Entscheidungsdatum
05.01.2023Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §18 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Schreier über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Y vom 17.08.2022, ***, betreffend eine Übertretung nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang und entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
Mit Strafverfügung vom 16.11.2021 legte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer eine Übertretung nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz zur Last. Über ihn wurde eine Geldstrafe von Euro 150,00 verhängt.
Diese Erledigung bzw. die Urschrift weist folgende Fertigungsklausel auf:
„Bild anonymisiert“
Am 19.11.2021 erhob der Beschwerdeführer Einspruch gegen die Strafverfügung vom 16.11.2021.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 17.08.2022 wurde dem Beschwerdeführer folgendes zur Last gelegt:
„Sie, Herr AA, geb. am 02.11.1992, haben am 20.02.2021 um zumindest 15:00 Uhr in Y, Adresse 2, bei der BB-Säule, im Zuge einer Demonstration, folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Sie haben sich zu oben angeführter Zeit am oben angeführten Ort zum Zweck einer Teilnahme an einer Versammlung nach § 13 Abs. 3 Z 2 der 4. COVID-19- Schutzmaßnahmenverordnung - 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl. II Nr. 58//2021, i.d.g.F. i.V.m. § 15 Abs. 1 Z 2 des Epidemiegesetzes 1950 - EpiG, BGBl. Nr. 186/1950, i.d.g.F., aufgehalten, ohne den vorgeschriebenen Mindestabstand von zwei Metern gemäß § 13 Abs. 4 ersten Satz dieser Verordnung gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, eingehalten zu haben.“
Aufgrund dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von € 150,00 gemäß § 8 Abs 2 Z 2 COVID-19-Maßnahmengesetz - COVID-19-MG, BGBl I Nr 12/2020 idgF (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt sowie Verfahrenskosten in der Höhe von € 15,00 festgelegt.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde und führte in dieser zusammenfassend und im Wesentlichen aus wie folgt:
Es sei richtig, dass er an einer Versammlung teilgenommen habe, es wurde jedoch eine Maske getragen und es sei der Mindestabstand eingehalten worden.
Mit E-Mail vom 04.01.2023, Zahl LVwG-2022/50/2436-7, ersuchte das Landesverwaltungsgericht Tirol die belangte Behörde nach vorheriger telefonischer Anfrage mitzuteilen, ob die oben angeführte Strafverfügung von Herrn CC in Vertretung von Frau DD unterschrieben wurde. Laut Telefonat mit Herrn CC geschah dies jedoch erst, als der Akt dem Landesverwaltungsgericht vorgelegt wurde. Die schriftliche Ausfertigung an den Beschuldigten wurde jedoch laut Herrn CC von Frau DD selbst unterschrieben. Eine Urschrift dieser Erledigung samt Genehmigung von Frau DD liegt der belangten Behörde nicht vor, weshalb diese von Herrn CC in Vertretung unterschrieben wurde und dem Landesverwaltungsgericht vorgelegt wurde.
Mit E-Mail vom 04.01.2023 äußerte sich die belangte Behörde dazu und teilte Folgendes mit:
„(…)
ja, das kann ich so bestätigen.
Frau DD seit Ende Jänner 2022 nicht mehr in unserem Amt beschäftigt ist, weshalb die Strafverfügung bei der Vorlage von mir iV unterfertigt wurde.
(…)“
II. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem verwaltungsbehördlichen Akt und aus der Stellungnahme der belangten Behörde vom 04.01.2023.
Der Sachverhalt steht für das erkennende Landesverwaltungsgericht fest.
III. Rechtslage:
1. Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991:
Die entscheidungsrelevanten Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991, in den Fassungen BGBl Nr 51/1991 (§ 58) und BGBl I Nr
5/2008 (§ 18), lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:
„Erledigungen
§ 18. […]
(3) Schriftliche Erledigungen sind vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.
(4) Jede schriftliche Ausfertigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.
[…]“
„Inhalt und Form der Bescheide
§ 58. (1) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten.
(2) Bescheide sind zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird.
(3) Im Übrigen gilt auch für Bescheide § 18 Abs 4.“
IV. Erwägungen:
Erfolgt die zur Verfolgung einer Person gesetzte Amtshandlung in Schriftform, sind die Bestimmungen des § 18 Abs 3 und 4 AVG einzuhalten, zB VwSlg 9777 A/1979 (siehe Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 32 - Stand 1.5.2017, rdb.at)
Schriftliche Erledigungen sind gemäß § 18 Abs 3 AVG von Genehmigungsberechtigten mit einer Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-Government-Gesetz) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-Government-Gesetz) der Erledigung treten.
Eine Strafverfügung, bei der nur die im Akt befindliche Urschrift, nicht aber die an den Beschuldigten zugestellte Ausfertigung iSd § 18 Abs 4 AVG 1950 unterfertigt war, unterbricht nicht die Verfolgungsverjährung (siehe VwGH vom 12.10.1984, 84/02/0042 im gegenteiligen Fall des § 18 Abs 4 AVG).
Von der Frage der Genehmigung einer Erledigung (der Willensbildung, verkörpert in der Urschrift) ist jene der Frage der Bekanntgabe der Erledigung durch die Übermittlung (Zustellung) der schriftlichen Ausfertigung der Erledigung zu unterscheiden. Die behördeninterne Genehmigung der Entscheidung wird - seit der Novelle BGBl. 1990/357 - in Abs. 3, die Ausfertigung dieser Entscheidung an die Partei in Abs. 4 des § 18 AVG geregelt. Ein Mangel der Urschrift kann auch nicht durch eine fehlerfreie Ausfertigung saniert werden. Vielmehr kann eine Ausfertigung nur dann rechtliche Wirkungen zeitigen, wenn ihr eine gemäß § 18 Abs. 3 AVG genehmigte Erledigung (und nicht bloß ein Bescheidentwurf) zugrunde lieg. Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor - vgl. VwGH 15.10.2014, Ra 2014/08/0009 (siehe VwGH vom 30.06.2022, Ra 2019/07/0116).
Im vorliegenden Fall liegt keine von der dazumal zuständigen Sachbearbeiterin genehmigte Urschrift der Strafverfügung vor, weshalb diese nicht den Bestimmungen des § 18 Abs 3 AVG entsprach. Wie bereits oben ausgeführt, muss eine gültige schriftliche Verfolgungshandlung den Bestimmungen des § 18 Abs 3 und Abs 4 AVG entsprechen, widrigenfalls unterbricht diese nicht die Verfolgungsverjährung (siehe VwGH vom 12.10.1984, 84/02/0042 zu § 18 Abs 4 AVG).
Somit entspricht die Strafverfügung (Tatzeit 20.02.2021) nicht den Voraussetzungen des § 18 Abs 3 AVG und konnte daher keine rechtliche Wirkung erzeugen (vgl. VwgH vom 30.06.2022, Ra 2019/07/0116), weshalb das Straferkenntnis vom 17.08.2022 zu beheben war, weil zwischenzeitlich Verfolgungsverjährung eingetreten ist.
Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs 2 VwGVG verzichtet werden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Da sich das erkennende Landesverwaltungsgericht Tirol an der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes orientierte, war die ordentliche Revision nicht zuzulassen.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Schreier
(Richter)
Schlagworte
NichtbescheidEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2022.50.2436.8Zuletzt aktualisiert am
07.02.2023