TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/14 95/19/0592

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Veröffentlicht am 14.12.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §6 Abs3;
AVG §37;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der C in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Oktober 1994, Zl. 102.402/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 18. Oktober 1994 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der letzte Sichtvermerk der Beschwerdeführerin sei am 30. April 1991 abgelaufen und sie halte sich seither nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Eine Verlängerung des Sichtvermerkes hätte bis 30. April 1991 erfolgen müssen. Diese Frist habe die Beschwerdeführerin versäumt. Ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei gemäß § 6 Abs. 2 AufG vor der Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu stellen. Dem vom Inland aus gestellten Antrag sei daher der Erfolg versagt.

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der belangten Behörde ist beizupflichten, daß der Beschwerdeführerin im Hinblick auf den Ablauf ihres Wiedereinreisesichtvermerkes mit 30. April 1991 sowohl ein Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung im Sinne des § 6 Abs. 3 AufG (eine Aufenthaltsbewilligung hatte sie nie), als auch ein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften gemäß § 13 Abs. 1 AufG verschlossen war.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Antrag zwar durch Ankreuzen als Verlängerungsantrag bezeichnet. Aus den dem Antrag angeschlossenen Urkunden ergab sich aber zweifelsfrei, daß eine Aufenthaltsbewilligung, deren Verlängerung sie mit dem vorliegenden Antrag hätte anstreben können, nicht vorlag. Nach der - auch für außerhalb des Bereiches des Vertragsrechtes abgegebene einseitige Parteienerklärungen maßgebenden - Regel des § 914 ABGB ist bei der Auslegung nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht des Erklärenden zu erforschen und die Erklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1985, Zl. 82/01/0210). Ein Antrag, der sich als Verlängerungsantrag bezeichnet, aber nicht einmal das Vorliegen einer Bewilligung behauptet, die verlängert werden könnte, ist zumindestens undeutlich. Die Behörde hat daher in solchen Fällen vor allem durch die Einvernahme des Einschreiters dessen wahre Absicht zu klären (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 1979, Zl. 2665/78).

Solange ein eindeutiger Antrag nicht vorliegt, ist die Erlassung eines antragsbedürftigen Verwaltungsaktes inhaltlich rechtswidrig (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 10. September 1986, Zl. 85/09/0260, und vom 15. Dezember 1986, Zl. 85/12/0127). Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Aber auch die auf die Abweisung eines Erstantrages abzielende Eventualbegründung, wonach ein solcher gemäß § 6 Abs. 2 AufG vor der Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu stellen sei, erweist sich als nicht tragfähig. Die belangte Behörde hat sich erstmals im Berufungsbescheid auf den Versagungsgrund nach § 6 Abs. 2 AufG gestützt, ohne der Beschwerdeführerin Parteiengehör zu gewähren. Ändert die Behörde aber gegenüber dem Bescheid der Vorinstanz den Versagungsgrund, so ist sie - ungeachtet einer bestehenden Mitwirkungspflicht - verpflichtet, dies dem Berufungswerber vorzuhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 1985, Zl. 84/07/0221). Gewährt die Behörde kein Parteiengehör, so unterliegt neues Tatsachenvorbringen nicht dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschenden Neuerungsverbot. Durch das Vorbringen, daß sie am 21. Juni 1994 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet habe, daher im Hinblick auf den ihr erteilten gewöhnlichen Sichtvermerk die Voraussetzungen der - im Hinblick auf die wirksame Zustellung des angefochtenen Bescheides am 28. Juni 1995 anwendbaren - Verordnung der Bundesregierung, BGBl. Nr. 408/1995, erfülle und somit zur Antragstellung im Inland berechtigt sei, hätte sie auch die Relevanz dieses Verfahrensmangels aufgezeigt.

Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Zur zweckmäßigen Rechtsverfolgung wäre lediglich die Einbringung zweier Ausfertigungen der Beschwerde notwendig gewesen.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Parteienvernehmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995190592.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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