TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/14 94/18/1052

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Veröffentlicht am 14.12.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z7;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in Polen, vertreten durch Mag. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. Oktober 1994, Zl. SD 1081/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. Oktober 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen polnischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 7 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei seinen Angaben zufolge am 30. September 1994 als Tourist in das Bundesgebiet eingereist. Er sei am 2. Oktober 1994 in Wien 16. wegen Verdachtes des Kraftfahrzeugdiebstahls festgenommen worden. Im Zuge der dazu durchgeführten Ermittlungen habe sich herausgestellt, daß der Beschwerdeführer lediglich über S 500,-- verfüge. Da dieser Betrag keinesfalls ausreiche, um den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet auch nur kurzfristig zu finanzieren, habe die Erstbehörde zu Recht die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG als erfüllt angesehen. Auch in der Berufung werde hinsichtlich der Unterhaltsmittel nichts vorgebracht. Damit sei aber der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung, von sich aus initiativ zu beweisen, daß er über die für seinen Unterhalt notwendigen Mittel verfüge, nicht nachgekommen. Seine Mittellosigkeit und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung rechtfertigten auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.

Aufgrund des kurzen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich und im Hinblick auf das Fehlen familiärer Bindungen könne von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben keine Rede sein. Es sei demnach weder zu überprüfen, ob die gegen ihn gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei, noch eine Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 18 Abs. 1 FrG ist gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt (Z. 1) die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder (Z. 2) anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Als bestimmte Tatsache i.S. des Abs. 1 hat nach § 18 Abs. 2 FrG insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 7) den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (die davon vorgesehene Ausnahme ist im Beschwerdefall sachverhaltsbezogen auszuschließen).

2.1. Die Beschwerde rügt das Fehlen einer Begründung im angefochtenen Bescheid dafür, weshalb beim Beschwerdeführer Mittellosigkeit angenommen worden sei, obwohl dieser ausdrücklich ausgesagt habe, daß er ohnehin am Tag seiner Festnahme, nämlich am 2. Oktober 1994, wieder aus dem Bundesgebiet habe ausreisen wollen (siehe Anzeige vom 2. Oktober 1994). Der Beschwerdeführer habe lediglich für das Wochenende vom 1. bis 2. Oktober 1994 zum Zweck des Besuches von Bekannten und von Vergnügungsstätten einen touristischen Kurzaufenthalt in Wien geplant gehabt. Er habe bei seiner Einreise nach Österreich in der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober 1994 über S 3.000,-- verfügt; es sei ihm deshalb und aufgrund seiner Angaben über Zweck und Dauer seines Aufenthaltes die Einreise nicht verwehrt worden. Es sei in keiner Weise nachvollziehbar, daß die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelange, ein Geldbetrag von S 500,-- sei zu einer Ausreise in einem von einem Bekannten gelenkten Kraftfahrzeug nicht ausreichend, wenn die Ausreise am selben Tag geplant sei. Die beim Beschwerdeführer vorhanden gewesenen Mittel seien in eine Relation zur beabsichtigten Dauer des Aufenthaltes zu setzen. Es wäre daher zu berücksichtigen gewesen, daß der Beschwerdeführer aktenkundig angegeben habe, seine Ausreise für den 2. Oktober 1994 geplant gehabt zu haben.

2.2. Von der belangten Behörde wurde - durch die Aktenlage gedeckt - festgestellt, daß der Beschwerdeführer am 30. September 1994 als Tourist in das Bundesgebiet eingereist sei und sich im Zuge von Ermittlungen ergeben habe, daß er lediglich über S 500,-- verfüge. Dieser Sachverhalt blieb vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren unbestritten. Er wies allerdings in seiner Berufung vom 17. Oktober 1994 darauf hin, daß er die Absicht gehabt habe, bereits am 2. Oktober 1994 wieder "wegzureisen"; der Betrag von S 500,-- "(sollte) für die Rückkehr ins Heimatland ausreichen". Die belangte Behörde hat sich im bekämpften Bescheid mit diesem Berufungsvorbringen nicht befaßt. Dies wäre indes im Hinblick darauf, daß - wie in der Beschwerde zutreffend angesprochen - die im Grunde des § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG von einem Fremden nachzuweisenden Mittel zur Bestreitung des Unterhaltes hinsichtlich ihrer Höhe in Beziehung zur beabsichtigten Dauer des Aufenthaltes zu setzen sind, erforderlich gewesen. Denn obgleich der belangten Behörde einzuräumen ist, daß in der Regel ein Betrag von S 500,-- nicht ausreicht, den Aufenthalt eines Fremden in Österreich "auch nur kurzfristig zu finanzieren", kann nicht gesagt werden, daß diese Aussage ohne weiteres auf einen Fall anwendbar wäre, in dem ein Fremder - wie vom Beschwerdeführer für seine Person behauptet - noch am selben Tag, auf den sich die Feststellung bezieht, er verfüge lediglich über S 500,--, das Bundesgebiet zu verlassen beabsichtigt. Da es die belangte Behörde verabsäumte, sich mit dem besagten Vorbringen des Beschwerdeführers im bekämpften Bescheid auseinanderzusetzen und solcherart dessen Begründung nicht erkennen läßt, ob sie die diesbezügliche Behauptung des Beschwerdeführers in den ihrer rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegten maßgeblichen Sachverhalt miteinbezog oder nicht, verstieß sie gegen die §§ 58 Abs. 2, 60 und 67 AVG. Dieser Begründungsmangel - der durch Ausführungen in der Gegenschrift nicht beseitigt werden kann (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 607, angeführte hg. Rechtsprechung) - setzt den Verwaltungsgerichtshof außerstande, (derzeit) eine Prüfung der angefochtenen Entscheidung auf ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit hin vorzunehmen.

3. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich in der Höhe von S 390,-- (Eingabengebühr S 360,--, Beilagengebühr S 30,--) zu entrichten waren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994181052.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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