TE Lvwg Erkenntnis 2023/1/3 LVwG-2022/22/2399-7

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.01.2023
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Entscheidungsdatum

03.01.2023

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §87
  1. GewO 1994 § 87 heute
  2. GewO 1994 § 87 gültig ab 28.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 112/2018
  3. GewO 1994 § 87 gültig von 01.05.2018 bis 27.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 94/2017
  4. GewO 1994 § 87 gültig von 18.07.2017 bis 30.04.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 94/2017
  5. GewO 1994 § 87 gültig von 23.04.2015 bis 17.07.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 48/2015
  6. GewO 1994 § 87 gültig von 27.03.2015 bis 22.04.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 18/2015
  7. GewO 1994 § 87 gültig von 01.08.2013 bis 26.03.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 125/2013
  8. GewO 1994 § 87 gültig von 29.05.2013 bis 31.07.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 85/2013
  9. GewO 1994 § 87 gültig von 14.09.2012 bis 28.05.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 85/2012
  10. GewO 1994 § 87 gültig von 01.09.2012 bis 13.09.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2011
  11. GewO 1994 § 87 gültig von 17.11.2011 bis 31.08.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2011
  12. GewO 1994 § 87 gültig von 01.08.2010 bis 16.11.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 58/2010
  13. GewO 1994 § 87 gültig von 01.07.2010 bis 31.07.2010 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2010
  14. GewO 1994 § 87 gültig von 27.02.2008 bis 30.06.2010 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 42/2008
  15. GewO 1994 § 87 gültig von 15.01.2005 bis 26.02.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 131/2004
  16. GewO 1994 § 87 gültig von 01.08.2002 bis 14.01.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2002
  17. GewO 1994 § 87 gültig von 01.07.1997 bis 31.07.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 63/1997
  18. GewO 1994 § 87 gültig von 19.03.1994 bis 30.06.1997

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Triendl über die Beschwerde der Frau AA, geb. XX.XX.XXXX, Adresse 1, **** Z, v.d. RA BB, Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Z vom 26.7.2022, Zln *** und *** wegen Entziehung zweier Gewerbeberechtigungen nach öffentlicher, mündlicher Verhandlung

zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

2.   Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die Gewerbeberechtigungen der Beschwerdeführerin für die Gewerbe „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung“ (GISA-Zahl ***) und „Güterbeförderung mit Kraftwagen oder Kraftfahrzeugenmit Anhänger, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt“ (GISA-Zahl ***) am Standort **** Z, Adresse 1, gemäß § 87 Abs 1 Z 3 GewO 1994 entzogen.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde wurde vorgebracht, dass die Voraussetzungen für den Gewerbeentzug nicht gegeben seien.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol holte zunächst alle Verwaltungsstrafvormerkungen sowie die entsprechenden Strafverfügungen bei der Stadt Z ein. Weiters richtete das erkennende Gericht folgende E-Mail vom 30.9.2022 an die belangte Behörde:

„Sehr geehrter Herr CC,

gestern informierte mich der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin darüber, dass „scheinbar“ in der Zwischenzeit ein gewerberechtlicher Geschäftsführer  (zum Gewerbe „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (Handwerk)“, GISA-Zahl *** bestellt  und dies auch von der Behörde zur Kenntnis genommen worden wäre. Tatsächlich bestätigt dies eine Einsichtnahme in das GISA – mit 1.9.2022 wurde Herr DD zum gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellt.

Warum wurde diese wichtige Änderung des Sachverhaltes dem Gericht nicht mitgeteilt? Die Aktenvorlage erfolgte erst mit Schreiben vom 13.9.2022 ohne jeden Hinweis darauf!“

Die belange Behörde beantwortete dieses Schreiben mit Eingabe 30.9.2022 wie folgt:

„Sehr geehrter Herr Dr. Triendl,

es ist korrekt, dass Frau AA, vertreten durch EE GmbH, per 01.09.2022 Herrn DD als gewerberechtlichen Geschäftsführer angemeldet hat.

Aus Sicht der Behörde ist die nunmehrige Geschäftsführerbestellung für den Grund der beeinspruchten Gewerbeentziehung nicht ausschlaggebend, da die Behörde den Sachverhalt bis zur Bescheiderteilung (26.07.2022) beurteilt hat.

Zu diesem Zeitpunkt wurde festgestellt, dass Frau AA gem. § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 die notwendige Zuverlässigkeit für die Ausübung der Gewerbe nicht mehr besitzt.

