Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AuslBG §28 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Fuchs und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der Landesgeschäftsstelle des AMS Tirol gegen den Bescheid des UVS in Tirol vom 3. November 1994, Zl. 17/49-3/1994, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mP: P in Z, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in I; weitere Partei: BMAS), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 22. März 1994 wurde die mitbeteiligte Partei wie folgt schuldig erkannt:
"Sie haben die beiden jugoslawischen Staatsangehörigen
1) H N, und 2) H E, zumindest am 17.6.1993 (Kontrolle durch das Arbeitsamt Innsbruck) auf der Baustelle der Firma S (Autoverwertung) in Z, bei Eisenverlegungsarbeiten ohne eine erforderliche, gültige Beschäftigungsbewilligung und ohne, daß diese im Besitz eines gültigen Befreiungsscheines oder einer gültigen Arbeitserlaubnis gewesen sind, beschäftigt.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
zu 1) § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz
zu 2) § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
zu 1) S 5.000,-- gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz
zu 2) S 5.000,-- gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz
Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von 5 Tage zu Punkt 1) und 5 Tage zu Punkt 2).
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes zu zahlen: zu Punkt 1) S 500,-- und zu Punkt 2) S 500,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 11.000,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 67 VStG)."
Dagegen erhob die mitbeteiligte Partei Berufung und bestritt darin, Arbeitgeber gewesen zu sein; die Ausländer seien weder in einem Arbeitsverhältnis noch in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis verwendet worden.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 3. November 1994 wurde der Berufung der mitbeteiligten Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 24 VStG Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis (der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck) behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.
Zur Begründung wurde (nach Darlegung der Verfahrensergebnisse) im wesentlichen ausgeführt, die Ermittlungen hätten keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß zwischen den Ausländern und der mitbeteiligten Partei ein Beschäftigungsverhältnis bestanden habe. Die mitbeteiligte Partei habe nur eine Vermittlerrolle gespielt. Das Gegenteil sei nicht beweisbar gewesen, zumal S seine frühere Beschuldigtenaussage über das Bestehen eines Werkvertrages als Zeuge nicht aufrecht erhalten habe. Im Zweifel habe von der Schuldlosigkeit der mitbeteiligten Partei ausgegangen werden müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende "Bescheidbeschwerde" (erkennbar gemeint: Amtsbeschwerde im Sinn des § 28a i.V.m. § 34 Abs. 13 AuslBG), die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes sowie wesentliche Verfahrensmängel geltend macht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die mitbeteiligte Partei erstattete gleichfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG (idF BGBl. Nr. 470/1995) gebildeten Senat erwogen:
Da das der Beschwerde zugrundeliegende Verfahren am 31. Dezember 1994 (noch) ein "anhängiger Geschäftsfall" war (der beschwerdeführenden Partei wurde der angefochtene Bescheid erst am 18. Jänner 1995 zugestellt), ist auch durch die am 20. Dezember 1994 vom Bundesminister für Arbeit und Soziales im Sinn des § 34 Abs. 13 AuslBG erlassene Verordnung, BGBl. Nr. 994/1994, ungeachtet der mit Wirkung vom 1. Jänner 1995 auf den genannten Bundesminister übergehenden Aufgaben und Befugnisse die Beschwerdelegitimation der beschwerdeführenden Partei deshalb nicht verlorengegangen, da zufolge § 3 der genannten Verordnung die "Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice" sämtliche zu diesem Zeitpunkt (noch) anhängigen Geschäftsfälle und Verfahren nach der bisherigen Rechtslage (des § 34 Abs. 13 AuslBG vor Erlassung der genannten Verordnung) zu Ende zu führen haben (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 7. September 1995, Zl. 94/09/0321).
