Norm
BDG 1979 §43 Abs2 und §44 Abs1 BDG i.V.m. DA „Social Media“ i.V.m. §91Schlagworte
Urkundenfälschung, Nazibild, Krankenst.Text
Die Bundesdisziplinarbehörde hat am 08.06.2022 nach der am 08.06.2022 in Abwesenheit des Beamten, des Verteidigers, des Disziplinaranwaltes und der Schriftführerin durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
I)
Der Beamte ist schuldig,
? er hat gemeinsam mit A.A. in der Zeit zw. April und Mai 2021 in zivil und außer Dienst zumindest 2 falsche Stempeln – einen mit der Aufschrift „N.N." und einen mit der Aufschrift „N.N.“ - mit dem Vorsatz herstellen lassen, um damit COVID-19 Testergebnisse und Impfpässe zu erzeugen und damit in Kauf genommen, dass diese in weiterer Folge im Rechtsverkehr gebraucht werden,
? er hat am 27.03.2020 um 20.14 Uhr in zivil und außer Dienst eine Bilddatei mit nationalsozialistischem Gedankengut und Hintergrund („Führerhauptquartier - Passierschein“) von seinem Handy (Rufnummer N.N.) per WhatsApp an A.A. weitergeleitet und sich dadurch gegen die Dienstanweisung „Social Media“ der LPD N.N. verstoßen,
? er hat sich am 20.05.2021 während seines Krankenstandes (Beschwerden an der Wirbelsäule), welcher bereits seit 10.05.21 andauerte, von seinem Wohnort N.N. mit dem Auto nach N.N. (Entfernung ca. 300km) begeben, um dort für private Zwecke ein Fahrzeug zu besichtigen,
er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BDG und § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. DA „Social Media“ i.V.m. § 91 BDG 1979 begangen.
Über den Beamten wird gemäß § 92 Abs. 1 Zi 3 BDG eine Geldstrafe in der Höhe von € 15.000,- (in Worten fünfzehntausend) verhängt.
II)
Die Suspendierung des Beamten wird gemäß § 112 Abs. 6 BDG mit sofortiger Wirkung aufgehoben.
III)
Seitens des Beamten wurde gemäß § 127 BDG eine Ratenzahlung im Ausmaß von 36 Monatsraten beantragt und seitens des Senates bewilligt.
Dem Beamten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.
Begründung
Der Verdacht, schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige der Dienstbehörde vom 16.06.2021 zu N.N. und der Nachtragsdisziplinaranzeige, den Erhebungen der LPD N.N., LKA und StA N.N., sowie der rechtskräftigen Diversion des LG N.N.
Sachverhalt:
Am 09.04.2021 erstattete B.B. auf der PI N.N. eine Anzeige, wonach er in seiner als Eigentümer vermieteten Wohnung in N.N., N.N. „verdächtige bzw. bedenkliche“ Gegenstände vorgefunden hätte, welche auf die Begehung strafbarer Handlungen hinweisen würden.
Im Zuge von Erhebungen durch das LKA N.N. konnte hierbei festgestellt werden, dass die oa. Wohnung mittels gefälschtem Polizeidienstausweis lautend auf C.C., N.N. geb., angemietet worden war, welcher sich nach umfangreichen Ermittlungen durch das LKA N.N. in weiterer Folge als A.A. identifizierte.
Im Zuge der Ermittlungen des LKA N.N. konnte der Beamte als weiterer Verdächtiger ausgeforscht werden und wurde sohin als Mit/Beitragstäter geführt.
Auf Anordnung der StA N.N. wurde sodann am 20.05.2021 die Festnahme des A.A. an dessen Aufenthaltsadresse vollzogen, und eine Hausdurchsuchung an dessen sowie an der Wohnadresse des Beamten durchgeführt. Hierbei konnten im Zuge der Durchsuchung der Wohnung des A.A. neben Suchtmittel, gefälschten Dienstausweisen sowie mehreren Schusswaffen, auch zwei falsche Stempel, welche in COVID-19 Impfpässen Verwendung finden sollten, aufgefunden und sichergestellt werden.
