TE Vwgh Erkenntnis 2022/12/13 Ro 2019/16/0005

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Veröffentlicht am 13.12.2022
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Auswertung in Arbeit!

Norm

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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma, den Hofrat Mag. Straßegger, die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der N Gesellschaft mbH in I, vertreten durch die Marsoner + Partner GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 43, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 18. April 2019, Zl. RV/3100679/2017, betreffend Grunderwerbsteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: nunmehr Finanzamt Österreich, Dienststelle Sonderzuständigkeiten), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der Revisionswerberin teilweise Folge und setzte die Grunderwerbsteuer im Instanzenzug „ausgehend von der Bemessungsgrundlage von € 1.046.490 mit 3,5 v.H., sohin im Betrag von € 36.627,15“ endgültig fest.

2        In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht zusammengefasst aus, die Revisionswerberin habe am 16. März 2015 mit dem Wohn- und Pflegeheimverband N als Baurechtsbesteller einen Vorvertrag betreffend die Einräumung eines Baurechts für die Dauer von 55 Jahren an einem näher bezeichneten Grundstück zwecks Errichtung eines Senioren- und Pflegeheims abgeschlossen. Am 17. Februar 2017 sei von denselben Vertragsparteien die Aufsandungsurkunde errichtet worden, wobei die Bestimmungen des Vorvertrags vom 16. März 2015 zum integrierenden Bestandteil erklärt und erstmals der jährliche (wertgesicherte) Baurechtszins iHv 11.035 € (netto) bestimmt worden sei.

3        Mit vorläufigem Bescheid gemäß § 200 Abs. 1 BAO vom 12. April 2017 habe das damalige Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel der Revisionswerberin für die Einräumung des Baurechts ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 3,000.000 € eine Grunderwerbsteuer iHv 105.000 € (3,5%) vorgeschrieben. Das Finanzamt habe die Auffassung vertreten, dass die Steuerschuld bereits mit Abschluss des Vorvertrags entstanden sei, sodass es § 4 GrEStG 1987 idF BGBl. I Nr. 36/2014 zur Anwendung gebracht und den gemeinen Wert des Baurechts (Mindestbemessungsgrundlage) ausgehend von dem erhobenen Mittelpreis des Verbrauchsorts (600 €/m²) und der Grundstücksgröße von 5.000 m² ermittelt habe.

4        In der dagegen erhobenen Beschwerde habe die Revisionswerberin vorgebracht, die Grunderwerbsteuer sei nicht bereits mit Abschluss des Vorvertrags entstanden. Die Grunderwerbsteuer sei von der Gegenleistung, somit gemäß § 15 BewG 1955 vom 18fachen Jahreswert des vereinbarten Baurechtszinses zu bemessen. Der gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 (ab BGBl. I Nr. 118/2015) die Mindestbemessungsgrundlage bildende Grundstückswert des Baurechts sei mit 0 € anzusetzen, da der Bodenwert dem Grundstückseigentümer zuzurechnen und das Gebäude nicht Gegenstand des Erwerbs sei.

5        Mit Beschwerdevorentscheidung vom 19. Juni 2017 habe das Finanzamt der Beschwerde der Revisionswerberin teilweise Folge gegeben und die Grunderwerbsteuer ausgehend von einem gemeinen Wert des Baurechts von 1,500.000 € mit 52.500 € festgesetzt. Das Finanzamt sei weiterhin davon ausgegangen, dass die Steuerschuld bereits mit Abschluss des Vorvertrags entstanden sei. Da die betreffende Liegenschaft kurz vor Einräumung des Baurechts von der Baurechtsbestellerin zum Kaufpreis von 300 € pro m² erworben worden sei, habe das Finanzamt diesen Kaufpreis der Ermittlung des gemeinen Werts des Baurechts zugrunde gelegt.

6        Im Vorlageantrag habe die Revisionswerberin nochmals die Festsetzung der Grunderwerbsteuer ausgehend von einer kapitalisierten Gegenleistung iHv 198.630 € begehrt.