In der mithin zulässigen Amtsbeschwerde wird unter dem Gesichtspunkt eines wesentlichen Verfahrensmangels gerügt, daß zur (fortgesetzten) öffentlichen mündlichen Verhandlung am 3. November 1994 kein Vertreter der beschwerdeführenden Partei geladen worden sei. Dadurch sei der beschwerdeführenden Partei die Möglichkeit genommen worden, ihre Parteirechte auszuüben - nämlich ergänzendes Vorbringen zu erstatten, Beweisanträge zu stellen sowie das Fragerecht auszuüben. Der beschwerdeführenden Partei sei somit "kein faires Verfahren gemäß den Bestimmungen des VStG" gewährt worden. Der Beschuldigte (mitbeteiligte Partei) und der als Zeuge vernommene Ausländer hätten (ergänzend) befragt werden müssen, wer das versprochene Essen den Ausländern gegeben habe und welche Anhaltspunkte hinsichtlich des (im Haus des vernommenen Zeugen wohnenden) bosnischen Vermittlers und dessen Personalien konkret bestünden. Die beschwerdeführende Partei hätte auch die Einvernahme des Zeugen N H, dessen Personalien und Adresse ihr bekannt gewesen seien, beantragt. Dadurch hätte die belangte Behörde aber zu der entscheidenden Feststellung gelangen können, über wessen Auftrag die Ausländer auf der Baustelle "S" gearbeitet haben. Mit diesem Vorbringen ist die beschwerdeführende Partei im Recht.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unbestritten, daß die beschwerdeführende Partei zunächst zur (ersten) Verhandlung am 12. Juli 1994 - die nach Einvernahme des Beschuldigten auf unbestimmte Zeit vertagt worden war -, hingegen aber nicht zur fortgesetzten Verhandlung am 3. November 1994 geladen wurde. In dieser - somit in Abwesenheit der beschwerdeführenden Partei durchgeführten - Verhandlung wurde nach der ergänzenden Vernehmung des Beschuldigten (mitbeteiligte Partei) sowie den Zeugeneinvernahmen des E H und des S (der sich der Aussage entschlagen hat) schließlich der nunmehr angefochtene Bescheid durch öffentliche Verkündung erlassen. Die belangte Behörde räumt in ihrer Gegenschrift dazu auch ausdrücklich ein, es sei nicht beabsichtigt gewesen, die beschwerdeführende Partei zur fortgesetzten Verhandlung am 3. November 1994 nicht zu laden, sondern dies "ist auf einen Irrtum zurückzuführen". Der weiteren Auffassung der belangten Behörde, die beschwerdeführende Partei habe dadurch weder einen "Rechtsnachteil" erlitten noch einen aufzuzeigen vermocht, ist nicht zuzustimmen.
§ 51e Abs. 1 und Abs. 4 VStG lauten:
"(1) Wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, dann ist eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden.
(4) Die Parteien sind so rechtzeitig zur Verhandlung zu laden, daß ihnen von der Zustellung der Ladung an mindestens zwei Wochen zur Vorbereitung zur Verfügung stehen."
§ 51g Abs. 2 VStG bestimmt:
"Außer dem Verhandlungsleiter sind die Parteien und ihre Vertreter, insbesondere der Beschuldigte, im Verfahren vor einer Kammer auch die übrigen Mitglieder berechtigt, an jede Person, die vernommen wird, Fragen zu stellen. Der Verhandlungsleiter erteilt ihnen hiezu das Wort. Er kann Fragen, die nicht der Aufklärung des Sachverhaltes dienen, zurückweisen."
§ 51h Abs. 1 und Abs. 3 VStG lauten:
(1) Das Verfahren ist möglichst in einer Verhandlung abzuschließen. Wenn sich die Einvernahme des von der Verhandlung ausgebliebenen Beschuldigten oder die Aufnahme weiterer Beweise als notwendig erweist, dann ist die Verhandlung zu vertagen.
(3) Nach Schluß der Beweisaufnahme ist den Parteien Gelegenheit zu ihren Schlußausführungen zu geben. Dem Beschuldigten steht das Recht der letzten Äußerung zu."