Bei den Aufdrucken der Stempel handelt es sich um „Dr. med. univ. N. W.“ und „Stadt Wien Gesundheitsdienst Thomas Klestil Platz 1030 Wien“. Bei der Hausdurchsuchung an der Wohnadresse des Beamten konnten diverse Unterlagen sowie Aufzeichnungen, welche im Zusammenhang mit den gefälschten zwei Stempel stehen und deren Fälschung bestätigen, sichergestellt werden.
Im Rahmen der anschließenden sofortigen Vernehmung des Beamten zeigte sich dieser betreffend die Mitwirkung an der Herstellung bzw. Fälschung der Stempel geständig.
Der Bwurde wegen des Verdachtes nach §§ 12 i.V.m. 223 und 224 StGB der StA Korneuburg zur Anzeige gebracht.
Suspendierung:
KontrInsp. GROß wurde am 07.06.2021 aufgrund der bisherigen Ermittlungen gem. §112 Abs. 1 BDG 1979 vorläufig vom Dienst suspendiert.
Seitens der Bundesdisziplinarbehörde wurde mit Bescheid vom 23.06.2021, zugestellt am 26.06.2021, die Suspendierung gem. § 112 Abs. 2 BDG verfügt.
Nachtragsdisziplinaranzeige
Anlastungen durch die Dienstbehörde:
Der Beamte steht im Verdacht,
a.
sich trotz bestandenem Krankenstand am 20.05.2021 zur Besichtigung eines Autos nach N.N. (ca. 300km entfernt vom Wohnort) begeben zu haben, sowie
b.
am 27.03.2020, um 20:14 Uhr, von seinem Mobiltelefon mit der Rufnummer N.N. an A.A. eine WhatsApp Nachricht mit eindeutigem nationalsozialistischem Gedankengut und Hintergrund übermittelt zu haben,
weshalb ihm die Verletzung seiner Dienstpflichten gem. § 43 Abs. 2 und § 44 Abs. 1 BDG 1979 i.V.m. der DA „Dienstordnung der Landespolizeidirektion N.N.“, GZ: N.N. v. 23.01.2013, sowie der DA „Social Media- Private Nutzung von Sozialen Netzwerken - Rechtliche Verbindlichkeiten“, v. 25.06.2021 zur Last gelegt wird.
Sachverhalt:
Ad a:
Am 15.06.2021 langte ho. die Beschuldigtenvernehmung des Beamten ein, in welcher er angab, sich zum Zeitpunkt der angeordneten Hausdurchsuchung am 20.05.2021 nicht zu Hause befunden zu haben, da er sich mit einem Freund ein Auto in N.N. angesehen habe. Der Ort N.N. befindet sich über 300 km, gerechnet vom Wohnort des Beamten in N.N., entfernt. Der Beamte befand sich am 20.05.2021 bereits seit 10.05. im Krankenstand.
Ad b:
Dem Abschlussbericht des LKA/N.N. vom 27.08.2021 ist zu entnehmen, dass der Beamte am 27.03.2020, um 20:14 Uhr, mit seinem Mobiltelefon eine Bilddatei mit eindeutigem nationalsozialistischem Gedankengut und Hintergrund via WhatsApp an A.A. übermittelte.
Als Zusatz zur versendeten Bilddatei schrieb er um 20:15 Uhr desselben Tages eine Nachricht an A.A. mit dem Inhalt „Falls du einen Passierschein brauchst“.
Ergänzende Sachverhaltsdarstellung der Disziplinanzeige vom 16.06.2021:
Bereits in der Disziplinaranzeige vom 16.06.2021 wurde die Beitragstäterschaft des Beamten betreffend die Fälschung der Impfpässe und Stempel zur Anzeige gebracht.
Durchgeführte Ermittlungen belegten nun folgendes:
Im Zuge eines durch das LKA/N.N. durchgeführten Augenscheins des E-Mail Accounts des Beamten konnte eine E-Mail vom 27.04.2021, 21:50 Uhr, von A.A. an den Beamten festgestellt werden, in welcher die Stempelvorlagen übermittelt wurden.
Mehrmals wird im Zuge von Telefongesprächen zwischen dem Beamten und A.A. von Letztgenanntem erwähnt, dass er die in Auftrag gegebenen Stempel für Impfpässe benötige und diese darin Verwendung finden sollen. Auf Nachfrage des Beamten, wie viel ein solcher Pass in weiterer Folge kosten würde, gab er weiters an, mehrere (fünf/sechs) Interessenten zu haben. Diese Ermittlungsergebnisse wurden mittels des 5. und 6. Anlassberichtes ho. am 15.06.2021 bekannt.
