Entscheidungsdatum
04.01.2023Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §19Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Dr.in Strele über die Beschwerde des AA, vertreten durch RA BB, in 6020 Innsbruck, Adresse 1, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Tirol vom 06.12.2022, Zl ***, betreffend eine Ladung zur mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Angefochtener Bescheid, Beschwerdevorbringen und Beweisaufnahme:
Mit dem angefochtenen Ladungsbescheid zur mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren vom 06.12.2022, Zl ***, wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters mitgeteilt, dass die Ermittlungsergebnisse bekannt gegeben werden und Akteneinsicht gewährt wird.
Dieser Ladungsbescheid wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 12.12.2022 eigenhändig zugestellt.
In der Begründung dieses Ladungsbescheides wurde darauf hingewiesen, dass ab 01.12.2022 der behördliche Parteienverkehr ausschließlich über Online-Terminvereinbarung möglich ist. Hiefür wurde ein Link oder QR-Code zur Verfügung gestellt.
Im Hinblick auf Ort und Zeit der Amtshandlung ist im Ladungsbescheid unter der Rubrik Datum „nach Terminvereinbarung“, unter der Rubrik Zeit „siehe Online-Terminvergabe“ und schließlich unter Stiege/Stock/Zimmernummer „EG / Zi **“ ausgeführt.
Der Beschwerdeführer wurde in diesem Ladungsbescheid weiters darauf hingewiesen, dass er wenn er dieser Ladung ohne wichtigen Grund – zB Krankheit, Gebrechlichkeit, zwingende berufliche Verhinderung, nicht verschiebbare Urlaubsreisen – ungerechtfertigt nicht Folge leistet, er damit rechnen muss, dass das Strafverfahren ohne seine Anhörung durchgeführt wird. Zudem wurde er aufgefordert, dass er in seinem eigenen Interesse sofort mitteilen möge, wenn er zum angegebenen Termin nicht kommen könne, damit dieser allenfalls verschoben werden kann.
In seiner fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde brachte der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter im Wesentlichen vor, dass die gegenständliche Vorgangsweise rechtswidrig sei, da kein Beschuldigter verpflichtet sei über einen Computer oder über ein Smartphone zu verfügen, um überhaupt einen Termin vereinbaren zu können. Es müsse nach wie vor möglich sein, telefonisch einen Termin für Akteneinsicht zu erhalten, da gemäß § 17 Abs 1 AVG bestimmt werde, dass die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von den Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien und Ausdrucke erstellen lassen können.
Soweit die Behörde, die die Sache betreffenden Akten elektronisch führe, könne der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.
Das Gesetz sehe nirgends vor, das zwingend nur eine Online-Terminvereinbarung möglich sei, zumal es keine gesetzliche Bestimmung gibt, dass ein Beschuldigter über die entsprechenden elektronischen Kommunikationsmittel verfügen müsse. Es müsse daher nach wie vor die Möglichkeit gegeben sein, entweder ohne Anmeldung Akteneinsicht zu nehmen oder zumindest telefonisch einen Termin für die Akteneinsicht vereinbaren zu können. Die Forderung im Ladungsbescheid vom 06.12.2022, die ihn ausschließlich auf eine Online-Terminvereinbarung verweise, sei daher rechtswidrig.
Abschließend wurde in diesem Rechtsmittel die Behebung des Ladungsbescheides beantragt. Dem Beschuldigten wolle gemäß § 17 Abs 4 AVG die jederzeitige Akteneinsicht ermöglicht werden bzw eine solche nach telefonischer Terminvereinbarung.
Aufgrund dieser Beschwerde wurde der behördliche Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Entscheidung über diese Beschwerde vorgelegt.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsstrafakt sowie in den entsprechenden Akt des Landesverwaltungsgerichtes Tirol.
II. Sachverhalt und rechtliche Beurteilung:
Mit dem gegenständlichen Ladungsbescheid zur mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die Ermittlungsergebnisse bekannt gegeben werden und Akteneinsicht gewährt würde. Eine konkrete Zeitangabe für die Mitteilung dieser Ermittlungsergebnisse und der Akteneinsicht wurde nicht genannt, andererseits aber ausgeführt, dass es im eigenen Interesse des Beschwerdeführers wäre, sofort mitzuteilen, wenn er zum angegebenen Termin nicht kommen könne, damit dieser allenfalls verschoben werden könne. Außerdem wurde der Beschwerdeführer in der Begründung dieses Bescheides darauf hingewiesen, dass wenn er dieser Ladung ohne wichtigen Grund - zB Krankheit, Gebrechlichkeit, zwingende berufliche Verhinderung, nicht verschiebbare Urlaubsreisen – ungerechtfertigt nicht Folge leisten könne, er damit rechnen müsse, dass das Strafverfahren ohne seine Anhörung durchgeführt werden wird.