Die Behörde konnte die nachträglich eingebrachte Geschäftsführerbestellung nicht abweisen bzw. führte diese durch, da die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde aufschiebende Wirkung hat.

Daher wurde der bestellte Geschäftsführer im GISA eingetragen.

Die nachträgliche Geschäftsführerbestellung sollte aus Sicht der Behörde nicht den Tatbestand zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung beeinflussen.“

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol am 12.10.2022 wurde die Beschwerdeführerin sowie die Zeugen FF (Tochter der Beschwerdeführerin), GG (Steuerberaterin der Beschwerdeführerin) sowie JJ (ursprünglich vorgesehen gewerberechtliche Geschäftsführerin) einvernommen. Ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht erschienen.

Mit Eingabe vom 9.12.2022 brachte die Beschwerdeführerin noch ergänzend vor wie folgt:

„In umseits bezeichneter Rechtssache gibt der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Vertreter nachstehende Beweismittel bekannt und werden die angebotenen Urkunden an das Landesverwaltungsgericht Tirol übermittelt sowie die abschließende Stellungnahme abgegeben:

Die Aussagen der beschwerdeführenden Partei sowie der Zeugen, welche in der Verhandlung vom 12.10.2022 getätigt wurden, decken sich inhaltlich mit dem in der Beschwerde vom 25.08.2022 Vorgebrachten. Die beschwerdeführende Partei ist ihrer Sorgfaltspflicht stets nachgekommen. Das Verfahren hat gezeigt, dass sie unverzüglich und fristwahrend alle erforderlichen Unterlagen an die Steuerberaterin weitergeleitet hat. Bei den gegenständlichen Verwaltungsstrafen handelt es sich nach Aussage der Steuerberaterin um eine Verkettung unglücklicher Zufälle. Die ersten Strafen ergingen, da die Steuerberaterin in der Coronaphase aufgrund der Verkehrsbeschränkungen Probleme mit dem Unterfertigen der notwendigen Unterlagen hatte. Dann gab es Probleme mit der GISA Plattform, über welche Sie die Unterlagen einreichen muss. Betreffend der aktuellsten Verwaltungsstrafe wegen des Vorfalls mit JJ, gab es wieder eine unglückliche Verkettung von Umständen. Die Beschwerdeführerin hat alle Unterlagen bei der Steuerberaterin abgegeben. Als es Probleme mit der Anmeldung von Frau JJ gab, hat die Steuerberaterin mit dem zuständigen Sachbearbeiter bei der Behörde Rücksprache gehalten. Ihr wurde zugesichert, dass er mit weiteren Schritten abwarten werde, bis es eine Entscheidung betreffend einer etwaigen Nachsicht gibt. Als Frau JJ und die beschwerdeführende Partei von dem Problem mit der Anmeldung erfahren haben, haben sie sich selbst auch um die Aufklärung des Sachverhalts bemüht. Frau JJ sagte zwar aus, dass sie selbst das Email an den Sachbearbeiter gesandt hat, bei der Suche in den Emails hat sich aber herausgestellt, dass es Frau AA war, welche das Email am 01.08.2022 an Herrn CC gesandt hat.

Beweis: Email vom 01.08.2022 Beilage ./E

Aufgrund dieser wiederholten, von der beschwerdeführenden Partei unverschuldeten Probleme, welche sich mit der bisherigen steuerlichen Vertretung ergeben haben, hat sie sich nun gezwungen gesehen, eine entsprechende Konsequenz zu ziehen und eine neue steuerliche Vertretung zu suchen. Aufgrund des ungewissen Ausgangs des gegenständlichen Verfahrens war es nicht leicht eine neue Vertretung zu finden. Bei negativem Ausgang kann das Unternehmen nicht fortgeführt werden und bedarf es somit auch keiner steuerlichen Vertretung mehr. Die KK GmbH hat jedoch zugesichert, bei positivem Ausgang dieses Verfahrens und somit dem Weiterbestehen des Unternehmens, die steuerliche Vertretung samt der notwendigen Meldungen der Arbeitnehmer/Geschäftsführer und dergleichen zu übernehmen.

Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass sich die beschwerdeführende Partei stets sorgsam um die Einhaltung aller Vorschriften gekümmert hat. Sie hat alle notwendigen Unterlagen an die beauftragte Professionistin zur entsprechenden Bearbeitung weitergeleitet. Da sich aber nun gezeigt hat, dass die Verkettung von Zufällen immer bei der Steuerberaterin zusammengekommen sind, was auch zu mehreren Verwaltungsstrafen zulasten der beschwerdeführenden Partei geführt hat, hat diese nun den notwendigen Schritt gesetzt und einen neue steuerrechtliche Vertretung gesucht.“

II.      Rechtsgrundlagen

Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl 194 idF BGBl I 2018/112 lautet wie folgt:

§ 87.