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist auszuführen, daß es sich im Beschwerdefall um ein Verwaltungsstrafverfahren nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG; Stammfassung BGBl. Nr. 218/1975) handelt, für das jedoch der von Österreich anläßlich der 1958 erfolgten Ratifikation der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gemäß deren Art. 64 erklärte Vorbehalt (Erstes Zusatzprotokoll zur EMRK; BGBl. Nr. 210/1958 - durch Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 59/1964 im Verfassungsrang) zu Art. 5 EMRK, der sich nach seiner Auslegung auch auf Art. 6 EMRK erstreckt, deshalb nicht gilt, weil die Verwaltungsstraftatbestände des AuslBG erst nach Abgabe des genannten Vorbehalts (neu) geschaffen wurden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1991, G 294/91, VfSlg. Nr. 12 948). Die dem Beschuldigten (in einem Strafverfahren) durch Art. 6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte, insbesondere das Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (über seine Berufung) wurden ihm nicht genommen. Mit dem Beschuldigten (mitbeteiligte Partei) wurde eine mündliche Verhandlung (vor einem als "Tribunal" zu wertenden Spruchkörper) durchgeführt, er bzw. "seine Sache" wurde "in billiger Weise öffentlich gehört" und das "über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage" ergangene "Urteil" (Bescheid) wurde (zumindest ihm gegenüber) öffentlich verkündet. Die im Art. 6 Abs. 3 EMRK umschriebenen "Verteidigungsrechte" sind ausdrücklich nur für den Angeklagten (Beschuldigten) vorgesehen.
Soweit die beschwerdeführende Partei - der nicht die Rolle eines Beschuldigten zukommt - in ihrer Amtsbeschwerde mit einem "fairen Verfahren" auch eine Verletzung des Art. 6 EMRK ansprechen sollte, liegt in der ausschließlich gerügten Verkürzung der ihr als Organpartei im Verwaltungsstrafverfahren (hier: nach dem AuslBG) zukommenden Mitwirkungsbefugnisse keine objektive Rechtsverletzung der durch Art. 6 EMRK zu gewährleistenden Verfahrensgarantien.
Die im Beschwerdefall gerügten Verletzungen betreffend die Teilnahme der beschwerdeführenden Partei (Amtspartei) an der fortgesetzten Verhandlung (§ 51e Abs. 1 und 4 iVm § 51h Abs. 1 VStG) und die damit im Zusammenhang stehenden Mitwirkungsbefugnisse (Fragerecht nach § 51g Abs. 2 VStG sowie Gelegenheit zu ergänzenden Beweisanträgen bzw. einem Schlußwort iS von § 51h Abs. 3 VStG) beruhen nicht auf einer rechtsirrigen Auslegung der Behörde über die Teilnahme- bzw. Mitwirkungsbefugnisse der beschwerdeführenden Partei, sondern auf einem ungewollten Versehen. Daß der belangten Behörde keine Verkennung der Rechtslage unterlaufen ist, zeigt auch der Umstand, daß die beschwerdeführende Partei wohl zur ersten mündlichen Verhandlung geladen wurde, für die in Abwesenheit der beschwerdeführenden Partei durchgeführte Verhandlung im angefochtenen Bescheid aber keine, insbesondere keine als rechtliche Beurteilung zu wertende Begründung gegeben wird. Bei dieser (auch durch den Inhalt der Gegenschrift bestätigten) Konstellation des Beschwerdefalles liegt demnach eine Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führt, wenn die belangte Behörde bei Einhaltung derselben zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (§ 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG).
Da nun die beschwerdeführende Partei dem von der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang aufgestellten Erfordernis, in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde die Relevanz des Verfahrensmangels darzutun, entsprochen hat, indem sie die Möglichkeit darlegte, daß die belangte Behörde durch ergänzende Einvernahmen bzw. eine Fortsetzung des Ermittlungsverfahrens (im in der Beschwerde dargestellten Sinn) zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können, erweist sich der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben (vgl. dazu beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 17. Juni 1994, Zl. 93/17/0351, und vom 13. Oktober 1995, Zl. 95/17/0004).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995090057.X00Im RIS seit
11.07.2001