Mittels Abschlussberichtes vom 27.08.2021, ho. eingelangt am 23.09.2021, wurden ausgewertete WhatsApp Chatverläufe zwischen dem Beamten und A.A. übermittelt, welche zeigten, dass A.A. am 11.05.2021, um 07:46 Uhr, folgendes an den EB schickte: „Stempel?“ Um 07:52 Uhr desselben Tages antwortete der Beamte: „Sollte heute bzw morgen bei mir sein“ und bestätigte er am 17.05.2021, um 10:38 Uhr, mit der Nachricht: „Stempel eingetroffen“, den Erhalt der Lieferung.
Am 17.05.2021, um 20:04 Uhr, erhielt der Beamte eine Bilddatei von A.A., welche einen Impfpass mit eingetragenem Datum (19.04.2021), Impfstoffetikette sowie den Stempeldrucken „Dr. med. univ. N. W.“ und „Stadt Wien Gesundheitsdienst Thomas Klestil Platz 1030 Wien“. zeigt. Diese Nachricht wurde von dem Beamten gelesen und unterhält er sich ebenfalls um 20:04 Uhr mit A.A. im Zuge eines Telefonats darüber.
A.A. „beklagt“ sich in dem Gespräch, dass die Stempeldrucke im Vergleich zum Original zu groß seien.
Polizeichefärztliches Gutachten (Krankenstand)
Zwecks Beurteilung, ob das Krankheitsbild des Beamten mit der Fahrt nach N.N. zur Besichtigung eines Autos vereinbar war, wurde durch das Büro N.N. eine chefärztliche Vorstellung in die Wege geleitet. Bei der chefärztlichen Untersuchung vom 14.06.2021 wurde der Krankenstand des Beamten auf Grund von Beschwerden an dessen Wirbelsäule durchgängig als gerechtfertigt befundet. Ob seine „Reisebewegung“ von seinem Wohnort bis nach N.N. mit seinem Krankheitsbild vereinbar war, ist dem Befund nicht zu entnehmen.
Verantwortung:
Der Beamte wurde auf Grund seiner versendeten Bilddatei mit nationalsozialistischem Gedankengut im Zuge einer Beschuldigtenvernehmung am 23.08.2021 zum Sachverhalt befragt. Nach Besprechung mit seinem Rechtsanwalt gab er an, sich zum Vorwurf vorerst nicht äußern zu wollen. Er werde eine schriftliche Erklärung abgeben und diese der zuständigen Staatsanwaltschaft N.N. zukommen lassen.
Im Zuge der Beschuldigtenvernehmung zum Vorwurf der Impfpassfälschung gab der Beamte an, ihn und A.A. verbinde eine langjährige – fast 30 Jahre andauernde- Freundschaft.
A.A. sei an ihn herangetreten und habe gefragt, ob er ihm Stempel besorgen könne. Der Beamte habe dies bejaht und daraufhin die Vorlagen per E-Mail erhalten.
Da einer der Stempel auf einen Arzt lautete, habe er sich bei A.A. erkundigt, weshalb er diese benötigen würde. Zunächst sei er noch davon ausgegangen, dass A.A. die Stempel im Auftrag eines ihm bekannten Arztes bestellt habe. Auf Nachfrage habe A.A. erzählt, dass er die Stempel für Impfpässe benötigen würde. Von diesem Zeitpunkt an sei ihm bewusst gewesen, dass A.A. vorhatte, Impfpässe fälschlicherweise herzustellen bzw. diese auf illegale Weise zu vertreiben. Im anfänglichen Glauben, A.A. würde die Impfpässe zunächst nur für sich selbst verwenden, habe er allerdings später im Zuge von Gesprächen erfahren, dass A.A. beabsichtige, die verfälschten Impfpässe an Personen zu verkaufen.
Er habe ihm gesagt, dass er eventuelle Interessenten als Abnehmer der Pässe habe und wie viel A.A. für diese gefälschten Pässe verlangen würde. Diese Frage sei ihm allerdings nie beantwortet worden.