(1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn

(…)

         3.       der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt oder

(…)

III.     Erwägungen

Die belangte Behörde stützt die gegenständliche Entziehung der Gewerbeberechtigungen auf fünf Übertretungen nach der Gewerbeordnung 2022:

• 03.09.2020 III-GEW-***   § 367 Zl. 1 GewO  € 218,00

• 18.09.2020 III-GEW-***   § 367 Zl. 1 GewO  € 436,00

• 16.10.2020 III-GEW-***   § 367 Zl. 1 GewO  € 600,00

• 23.05.2022 III-GEW-***   § 367 Zl. 1 GewO  € 600,00

• 28.06.2022 III-GEW-***   § 367 Zl. 1 GewO  € 600,00

Ebenfalls verwiesen wird auf 11 Verwaltungsstrafvormerkungen nach dem KFG. Eine Wertung dieser Verwaltungsstrafen erfolgt nicht. Die Behörde zitiert lediglich Gesetzesbestimmungen und Judikatur des VwGH, warum nun im konkreten Fall die Voraussetzungen für eine Entziehung vorliegen oder nicht, führt die Behörde mit keinem Wort aus. Warum also hier die vom Gesetz in § 87 Abs 1 Z 3 GewO 1994 verlangten „schwerwiegenden Verstöße“ vorliegen, wird nicht dargelegt.

Das vom Landesverwaltungsgericht Tirol durchgeführt, umfangreiche ergänzende Ermittlungsverfahren hat nun gezeigt, dass die Voraussetzungen nach § 87 Abs 1 Z 3 GewO 1994 nicht vorliegen. Dies aus folgenden Erwägungen:

Zunächst ist hervorzuheben, dass durch die Einschränkung auf „schwerwiegende Verstöße“ im § 87 Abs 1 Z 3 GewO 1994 sichergestellt werden soll, dass nicht schon jede geringfügige Verletzung der bei der Ausübung des Gewerbes zu beachtenden Rechtsvorschriften zur Entziehung der Gewerbeberechtigung führen kann, wenngleich aber auch durch eine Vielzahl geringfügiger Übertretungen Zweifel an der Verlässlichkeit des Gewerbetreibenden begründet werden können. In der Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zur GewRNov 1996 (47 BlgNR 20. GP) ist u.a. davon die Rede, dass es realitätsfern wäre, wenn die Verletzung jedweder Rechtsregel zu einem Verlust der Verlässlichkeit beim Gewerbetreibenden führen würde. Hier müsse berücksichtigt werden, dass erfahrungsgemäß in der Hektik des Wirtschaftsgeschehen Verstöße gegen Rechtsvorschriften leicht passieren könnten, ohne dass die an der grundsätzlichen Absicht von Wirtschaftstreibenden zu einem regelkonformen Verhalten zweifeln ließe. Entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalles. Es bedarf keiner Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Gewerbeinhabers. entscheidend ist letztlich, dass die vorliegenden Übertretungen solche sind, die zeigen, dass der Gewerbetreibende zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt. Das bloße Aufzählen von Verwaltungsübertretungen (wie dies im angefochtenen Bescheid erfolgt ist), ohne sich eingehend damit auseinanderzusetzen, inwiefern – etwa aufgrund der Art und Schwere der Übertretungen – damit in seiner Gesamtheit ein „schwerwiegender Verstoß“ vorliegt, reicht nicht aus (vgl. zu alledem Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, Kommentar zur Gewerbeordnung 19944 (2020) § 87 Rz 14ff mwH auf die Judikatur des VwGH).

Anlass für die vorliegende Entscheidung der belangten Behörde war augenfällig die Nichtbestellung eines – hier erforderlichen – gewerberechtlichen Geschäftsführers. So wurde die Beschwerdeführerin mit Schreiben der belangten Behörde vom 18.3.2022 darauf hingewiesen, dass der bisherige gewerberechtliche Geschäftsführer, Herr LL, seinerzeit bestellt am 18.2.2021, mit Wirkung vom 16.3.2022 aus dieser Funktion ausgeschieden sei und wurde sie aufgefordert, binnen einer Frist von einem Monat einen neuen Geschäftsführer zu bestellen. Dafür wurde eine Frist bis längsten 16.4.2022 eingeräumt. Mit Schreiben vom 3.5.2022 und 31.5.2022 wurde die Strafbehörde auf diesem Umstand hingewiesen. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 31.5.2022 wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass bei einer weiteren Übertretung von der Behörde ein Entziehungsverfahren eingeleitet werden müsste.

