TE Vwgh Erkenntnis 2022/12/7 Ra 2022/16/0020

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Veröffentlicht am 07.12.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Vorstehers des Bezirksgerichts Bregenz in 6900 Bregenz, Bergmannstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Februar 2022, I421 2246060-1/2E, betreffend Zeugengebühren (mitbeteiligte Partei: 1. J R M in E (Deutschland), und 2. Revisor des OLG Innsbruck in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Der Erstmitbeteiligte beantragte für seine Teilnahme an einer Hauptverhandlung in einer Strafsache des Bezirksgerichtsgerichts Bregenz am 10. Juni 2021 als Zeuge aus dem Ausland Gebühren aus Reisekosten, Aufenthaltskosten und Verdienstentgang iHv 1.001,42 €.

2        Mit dem mit 12. Juli 2021 datierten und dem Erstmitbeteiligten zugestellten Bescheid wurden die Gebühren des Erstmitbeteiligten iHv 1.001,00 € bestimmt. Die Fertigungsklausel des Bescheides lautete „Bezirksgericht Bregenz i.V. für den Vorsteher des Bezirksgerichts [Name] (Stellvertreterin des Gerichtsvorstehers)“.

3        Mit Schriftsatz vom 18. August 2021 erhob der Zweitmitbeteiligte dagegen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) und beantragte, die Gebühren des Erstmitbeteiligten mit 208,80 € zu bestimmen und das Mehrbegehren abzuweisen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis behob das BVwG den Bescheid „des Bezirksgerichts Bregenz“ vom 12. Juli 2021 ersatzlos und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

5        Das BVwG stellte fest, dass der bekämpfte Bescheid nicht vom Vorsteher des Bezirksgerichts Bregenz erlassen worden sei. In der rechtlichen Beurteilung führte das BVwG aus, der Vorsteher des Bezirksgerichts Bregenz sei in der vorliegenden Angelegenheit persönlich zuständig. Aufgrund des Auslandsbezugs und der Höhe der beantragten Gebühr sei eine Vertretung nicht zulässig. Maßgeblich sei, dass der Erstmitbeteiligte im Ausland seinen Wohnsitz habe, aus dem Ausland angereist sei und einen 300 € übersteigenden Gebührenantrag geltend gemacht habe. Im vorliegenden Fall komme daher gemäß § 20 Abs. 1 zweiter Satz GebAG eine Vertretung des Leiters oder Leiterin des Gerichts nicht in Betracht. Der angefochtene Bescheid sei nicht von der nach § 20 Abs. 1 GebAG zuständigen Behörde erlassen worden und wegen Unzuständigkeit der Behörde ersatzlos aufzuheben. Der Vorsteher des Bezirksgerichts Bregenz werde nunmehr persönlich als zuständige Justizverwaltungsbehörde über die geltend gemachten Zeugengebühren zu entscheiden haben.

6        Die dagegen erhobene Revision des Vorstehers des Bezirksgerichts Bregenz legte das BVwG dem Verwaltungsgerichtshof unter Anschluss der Akten des Verfahrens vor. Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein, in dem Revisionsbeantwortungen nicht erstattet wurden.

7        Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision zusammengefasst vor, entgegen der Annahme des BVwG sei auch der stellvertretende Leiter/die stellvertretende Leiterin eines Bezirksgerichts zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständig.

8        Die vom Revisionswerber als Beilage zur Revision vorgelegte Geschäftseinteilung in Justizverwaltungssachen des Bezirksgerichts Bregenz ab 1. März 2019 lautet auszugsweise:

„[...]

Stellvertreterin des Vorstehers des Bezirksgerichtes

Mag. M.Y.

Bestimmung und Anweisung der Zeugengebühren in Zivil- und Strafsachen für die aus dem Ausland geladenen Zeugen/Zeuginnen (FC 33)

[...]“

9        Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.

10       Gemäß § 20 Abs. 1 Gebührenanspruchsgesetz - GebAG (BGBl. Nr. 136/1975 idF BGBl. I Nr. 44/2019) ist die Gebühr im Justizverwaltungsweg vom Leiter des Gerichts zu bestimmen, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat oder stattfinden sollte. Der Leiter des Gerichts kann einen geeigneten Bediensteten des Gerichts mit der Durchführung des Verfahrens betrauen und ihn ermächtigen, in seinem Namen zu entscheiden; bei aus dem Ausland geladenen Zeugen ist ein solches Vorgehen jedoch nur dann zulässig, wenn der geltend gemachte Gebührenbetrag 300 Euro nicht übersteigt.