7        In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Bundesfinanzgericht aus, in der als „Vorvertrag“ bezeichneten Vereinbarung vom 16. März 2015 sei festgehalten worden, dass mangels Durchführung des Architektenwettbewerbs und der Grundteilung die genaue Höhe des Baurechtszinses noch nicht bekannt sei. In der am 17. Februar 2017 errichteten „Aufsandungsurkunde“ sei von den Vertragsparteien erstmals eine detaillierte Vereinbarung über die Höhe des zu leistenden Baurechtszinses getroffen worden. Da zuvor mangels Bestimmbarkeit des Baurechtszinses noch keine Einigung über den wesentlichen Inhalt des Baurechtsvertrags bestanden habe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Erwerbsvorgang bereits mit Abschluss des Vorvertrags verwirklicht worden sei. Vielmehr sei der Revisionswerberin zu folgen, wonach die Steuerschuld erst mit der am 17. Februar 2017 errichteten „Aufsandungsurkunde“ entstanden sei. Im revisionsgegenständlichen Fall sei daher das Grunderwerbsteuergesetz 1987 (GrEStG), BGBl. I Nr. 309/1987 idF BGBl. I Nr. 118/2015, anzuwenden.

8        Nach § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 sei die Grunderwerbsteuer für die Einräumung des Baurechts grundsätzlich von der Gegenleistung, mindestens jedoch vom Grundstückswert zu bemessen. Letzterer könne entweder nach dem Pauschalwertmodell (§ 2 Grundstückswertverordnung - GrWV) ermittelt, oder von einem geeigneten Immobilienpreisspiegel (§ 3 GrWV) abgeleitet werden. Weise der Steuerschuldner einen geringeren gemeinen Wert des Baurechts nach, so gelte dieser Wert als Grundstückswert.

9        Im revisionsgegenständlichen Fall komme, so das Bundesfinanzgericht, für die Ermittlung des Grundstückswerts des Baurechts nur jenes Grundstück in Betracht, an dem das Baurecht eingeräumt worden sei. Anderweitige pauschalierte oder statistische Bewertungsgrundlagen stünden für die Bewertung von Baurechten nicht zur Verfügung. Nach § 2 Abs. 1 GrWV sei der Grundstückswert - je nachdem, ob es sich um ein unbebautes oder ein bebautes Grundstück handle - entweder nur vom Grundwert oder vom Grund- und Gebäudewert zu berechnen. Der Grundwert ergebe sich aus dem dreifachen (anteiligen) zuletzt festgestellten Bodenwert pro m², multipliziert mit der Grundfläche und dem in der Anlage der GrWV für die betreffende Gemeinde festgelegten Hochrechnungsfaktor (§ 2 Abs. 2 GrWV). Ausgehend von der von der Revisionswerberin vorgelegten Bodenwertabfrage (17,4415 €/m²), der Fläche von 5.000 m² und dem Hochrechnungsfaktor 4 für die Gemeinde N ergebe sich im revisionsgegenständlichen Fall ein Grundstückswert von 1,046.490 €.

10       Der Umstand, dass bei der Einräumung eines Baurechts das Eigentum am Grundstück zivilrechtlich immer beim Eigentümer verbleibe, könne nicht zu einem Grundstückswert von 0 € führen, sei das Baurecht doch eine völlig selbständige, unbewegliche Sache, die nach § 2 Abs. 2 Z 1 GrEStG 1987 einem (eigenen) Grundstück gleichzuhalten und somit als eigenständiges Objekt zu bewerten sei. Auch stelle sich für das Bundesfinanzgericht die Frage, warum die Revisionswerberin einen jährlichen Baurechtszins von 11.035 € (wertgesichert) über 55 Jahre hinweg leisten sollte, wenn der Wert des Baurechts tatsächlich 0 € betragen würde. Die Revisionswerberin habe selbst betont, dass ein marktkonformer Leistungsaustausch zwischen Fremden vorliege.

11       Da die Berechnung des Grundstückswerts nach einem „geeigneten Immobilienpreisspiegel“ gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 im revisionsgegenständlichen Fall nicht möglich sei und die Revisionswerberin einen geringeren gemeinen Wert des Baurechts nicht nachgewiesen habe, komme als Steuerbemessungsgrundlage ausschließlich der (die Gegenleistung weit übersteigende) Grundstückswert des Baurechts in Betracht.

12       Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage existiere, wie der „Grundstückswert“ gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 idF BGBl. I Nr. 118/2015 bei einem Baurecht zu bemessen sei.

13       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision über die der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die belangte Behörde erwogen hat:

14       In der Revision wird zu deren Zulässigkeit vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob der Grundstückswert des mit einem Baurecht belasteten Grund und Bodens als Ersatz- oder Mindestbemessungsgrundlage heranzuziehen sei, obwohl der Grund und Boden nicht Erwerbsgegenstand sei, sondern (zivilrechtlich und wirtschaftlich) Eigentum des Grundeigentümers bleibe.