Dem vorgelegten Akt ist weiters ein Antrag auf Bestellung eines Geschäftsführers, mit Eingangsdatum 29.6.2022 zu entnehmen Dabei sollte eine Frau JJ zur gewerberechtlichen Geschäftsführerin bestellt werden. Der Antrag wurde eingebracht durch die „EE GmbH“. In diesem Zusammenhang stellte sich offenkundig in weiterer Folge heraus, dass Frau JJ die notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllte, obgleich sie über einen Meisterbrief verfügte. Die Gründe dafür sind dem behördlichen Akt nicht zu entnehmen. Dieser Antrag wurde per 5.7.2022 zurückgezogen.

Frau GG wurde vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol als Zeugin einvernommen. Sie ist die Geschäftsführerin der oben genannten „EE GmbH“. Sie erledigt für die Beschwerdeführerin nicht nur die gesamte Lohnverrechnung, sondern auch noch andere Aufgaben wie etwa die Anmeldung der Geschäftsführer im Gewerberegister. Zum Prozedere der Anmeldung der Frau JJ erklärte Frau GG in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol wie folgt:

„Es ist mir bekannt, dass das Geschäftsverhältnis mit dem Herrn LL im Feber 2022 beendet wurde. Ich habe auch die entsprechende Abmeldung bei der Gebietskrankenkasse durchgeführt. Wir machen dann die Anmeldungen sowohl für die Gebietskrankenkasse, als auch im Gewerberegister, wenn uns ein neuer Geschäftsführer bekannt gegeben wird. Es ist richtig, dass ich in der Praxis habe immer Kontakt mit der FF gehabt. Sie hat diese ganzen Angelegenheiten offensichtlich in der Firma gemacht. Wenn mir die Anlage./A von heute, nämlich die Übermittlung des Meisterbriefes der JJ angezeigt wird, dann wird das so gewesen sein. Grundsätzlich machen wir das nicht bei jedem, sondern immer nur dann, wenn wir von der Firma entsprechend dafür aufgefordert werden. Richtig ist, dass es eine gewisse Zeit dauert, bis alle Unterschriften da sind, alle Formulare ausgefüllt sind, das kann schon ein wenig dauern.

Ich habe das bei der Gewerbebehörde bekannt gegeben, habe das über das sogenannte GISA Anmeldeportal gemacht. Die Behörde hat sich aber bei mir gemeldet, dass die Frau JJ einen Gewerbeausschließungsgrund hat, obwohl sie, die Frau JJ das Formular unterschrieben hat, dass sie keine Ausschließungsgründe habe. Diese Anmeldung, die funktioniert im Endeffekt so, dass man eben eine Maske befüllt und entsprechende Unterlagen dazulegt, die werden offenkundig dann automatisch an die Behörde weitergeleitet und der Sachbearbeiter hat über das zu entscheiden. In dem Fall war es so, dass ich eben vom zuständigen Sachbearbeiter darüber informiert wurde, er hat mich angerufen. Er hat gesagt, dass Ausschließungsgründe vorliegen. Er sagte zu mir, ich solle meinen Antrag zurückziehen. Ich sollte es aber jedenfalls mit der Frau FF, bzw mit der Frau JJ abklären, ob das mit dem Gewerbeausschließungsgrund passt. Ich habe dann die Frau FF angerufen, habe ihr das mitgeteilt. Dann sagt die Frau FF zu mir, es sei wohl besser, wir würden den Antrag zurückziehen. Sie werde sich aber mit der Frau JJ in Verbindung setzen. Daraufhin hat die Frau JJ mit mir telefoniert. Frau JJ sagte zu mir, sie habe nicht gewusst, dass sie einen Gewerbeausschließungsgrund habe, dass sie sich aber mit der Behörde in Verbindung setzen werde und das Ganze abklären werde und um Nachsicht ansuchen werde. Daraufhin habe ich der Frau FF das mitgeteilt. Ich erklärte ihr, wenn die Frau JJ eh alles machen wird, dann geht das eh seinen Weg. Ich hab dann nochmal beim Herrn CC angerufen und hab mitgeteilt, dass die Frau JJ ein Nachsichtsansuchen stellen werde. Er erklärte mir, er werde abwarten, bis er die Nachsicht bekommt. Er erklärte, die Frau JJ könne das sehr wohl probieren, er glaube aber nicht, dass das geht, soweit dies aus den Akten hervorgeht, aber sie solle das einmal machen. Das habe ich auch der Frau JJ mitgeteilt.