Die Aussage, etwaige Interessenten zu haben, sowie die Frage nach dem Preis habe er nur gestellt, um A.A. zu testen, ob dieser sein „Vorhaben“ auch wirklich ernst meine oder „nur angeben möchte“. A.A. sei in seinen Augen ein „Alleskönner“, „Aufschneider“ und „Angeber“.
Da er bis zum Schluss der Meinung gewesen sei, dass A.A. nur seinen eigenen Impfpass fälschen wolle und eine in Umlaufbringung mangels Abnehmer nicht möglich sei, habe er es bei der „Angeberei“ des A.A. belassen und die Bestellung der Stempel bei der Firma „N.N.“ in Auftrag gegeben. Am 17.05.2021 habe er die fertigen Stempel an A.A. übergeben.
Es sei alles ein Blödsinn gewesen und täte es ihm wirklich leid.
Bezüglich der am 17.05.2021 von A.A. erhaltenen Bilddatei, welche einen gestempelten Impfpass zeigt und Thema des anschließend geführten Gesprächs mit A.A. war, gab der Beamt an, diese Bilddatei nach seiner Erinnerung nach nie erhalten zu haben. Dass die Nachricht den Status „zugestellt und gelesen“ trägt, könne er sich nicht erklären.
Gerichtsverfahren:
Zu den Vorwürfen wegen des Verdachtes nach §§ 12 i.V.m. 223 StGB sowie § 3g Verbotsgesetz wurde seitens der StA N.N. ein Strafantrag eingebracht.
Hinsichtlich Beihilfe zur Urkundenfälschung erfolgte seitens des LG Eisenstadt (örtl. Zuständigkeit nach dem schwersten Delikt) eine Diversion unter Zahlung eines Geldbetrages in der Höhe von € 2.000,-. Hinsichtlich VerbotsG erfolgte eine Einstellung des Verfahrens gem. § 190 StPO.
Mündliche Disziplinarverhandlung:
Mit Bescheiden vom 04.08.2021 und 22.11.2021 wurde das ordentliche Disziplinarverfahren eingeleitet und nach Abschluss des Gerichtsverfahrens die mündliche Verhandlung für 08.06.2022 anberaumt und durchgeführt.
Der Beamte selbst war aufgrund Erkrankung bei der Verhandlung abwesend und hat sich entschuldigt, er entsandte einen Vertreter, sodass die Verhandlung gem. § 125 a Abs. 1 BDG in Abwesenheit stattgefunden hat.
Seitens des Verteidigers wurde zu Beginn der Verhandlung bekanntgegeben, dass sich der Beamte zu allen Punkten für schuldig bekennt.
Er bedauert sein Verhalten sehr und führte an, dass mit dem gefälschten Impfpass lediglich einen langjährigen Freund in einer familiären Krise helfen und diesen unterstützen wollte. Er habe angenommen, dass der Impfpass nicht für seinen Freund selbst, sondern für dessen um viele Jahre jüngere Gattin, die eine Impfgegnerin wäre, bestimmt war. Er blieb bei seiner Verantwortung, dass er selbst keine potentiellen Kunden hatte, sondern er dies nur sagte, um seinen Freund „zu testen“.
Betreffend die Übermittlung des „Führerhauptquartier“ per WhatsApp verantwortete sich der Beschuldigte damit, dass er zum einen aus „Blödheit“ so agiert hätte und zum andern ihm die Dienstanweisung „Social Media“ nicht so geläufig war. Er bedauerte auch dieses Verhalten sehr.
Betreffend Krankenstand gab der Verteidiger bekannt, dass dem Beamten die gängige Judikatur nicht bekannt war und er davon ausgegangen ist, dass er sich während des Krankenstandes sehr wohl außer Haus bewegen dürfe.
Im Zuge des Beweisverfahrens wurden sämtliche Niederschriften des Beamten sowie die Diversion des LG N.N. und die Einstellungsnote verlesen. Gleichzeitig erfolgte der Hinweis, dass der Senat an derartige Entscheidungen des Gerichts bzw. der StA nicht gebunden ist gem. § 95 Abs. 2 BDG und aus eigenem ein Beweisverfahren durchzuführen hat.
Der Disziplinaranwalt führte in seinem Plädoyer aus, dass der Sachverhalt aufgrund des Geständnisses und des Beweisverfahrens hinreichend geklärt ist.
