TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/14 95/19/0069

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Veröffentlicht am 14.12.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des AN in S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. März 1995, Zl. 4.321.912/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. März 1995 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 20. August 1991 der am 24. Juni 1991 gestellte Asylantrag des Beschwerdeführers - eines ukrainischen Staatsangehörigen, der am 15. Juni 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist - abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der erkennbar Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird und über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers zunächst mit der Begründung verneint, das vom Beschwerdeführer zur Stützung seines Antrags gemachte Vorbringen, die Großeltern seiner Eltern seien, weil sie deutscher Nationalität gewesen wären, erschossen worden und die Mutter des Beschwerdeführers sei aufgrund ihrer deutschen Abstammung nach Sibirien "zwangsevakuiert" worden, sei nicht geeignet, eine gegen den Beschwerdeführer selbst gerichtete Verfolgungshandlung darzutun. Die übrigen vom Beschwerdeführer dargestellten Ereignisse, wie die Vorladungen zum KGB, eine Hausdurchsuchung, sowie der Umstand, daß der Beschwerdeführer nicht als Historiker beschäftigt worden sei, würden keine staatlichen Maßnahmen von einer solch erheblichen Intensität darstellen, daß dem Beschwerdeführer ein Verbleib in seiner Heimat nicht zugemutet werden könne. Die Tatsache, daß der Beschwerdeführer nicht in seinem erlernten Beruf als Historiker beschäftigt worden sei, hätte nur dann als Verfolgung gewertet werden können, wenn damit eine massive Bedrohung seiner Lebensgrundlage verbunden gewesen wäre. Da der Beschwerdeführer jedoch eine andere Beschäftigung gefunden habe, sei seine wirtschaftliche Existenz nicht gefährdet gewesen. Die vom Beschwerdeführer geschilderten Ereignisse hätten sich bereits vier Jahre vor seiner Ausreise ereignet, sodaß kein zeitlich relevanter Konnex bestehe. Nachteile bzw. Schwierigkeiten mit Behörden, die sich nach 1987 bis zur Ausreise des Beschwerdeführers 1991 ereigneten, hätte der Beschwerdeführer nicht vorgebracht, sodaß eine wohlbegründete objektiv nachvollziehbare Furcht vor Verfolgung seiner Person nicht gegeben sei. Auch die instabile politische Situation in der Heimat des Beschwerdeführers sei nicht geeignet, seine Flüchtlingseigenschaft zu begründen, da weder die in seinem Heimatland allgemein herrschenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse, noch Nachteile, die sich aus der allgemeinen Situation ergeben und die jedermann betreffen könnten, als Verfolgung im Sinn des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 gelten würden.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß die von ihm geltend gemachten Verfolgungshandlungen, wie die Vorladungen und Einvernahmen durch den Nachrichtendienst der ehemaligen Sowjetunion, die wiederholten Aufforderungen, für diesen tätig zu werden, sowie die beim Beschwerdeführer vorgenommene Hausdurchsuchung, vier Jahre vor seinem Asylantrag stattgefunden haben. Wenn die belangte Behörde, diesen Umstand dahingehend wertet, daß diese Vorkommnisse zeitlich so weit zurücklägen, daß aus ihnen kein Zusammenhang mit der Ausreise des Beschwerdeführers aus seinem Heimatland hergestellt werden könnte, steht sie im Einklang mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. So hat dieser im Erkenntnis vom 26. November 1993, Zl. 93/01/1093, dargelegt, daß Umstände, die sich schon längere Zeit vor der Ausreise ereignet haben, nicht mehr beachtlich sind. Der Beschwerdeführer ist daher insoferne durch den bekämpften Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt.

Zum Vorbringen, der Beschwerdeführer hätte in seinem erlernten Beruf nicht arbeiten können, ist auf die diesbezügliche hg. Judikatur (z.B. das Erkenntnis vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0460) zu verweisen, wonach eine eingeschränkte Berufsmöglichkeit nur dann als Asylgrund i.S.d.

§ 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 gewertet werden kann, wenn sie mit einer massiven Bedrohung der Lebensgrundlagen einhergeht, was der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet.

Auch aus dem Vorbringen, aus den (jahrzehntelang zurückliegenden) "politischen Morden" an den Großeltern der Eltern des Beschwerdeführers, sei eine auch heute noch bestehende ablehnende Haltung der Behörden gegenüber Menschen deutscher Abstammung zu erkennen, ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Einerseits liegen diese Vorfälle Jahrzehnte zurück, sodaß ihnen im Sinne der obigen Ausführungen keine asylrelevante Bedeutung zukommt, anderseits wird dadurch keine gegen den Beschwerdeführer selbst gerichtete asylrelevante Verfolgung dargetan.

Bedeutungslos ist weiters die Frage, warum der Beschwerdeführer erst ca. vier Jahre nach den von ihm behaupteten Verfolgungshandlungen sein Heimatland verlassen konnte. Daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Ausreise noch eine wohlbegründete Furcht iS § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 vor Verfolgung durch staatliche Behörden haben mußte, behauptet er selbst nicht. Auch mit der Behauptung von "massiven Spannungen" zwischen verschiedenen religiösen und kulturellen Gruppen in der Heimatstadt des Beschwerdeführers wird dies nicht dargetan.

Wenn der Beschwerdeführer schließlich vorbringt, er habe für den Fall seiner Abschiebung mit Verfolgung durch die Behörden seines Heimatlandes zu rechnen, weil die "Obrigkeit" in seinem Heimatland regelmäßig "wenig zimperlich" mit politischen Flüchtlingen, insbesondere mit solchen, die aus dem Ausland wieder zurückgeschoben werden, umgehe, so steht einer Auseinandersetzung mit diesem Argument das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG obwaltende Neuerungsverbot entgegen.

Zusammenfassend ergibt sich daher, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995190069.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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