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32/02 Steuern vom Einkommen und ErtragNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verletzung im Gleichheitsgrundsatz durch Bestimmungen des EStG 1988 betreffend Einschränkungen des Verlustausgleichs aus Kapitalvermögen; Verlustberücksichtigung bei Einkünften aus Kapitalvermögen, die einem besonderen Steuersatz unterliegen oder aus dem außerbetrieblichen Bereich stammen sowie Verbot des Ansatzes von Anschaffungsnebenkosten im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des GesetzgebersRechtssatz
Keine Verletzung im Gleichheitsrecht durch den Ausschluss des vertikalen Verlustausgleichs für dem besonderen Steuersatz unterliegende Einkünfte:
Mit VfSlg 19412/2011 wurde ausgesprochen, dass dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten ist, wenn er eine Ausweitung der Steuerpflicht im Bereich der Kapitaleinkünfte durch Einbeziehung realisierter Wertsteigerungen, verbunden mit einem niedrigeren proportionalen Steuersatz, und damit eine Abkehr von der synthetischen Einkommensteuer vornimmt und die Favorisierung einer sogenannten dualen Einkommensteuer erkennen lässt. Weiters begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn Verluste aus dem besonderen Steuersatz unterliegenden Einkünften nicht im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte gemäß §2 Abs2 EStG 1988 ausgleichsfähig sind (VfSlg 20219/2017): Das Rechtsinstitut des Verlustausgleichs gemäß §2 Abs2 EStG 1988 ist Kennzeichen einer synthetischen Ermittlung des Einkommens und erfordert somit nicht die Einbeziehung von Einkünften, die weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen sind. Dies gilt selbst für den Fall der Ausübung der Regelbesteuerungsoption, weil mit einem Antrag auf Regelbesteuerung dem Steuerpflichtigen lediglich die Möglichkeit eröffnet wird, die Besteuerung von Einkünften an die progressive Tarifsteuer anzupassen, wenn diese niedriger sein sollte als der von diesen Einkünften erhobene besondere Steuersatz.
§27 Abs8 EStG 1988 enthält für Einkünfte aus Kapitalvermögen, die dem besonderen Steuersatz unterliegen, in einer Durchschnittsbetrachtung ein hinreichend angepasstes und sohin nicht gleichheitswidriges System der Verlustberücksichtigung, das im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt:
Der VfGH hat im Zusammenhang mit §18 Abs 6 EStG 1988 den Ausschluss der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vom Verlustvortrag auf Grund der einkommensteuerrechtlichen Verteilungsvorschriften für verschiedene Aufwandskategorien zunächst als verfassungskonform angesehen (VfSlg 13296/1992), in weiterer Folge jedoch als unsachlich erkannt, weil auf Grund einer Rechtsprechungsänderung des VwGH hervorkam, dass für außerordentliche Wertverluste oder außergewöhnliche Kosten im EStG 1988 keine Verteilungsregeln vorgesehen waren und somit kein hinreichend angepasstes System der Verlustberücksichtigung bestanden hat (VfSlg 19185/2010). Dieses hat der Gesetzgeber in weiterer Folge geschaffen, indem er - anstelle eines Verlustvortrags - in §28 Abs2 EStG 1988 vorgesehen hat, dass solche außerordentlichen Wertverluste und außergewöhnlichen Aufwendungen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf Antrag auf fünfzehn Jahre zu verteilen sind.
Dem Gesetzgeber kann nicht entgegengetreten werden, wenn er für nicht ausgeglichene Verluste aus Einkünften aus Kapitalvermögen im Rahmen des §18 Abs6 EStG 1988 keinen Abzug als Sonderausgabe vorsieht, zumal ein solcher Abzug im Rahmen der Ermittlung des Einkommens das in §27 Abs8 Z4 EStG 1988 vorgesehene Verbot des vertikalen Verlustausgleichs gleichsam unterlaufen würde.
Es ist aber auch nicht zu erkennen, dass der Gleichheitssatz gebieten würde, für nicht ausgeglichene Verluste iSd §27 Abs8 Z4 EStG 1988 in einem späteren Jahr einen Abzug von positiven Einkünften aus Kapitalvermögen und damit einen Verlustvortrag innerhalb der Schedule vorzusehen. Vor dem Hintergrund seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums kann dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er den Ausgleich von Verlusten aus Einkünften, die dem besonderen Steuersatz unterliegen (wie zB jene aus der Veräußerung von Kapitalvermögen), auf positive Einkünfte aus Kapitalvermögen einschränkt, die dem besonderen Steuersatz unterliegen (wozu nicht nur realisierte Wertsteigerungen, sondern abgesehen von Geldeinlagen und Forderungen bei Kreditinstituten auch laufende Einkünfte aus der Überlassung von Kapital wie zB Dividenden und Zinserträge aus öffentlich begebenen Forderungswertpapieren zählen) und diese Verrechnung auf das Kalenderjahr der Verlusterzielung beschränkt.