Meinen Informationen nach hat sie diesen Nachsichtsantrag gestellt, wann dies tatsächlich erfolgt ist, weiß ich nicht. Aufgrund der Tatsache, dass die Gewerbebehörde die Gewerbeentziehung eingeleitet hat, hat die Unternehmerin gemeint, sie wolle keine Probleme und sie schaut sich sofort um einen Ersatz für die Frau JJ um. Daraufhin wurde der neue gewerberechtliche Geschäftsführer angemeldet. Ich kann das nur so sagen, weil es völlig überraschend war, dass Frau JJ einen Gewerbeausschließungsgrund gehabt hat, das wusste ich nicht und war auch zunächst nicht erkennbar. Selbst die Frau JJ als Person war überrascht davon. Man ist davon ausgegangen, nach dem Telefonat mit dem Herrn CC, dass sich die Frau JJ um die Nachsicht bemühen solle und dann abgewartet wird, das war für mich ein klares Indiz dafür, dass die Behörde einmal zuwarten wird. Dieser Eindruck wurde mir jedenfalls von Herrn CC vermittelt. Rechtlich hat sich ja das Nachsichtsverfahren wieder in die Länge gezogen, näher müsste man die heute anwesende Frau JJ fragen, vermute ich einmal, dass man dann irgendwann einmal seitens des Unternehmens gesagt hat, jetzt bestellen wird einen anderen Geschäftsführer, um da nicht Probleme mit der Behörde zu bekommen.“

Dass im Zuge der Anmeldung der Frau JJ eine unglückliche Verkettung von Umständen vorlag, bestätigt auch eine E-Mail der Frau FF an den zuständigen Sachbearbeiter der Gewerbebehörde, Herrn CC vom 1.8.2022, die im behördlichen Akt nicht aufliegt. Darin wird auf einen Antrag um Nachsicht vom 14.7.2022 Bezug genommen. Auch eine entsprechende Antwort findet sich im Akt nicht.

Für das Gericht steht fest, dass sich die Beschwerdeführerin auf ihre Steuerberatungskanzlei, mithin auf eine einschlägige Fachfirma bei der Abwicklung der Anmeldung eines Geschäftsführers verlassen hat. Diese Kanzlei übernahm bereits in der Vergangenheit diese Aufgabe. Die Probleme im Zusammenhang mit der Geschäftsführerbestellung im Jahre 2020 und die daraus resultierenden Strafverfahren konnte die Zeugin GG gut damit erklären, dass der Fehler insofern bei ihr gelegen sei, als es hier v.a. coronabedingt zu einer verspäteten Anmeldung gekommen sei, die in ihrem Verantwortungsbereich gelegen ist. Wörtlich führte sie vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol aus wie folgt (Hervorhebungen durch den Gefertigten).

„Zum Vorgang aus dem Jahr 2020 möchte ich anführen, dass wir immer dann einen hier neuen Geschäftsführer bei der Gebietskrankenkasse anmelden, wir Informationen haben und die Daten vollständig sind. Es wird richtig sein, dass wir den MM am 01.06.2020 angemeldet haben. Auf Frage des Verhandlungsleiters, warum denn dann der gewerberechtliche Geschäftsführer erst mit Datum 25.09.2020 bestellt wurde, da hab ich nachgeschaut in unseren Daten -da waren diese Corona bedingten Verkehrsbeschränkungen, da durfte ja niemand mehr ins Büro gehen. Wir haben dann die Unterlagen zum Unterschreiben durch die Parteien und auch jene für den Herrn MM. Das Ganze war sehr schwierig damals zu händeln. Es haben dann auch zum Beispiel die Ausdrucke nicht so gepasst, dass man sie gut lesen kann, die Unterschriften waren auf der falschen Seite. Ich hab dann die Unterlagen glaublich erst vor Ende Juli zusammengehabt. Damals wollte ich das Ganze, wie ich heute schon geschildert habe, über die GISA Plattform eingeben. Das hat aber alles nicht funktioniert. Ich habe dann die ganzen Unterlagen per Post an die Behörde geschickt. Das hat „anscheinend“ die Behörde nie bekommen. Ich habe das zwar nicht eingeschrieben geschickt, aber mir ist das unerklärlich. Nachdem eben die Behörde mir mitgeteilt hat, dass sie aus mir unerfindlichen Gründungen keine Unterlagen erhalten hat, habe ich das am 25.09.2020 elektronisch durchgeführt. Das ist also der Grund, warum sich das Ganze so verzögert hat. Jedenfalls ist es augenscheinlich, dass die Frau FF da nichts dafür kann.“