11       Das BVwG leitet aus dieser Bestimmung ab, dass aufgrund des Auslandsbezuges und der Höhe der beantragten Gebühr im Fall des Antrages des Erstmitbeteiligten eine Vertretung des Vorstehers des Bezirksgerichts in seiner Funktion als Leiter des Gerichtes gemäß § 20 Abs. 1 GebAG nicht zulässig sei und der Vorsteher des Bezirksgerichts über den Antrag des Revisionswerbers persönlich zu entscheiden habe.

12       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass bei der Prüfung der Zuständigkeit zur Gebührenbestimmung nach § 20 GebAG auf die Bestimmungen des Gerichtsorganisationsgesetzes Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2018/16/0124; VwGH 19.12.2017, Ra 2017/16/0055; vgl. auch VwGH 15.2.1999, 98/10/0422, zur damaligen Zuständigkeit des Präsidenten des Gerichtshofes I. Instanz als für die Entziehung der Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger zuständiges Organ nach § 10 Sachverständigen- und Dolmetschergesetz).

13       § 25 Gerichtsorganisationsgesetz (GOG), RGBl. Nr. 217/1896 idF BGBl. I Nr. 52/2017, lautet:

„§ 25. (1) Die Vorsteherin oder der Vorsteher des Bezirksgerichts leitet das Gericht, übt die Dienstaufsicht über das gesamte Personal aus und führt die anderen Justizverwaltungsgeschäfte für das Gericht.

(1a) Die Vorsteherin oder der Vorsteher des Bezirksgerichts wird bei ihren oder seinen Aufgaben nach Maßgabe der von ihr oder ihm zu erlassenden Geschäftseinteilung für Justizverwaltungssachen durch andere Richterinnen und Richter unterstützt und vertreten. Für diese Justizverwaltungsaufgaben sind Planstellen des Bezirksgerichts im Ausmaß von jeweils 5 vH der ersten drei Richterinnen- und Richterplanstellen, zumindest aber 5 vH einer Vollzeitkraft, jeweils 4 vH der weiteren sieben Richterinnen- und Richterplanstellen, jeweils 3 vH der weiteren zehn Richterinnen- und Richterplanstellen sowie jeweils 2 vH aller über 20 hinausgehenden Richterinnen- und Richterplanstellen (ohne Planstellen mit besonderer gesetzlicher Zweckwidmung) gebunden. Sowohl die Vorsteherin oder der Vorsteher des Bezirksgerichts als auch die sonstigen mit Justizverwaltungssachen betrauten Richterinnen und Richter sollen neben ihren Justizverwaltungsaufgaben auch in der Rechtsprechung tätig sein.

(2) Falls die Vorsteherin oder der Vorsteher des Bezirksgerichts verhindert ist, ihren oder seinen Aufgaben nach Abs. 1 nachzukommen, oder falls die Planstelle der Vorsteherin oder des Vorstehers nicht besetzt ist, obliegen die Aufgaben nach Abs. 1 der oder dem nach der Geschäftseinteilung für Justizverwaltungssachen hierzu berufenen Richterin oder Richter, sofern nicht die Präsidentin oder der Präsident des übergeordneten Gerichtshofs erster Instanz aus dienstlichen Interessen eine andere Anordnung trifft.“

14       Die Vertretung des Vorstehers des Bezirksgerichts bei seinen Aufgaben richtet sich gemäß § 25 Abs. 1a GOG nach der Geschäftseinteilung für Justizverwaltungssachen. Die Zuständigkeit der Stellvertreterin des Vorstehers des Bezirksgerichts Bregenz zur Erlassung des in Rede stehende Bescheides vom 12. Juli 2021 zur Bestimmung der Gebühr eines aus dem Ausland geladenen Zeugen für die Teilnahme an einer vor dem Bezirksgericht Bregenz stattgefunden Beweisaufnahme (Zeugeneinvernahme) gemäß § 20 Abs. 1 GebAG ergab sich im Revisionsfall somit aus § 25 Abs. 1a GOG in Verbindung mit der für den Zeitpunkt der Gebührenbestimmung geltenden Geschäftseinteilung („Bestimmung und Anweisung der Zeugengebühren in Zivil- und Strafsachen für die aus dem Ausland geladenen Zeugen/Zeuginnen“; vgl. zu § 31 Abs. 2 GOG VwGH 19.12.2017, Ra 2017/16/0055). Diese Zuständigkeit ist von der - im Revisionsfall nicht in Rede stehenden - Erteilung eines innerbehördlichen Mandats durch den Leiter des Gerichts an einen geeigneten Bediensteten des Gerichts gemäß § 20 Abs. 1 zweiter Satz GebAG zu unterscheiden (vgl. dazu näher VwGH 12.9.2017, Ra 2017/16/0106, mwN aus Rechtsprechung und Literatur).

15       Das angefochtene Erkenntnis war daher in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 7. Dezember 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022160020.L01

Im RIS seit

01.02.2023

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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