TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/13 91/10/0082

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Veröffentlicht am 13.12.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;

Norm

AVG §38;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
ForstG 1975 §1 idF 1987/576;
ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §3 idF 1987/576;
ForstG 1975 §5 Abs2;
ForstG 1975 §5;
ForstGNov 1987 Art2 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des J in K, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 23. November 1990, Zl. 18.322/21-IA8/90, betreffend Abweisung eines Rodungsansuchens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 27. September 1989 wies die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt den Antrag des Beschwerdeführers vom 20. Dezember 1985 auf Bewilligung der Rodung der Waldparzelle 325/1, KG M, im Ausmaß von 4.379 m2 zum Zwecke der Schaffung von Bauland gemäß den §§ 17 bis 19 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440 in der Fassung BGBl. Nr. 576/1987 (im folgenden: ForstG), ab.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

1.2. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 15. März 1990 wurde der erstinstanzliche Bescheid nach Einholung eines zusätzlichen forsttechnischen Gutachtens bestätigt. In der Begründung dieses Bescheides wurde unter anderem zu der vom Beschwerdeführer in Frage gestellten Waldeigenschaft der verfahrensgegenständlichen Fläche ausgeführt, daß diese auf dem Boden des forsttechnischen Befundes als Wald im Sinne des Forstgesetzes anzusehen sei. Die maßgebenden Ausführungen des forsttechnischen Amtssachverständigen werden wie folgt wiedergegeben:

"Die beantragte Rodefläche liegt am Nordrand dieses Waldkomplexes in völlig ebener Lage und stellt eine aus dem Jahr 1980 stammende Schlagfläche dar, die derzeit eine ca. mannshohe Schlagvegetation mit rotem Hartriegel, Pfaffenkäppchen, Faulbaum und einzelnen Eichen, Eschen, Weiden, Buchen und Birken aufweist. Im Mittelteil des Grundstückes sind große Blößen mit starker Vergrasung vorhanden, sodaß sich die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt veranlaßt sah, den Waldeigentümer mit Schreiben vom 28. Jänner 1988 an die Aufforstungsverpflichtung für dieses Grundstück zu erinnern. Deutlich sind die Wurzelstöcke des 1980 zum Einschlag gelangten Altbestandes zu sehen, sodaß an der Waldeigenschaft des im Kataster mit der Benützungsart "Wald" ausgewiesenen Grundstückes kein Zweifel besteht."

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und brachte im wesentlichen vor, daß es sich bei der in Rede stehenden Grundfläche nicht um Wald handle, da diese im Erinnerungszeitraum von ca. 20 Jahren immer als Wiese - Weide genutzt gewesen bzw. brach gelegen sei, wodurch eine Verstaudung eingetreten sei. Die Feststellungen im Bescheid des Landeshauptmannes, es handle sich um eine Schlagfläche aus dem Jahr 1980, seien durch nichts belegt; es würden weder Aussagen über die Bäume, die auf der gesamten Fläche gestanden seien, noch Aussagen hinsichtlich der Notwendigkeit einer Überschirmung von über 3/10 des das Hiebsunreifealter übersteigenden Bewuchses sowie des Alters der Stöcke und der Bewirtschaftung der Fläche in den letzten 15 Jahren getroffen. Es handle sich vielmehr um forstlich nicht genutzte Strauchflächen im Sinne des § 1 Abs. 4 lit. c ForstG, auf der nur vereinzelte Überhälter infolge einer extensiven landwirtschaftlichen Nutzung vorhanden gewesen seien. Zu diesem Ergebnis komme auch das Schätzgutachten des Ing. Ambros Wernisch, demzufolge aufgrund der Schätzung des Alters der Baumstöcke lediglich 13 Bäume in den letzten 15 Jahren geschlägert worden seien; diese Bäume hätten eine Überschirmung von 0,06, bezogen auf die gesamte Fläche, ergeben, sodaß die Fläche gemäß § 1 Abs. 4 lit. a ForstG nicht als Wald anzusehen sei; der Sachverständige komme zu dem Schluß, daß die Fläche in den vergangenen Jahren nicht als Wald genutzt worden sei und jetzt eine verstaudete, forstlich nicht genutzte Fläche darstelle.