Allerdings wurde der Beschwerdeführer in der Bescheidbegründung darauf hingewiesen, dass ab 01.12.2022 der behördliche Parteienverkehr ausschließlich über Online-Terminvereinbarung möglich sei. Hiefür wurde ein Link oder ein QR-Code zur Verfügung gestellt.
III. Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen sind unbestritten und ergeben sich zweifelsfrei aus dem behördlichen Verwaltungsstrafakt.
IV. Rechtliche Beurteilung:
Die Bestimmung des § 17 AVG „Akteneinsicht“ lautet wie folgt:
„(1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen. Soweit die Behörde die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.
(2) Allen an einem Verfahren beteiligten Parteien muß auf Verlangen die Akteneinsicht in gleichem Umfang gewährt werden.
(3) Von der Akteneinsicht sind Aktenbestandteile ausgenommen, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde.
(4) Die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber der Partei eines anhängigen Verfahrens erfolgt durch Verfahrensanordnung.“
Die Bestimmung des § 19 AVG „Ladungen“ lautet wie folgt:
„(1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen.
(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.
(3) Wer nicht durch Krankheit, Behinderung oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.
(4) Eine einfache Ladung erfolgt durch Verfahrensanordnung.“
Die Akteneinsicht soll den Parteien – auch in Gewährleistung der Waffengleichheit – die Möglichkeit geben, sich durch unmittelbaren Einblick in die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens selbst eine Meinung zu bilden und dadurch genaue Kenntnis vom Gang des Verfahrens und von den Entscheidungsgrundlagen zu erlangen.
Diese Akteneinsicht kann der Partei auf Verlagen in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.
Eine Ladung im Sinn des § 19 Abs 1 AVG ist primär der Befehl der Behörde an eine bestimmte Person, bei ihr zu erscheinen und hat somit diese Bestimmung den Verkehr zwischen Behörde und Beteiligten von der Seite der Behörden zum Gegenstand.
Nach § 19 Abs 1 AVG ist die Behörde berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen.
Aus der Sicht der Behörde ist die gegenständliche Vorladung des Beschwerdeführers nicht nötig, sondern wäre aus ihrer Sicht dem Beschwerdeführer „lediglich“ faktisch die Möglichkeit zur Akteneinsicht, im Sinne der Bestimmung des § 17 Abs 1 AVG einzuräumen gewesen, wobei dem Gebot des § 45 Abs 3 AVG vom Amts wegen die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens mitzuteilen, durch die bloße Möglichkeit der Akteneinsicht noch nicht entsprochen wird (vgl VwGH 09.03.2001, 2000/02/0116).
Allein aus diesen Gründen war daher der gegenständliche Ladungsbescheid nicht nötig und daher zu beheben.
Sollte das Erscheinen eines Beschuldigten aus Sicht der Behörde nötig sein, ist die Angabe von Ort und Zeit der Amtshandlung im Ladungsbescheid essenziell und es liegt keine Ladung im Sinn des § 19 AVG vor, wenn aus einem Ladungsbescheid der Termin der Vorladung nicht eindeutig und widerspruchsfrei zu entnehmen ist.
Im Übrigen ist kein Beschuldigter verpflichtet über einen Computer oder über ein Smartphone zu verfügen, um überhaupt einen Termin für eine Akteneinsicht vereinbaren zu können. Es muss nach wie vor möglich sein, telefonisch einen Termin für eine Akteneinsicht zu erhalten, weil gemäß § 17 Abs 1 AVG bestimmt, dass die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien und Ausdrucke erstellen lassen können. Soweit die Behörde, die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.
Auch sieht das Gesetz nirgendwo vor, dass zwingend nur eine Online-Terminvereinbarung möglich ist, zumal es keine gesetzliche Bestimmung gibt, dass ein Beschuldigter über entsprechende elektronische Kommunikationsmittel verfügen muss. Insofern muss auch nach wie vor die Möglichkeit bestehen, zumindest telefonisch einen Termin für eine Akteneinsicht vereinbaren zu können, wenn dies schon ohne Anmeldung nicht möglich sein sollte.
Insgesamt war sohin wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Sofern nichts anderes diktiert kommt hier Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Hinweis:
Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag.a Dr.in Strele
(Richterin)
Schlagworte
LadungsbescheidEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2022.13.3325.1Zuletzt aktualisiert am
07.02.2023