Der Beamte hat sich schwerer Dienstpflichtverletzungen zu verantworten, hinsichtlich der Impfpässe liegt ein hohes Maß an krimineller Energie vor. Die Verantwortung des Beamten ist für die Disziplinaranwaltschaft nicht nachvollziehbar und unschlüssig, zumal er- wie aus dem Wortprotokoll zu entnehmen ist – seinen Freund nur „testen“ wollte, als er potentielle Kunden erwähnte. Auch die WhatsApp Nachricht mit dem „Führerhauptquartier“ ist ein schwerwiegendes Delikt, da es einem erfahrenen Polizisten, noch dazu Vorgesetzten, doch möglich sein sollte, zu erkennen, dass dies jedenfalls nicht erlaubt ist. Zuletzt hat er während des Krankenstandes eine mehrstündige Autofahrt auf sich genommen, um sich zu privaten Zwecken ein Auto anzuschauen. Durch diese Verhalten in seiner Gesamtheit hat der Beamte das Vertrauen des Dienstgebers schwer erschüttert und geschädigt und kann auch keine positive Zukunftsprognose erstellt werden, sodass die schwerste Disziplinarstrafe gefordert wird.
Antrag: Entlassung
Der Verteidiger führte in seinem Plädoyer aus, dass die Beihilfe zur Urkundenfälschung ein leichtes Vergehen nach dem StGB darstellt und er dies gem. § 34 Z 7 StGB aus Unbesonnenheit und Blödheit gemacht hat und auch ein reumütiges Geständnis abgelegt hat. Der Haupttäter hingegen ist ein Krimineller, der auch entsprechend verurteilt wurde.
Auch hinsichtlich der verschickten WhatsApp Nachricht verantwortet sich der DB mit Unbesonnenheit – es hat sich einfach um einen „dummen Schmäh“ gehandelt.
Die Jud. Des BVwG war dem Beamten nicht bekannt, er wusste nicht, dass er sich im Krankenstand nicht frei bewegen darf.
Diesbezüglich wird ein Freispruch beantragt, hinsichtlich der beiden anderen Vorwürfe eine schuldangemessene Bestrafung.
Der Senat hat dazu erwogen:
Ad I)
Zum Schuldspruch
Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens zu dem Erkenntnis gelangt, dass der Beamte die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen schuldhaft begangen hat.
Der Vorwurf lautet dahingehend, dass der Beamte Beitragstäter bei der Urkundenfälschung, nämlich Impfpässe, war und während des Krankenstandes eine lange Autofahrt aus privatem Interesse zurücklegte, um in N.N. ein Auto anzuschauen, sowie dass er eine WhatsApp Nachricht mit dem Inhalt „Führerhauptquartier“ verschickte und damit gegen die DA Verstoß Social Media verstoßen hat.
Die Feststellungen ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage, der rechtskräftigen Diversion und dem heutigen Beweisverfahren.
Der Senat ist zwar gem. § 95 Abs. 2 BDG nur an ein Urteil und die darin enthaltenen Tatsachenfeststellungen gebunden und nicht an eine diversionelle Entscheidung, dennoch ist diese faktisch zu werten und hat sich der Beamte disziplinarrechtlich zu verantworten.
Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG zu den Punkten 1) und 3):
Gem. § 43 Abs. 2 BDG hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Für die Erfüllung des Tatbestandes nach § 43 Abs. 2 BDG kommt es (auch) nur darauf an, ob das vorgeworfene Verhalten seinem objektiven Inhalt geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch den Beamten in Frage zu stellen. Bei Rechtsverletzungen, die außer Dienst oder ohne Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit erfolgen, ist grundsätzlich darauf abzustellen, ob der Schutz des betreffenden Rechtsgutes zu den Berufspflichten des Beamten gehört. Zweifelsohne sind Exekutivbeamte im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben in der Regel zum Schutz von Verletzungen des gesamten StGB berufen und ist von ihnen zu erwarten, dass sie die darin geschützten Rechtsgüter nicht verletzen.