Auch im Jahre 2022 kam es im Zusammenhang mit der Gewerbeanmeldung zu zahlreichen Verstrickungen: wiederum verließ sich die Beschwerdeführerin auf ihre Fachfirma sowie die Angaben der namhaft gemachten Geschäftsführerin Frau JJ. Diese war ja selbst überrascht, dass sie ungeachtet ihres Meisterbriefes nicht alle Voraussetzungen für die Funktion eines gewerberechtlichen Geschäftsführers erfüllt. In weiterer Folge kam es zu einem Auftreten mehrere unglücklicher Umstände, die schlussendlich dazu führten, dass der gewerberechtliche Geschäftsführer erst verspätete bestellt wurde. Dass im Zuge des gesamten Prozederes auch der Behörde insofern Fehler unterlaufen sind, als etwa E-Mails nicht beantwortet wurden (und diese E-Mails nicht im Akt aufscheinen) bzw. Sorglosigkeiten an den Tag gelegt wurden, die sich im oben widergegebenen E-Mailverkehr zwischen Gericht und Sachbearbeiter vom 30.9.2022 zeigen, liegt für das Gericht auf der Hand.

Selbstverständlich hätte sich die Beschwerdeführerin nicht gänzlich auf Ihre Steuerberatungskanzlei bzw. die Angaben der Frau JJ verlassen dürfen. Bei einer Gesamtbeurteilung der vorliegenden Problematik ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, dass es in der Praxis naturgemäß einen Unterschied macht, ob sich ein Gewerbetreibender völlig sorglos auf andere Personen verlässt, oder eine Steuerberatungskanzlei mit der Abwicklung seiner Gewerbeangelegenheiten betraut. Zusammenfassend ist der Beschwerdeführerin der Vorwurf der mangelnden Kontrolle zu machen. Allerdings hat das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol, an dem sich die belangte Behörde nicht beteiligt hat (zur mündlichen Verhandlung ist, wie erwähnt, ungeachtet der nachweislichen Ladung, kein Vertreter der belangten Behörde erschienen), gezeigt, dass es hier zu einer unglücklichen Verkettung von Umständen gekommen ist, die zu einer verzögerten Bestellung eines Geschäftsführers geführt haben. Die Beschwerdeführerin war grundsätzlich bemüht, hier ordnungsgemäß zu agieren. Die Behörde hat sich nicht ansatzweise mit den vorgehaltenen Verwaltungsübertretungen inhaltlich auseinandergesetzt, sondern sich damit begnügt, diese bloß anzuführen. Inwiefern daraus, vor dem Hintergrund der oben geschilderten Besonderheiten des vorliegenden Falles, mit einer Entziehung der Gewerbeberechtigung reagiert werden muss, führt die Behörde nicht aus.

Für das Landesverwaltungsgericht Tirol steht sohin zusammenfassend fest, dass der Beschwerdeführerin Fehler unterlaufen sind. Diese sind jedoch in einer Zusammenschau und unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieses Falles als nicht so schwerwiegend zu beurteilen, dass daraus zwingend ein Gewerbeentzug resultieren muss. Die Beschwerdeführerin hat ungeachtet der zahlreichen, oben geschilderten Querelen im Zusammenhang mit der Geschäftsführerbestellung schlussendlich per 1.9.2022 mit Herrn DD einen gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellt und damit ihr grundsätzliches Bemühen, wenngleich selbstredend verspätet, zum Ausdruck gebracht. Die Beschwerdeführerin wird jedoch in Zukunft besonders darauf zu achten haben, dass ihr derartiger Fehler nicht mehr unterlaufen, zumal wohl jede weitere Übertretung der einschlägigen gewerberechtlichen Normen einen Gewerbeentzug nach sich ziehen würden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist sowohl im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren als auch im führerscheinrechtlichen Verfahren unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision war daher auszuschließen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Triendl

(Richter)

Schlagworte

Gewerbeentzug
Gewerberechtlicher Geschäftsführer
Geschäftsführerbestellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2022.22.2399.7

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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