Der VfGH übersieht dabei nicht, dass der Gesetzgeber für die Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen regelt, dass die nach Ausgleich mit Gewinnen aus Grundstücksveräußerungen und Vermietungseinkünften verbleibenden "überhängenden" Verluste aus privaten Grundstücksveräußerungen um 60% zu kürzen und auf das laufende und die folgenden vierzehn Jahre zu verteilen sind (§30 Abs7 EStG 1988). Wenn der Gesetzgeber demgegenüber im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen einen solchen Vortrag von überhängenden Verlusten innerhalb der Schedule nicht vorsieht, kann ihm nicht entgegengetreten werden, unterscheiden sich doch die Veranlagung von Kapitalvermögen und die Veranlagung in Immobilien in wesentlichen Belangen, wie etwa in der Möglichkeit zur Diversifizierung und auch im Grad der Bindung des Kapitals, die auch eine unterschiedliche Ausgestaltung der einkommensteuerlichen Verlustberücksichtigung rechtfertigen.
Sachlichkeit der im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers getroffenen Regelungen des - im Gegensatz zur betrieblichen Einkünfteerzielung - Ausschlusses der Berücksichtigung von Verlusten aus Kapitalvermögen bei außerbetrieblichen Kapitalanlagen und des Verbots des Ansatzes von Anschaffungsnebenkosten:
Verluste, die im Rahmen der betrieblichen Einkünfte aus der Veräußerung, Einlösung und sonstigen Abschichtung und der Teilwertabschreibung von Wirtschaftsgütern und Derivaten iSd §27 Abs3 und 4 EStG 1988, auf deren Erträge der besondere Steuersatz des §27a EStG 1988 anwendbar ist, anfallen, sind gemäß §6 Z2 litc EStG 1988 idF BGBl I 118/2015 vorrangig mit positiven Einkünften aus solchen Wirtschaftsgütern und Derivaten sowie mit Zuschreibungen derartiger Wirtschaftsgüter desselben Betriebes zu verrechnen. Ein verbleibender negativer Überhang darf nur zu 55% ausgeglichen werden. Anders als im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen können realisierte Verluste aus der Veräußerung von Kapitalvermögen im Rahmen der betrieblichen Einkünfte somit in jedem Fall zur Gänze verwertet werden. Auch gilt das Verbot des Ansatzes von Anschaffungsnebenkosten nicht für die im Betriebsvermögen gehaltenen Wirtschaftsgüter und Derivate (§27a Abs4 Z2 EStG 1988).
Die Ausgestaltung der einkommensteuerlichen Regelungen zur Verwertung von Verlusten aus Kapitalanlagen liegt grundsätzlich im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers (VfSlg 16196/2001). Dies gilt auch für die Frage der unterschiedlichen Behandlung der Verrechnung von Verlusten aus der Veräußerung von betrieblichen und außerbetrieblichen Kapitalanlagen.
Im Zusammenhang mit betrieblichen Einkünften ist zu berücksichtigen, dass das Wesen der Ermittlung betrieblicher Einkünfte in der Erfassung von Wertschwankungen im Vermögen besteht, das der betrieblichen Einkünfteerzielung dient. Es ist daher nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber Verluste aus Kapitalanlagen des Betriebsvermögens auf Grund von deren betrieblicher Funktionszuweisung als Betriebsvermögen bei der Ermittlung betrieblicher Einkünfte bzw des Einkommens umfassend berücksichtigt.
Auch wenn die Besteuerung weitgehend jener privater Kapitalanlagen entspricht (vgl §27a Abs6 EStG 1988), gebietet der Gleichheitssatz jedoch nicht, die für betriebliche Kapitalanlagen bestehenden Regelungen der Verlustverrechnung des §6 Z2 litc EStG 1988 auch für Kapitalanlagen im Privatvermögen vorzusehen, zumal in der Besteuerung von realisierten Wertsteigerungen und Derivaten auch Unterschiede zwischen betrieblichen Einkünften und Einkünften aus Kapitalvermögen bestehen (§1 Abs3 Endbesteuerungsgesetz).
Soweit sich die Beschwerde gegen das Verbot des Ansatzes von Anschaffungsnebenkosten wendet gem §27a Abs4 Z2 EStG 1988 wendet, ist ihr zunächst entgegenzuhalten, dass dieses Verbot für im Privatvermögen gehaltene Kapitalanlagen dem Gleichheitssatz entspricht. Aus dem letzten Satz der Vorschrift, wonach das Abzugsverbot nicht für im Betriebsvermögen gehaltene Wirtschaftsgüter und Derivate gilt, lässt sich keine Unsachlichkeit des Abzugsverbotes ableiten. Dem Gesetzgeber kann auch hier nicht entgegengetreten werden, wenn er bei der Ausgestaltung der Besteuerung von Kapitalerträgen zwischen betrieblichen und außerbetrieblichen Einkünften differenziert.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Einkommensteuer, Einkunftsarten Kapitalvermögen, Einkünfte, Bewertung Betriebsvermögen, Einkunftsarten, Rechtspolitik, Verlustvortrag, Steuergegenstand, KapitalertragsteuerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:E1722.2020Zuletzt aktualisiert am
02.02.2023