15       Die Revision ist zulässig und - im Ergebnis - begründet.

16       Nach § 1 Abs. 1 Z 1 Grunderwerbsteuergesetz 1987 (GrEStG 1987) unterliegen der Grunderwerbsteuer Kaufverträge oder andere Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übereignung begründen, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen. Da gemäß § 2 Abs. 2 Z 1 GrEStG 1987 Baurechte Grundstücken gleichstehen, unterliegt auch die Begründung eines Baurechts durch Abschluss eines Baurechtsvertrags dem Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 (vgl. VwGH 11.9.2018, Ra 2017/16/0005, mwN).

17       Das Bundesfinanzgericht hat im angefochtenen Erkenntnis ausgeführt, dass erstmals in der „Aufsandungsurkunde“ vom 17. Februar 2017 eine Vereinbarung über die Höhe des Baurechtszinses getroffen worden sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Gegenstand der Grunderwerbsteuer nicht erst das Erfüllungsgeschäft, sondern schon das Verpflichtungsgeschäft. Ob aber ein Anwartschaftsvertrag über einen Erwerb als Vorvertrag (§ 936 ABGB) oder als Punktation (§ 885 ABGB) zu einem Kaufvertrag anzusehen ist, hängt davon ab, ob der Anwartschaftsvertrag bereits auf die Begründung des Übereignungsanspruches gerichtet ist und der Erwerber einen Anspruch auf Eintragung eines Rechts im Grundbuch ohne weitere rechtsgeschäftliche Abmachung, letzten Endes im Klagewege, also unmittelbar, durchsetzen kann (vgl. etwa VwGH 21.2.1996, 93/16/0074, mwN). Ausgehend davon ist dem Bundesfinanzgericht nicht entgegen zu treten, wenn es zur Ansicht gelangt ist, dass erst mit der Vereinbarung vom 17. Februar 2017 auch über den Baurechtszins die Einigung über den wesentlichen Vertragsinhalt erfolgt und damit gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG 1987 der die Steuerschuld auslösende Erwerbsvorgang iSd § 1 Abs. 1 Z 1 leg. cit. verwirklicht worden sei.

18       Für die Ermittlung der Grunderwerbsteuerbemessungsgrundlage ist daher § 4 Grunderwerbsteuergesetz 1987 (GrEStG), BGBl I Nr. 309/1987 idF BGBl. I Nr. 118/2015 (StRefG 2015/2016) und BGBl. I Nr. 163/2015, maßgebend (vgl. § 18 Abs. 2p leg.cit.). Diese Bestimmung lautet auszugsweise wie folgt:

Art der Berechnung

§ 4. (1) Die Steuer ist zu berechnen vom Wert der Gegenleistung (§ 5), mindestens vom Grundstückswert. [...] Der Grundstückswert ist entweder

-    als Summe des hochgerechneten (anteiligen) dreifachen Bodenwertes gemäß § 53 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes 1955 - BewG. 1955, BGBl. Nr. 148/1955 in der jeweils geltenden Fassung, und des (anteiligen) Wertes des Gebäudes oder

-    in Höhe eines von einem geeigneten Immobilienpreisspiegel abgeleiteten Wertes

zu berechnen.

Der Bundesminister für Finanzen hat im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler unter Berücksichtigung der Grundsätze einer einfachen und sparsamen Verwaltung durch Verordnung sowohl die näheren Umstände und Modalitäten für die Hochrechnung des Bodenwertes und die Ermittlung des Gebäudewertes als auch den anzuwendenden Immobilienpreisspiegel samt Höhe eines Abschlages festzulegen.

Weist ein Steuerschuldner nach, dass der gemeine Wert des Grundstückes im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld geringer ist als der nach der Verordnung ermittelte Grundstückswert, gilt der geringere gemeine Wert als Grundstückswert. Erfolgt dieser Nachweis durch Vorlage eines Schätzungsgutachtens, das von einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Immobiliensachverständigen erstellt wurde, hat der von diesem festgestellte Wert die Vermutung der Richtigkeit für sich.

