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34 MonopoleNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verstoß von Teilen einer Bestimmung des GlücksspielG betreffend den Schutz des Vermögens einzelner Spieler gegen den Gleichheitsgrundsatz; Unsachlichkeit der bloßen Einholung von Bonitätsauskünften bei problematischem Spielverhalten; kein effektiver Spielerschutz durch verspätete weitergehende Schutz- und Sorgfaltspflichten der Spielbankleitung erst bei Gefährdung des ExistenzminimumsRechtssatz
Aufhebung näher bezeichneter Teile des §25 Abs3 GlücksspielG - GSpG idF BGBl I 13/2014.
Der unionsrechtlich gebotene Spielerschutz wird in der angefochtenen Bestimmung nicht in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise verwirklicht:
Die Schutz- und Sorgfaltspflichten der Spielbankleitung werden gemäß dem ersten Satz des §25 Abs3 GSpG (erst) dann ausgelöst, wenn die begründete Annahme besteht, dass Häufigkeit und Intensität der Spielteilnahme das Existenzminimum des Spielteilnehmers gefährden. Beobachtet die Spielbankleitung ein solches "problematisches" Spielverhalten, ist sie in einem ersten Schritt (nur) dazu verpflichtet, Auskünfte bei einer unabhängigen Einrichtung einzuholen, die Bonitätsauskünfte erteilt. Nur wenn die Einholung unabhängiger Bonitätsauskünfte nicht möglich ist oder diese nicht aussagekräftig sind, ist zusätzlich ein Beratungsgespräch mit dem Spielteilnehmer durchzuführen und sind seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse abzuklären.
Über die Einholung einer Bonitätsauskunft hinausgehende Schutz- und Sorgfaltspflichten der Spielbankleitung werden daher regelmäßig erst dann ausgelöst, wenn eine Bonitätsauskunft vorliegt, aus der sich Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Existenzminimums des Spielteilnehmers ergeben. Dies ergibt sich nach Auffassung des VfGH daraus, dass sich die Spielbankleitung auf Grund der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung grundsätzlich auf die eingeholten Bonitätsauskünfte verlassen kann, weswegen nicht ersichtlich ist, unter welchen Umständen die eingeholte Bonitätsauskunft "nicht aussagekräftig" im Sinne des §25 Abs3 Z2 GSpG sein sollte. Die Spielbankleitung muss daher nach der angefochtenen Bestimmung bei Vorliegen einer "unauffälligen" Bonitätsauskunft im Regelfall keine weiteren Schritte setzen.
Die Anordnung zusätzlicher Schutz- und Sorgfaltspflichten (erst) für den Fall, dass eine "auffällige" Bonitätsauskunft vorliegt, wird in einer Durchschnittsbetrachtung vielfach zu spät kommen, um eine Gefährdung des Existenzminimums des Spielteilnehmers hintanzuhalten. Der Spielteilnehmer wird in einem solchen Fall regelmäßig bereits in einer Situation sein, in der er seine laufenden Verpflichtungen nicht mehr begleichen kann und daher eine Gefährdung seines Existenzminimums bereits eingetreten ist. Die in §25 Abs3 GSpG angeordneten (zusätzlichen) Schutz- und Sorgfaltspflichten der Spielbankleitung, insbesondere die Durchführung eines Beratungsgespräches, kommen diesfalls zu spät. Die angefochtene Bestimmung ist somit in einer Durchschnittsbetrachtung nicht geeignet, einen effektiven Spielerschutz zu gewährleisten.
Das (primäre) Abstellen auf die Einholung einer Bonitätsauskunft ist bereits dem Grundsatz nach nicht geeignet, einen effektiven Spielerschutz zu gewährleisten. Von einem effektiven, dh wirksamen Spielerschutz kann vielmehr nur dann gesprochen werden, wenn (zusätzlich) auch Beratungsgespräche und andere zweckmäßige Maßnahmen vorgesehen werden. Entsprechendes gilt hinsichtlich der in der angefochtenen Bestimmung angeordneten Beschränkung der Haftung der Spielbankleitung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz sowie der Regelung, dass die angefochtene Bestimmung alle Ansprüche des Spielteilnehmers gegen die Spielbankleitung im Zusammenhang mit der Gültigkeit des Spielvertrages oder mit Verlusten aus dem Spiel abschließend regelt.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Glücksspiel, Monopolwesen, VfGH / Parteiantrag, EU-Recht, Schadenersatz, Zivilrecht, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Individualantrag, VfGH / VerwerfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:G259.2022Zuletzt aktualisiert am
01.02.2023