1.3. Mit Bescheid vom 23. November 1990 - dem angefochtenen Bescheid - wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft diese Berufung als unbegründet ab. Nach der Begründung dieses Bescheides habe die belangte Behörde eine mündliche Verhandlung, verbunden mit einem Ortsaugenschein, durchgeführt. Der forsttechnische Amtssachverständige habe nachstehende Stellungnahme abgegeben:

"Beim am 14.11.1990 durchgeführten Lokalaugenschein wurde folgendes festgestellt:

Die 4.379 m2 große Parzelle wird östlich von einer Straße, südlich und westlich von Wald und nördlich von der Parzelle 325/21 (Baugrund) begrenzt.

Das ebene Grundstück ist derzeit voll mit Jugend I sowie einzelnen Dickungshorsten bestockt. Der Überschirmungsgrad beträgt zur Zeit im Durchschnitt 7/10 - 8/10. Im nördlichen und östlichen Teil des Grundstückes ist die Verjüngung bürstendick.

Die angetroffenen Baumarten setzen sich wie folgt zusammen:

0,9 Eiche, 0,1 übrige Laubhölzer (Birke, Erle, Hainbuche, Aspe, Linde und Weide) sowie im Westteil einzelne Fichtengruppen. Außer dem forstlichen Bestand sind Sträucher, unregelmäßig verteilt anzutreffen. Die Zusammensetzung der Verjüngung würde die Begründung eines naturnahen Laubmischwaldes erlauben und ist als dem Standort angepaßt zu betrachten. Die auf der Fläche vorgefundenen Stöcke (Fichte, Kiefer, einzelne Eichen) weisen einen unterschiedlichen Zersetzungsgrad auf. Dies ist teilweise auf die unterschiedliche Holzqualität sowie auf stark divergierende Zeitpunkte der forstlichen Nutzung zurückzuführen. Eine okulare Feststellung des Alters der vorgefundenen Stöcke erscheint aufgrund des Zustandes nicht möglich, da ab einem Alter von ca. 5-7 Jahren - je nach Baumart, Standort, Feuchtigkeit und Schädlingsbefall - die Zerstörung des Holzkörpers unterschiedlich erfolgt sein kann.

Wie sich nach Durchforschung der umgebenden Wälder ergab, ist offenbar eine Plenterung (Einzelstammnutzung) in dieser Besitzstruktur ortsüblich. Dadurch ergeben sich mehrschichtige Fichten- Kiefer- Laubmischwälder, die eine starke Differenzierung der einzelnen Individuen zulassen und aufweisen. Daher können auch im Bestand tief beastete Bäume angetroffen werden. Aufgrund der guten Wuchsvoraussetzungen (Standort) sind überdurchschnittliche Jahreszuwächse (bis 1 cm Jahrringbreite) festzustellen. Das Alter der umgebenden Bestände liegt zwischen 35 und 50 Jahren. Weiters ist anzuführen, daß auf der Parzelle einzelne Reisighaufen sowie Stöcke mit geringem Durchmesser vorgefunden wurden. Dies läßt darauf schließen, daß in den vergangenen Jahren zumindest kleinflächig Verjüngung entfernt wurde.

Laut Waldentwicklungsplan (WEP), welcher am 14.9.1989 durch den Herrn Bundesminister genehmigt wurde, ist die betroffene Fläche Bestandteil der Funktionsfläche ÖK 204 C1-132 und hat somit höchste Wohlfahrtsfunktion und erhöhte Erholungsfunktion. Als Funktionsbeeinträchtigung wird seitens der Forstbehörde Immissionsbelastung, vermehrt auftretende Forstschädlinge sowie der Rodungsdruck angeführt. Mit höchster Dringlichkeit wird laut WEP die Umwandlung in stabile Mischbestände sowie Einflußnahme auf die Flächenwidmung gegen den starken Rodungsdruck vorgeschrieben. Mit einem Bewaldungsprozentsatz von 14 % liegt die KG. M erheblich unter dem Durchschnittswert der Ortsgemeinde K.