Der DB hat sohin seine Kernaufgaben verletzt, da er auch Urkundenfälschungen zur Anzeige zu bringen hat. Er jedoch unterstützte den Haupttäter noch damit, die Stempeln für die in weiterer Folge zu fälschenden Urkunden zu besorgen und gab auch bekannt, dass er einige potentielle Kunden hätte, die sich für diese „Impfpässe“ interessierten.
Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liegt nach Auffassung des VwGH in der allgemeinen Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft. Insofern stellt § 43 Abs. 2 BDG auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar und wird von keinem anderen Tatbestand des Dienstrechts abgedeckt.
Auch, dass der Beamte während des Krankenstandes eine derart lange Autofahrt auf sich nimmt, um seine privaten Interessen zu verfolgen, stellt eine Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG dar. Diesbezüglich wird auf die Judikatur des BVwG verwiesen, welche davon ausgegangen ist, dass die Vorgangsweise, im Krankenstand mit Beschwerden an der Wirbelsäule Aktivitäten (eine Autofahrt mit etwa 300 Km Entfernung) zu entfalten, eine erhebliche Dienstpflichtverletzung darstellt.
Der VwGH hat bereits hinsichtlich weit weniger schwerwiegender Sachverhalte dargelegt, dass dies negative Beispielswirkung für den Dienstbetrieb auslöst und geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben erheblich zu erschüttern.
Es kommt nicht darauf an, dass Außenstehende (die Öffentlichkeit) tatsächlich davon erfahren haben, sondern wie sie reagieren würden, wenn sie erfahren würden, dass ein Polizist – insb. in der Funktion als stellvertretender Kommandant – während des Krankenstandes eine derartige Tätigkeit ausübt. Dass hier Bedenken an der Eignung als Vorgesetzter und an der rechtmäßigen Ausübung des Dienstes entstehen können, liegt auf der Hand.
Bei lebensnaher Betrachtung kann die Meinung entstehen, dass der Disziplinarbeschuldigte aufgrund seines - nur unter bestimmten Bedingungen - kündbaren Dienstverhältnisses der Meinung ist, sich alles erlauben zu können. Dies hat nicht nur negative Folgen für seine Akzeptanz als Polizist, sondern wirft vor allem in der öffentlichen Wahrnehmung ein bedenkliches Bild auf ihn und letztlich auch auf den Zustand der Polizei, bzw. der Beamtenschaft selbst. Gerade der öffentliche Dienst ist – auch wegen seiner in der öffentlichen Meinung bestehenden angeblich zahlreichen Privilegien – ständiger Kritik ausgesetzt. Beamte, insbesondere Polizeibeamte, denen wichtigste hoheitliche Aufgaben übertragen sind, müssen sich daher stets so verhalten, dass das Ansehen ihres Berufsstandes keinen Schaden leidet und der Bürger Vertrauen in die Beamtenschaft und damit letztlich auch in den Staat hat. Einem Polizeibeamten muss bewusst sein, dass auch sein außerdienstliches Verhalten in der Öffentlichkeit kritischer wahrgenommen wird. Das vom DB gesetzte Verhalten war sohin objektiv geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Dienstverrichtung zu erschüttern.
Wenn sich der Beamte mit Unwissenheit betreffend gängiger Judikatur verantwortet, wird diesbezüglich seitens des Senates entgegengehalten, dass zum einen Unwissenheit nicht vor Strafe schützt und zum anderen schon aus der allgemeinen Lebenserfahrung abgeleitet werden kann, dass eine lange Autofahrt bei einem Wirbelsäulenleiden als strapaziös gilt.
Dienstpflichtverletzung nach § 44 Abs. 1 BDG zu Punkt 2)
Gemäß § 44 Abs. 1 BDG hat der Beamte die Weisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen. Das bedeutet, dass er sowohl die vom Bundesministerium für Inneres verlautbarten Erlässe, sowie auch die schriftlichen Befehle der zuständigen Landespolizeidirektionen und schriftliche oder mündliche Befehle/Dienstaufträge seiner Vorgesetzten zu befolgen hat. Gerade die Befolgung von Weisungen ist in einem militärisch organisierten Wachkörper wie der Exekutive Voraussetzung dafür, eine dem gesetzlichen Auftrag entsprechende Erfüllung der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben zu garantieren. Wie auch die Disziplinaroberkommission (bis 13.12.2013) wiederholt entschieden hat, zählen Verletzungen der Dienstpflicht nach § 44 Abs. 1 BDG zu den schwerwiegenden Verfehlungen gegen die grundlegendsten Pflichten im Rahmen eines jeden Beamtendienstverhältnisses . Da somit der Befolgung von Weisungen ein nicht bloß geringer Stellenwert zukommt, kann auch deren Nichtbefolgung nicht als Bagatelldelikt abgetan werden.