[...]“

19       Die aufgrund des § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 ergangene „Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Festlegung der Ermittlung des Grundstückswertes (Grundstückswertverordnung - GrWV)“, BGBl. II Nr. 442/2015, lautete auszugsweise wie folgt:

Methoden der Grundstückswertermittlung

§ 1. Wird der Grundstückswert als Summe des hochgerechneten (anteiligen) dreifachen Bodenwertes gemäß § 53 Abs. 2 erster und zweiter Satz des Bewertungsgesetzes 1955 - BewG. 1955, BGBl. Nr. 148/1955, in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 34/2015 (Grundwert) und des (anteiligen) Wertes des Gebäudes (Gebäudewert) ermittelt, ist nach § 2 vorzugehen. Wird der Grundstückswert in Höhe eines von einem geeigneten Immobilienpreisspiegel abgeleiteten Wertes ermittelt, ist nach § 3 vorzugehen. Für jede wirtschaftliche Einheit gemäß § 2 BewG. 1955 kann die Ermittlungsmethode frei gewählt werden.

Pauschalwertmodell

§ 2. Je nach Beschaffenheit der wirtschaftlichen Einheit, für die der Grundstückwert zu ermitteln ist, ist entweder nur der Grundwert (Abs. 2), nur der Gebäudewert (Abs. 3) oder beides zu berechnen.

(2) Berechnung des Grundwertes:

1.   Für den (anteiligen) dreifachen Bodenwert ist die Grundfläche mit dem dreifachen Bodenwert pro Quadratmeter zu multiplizieren. Für den Bodenwert pro Quadratmeter ist jener Wert maßgebend, der auf den dem Erwerbsvorgang unmittelbar vorausgegangenen Feststellungszeitpunkt festgestellt wurde; § 6 Abs. 3 GrEStG 1987 ist anzuwenden. Anfragen an das Finanzamt um Bekanntgabe des Bodenwertes müssen elektronisch im Wege von FinanzOnline erfolgen. Dies gilt nicht, wenn die elektronische Anfrage mangels technischer Voraussetzungen unzumutbar ist.

2.   Der (anteilige) dreifache Bodenwert ist mit den Faktoren hochzurechnen, die in der Anlage je Gemeinde, in Gemeinden über 100 000 Einwohnern (Stichtag 1. Jänner 2015) für einen oder mehrere Bezirke bzw. Stadtteile festgelegt werden.

3.   Erstreckt sich eine wirtschaftliche Einheit über zwei oder mehr Gemeinden, sind für die auf die einzelne Gemeinde entfallenden Grundflächenanteile die jeweiligen Hochrechnungsfaktoren heranzuziehen.

(3) Berechnung des Gebäudewertes:

[...]“

20       Aus § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 idF BGBl. I Nr. 163/2015 folgt mangels einer spezielleren Regelung, dass die Grunderwerbsteuer für die Einräumung eines Baurechts grundsätzlich von der Gegenleistung, mindestens jedoch vom Grundstückswert zu bemessen ist. Weist der Steuerschuldner einen geringeren gemeinen Wert des Baurechts nach, so bildet dieser die Grunderwerbsteuerbemessungsgrundlage (vgl. bereits zur Anwendbarkeit der Vorgängerregelung des § 4 GrEStG 1987 idF BGBl. I Nr. 36/2014 auf die Einräumung von Baurechten VwGH 11.9.2018, Ra 2017/16/0005).

21       § 4 GrEStG 1987 kennt seit der Fassung BGBl. I Nr. 85/2008 eine Mindestbemessungsgrundlage, wonach die Steuer vom Wert des Grundstücks zu berechnen ist, wenn die Gegenleistung geringer ist als dieser Wert.

22       Während § 4 GrEStG 1987 idF BGBl. I Nr. 36/2014 als Mindestbemessungsgrundlage ausdrücklich den gemeinen Wert benennt, ist es in § 4 GrEStG 1987 idF ab StRefG 2015/2016, BGBl Nr. 118/2015, ein für Grunderwerbsteuerzwecke eingeführter, eigenständiger Wert, der „Grundstückswerts“. Zugleich mit Einführung des „Grundstückswerts“ wurde dem Steuerschuldner aber die Möglichkeit eingeräumt, den gemeinen Wert des Grundstücks als Mindestbemessungsgrundlage heranzuziehen, falls (im Einzelfall) nachgewiesen wird, dass der gemeine Wert geringer ist als der „Grundstückswert“. Letztlich ist damit der gemeine Wert - sofern dieser die Gegenleistung überschreitet - die endgültige Mindestbemessungsgrundlage geblieben.

