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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des D in B, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Juni 1995, Zl. 301.651/3-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Juni 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Die belangte Behörde hat ihre Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit dem Vorliegen des Versagungsgrundes (§ 5 Abs. 1 AufG) des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG begründet; der Beschwerdeführer sei - wovon auch die erstinstanzliche Behörde ausgegangen sei - mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 7. März 1995 wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung und des Vergehens der Begünstigung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 4, 249 Abs. 1 (richtig: 299 Abs. 1) StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten bedingt bei einer Probezeit von drei Jahren verurteilt worden. (Nach der Begründung ihres Bescheides geht die belangte Behörde auf die noch von der erstinstanzlichen Behörde herangezogene Anzeige wegen des Verdachtes der Sachbeschädigung nicht weiter ein.)
Die belangte Behörde hat aufgrund der erwähnten gerichtlichen Verurteilung eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit angenommen und ist davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer durch sein Verhalten gezeigt habe, daß er nicht bereit sei, sich den österreichischen Gesetzen zu unterwerfen.
Soweit der Beschwerdeführer vor dem Gerichtshof die Ansicht vertritt, die rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde sei - insbesondere im Hinblick auf die bedingte Strafnachsicht im gerichtlichen Verfahren - nicht zutreffend, ist ihm zu entgegnen, daß die belangte Behörde die aus dem Aufenthalt des Fremden resultierende Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG unabhängig von dem Ausspruch des Gerichtes betreffend eine bedingte Strafnachsicht und den dafür maßgebenden Erwägungen eigenständig zu beurteilen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juli 1995, Zl. 94/18/0563). Ausgehend davon kann unter den hier anzuwendenden fremdenrechtlichen Gesichtspunkten der rechtlichen Beurteilung durch die belangte Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie aufgrund der durch die gerichtliche Verurteilung feststehenden Körperverletzung an einem Beamten während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben oder der Erfüllung seiner Pflichten, zu der Ansicht gekommen ist, daß der (weitere) Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit zu gefährden in der Lage sei.
Der Beschwerdeführer hat jedoch - worauf er auch vor dem Gerichtshof zutreffend hinweist - bereits in seiner Berufung geltend gemacht, daß er seit mehr als 22 Jahren in Österreich lebe, hier die Volksschule und Hauptschule absolviert und danach eine Lehre als Maschinenschlosser bzw. Werkzeugmacher beendet habe.
Bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG hat die Behörde auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen, und zwar derart, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit in solcher Weise gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 1994, Zl. 94/18/0547). Insoweit hat die belangte Behörde ausgeführt, daß "gerade im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen ... die Berufungsbehörde festgestellt (habe), daß unter Abwägung Ihrer persönlichen Interessen mit den öffentlichen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK, die öffentlichen Interessen überwiegen."
Die belangte Behörde hat jedoch im Hinblick auf diese rechtliche Beurteilung keinerlei Feststellungen getroffen, ausgenommen die der bereits dargelegten gerichtlichen Verurteilung. Damit ist jedoch nicht dargelegt, auf welche Gesichtspunkte sich die belangte Behörde bei ihrer Interessenabwägung stützt; selbst dann, wenn man davon ausginge, daß die belangte Behörde das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers als wahr angenommen hat, wäre die belangte Behörde gehalten gewesen, bei dem hier behaupteten Integrationsgrad des Beschwerdeführers die von ihr herangezogenen Kriterien offenzulegen, zumal der strafrechtliche Unrechtsgehalt doch deutlich geringer zu bewerten ist, als etwa der im bereits erwähnten Erkenntnis vom 8. September 1994.
Da somit eine Begründungslücke vorliegt, die zur Folge hatte, daß die von der Behörde getroffenen Erwägungen nicht hinreichend erkennbar waren, was die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes hindert (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 596, wiedergegebene Rechtsprechung), war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995190580.X00Im RIS seit
11.07.2001