§ 44 Abs. 1 BDG 1979 erfasst somit die Pflicht des Beamten, seinen Vorgesetzten zu unterstützen und die Weisungen/Befehle seiner Vorgesetzten zu befolgen.
Als innerdienstlicher Verwaltungsakt stellen die Weisung, der Befehl bzw. ein Erlass Mitteln des Vorgesetzten dar, einen ihm untergeordneten Beamten entweder überhaupt zur Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben oder zu einer bestimmten Amtshandlung oder einem Unterlassen anzuhalten.
Der VwGH hat diese Bestimmung als eine so „grundsätzliche Bestimmung des Dienstrechtes“ gesehen, dass er bei der unberechtigten Ablehnung der Befolgung einer Weisung bzw. eines Befehls, eine Disziplinarstrafe für unbedingt erforderlich hält und die Voraussetzungen der geringen Schuld in § 118 Abs. 1 Z 4 BDG als keinesfalls gegeben angenommen hat.
Die gegenständliche Dienstanweisung, welche allen Mitarbeitern via Intranet kundgemacht wurde, dient der Sensibilisierung der Mitarbeiter und einer Bewusstseinsschaffung, um sich bei der Verwendung von sozialen Netzwerken durch die Allgemeinheit jeglicher Äußerungen und Inhalte nicht zu unüberlegten und gesetzeswidrigen Beiträgen hinreißen zu lassen, wobei insbesondere auf die § 43 Abs. 1 und 2 BDG, § 46 BDG Amtsverschwiegenheit und § 5 RLV hingewiesen wird.
Dabei werden von der Dienstanweisung nicht nur die sozialen Netzwerke von Facebook und Twitter umfasst, sondern auch WhatsApp, was sich wieder aus Punkt I) ableiten lässt, da die Netzwerke unter Punkt I) nur demonstrativ aufgezählt werden.
Der Beamte hat nach außen hin unpolitisch, unvoreingenommen und unparteiisch zu agieren, seine persönliche Meinung hat als Mitarbeiter eines militärisch ausgerichteten hierarchischen Betriebes keinen Platz und ist auch entbehrlich.
Dem Antrag des Verteidigers auf Freispruch betreffend der Anlastung Krankenstand konnte aufgrund der obigen Ausführungen nicht entsprochen werden.
Auch dem Antrag des DA konnte seitens des Senates nicht entsprochen werden, da nach Ansicht des Senates das Ausmaß der Dienstpflichtverletzungen in seiner Gesamtschau nicht ausreichend schwerwiegend war, um die schwerste Disziplinarstrafe zu rechtfertigen.
Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:
Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Disziplinarbeschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der jüngsten Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Disziplinarbeschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaß eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen, oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff und ihr folgend das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007).
Maßstab für die Strafbemessung ist vor allem das Verschulden des Disziplinarbeschuldigten in der konkreten Situation und dieses verlangt aus spezialpräventiven Gründen eine Sanktion. Als Strafrahmen sah der Senat deshalb eine Geldstrafe im oberen Bereich gerade noch als ausreichend an. Aus generalpräventiven Gründen muss den Kollegen vor Augen geführt werden, dass derartiges Fehlverhalten bedingungslos sanktioniert wird.
Mildernd: Geständnis, zahlreiche Belobigungen
Erschwerend: mehrere Dienstpflichtverletzungen, die disziplinäre Vorstrafe, sowie die Vorbildwirkung als Dienstführender und Vorgesetzter
Ad II)
Aufhebung der Suspendierung gem. § 112 Abs. 6 BDG:
Da im Zuge der Verkündung des Disziplinarerkenntnisses seitens beider Parteien ein Rechtsmittelverzicht abgegeben wurde, tritt die Beendigung der Suspendierung ex lege mit Abgabe des Rechtsmittelverzichts ein.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zuletzt aktualisiert am
07.02.2023