23       Die ErlRV zum StRefG 2015/2016 (684 BlgNR 25. GP) führen auf Seite 36 aus, der Grundstückswert solle als Bemessungsgrundlage herangezogen werden, wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder „die Gegenleistung geringer ist als der Grundstückswert“. Aus Gründen der Vorhersehbarkeit der Grunderwerbsteuerbelastung und somit der Erleichterung der Selbstberechnung, aber auch der Verwaltungsökonomie soll mit dem Grundstückswert eine für Zwecke der Grunderwerbsteuer vereinfachte pauschale Wertermittlung ermöglicht werden. Dem Steuerschuldner soll es allerdings unbenommen bleiben, den Nachweis zu führen, dass der tatsächliche gemeine Wert im Einzelfall unter dem Grundstückswert liegt. Auf Seite 4 der ErlRV wird ausgeführt: „Dieser Grundstückswert ist ein nur für Zwecke der Grunderwerbsteuer zu ermittelnder Wert“.

24       Die Grunderwerbsteuer erfasst gemäß § 2 Abs. 1 GrEStG 1987 Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts. Gemäß § 2 Abs. 2 Z 1 leg. cit. stehen im Bereich der Grunderwerbsteuer Baurechte den Grundstücken (im Sinne des bürgerlichen Rechts) gleich. Wie den ErlRV zum StRefG 2015/2016 zu entnehmen ist, sollte durch die Neufassung des § 4 GrEStG 1987 nicht eine bestimmte Kategorie von Grundstücken - etwa Baurechte - von der Anwendbarkeit einer Mindestbemessungsgrundlage ausgenommen werden. Vielmehr zeigen die ErlRV die Absicht des Gesetzgebers auf, ganz allgemein auf den Grundstückswert (oder den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert) als Mindestbemessungsgrundlage abzustellen, falls die für den Erwerb des Grundstücks zu erbringende Gegenleistung geringer sein sollte.

25       Der Gesetzgeber begründet die Einführung eines Grundstückswerts vor allem damit, dass zwecks Erleichterung der Selbstberechnung, aber auch aus Gründen der Verwaltungsökonomie für Zwecke der Grunderwerbsteuer eine vereinfachte pauschale Wertermittlung ermöglicht werden soll. Der Grundstückswert ist sohin das Ergebnis einer vereinfachten pauschalen Wertermittlung. Die Erhebung der Grunderwerbsteuer im Wege der Selbstberechnung durch Parteienvertreter erfordert eine leicht ermittelbare (Mindest-)Bemessungsgrundlage.

26       Der Grundstückswert wird u.U. nicht mit dem gemeinen Wert übereinstimmen, weder bei Grundstücken im Sinne des bürgerlichen Rechts (§ 2 Abs. 1 GrEStG 1987) noch bei Baurechten (§ 2 Abs. 2 Z 1 GrEStG 1987). Die pauschale Wertermittlung und damit die Abweichung des Ermittlungsergebnisses vom tatsächlichen gemeinen Wert eines Grundstücks iSd § 2 Abs. 1 und 2 GrEStG 1987 ist der Verwaltungsvereinfachung und dem Umstand, dass der Gesetzgeber die Selbstberechnung durch Parteienvertreter ermöglichen will, geschuldet. Die vom Gesetzgeber - einheitlich für alle Kategorien von vom GrEStG 1987 erfassten Grundstücken - vorgegebene pauschale Wertermittlung erweist sich aber schon deshalb nicht als unsachlich, weil dem Steuerschuldner stets die Möglichkeit des Nachweises des tatsächlichen (gegebenenfalls niedrigeren) gemeinen Werts offensteht.

27       In der Revision wird vorgebracht, der Grundstückswert eines Baurechts an einem unbebauten Grundstück betrage 0 €, weil der Bodenwert dem Grundeigentümer zuzurechnen sei und ein Gebäude nicht den Erwerbsgegenstand bilde. Der mit dem Baurecht belastete Grund und Boden bleibe Eigentum des Grundeigentümers und sei nicht Erwerbsgegenstand. Bei der Einräumung eines Baurechts an einem unbebauten Grundstück sei daher stets die Gegenleistung die Grunderwerbsteuerbemessungsgrundlage.