Der WEP wurde vor Genehmigung der Landesraumplanungsbehörde vorgelegt und von dieser zur Kenntnis genommen. Der WEP hat infolge der Genehmigung durch den Bundesminister für die Behörde weisende Wirkung.

Zusammenfassend war und ist somit aus forstfachlicher Sicht die betroffene Fläche als Wald im Sinne des Forstgesetzes 1975 anzusehen. Bei Durchführung der beantragten Rodung würde in diesem ohnehin unterdurchschnittlich bewaldeten Gemeindegebiet neuerlich Wald für die Besiedelung geopfert werden, obwohl laut Gutachten des Sachverständigen für Raumplanung im erstinstanzlichen Verfahren genügend Baugrund auf Nichtwaldflächen vorhanden wäre. Weiters käme es zu einer Verringerung der Wohlfahrtsfunktion (naheliegender Emittent - Spanplattenwerk).

Einer Rodungsbewilligung wird aus ho. Sicht nicht zugestimmt. Im übrigen wird auf die forsttechnischen Gutachten der ersten und zweiten Instanz verwiesen."

Sodann heißt es in der Begründung weiter, die Feststellungen der zweiten Instanz, daß die Rodefläche einen Kahlschlag aufweise, auf dem sich in der Folge ein Naturanflug in Form von rotem Hartriegel, Pfaffenkäppchen, Faulbaum und einzelnen Eichen, Eschen, Weiden, Buchen und Birken eingestellt habe, würden durch das Gutachten des Amtssachverständigen der belangten Behörde bestätigt. Dessen Ausführungen sei zu entnehmen, daß die 4.379 m2 große Parzelle voll mit Jugend I (Eiche und andere Laubhölzer wie Birke, Erle, Hainbuche, Aspe, Linde und Weide sowie einzelne Fichtengruppen) voll bestockt sei, wobei der Überschirmungsgrad im Durchschnitt 7/10 bis 8/10 betrage.

Folge man den schlüssigen und in sich widerspruchsfreien Ausführungen des forsttechnischen Amtssachverständigen der dritten Instanz, so zeige sich, daß den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 ForstG entsprochen und daher die Fläche als Wald anzusehen sei.

Die privatgutachtlichen Ausführungen stellten lediglich auf die auf dem Grundstück verbliebenen Stöcke ab und ließen den übrigen forstlichen Bewuchs (Naturverjüngung bzw. Stockausschläge) unberücksichtigt. Der Gutachter habe lediglich darauf abgezielt, durch die Beurteilung des Alters der Stöcke den in den vergangenen 15 Jahren vorhandenen "BAUMbewuchs" zu rekonstruieren. Das Gutachten sei daher unvollständig, im Hinblick auf die Beurteilung der Waldeigenschaft unschlüssig und daher nicht geeignet, die Ausführungen der Amtssachverständigen zu widerlegen.

Die Grundfläche sei - wie die vorhandenen Baumstöcke unterschiedlichen Alters bewiesen - sehr wohl forstlich genutzt worden. Da die Stammentnahmen durch Aufforstungen nicht ersetzt worden seien, habe sich in der Folge Naturverjüngung eingestellt. Da bei Vorhandensein einer Naturverjüngung naturgemäß eine forstliche Nutzung ausscheide, sondern allenfalls Pflegemaßnahmen in Betracht kämen, könne auch die Schlägerung der letzten 13 Überhälter - laut Angabe des Privatgutachters vor ca. 10 Jahren - nicht zum Verlust der Waldeigenschaft führen. Wenn im Privatgutachten auch unter Bezugnahme auf das Luftbild einer Befliegung aus dem Jahr 1984/85 ausgeführt werde, daß die Fläche erst in den letzten 10 Jahren verstaudet sei, so sei festzuhalten, daß es sich bei dem Bewuchs nicht um "Stauden" oder überwiegend "Sträucher", sondern um Eichen-Naturverjüngung (90 %) handle, welche teilweise über 10 Jahre alt sei und in Summe voll ausreiche, das Gesamtgrundstück als verjüngt zu bezeichnen.

Da die Grundfläche sowohl derzeit als auch innerhalb der vergangenen 15 Jahre Wald im Sinne des ForstG gewesen sei (die Waldqualifikation sei nie weggefallen), weder eine Rodungsbewilligung erteilt noch aus einem anderen Anlaß seitens der Behörde festgestellt worden sei, daß es sich nicht um Wald handle, sei das Grundstück als Wald im Sinne des ForstG zu qualifizieren.

In den weiteren Ausführungen der Begründung wird dargetan, daß nach Ansicht der belangten Behörde kein öffentliches Interesse an der beantragten Rodung bestehe.

1.4. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. In der Begründung der Beschwerde wird unter anderem geltend gemacht, die belangte Behörde habe nicht auf § 5 Abs. 2 ForstG Bedacht genommen, wonach die Feststellung der Waldeigenschaft oder Nichtwaldeigenschaft einer Grundfläche auf den Zeitpunkt der Antragstellung und des diesem Zeitpunkt vorangegangenen Zeitraumes von 15 Jahren abzustellen sei. Zu Unrecht habe die belangte Behörde bei der Feststellung der Waldeigenschaft auf den Zeitpunkt der Begutachtung durch den forsttechnischen Amtssachverständigen im Verfahren dritter Instanz am 14. November 1990 abgestellt. Es könne daraus nicht geschlossen werden, daß auch zum Zeitpunkt der Antragstellung am 20. Dezember 1985 eine Verjüngung bestanden habe, welche den gemäß § 4 Abs. 1 ForstG erforderlichen Überschirmungsgrad von 5/10 der Grundfläche erreicht hätte. Desgleichen sei hinsichtlich der forstlichen Nutzung im relevanten Zeitraum nicht vom Zeitpunkt der Antragstellung ausgegangen worden. Hinsichtlich dieses Zeitraumes von 15 Jahren vor der Bescheiderlassung habe die belangte Behörde die Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 28. Jänner 1988 an den Beschwerdeführer, die als Schlagfläche bezeichnete Parzelle wieder aufzuforsten, unbeachtet gelassen. Im übrigen werden Verfahrensmängel geltend gemacht.

1.5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Im Beschwerdefall gilt das ForstG in der Fassung der ForstG-Nov 1987, BGBl. Nr. 576. Der im § 5 ForstG verwendete Begriff "Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes" ist seit Inkrafttreten dieser Novelle im Sinne der verwiesenen Begriffsbestimmungen in der Fassung der Novelle zu verstehen (vgl. in diesem Sinne die hg. Erkennnisse vom 25. September 1989, Zl. 88/10/0156 = ZfVB 1990/4/1686, und vom 3. November 1989, Zl. 88/10/0068 = ZfVB 1990/5/2149).

§ 1 ForstG lautet auszugsweise:

"(1) Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes sind mit Holzgewächsen der im Anhang angeführten Arten (forstlicher Bewuchs) bestockte Grundflächen, soweit die Bestockung mindestens eine Fläche von 1000 m2 und eine durchschnittliche Breite von 10 m erreicht.

(2) Wald im Sinne des Abs. 1 sind auch Grundflächen, deren forstlicher Bewuchs infolge Nutzung oder sonstigem Anlaß vorübergehend vermindert oder beseitigt ist.

(3) Unbeschadet ihrer besonderen Nutzung gelten als Wald im Sinne des Abs. 1 auch dauernd unbestocke Grundflächen, insoweit sie in einem unmittelbaren räumlichen und forstbetrieblichen Zusammenhang mit Wald stehen und dessen Bewirtschaftung dienen (wie forstliche Bringungsanlagen, Holzlagerplätze, Waldschneisen).

(4) Nicht als Wald im Sinne des Abs. 1 gelten

a)

unbeschadet anderer Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Grundflächen, die nicht forstlich genutzt werden und deren das Hiebsunreifealter übersteigender Bewuchs eine Überschirmung von drei Zehnteln nicht erreicht hat,

b)

bestockte Flächen geringeren Ausmaßes, die infolge des parkmäßigen Aufbaues ihres Bewuchses überwiegend anderen als Zwecken der Waldwirtschaft dienen,

c)

forstlich nicht genutzte Strauchflächen mit Ausnahme solcher, die als Niederwald bewirtschaftet wurden oder für welche die Schutzwaldeigenschaft festgestellt (§ 23) oder die Bannlegung ausgesprochen (§ 30) wurde,

d)

....

(7) Wald, dessen Bewuchs eine Überschirmung von weniger als drei Zehnteln aufweist, wird als Räumde, Waldboden ohne jeglichen Bewuchs als Kahlfläche bezeichnet."

§ 3 Abs. 1 ForstG bestimmt:

"Ist eine Grundfläche (Grundstück oder Grundstücksteil) im Grenzkataster oder im Grundsteuerkataster der Benützungsart Wald zugeordnet und wurde eine Rodungsbewilligung für diese Grundfläche nicht erteilt, so gilt sie als Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes, solange die Behörde nicht festgestellt hat, daß es sich nicht um Wald handelt."

§ 4 Abs. 1 ForstG lautet:

"Grundflächen, die bisher nicht Wald waren, unterliegen im Falle der Aufforstung (Saat oder Pflanzung) nach Ablauf von zehn Jahren ab deren Durchführung, im Falle der Naturverjüngung nach Erreichen einer Überschirmung von fünf Zehnteln ihrer Fläche, den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes; die Bestimmungen des IV. Abschnittes sind jedoch bereits ab dem Vorhandensein des Bewuchses anzuwenden."

§ 5 ForstG lautet auszugsweise:

"(1) Bestehen Zweifel, ob

a)

eine Grundfläche Wald ist oder

b)

ein bestimmter Bewuchs in der Kampfzone des Waldes oder als Windschutzanlage den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unterliegt,

so hat die Behörde von Amts wegen oder auf Antrag eines gemäß § 19 Abs. 2 Berechtigten ein Feststellungsverfahren durchzuführen. § 19 Abs. 4 ist sinngemäß anzuwenden.

(2) Stellt die Behörde fest, daß die Grundfläche zum Zeitpunkt der Antragstellung oder innerhalb der vorangegangenen 15 Jahre Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes war, so hat sie mit Bescheid auszusprechen, daß es sich bei dieser Grundfläche um Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes handelt. Weist der Antragsteller nach, daß

a)

die Voraussetzungen des ersten Satzes nicht zutreffen oder

b)

eine Rodungsbewilligung erteilt wurde oder

c)

die Behörde aus einem anderen Anlaß festgestellt hat, daß es sich nicht um Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes handelt,

und ist inzwischen keine Neubewaldung erfolgt, so hat die Behörde mit Bescheid auszusprechen, daß es sich bei dieser Grundfläche nicht um Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes handelt. ....."

2.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage der Waldeigenschaft des Grundstückes eine für die Entscheidung der Forstbehörde in der Frage, ob die beantragte Rodung dieses Grundstückes bewilligt werden kann, präjudizielle Rechtsfrage, über welche dieselbe Behörde in einem anderen Verfahren (§ 5 ForstG) als Hauptfrage zu entscheiden hat, somit eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Jänner 1988, Zl. 87/10/0143 = ZfVB 1989/2/403, und vom 14. Juni 1993, Zl. 90/10/0100 = ZfVB 1995/3/923).

2.3. Was die hier vom Beschwerdeführer zunächst angeschnittene Frage der Berechnung des Beobachtungszeitraumes der "vorangegangenen 15 Jahre" im Sinne des § 5 Abs. 2 erster Satz ForstG anlangt, sprach der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 1990, Zl. 90/10/0191 = ZfVB 1992/1/67, aus, daß auch im Falle eines amtswegigen Feststellungsverfahrens für die Berechnung der "vorangegangenen 15 Jahre" im Sinne des § 5 Abs. 2 erster Satz ForstG der Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens maßgebend sei; hiefür spreche nicht nur der Gleichklang mit dem ausdrücklich geregelten Fall der Einleitung eines solchen Feststellungsverfahrens auf Antrag einer Partei, sondern auch die Überlegung, daß solcherart der entscheidungswesentliche Zeitraum von 15 Jahren kalendermäßig bereits ab Einleitung des Feststellungsverfahrens feststeht und nicht vom Verfahrensablauf und allenfalls von bloß manipulativen Umständen abhängig sei, was der Fall wäre, sollte man etwa den Zeitpunkt der Erlassung des Feststellungsbescheides erster oder gar letzter Instanz als für die Berechnung des 15-jährigen Zeitraumes maßgebend ansehen. Auch schließe ein anhängiges Rodungsverfahren keineswegs die Einleitung eines Feststellungsverfahrens nach § 5 ForstG aus.

Geht man vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung nun davon aus, daß es dem Eigentümer einer Grundfläche, über deren Waldeigenschaft er im Zweifel ist, freisteht, einen Feststellungsantrag nach § 5 ForstG oder einen Rodungsantrag (letzteres in Kenntnis der Rechtsprechung, daß die Behörde die Waldeigenschaft diesfalls vorfrageweise zu prüfen haben wird) einzubringen, dann ist der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, daß für die Kriterien für die Waldfeststellung in beiden Fällen dieselben Voraussetzungen zugrundezulegen sind. Im besonderen Fall gilt dies für die Berechnung des Beobachtungszeitraumes, der für die Beurteilung einer Grundfläche als Wald von Bedeutung ist. Der Sinn der so verstandenen und aus § 5 Abs. 2 ForstG erschlossenen Regelung, daß auf den Zeitraum vor der Antragstellung abzustellen ist, ist der im zitierten hg. Erkenntnis ausgeführte. Für DIESE Tatbestandsvoraussetzung ist daher aus dem Gesetz - wegen des in der Rechtsprechung herausgearbeiteten Zusammenhaltes mit dem Verfahren nach § 5 ForstG und dem dort ausdrücklich geregelten Zeitpunkt, auf den bei der Berechnung des Beobachtungszeitraumes abzustellen ist - zu erschließen, daß es auf den Zeitpunkt der Antragstellung anzukommen hat. Für diese Frage nach dem Ausgangspunkt für die Rückberechnung des Beobachtungszeitraumes ist daher nicht - wie sonst bei Bewilligungen, wenn im Gesetz nichts anderes angeordnet ist - der Zeitpunkt der Erlassung des (Berufungs)Bescheides maßgebend.

Dem Beschwerdeführer ist somit recht zu geben, insofern er die Auffassung der belangten Behörde bekämpft, daß der Beobachtungszeitraum der vorangegangenen 15 Jahre ausgehend vom "derzeitigen" Zeitpunkt (dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung in dritter Instanz) zu berechnen sei.

Unzutreffend ist allerdings die weitere Rechtsmeinung des Beschwerdeführers insoweit, als er dem Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides im Rodungsbewilligungsverfahren jegliche Bedeutung für die Frage der Waldeigenschaft abspricht. Er übersieht nämlich, daß gerade im § 5 Abs. 2 ForstG, auf den er seine Argumentation stützt, eine Nichtwaldfeststellung (weiters) voraussetzt, daß nach Ende des Beobachtungszeitraumes "inzwischen keine Neubewaldung erfolgt" ist. Wenn damit eine Nichtwaldfeststellung nach § 5 Abs. 2 ForstG zur Voraussetzung hat, daß "inzwischen" und damit jedenfalls im Zeitpunkt der Bescheiderlassung keine Neubewaldung erfolgt ist, dann gilt dies umso mehr für die Beurteilung, ob Wald vorliegt, im Rodungsverfahren.

2.4. Für den Beschwerdefall folgt daraus, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nicht schon deswegen mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat, weil sie die Frage der Naturverjüngung auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen drittinstanzlichen Bescheides bezogen hat.

Es ist daher auf die Verfahrensrügen des Beschwerdeführers einzugehen.

2.4.1. Im Gutachten des forsttechnischen Sachverständigen der zweiten Instanz vom 15. Jänner 1990 - so heißt es in der Beschwerde - werde ausgeführt, daß das Grundstück eine Schlagfläche darstelle, welche im Zeitpunkt der Begutachtung eine ca. mannshohe Schlagvegetation mit rotem Hartriegel, Pfaffenkäppchen, Faulbaum und EINZELNEN Eichen, Eschen, Weiden, Buchen und Birken aufweise, wobei im Mittelteil des Grundstückes jedoch große Blößen mit starker Vergrasung vorhanden seien. Demgegenüber stelle der Sachverständige der dritten Instanz in dem am 15. November 1990 erstatteten Gutachten fest, daß das Grundstück zur Zeit voll mit Jugend I und einzelnen Dickungshorsten bestockt sei, wobei sich die einzelnen Baumarten wie folgt zusammensetzten: 0,9 Eiche (90 %), 0,1 übrige Laubhölzer (Birke, Erle, Hainbuche, Aspe, Linde und Weide) sowie im Westteil einzelne Fichtengruppen. Der Umstand, daß der Sachverständige in zweiter Instanz eine Schlagvegetation mit einzelnen Eichen feststelle, wogegen der Sachverständige dritter Instanz bei seiner kurz danach durchgeführten Befundaufnahme eine volle Bestockung mit Jugend I mit einem Anteil an Eichen-Naturverjüngung von 90 % feststelle, bedeute einen unlösbaren Widerspruch. Das im Verfahren vor der belangten Behörde erstattete Gutachten stehe auch im Widerspruch zum Gutachten des Privatsachverständigen vom 20. April 1990, wo festgehalten werde, daß zu diesem Zeitpunkt eine verstaudete, forstlich nicht genutzte Fläche gegeben sei. Die belangte Behörde sei einseitig nur den Ausführungen des forsttechnischen Sachverständigen gefolgt.

2.4.2. Der Beschwerdeführer ist mit seiner Verfahrensrüge im Recht. Die belangte Behörde behauptet zwar im angefochtenen Bescheid, daß sich die Ausführungen des forsttechnischen Amtssachverständigen der dritten Instanz im Ergebnis mit dem vom Landeshauptmann von Kärnten eingeholten Gutachten deckten, begründet diese Feststellung allerdings nicht. Der Widerspruch in der Feststellung des Bewuchses - zwischen der Erstellung der beiden Gutachten der Amtssachverständigen liegt ein Zeitraum von bloß zehn Monaten - hätte einer Aufklärung bedurft. Denn es liegt ein offenkundig wesentlich verschiedener Befund vor, wenn einerseits der Amtssachverständige vor dem Landeshauptmann davon spricht, das Grundstück weise eine ca. mannshohe Schlagvegetation mit rotem Hartriegel, Pfaffenkäppchen, Faulbaum und einzelnen Eichen, Eschen, Weiden, Buchen und Birken auf (nur die letzteren sind in der Anlage zu § 1 ForstG aufgezählt) und im Mittelteil des Grundstückes bestünden große Blößen mit starker Vergrasung und wenn andererseits der Amtssachverständige des drittinstanzlichen Verfahrens von einer vollen Bestockung mit Jugend I spricht, und zwar 90 % Eiche und 0,1 % übrige Laubhölzer sowie im Westteil einzelnen Fichtengruppen. Zu Recht hat der Beschwerdeführer auch auf den geringen Zeitraum zwischen der Erstellung der beiden Gutachten aufmerksam gemacht, der es ausschließt oder zumindest begründungsbedürftig machen würde, daß sich in der Zwischenzeit ein Überschirmungsgrad von 7/10 bis 8/10 entwickelt hätte. In diesem Zusammenhang wird bemerkt, daß die Angabe eines Überschirmungsgrades sich stets auf die zu beurteilende Fläche (hier: die Rodungsfläche) zu beziehen hat. Dazu kommt, daß auch der Privatsachverständige etwas anderes festgestellt hat, nämlich zum Zeitpunkt der Gutachtenserstattung vom 20. April 1990 eine verstaudete, forstlich nicht genutzte Fläche. Auch auf diesen in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht ausgeräumten Widerspruch hat der Beschwerdeführer zu Recht hingewiesen.

Dadurch, daß die belangte Behörde diese Widersprüche nicht offengelegt und nicht dargetan hat, warum sie dem Gutachten des Sachverständigen des drittinstanzlichen Verfahrens einen höheren Beweiswert beigemessen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Feststellung der Naturverjüngung im Zeitpunkt der Bescheiderlassung mit Feststellungs- und Begründungsmängeln belastet.

2.5. Was die zeitliche Lagerung des Beobachtungszeitraumes anlangt, ist die belangte Behörde unzutreffenderweise von einer Rückrechnung der 15 Jahre ab dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung ausgegangen. Im gegebenen Zusammenhang ist allerdings nicht zu erkennen, inwiefern der Beschwerdeführer dadurch allein verletzt sein könnte. Entscheidend ist jedoch, ob das Ergebnis der belangten Behörde, daß die gegenständliche Grundfläche innerhalb des Zeitraumes der vorangegangenen 15 Jahre vor Bescheiderlassung (richtig: zwischen

20. Dezember 1970 und dem Antrag des Beschwerdeführers vom 20. Dezember 1985) einmal Wald gewesen ist, in einer Weise begründet ist, die eine nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ermöglicht.

Dies ist nicht der Fall, legte die belangte Behörde doch den Schwerpunkt ihrer Argumentation auf die Naturverjüngung, womit sie für ihren Standpunkt ja auch, wäre dies mängelfrei erfolgt, das Auslangen gefunden hätte. Die forsttechnischen Sachverständigen haben sich mit der Frage der Waldeigenschaft innerhalb des Beobachtungszeitraumes nicht eingehend auseinandergesetzt. Taugliche Feststellungen der belangten Behörde zur Begründung ihrer Annahme, daß die Fläche im genannten Zeitraum (noch oder schon) Wald war, wurden nicht getroffen. Für eine solche Feststellung wäre aber vor dem Hintergrund der Behauptung des Beschwerdeführers, es wäre ehemals Weideland vorgelegen, eine Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Privatsachverständigen über das Alter der Baumstöcke und deren jeweilige Anzahl sowie über die daraus zu erschließende und zu berechnende Überschirmung sowie über die daraus gezogenen Schlußfolgerungen hinsichtlich des Ob und des Wann des Vorliegens von Wald - notwendig gewesen, um beurteilen zu können, ob die Fläche als solche innerhalb des Beobachtungszeitraumes jemals Wald war (oder ob sie andererseits niemals Wald war oder zumindest diese Eigenschaft schon vor dem 20. Dezember 1970 verloren hatte). Begründete Feststellungen zu diesem Fragenkreis fehlen.

Was die Feststellung anlangt, die Eichen-Naturverjüngung sei zehn Jahre alt, gilt das unter Punkt 2.4.2. Ausgeführte zum Fragenkomplex der Naturverjüngung.

2.6. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

2.7. Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG konnte von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Ersatz der Umsatzsteuer war nicht zuzusprechen, da dieser bereits im Schriftsatzaufwandpauschale berücksichtigt ist. An Stempelgebührenersatz waren S 240,-- für die Beschwerde (zweifach) und S 180,-- für den angefochtenen Bescheid (einfach) zuzusprechen. Das Mehrbegehren war abzuweisen.

2.9. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1991100082.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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