norm enthält nämlich – wie unten noch weiter auszuführen sein wird - mit dem Abstellen auf das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung des Amtes einen spezifisch dienstrechtlichen Aspekt, welcher gemäß ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von keinem Tatbestand eines anderen Strafrechtsbereichs umfasst ist.

Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG:

Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben

erhalten bleibt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 43 Abs. 2 BDG 1979 bereits wiederholt ausgesprochen hat, lassen die Worte 'in seinem gesamten Verhalten' den Schluss zu, dass hierdurch nicht nur das Verhalten im Dienst gemeint ist, sondern auch außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen. Dieser sogenannte Dienstbezug ist dann gegeben, wenn das Verhalten des Beamten bei objektiver Betrachtung geeignet ist Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben - das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben (besonderer Funktionsbezug), aber auch jene Aufgaben, die jedem Beamten zukommen - nicht in sachlicher (rechtmäßig und korrekt sowie unparteiisch und in uneigennütziger) Weise erfüllen (vgl. dazu z.B. Schwabel/Chilf, Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Landeslehrer und Soldaten, zweite Auflage, Fußnote 17 zu § 43 BDG, Seite 7 f) und damit seine Glaubwürdigkeit einbüßt. Dabei ist von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen.

Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liegt nach Auffassung des VwGH in der allgemeinen Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft. Insofern stellt § 43 Abs. 2 BDG auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar und wird von keinem anderen Tatbestand des Dienstrechts abgedeckt.

Ob das vorliegende Verhalten an die Öffentlichkeit gelangt ist, ist unerheblich und spielt bei der Beurteilung des Dienstbezuges keine rechtserhebliche Rolle. Tatsache ist jedoch, dass sich der Vorfall in der Öffentlichkeit, nämlich während einer Demonstration gegen den Klimawandel, zugetragen hat. Die Polizei steht aber gerade bei derartigen Veranstaltungen im Fokus der Öffentlichkeit und wird jegliches Einschreiten der Exekutive seitens der Bevölkerung nicht nur mit Argwohn beobachtet, sondern auch zumeist mittels der modernen Technik (Handy) dokumentiert und unverzüglich über soziale Netzwerke verbreitet. Die Allgemeinheit wird dabei lediglich über eine kurze Sequenz eines Polizeieinsatzes informiert. Wie sich dieser Polizeieinsatz bereits im Vorfeld gestaltet hat oder welche Ereignisse für das weitere Geschehen Auslöser waren, sind auf dem Video nicht zu sehen und spielen für die Öffentlichkeit auch keine Rolle. Sie sehen lediglich Polizisten, die einen Demonstranten „misshandeln“. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass mit einer derartigen Vorgangsweise eine Diskussion über Polizeigewalt in den Medien entfacht, das Ansehen der Behörde geschädigt und die Arbeit der Polizei denunziert werden soll.

Wie der Beamte in der heutigen Verhandlung ausdrücklich hervorhob, hat er sich damals auf seinen Kollegen verlassen und diesen dummerweise unterstützt. Er hatte blindes Vertrauen zu ihm und hätte auch nicht die Festnahmemeldung des Kollegen gelesen. Dies deshalb, weil dieser ein dienstführender Beamter und damit eine Vorgesetztenfunktion innehat – und zudem bei der Demo die Funktion eines Gruppenkommandanten hatte. Er habe sich beim VwG N.N. genau auf diese Meldung bzw. seine Aussage bei der LPD N.N. berufen, konnte sich aber auf den tatsächlichen Ablauf gar nicht erinnern.

Bemerkenswert für den Senat war der Umstand, dass der Disziplinarbeschuldigte von der Richterin des VwG N.N. hinsichtlich seines Aussageverweigerungsrechtes falsch belehrt und sogar darauf hingewiesen wurde, dass er als Zeuge aussagen müsse, obwohl er bereits im Strafverfahren als Beschuldigter geführt wurde. Explizit führte der Beamte laut Protokoll in der mündlichen Verhandlung vor dem VwG N.N. an, dass sich das Ermittlungsverfahren der StA N.N. auf §§ 83 und 313 StGB bezieht und nicht auf § 89 StGB. Dennoch wurde seitens der Richterin nicht korrigierend eingegriffen und der Beamte nicht dahingehend belehrt, dass es sich um den gleichen Sachverhalt handle und er sich mit seiner Aussage nicht belasten müsse.

Als Konsequenz dieser falschen Rechtsbelehrung erfolgte eine Verurteilung wegen falscher Zeugenaussage.

Seitens des Senates wird angeführt, dass der Staatsanwalt im Parallelverfahren zur Klima-Demo festgestellt hat, dass es beinahe menschenunmöglich ist, nach mehrstündigem Einsatz und hoher Stressbelastung alle Details des Geschehens rundum wahrzunehmen.

Zum damaligen Zeitpunkt ging der Disziplinarbeschuldigte davon aus, dass sein Kollege eine korrekte Amtshandlung geführt hat und er selbst lediglich unterstützend mitwirkte, um die Amtshandlung zu vollziehen. Er verließ sich dabei auf einen vorgesetzten Gruppenkommandanten.

Der Senat vertritt zudem die Ansicht, dass man sich als Insp. der Exekutive darauf verlassen können muss, dass die Amtshandlung eines E2a Beamten von diesem rechtmäßig durchgeführt und auch entsprechend dokumentiert wird.

Unter diesem Gesichtspunkt ist der Senat der Ansicht, dass sowohl aus spezialpräventiven Gründen als auch nach den Aspekten der Generalprävention mit einem Verweis im Hinblick auf die hohe Gerichtsstrafe das Auslangen zu finden sein wird.

Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:

Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Disziplinarbeschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der jüngsten Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Disziplinarbeschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaß eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen, oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff und ihr folgend das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007).

Maßstab für die Strafbemessung ist vor allem das Verschulden des Disziplinarbeschuldigten in der konkreten Situation und dieses verlangt aus spezialpräventiven Gründen eine Sanktion. Als Strafrahmen sah der Senat deshalb eine Geldstrafe im unteren Bereich als ausreichend an. Aus generalpräventiven Gründen muss den Kollegen vor Augen geführt werden, dass derartiges Fehlverhalten bedingungslos sanktioniert wird.

Im konkreten Fall waren jedoch das reumütige Geständnis, die disziplinäre Unbescholtenheit, die sehr gute Dienstbeschreibung sowie die Belobigung mildernd zu werten.

Erschwerend wirkten 2 Dienstpflichtverletzungen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2023
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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