28       Damit verkennt die Revision - im Hinblick auf die Gleichstellung der Baurechte mit den Grundstücken gemäß § 2 Abs. 2 Z 1 GrEStG 1987 -, dass der Grundstückswert ein vom Gesetzgeber zwecks Vereinfachung der Erhebung der Grunderwerbsteuer eingeführter „Hilfswert“ ist, der nicht mit dem gemeinen Wert des konkreten Grundstücks iSd § 2 Abs. 1 oder 2 GrEStG 1987 übereinstimmen muss. Die vereinfachte pauschale Wertermittlung kann (gemäß § 4 Abs. 1 erster Teilstrich GrEStG 1987) als Ausgangspunkt an den Bodenwert der Grundstücksparzelle anknüpfen, auf welche sich das Baurecht bezieht. Wie bei jeder vereinfachten pauschalen Wertermittlung kann das Ermittlungsergebnis vom gemeinen Wert (hier: des Baurechts) abweichen. Im Hinblick darauf hat der Gesetzgeber dem Steuerschuldner die Möglichkeit des Nachweises des tatsächlichen gemeinen Werts eingeräumt.

29       Würde man der - aus dem Gesetz nicht ableitbaren - Ansicht der Revisionswerberin folgen, wonach der Grundstückswert eines Baurechts an einem unbebauten Grundstück stets 0 € betrage, wäre die Grunderwerbsteuer für die Einräumung eines Baurechts immer von der Gegenleistung zu berechnen. Nicht nur die Anordnung des Grundstückswerts als Mindestbemessungsgrundlage wäre in diesem Fall hinfällig, sondern es käme auch der gemeine Wert des Baurechts niemals als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer in Betracht, ist doch ein Unterschreiten eines Grundstückswerts von 0 € von vornherein ausgeschlossen (vgl. zum gemeinen Wert des Baurechts als Mindestbemessungsgrundlage nach der Vorgängerregelung des § 4 GrEStG 1987 idF BGBl. I Nr. 36/2014 VwGH 11.9.2018, Ra 2017/16/0005).

30       Dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 durch das StRefG 2015/2016 eine solche Änderung für die Besteuerung von Baurechten (Beseitigung der Mindestbemessungsgrundlage) herbeiführen wollte, ist - insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen in den ErlRV - auszuschließen. Eine sachliche Begründung dafür, gerade für eine einzige Kategorie von Grundstücken die Maßgeblichkeit einer Mindestbemessungsgrundlage auszuschließen, ist nicht erkennbar.

31       Das Bundesfinanzgericht hat daher zu Recht den Grundstückswert, wie er sich aus § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 ergibt, als Mindestbemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer herangezogen.

32       Das angefochtene Erkenntnis erweist sich aber aus einem anderen Grund als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet:

33       Mit dem StRefG 2015/2016 wurde in § 7 GrEStG 1987 ein Stufentarif eingeführt, der unentgeltliche und teilentgeltliche Erwerbe gegenüber entgeltlichen Erwerben begünstigt und eine eigenständige Definition dieser Begriffe enthält.

34       § 7 Grunderwerbsteuergesetz 1987 (GrEStG), BGBl I Nr. 309/1987 idF BGBl. I Nr. 163/2015, lautete auszugsweise wie folgt:

„(1) 1. a) Ein Erwerb gilt als

-    unentgeltlich, wenn die Gegenleistung nicht mehr als 30%,

-    teilentgeltlich, wenn die Gegenleistung mehr als 30%, aber nicht mehr als 70%,

-    entgeltlich, wenn die Gegenleistung mehr als 70%,

des Grundstückswertes beträgt.

[...]

2. a) Die Steuer beträgt beim unentgeltlichen Erwerb von Grundstücken

-    für die ersten 250 000 Euro ....................................... 0,5%

-    für die nächsten 150 000 Euro ...................................... 2%

-    darüber hinaus ............................................................ 3,5%

des Grundstückswertes.

Dies gilt auch bei teilentgeltlichen Erwerben, insoweit keine Gegenleistung zu erbringen ist; insoweit eine Gegenleistung zu erbringen ist, gilt Z 3.

[...]

3. In allen übrigen Fällen beträgt die Steuer ................. 3,5 %.

[...]“

35       Das Bundesfinanzgericht hat die Grunderwerbsteuer mit 3,5% des Grundstückswerts berechnet, ohne auf das Verhältnis der Gegenleistung (einschließlich Umsatzsteuer, vgl. etwa VwGH 17.3.2005, 2004/16/0278; 15.3.2001, 2001/16/0018) zum Grundstückswert einzugehen und die Anwendbarkeit des Stufentarifs nach § 7 Abs. 1 Z 2 lit. a GrEStG 1987 zu prüfen.

36       Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

37       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 13. Dezember 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2019160005.J00

Im RIS seit

01.02.2023

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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