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22/03 AußerstreitverfahrenNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz durch die Beschränkung der Akteneinsicht nach dem AußerstreitG im Verlassenschaftsverfahren; Recht des übergangenen Erben auf Einsicht in gesundheitsrelevante Teile des Pflegschaftsakts, soweit dies der Durchsetzung des letzten Willens des Verstorbenen dient; Verpflichtung des Erbschaftsklägers darzulegen, dass er als Universalsukzessor des Verstorbenen in Betracht kommtRechtssatz
Abweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung des §141 Abs1 AußerstreitG idF BGBl I 59/2017. Abweisung eines Antrags auf Akteneinsicht in Aktenbestandteile des Pflegschaftsaktes betreffend den geistigen Gesundheitszustand der Verstorbenen in einem Verfahren über eine Erbschaftsklage eines übergangenen Erben.
Der Gesetzgeber hat in §141 Abs1 AußStrG einen Ausgleich zwischen dem (postmortalen) Persönlichkeitsschutz des Verstorbenen einerseits und den berechtigten Interessen Dritter an der Einsicht in den Pflegschaftsakt andererseits vorgesehen. Gemäß dieser Bestimmung dürfen nach dem Tod der vertretenen Person Informationen über ihren Gesundheitszustand nur an Erben und erbantrittserklärte Personen iSd §157 AußStrG erteilt werden, als dies der Durchsetzung des letzten Willens der vertretenen Person dient. Nur derjenige soll Akteneinsicht in den Pflegschaftsakt erhalten, der als Universalsukzessor des Verstorbenen in Betracht kommt. Nach stRsp des OGH ersetzt die Erhebung der Erbschaftsklage die Abgabe einer Erbantrittserklärung.
Es macht der Sache nach keinen Unterschied, ob ein möglicher Erbe dem Verlassenschaftsverfahren beigezogen wurde und eine Erbantrittserklärung abgegeben hat oder ob der mögliche Erbe erst im Nachhinein eine Erbschaftsklage gemäß §823 ABGB erhoben hat, um dem wahren Willen des Verstorbenen zum Durchbruch zu verhelfen. Zur Vermeidung eines gleichheitswidrigen Ergebnisses kommt daher auch dem Erbschaftskläger als möglichem Erben ein Recht auf Akteneinsicht in die gesundheitsrelevanten Teile des Pflegschaftsaktes zu, soweit dies der Durchsetzung des letzten Willens des Verstorbenen dient. Auch in diesem Fall reicht freilich die Erhebung einer Erbschaftsklage nicht aus; vielmehr muss der Erbschaftskläger gegenüber dem Pflegschaftsgericht begründet darlegen, dass er als Universalsukzessor des Verstorbenen in Betracht kommt.
Schlagworte
Erbrecht, Zivilprozess, Akteneinsicht, Auslegung eines Gesetzes, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Parteiantrag, Parteiengehör, fair trialEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:G231.2022Zuletzt aktualisiert am
03.02.2023