TE Vwgh Beschluss 1995/12/12 95/08/0318

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.12.1995
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über den Antrag des A in I, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt, G, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der zur Zl. 95/08/0060 eingebrachten Beschwerde, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

Mit Berichterverfügung vom 24. Juli 1995 wurde dem Beschwerdeführer zur Zl. 95/08/0060 die Beschwerde (gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Burgenland vom 19. Jänner 1995 betreffend Rückforderung der Notstandshilfe) zur Behebung folgender Mängel zurückgestellt:

"Es ist, sofern der Bescheid zugestellt worden ist, eine Ausfertigung, Gleichschrift oder Kopie des angefochtenen Bescheides anzuschließen (§ 28 Abs. 5 VwGG); der angeschlossene Bescheid betrifft nicht einen Widerruf und eine Rückforderung von Notstandshilfe. Zur Behebung dieser Mängel wird eine Frist von drei Wochen, vom Tage der Zustellung dieses Auftrages an gerechnet, bestimmt ..."

Innerhalb der angeführten Frist legte der Beschwerdeführer mit einem Begleitschreiben ("Beiliegend übersende ich die Bescheidbeschwerde, einen Bescheid des Arbeitsamtes Stegersbach, Bescheid v. 19.1.1995") einen Bescheid des Arbeitsamtes Stegersbach vom 3. Mai 1994, mit dem die Zuerkennung der Notstandshilfe an den Beschwerdeführer für näher bezeichnete Zeiträume widerrufen und der sich daraus ergebende Gesamtbetrag von S 47.419,-- zurückgefordert wurde, sowie neuerlich den schon mit der Beschwerde vorgelegten, ebenfalls mit 19. Jänner 1995 datierten, aber die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung der Notstandshilfe betreffenden Bescheid der belangten Behörde vor.

Da der Beschwerdeführer demnach nicht der obgenannten Berichterverfügung entsprochen hatte, wurde das Beschwerdeverfahren mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1995 gemäß § 34 Abs. 2 iVm § 33 Abs. 1 VwGG eingestellt.

Mit dem vorliegenden, am 21. November 1995 zur Post gegebenen Antrag begehrte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Vorlage des angefochtenen Bescheides mit folgender, für die Erledigung des Antrages wesentlicher Begründung:

Der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1995 sei dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 9. November 1995 zugestellt worden. Erst daraus sei ihm bekannt geworden, daß dem Verwaltungsgerichtshof ein falscher Bescheid übermittelt worden sei. Die 14tägige Frist zur Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages sei daher gewahrt. Daß dem Verwaltungsgerichtshof nicht der angefochtene, sondern ein anderer Bescheid der belangten Behörde vorgelegt worden sei, habe seinen Grund in einem Versehen einer bereits seit 27 Jahren in der Kanzlei des Rechtsvertreters tätigen, überaus verläßlichen und genau arbeitenden Kanzleiangestellten, das ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG darstelle. Es sei nämlich vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers dieser Kanzleiangestellten der richtige Bescheid der belangten Behörde in die Hand gegeben worden, von ihr aber im Zuge der Kuvertierung und Postaufgabe dieser Bescheid mit dem anderen, ebenfalls mit 19. Jänner 1995 datierten und dieselbe Geschäftszahl tragenden Bescheid verwechselt worden.

Das Vorbringen des Wiedereinsetzungsantrages wurde durch eine inhaltsgleiche eidesstättige Erklärung der Kanzleiangestellten glaubhaft gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. e VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem den Beschluß vom 22. Oktober 1990, Zl. 90/12/0238, mit weiteren Judikaturhinweisen) ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzurechnen ist, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht (mit dem im zitierten Beschluß näher umschriebenen Inhalt) jenem Bediensteten gegenüber unterlassen hat.

Im vorliegenden Fall ist, ausgehend vom glaubhaft gemachten Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag, dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers keine die Versäumung der Frist bewirkende Verletzung der Überwachungspflicht anzulasten. Überläßt nämlich ein Rechtsanwalt nach Unterfertigung eines Schriftsatzes dessen Kuvertierung und Postaufgabe einer verläßlichen Kanzleikraft und unterläuft dieser hiebei ein Versehen, so liegt dem Rechtsanwalt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht zur Last (vgl. unter anderem die Beschlüsse vom 24. Oktober 1989, Zl. 89/08/0259, und vom 24. April 1990, Zl. 90/08/0047). Auf dem Boden dieser Rechtslage ist daher auch der gegenständliche Vorfall als ein für den Beschwerdeführer unvorhergesehenes und von ihm nicht verschuldetes Ereignis anzusehen, das ihn an der vollständigen Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages und damit (vgl. Beschluß eines verstärkten Senates vom 21. Juni 1988, Zl. 87/07/0049) an der Einhaltung der Mängelbehebungsfrist gehindert hat. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hat zwar durch die eher sorglose Formulierung des Begleitschreibens vom 23. August 1995, in welchem die Beilagen nur sehr ungefähr bezeichnet sind, den Irrtum der Kanzleiangestellten begünstigt, doch liegt darin - noch - kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden.

Dem Wiedereinsetzungsantrag war somit gemäß § 46 VwGG stattzugeben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995080318.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten