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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. August 1995, Zl. 105.648/2-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 22. August 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen des ehemaligen Jugoslawiens, vom 27. Mai 1994 auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes abgewiesen.
In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer in der Zeit vom 23. Jänner 1976 bis 10. August 1994 siebenmal rechtskräftig gerichtlich verurteilt worden sei (1. Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien wegen § 127 StGB, 2. Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien wegen §§ 12, 83 Abs. 1 StGB,
3.
Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf wegen § 137 StGB,
4.
Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen § 142 StGB, 5. Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen §§ 83, 84 StGB, 6. Urteil des Bezirksgerichtes Gloggnitz wegen § 137 StGB, 7. Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat wegen § 137 StGB). Diese Verurteilungen ergäben den Schluß, daß der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, sich den österreichischen Rechtsvorschriften anzupassen (wobei insbesondere auf die Verurteilung aus 1994 hingewiesen wurde). Daher liege der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vor.
Hinsichtlich der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers hielt die belangte Behörde fest, daß aufgrund des Aufenthaltes der Familie des Beschwerdeführers in Österreich persönliche Bindungen zum Bundesgebiet bestünden. Eine Interessensabwägung nach Art. 8 MRK ergebe, daß den "unverhältnismäßig schwerer wiegenden" öffentlichen Interessen Vorrang gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers einzuräumen wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.
Nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die von der belangten Behörde angeführten sieben rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen. Jedoch sei die letzte Verurteilung aus dem Jahr 1994 wegen eines Irrtums des Beschwerdeführers zustandegekommen. Zudem habe sich der Beschwerdeführer seit 1986, abgesehen von zwei Verurteilungen wegen Eingriffs in fremdes Jagd- oder Fischereirecht, wohlverhalten. Er sei im Jahr 1990 lediglich zu einer Geldstrafe, im Jahr 1994 nur zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Über den Beschwerdeführer sei aufgrund der ersten vier angeführten Verurteilungen seinerzeit ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren verhängt worden, jedoch aufgrund der familiären Bindungen an Österreich seien durchgehend Vollstreckungsaufschübe gewährt worden (trotz einer weiteren Verurteilung im Jahr 1986). Damit liege keine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit durch den Beschwerdeführer vor.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist der Gerichtshof der Auffassung, daß die belangte Behörde zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, der (weitere) Aufenthalt würde eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bedeuten, und sie diese Beurteilung auch hinreichend begründet hat. Die zahlreichen gerichtlich strafbaren Handlungen - die rechtskräftige Verurteilung ist im gegebenen Zusammenhang nicht entscheidend -, insbesondere die mehrfachen Verstöße gegen die körperliche Sicherheit Dritter und gegen fremdes Vermögen, bilden eine ausreichende sachverhaltsmäßige Grundlage für die im § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG umschriebene Annahme.
Der Verwaltungsgerichtshof kann sich dem Argument des Beschwerdeführers ("irrtümliche Tatbegehung") betreffend die Verurteilung aus dem Jahre 1994 angesichts des Umstandes, daß es sich bei § 137 StGB um ein Vorsatzdelikt handelt und diesbezüglich eine rechtskräftige Bestrafung erfolgte, nicht anschließen. Auch der Hinweis auf die Verurteilung lediglich zu einer Geldstrafe (1990) und einer bedingten Freiheitsstrafe (1994) geht ins Leere, da die Behörde die aus dem Aufenthalt des Fremden resultierende Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit unabhängig von einem Ausspruch des Gerichtes betreffend eine Geldstrafe bzw. eine bedingte Strafnachsicht zu beurteilen hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 93/18/0217). Für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist hingegen ausschließlich maßgebend, ob das (gesamte) Verhalten des Fremden die in der genannten Bestimmung umschriebene Annahme rechtfertigt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 3. März 1994, Zl. 94/18/0021). Dies ist - unter Zugrundelegung der den Gegenstand seiner gerichtlichen Verurteilungen bildenden Straftaten - in bezug auf den Beschwerdeführer der Fall. Im konkreten Fall ist zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer wegen einer Übertretung des § 137 StGB bereits erstmalig im Jahr 1984 bestraft wurde und sich diese Bestrafung nicht als geeignet herausstellte, ihn von der weiteren Begehung gleichartiger Taten (Verurteilungen 1990 und 1994) abzuhalten, was zweifellos geeignet ist, die Berechtigung der behördlichen Annahme, der Beschwerdeführer sei nicht gewillt, sich den österreichischen Rechtsvorschriften anzupassen, und daraus resultiere ein Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG, zu unterstreichen. Die behaupteten Vollstreckungsaufschübe hinsichtlich des erteilten Aufenthaltsverbotes können sich schon angesichts der vom Beschwerdeführer selbst vorgebrachten Umstände, daß das Aufenthaltsverbot aufgrund der ersten vier Verurteilungen verhängt wurde, auch unter Einbeziehung des Umstandes, daß die
5. Verurteilung darin berücksichtigt wurde, im Hinblick auf die neuerliche Straffälligkeit nicht zugunsten des Beschwerdeführers auswirken.
Der Beschwerdeführer wirft der Behörde im Hinblick auf die Interessenabwägung nach Art. 8 MRK mangelhafte Ermittlungen seiner familiären Bindungen vor und gibt in diesem Zusammenhang an, daß er sich nunmehr seit 17 Jahren durchgehend im Bundesgebiet aufhalte und insgesamt sogar fast 25 Jahre in Österreich lebe. Er sei immer einer geregelten Berufstätigkeit nachgegangen und befinde sich derzeit aufgrund einer Asthmaerkrankung in einem bereits zehn Monate dauernden Krankenstand. Sowohl seine Ehegattin, seine vier Kinder und ein Enkelkind leben in Österreich. Bei vollständiger Ermittlung dieser familiären Bindungen an Österreich und deren richtiger rechtlicher Würdigung wäre eine Interessenabwägung gemäß Art. 8 MRK zugunsten des Beschwerdeführers ausgefallen.
Richtig ist, daß die Behörde bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen hat, und zwar derart, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (vgl. aus der insoweit übereinstimmenden Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes z.B. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 1993, Zl. B 302/93, und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. März 1994, Zl. 94/18/0021).
Abgesehen davon, daß die belangte Behörde eine, wenngleich knappe, Auseinandersetzung mit der familiären Situation des Beschwerdeführers vorgenommen hat, bei der sie den Aufenthalt seiner Familie in Österreich berücksichtigte, kann auch der Verwaltungsgerichtshof angesichts der vorgebrachten privaten und familiären Verhältnisse nicht erkennen, daß die belangte Behörde zu einem rechtswidrigen Ergebnis gelangt wäre. Denn die sich in den den zahlreichen rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers zugrundeliegenden strafbaren Handlungen, welche sowohl gegen die körperliche Unversehrtheit anderer Personen gerichtet waren als auch gegen fremdes Eigentum, manifestierende Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen ist von solchem Gewicht, daß zur Wahrung der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung von (weiteren) strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer (Art. 8 Abs. 2 MRK) die durch die Versagung der Aufenthaltsbewilligung tangierten privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers zurückzustehen haben. Damit ermangelt aber einem eventuell vorliegenden Verfahrensmangel (mangelhaftes Ermittlungsverfahren) die Relevanz.
Da nach dem Gesagten die belangte Behörde zutreffend den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG als verwirklicht angesehen hat, haftet der im Grunde des § 5 Abs. 1 AufG ausgesprochenen Versagung einer Bewilligung nach diesem Gesetz keine Rechtswidrigkeit an.
Mangels Vorliegens der behaupteten Rechtsverletzung - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt - war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995191185.X00Im RIS seit
02.05.2001