TE Vwgh Erkenntnis 2022/12/15 Ro 2022/13/0031

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Veröffentlicht am 15.12.2022
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Auswertung in Arbeit!

Norm

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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, den Hofrat MMag. Maislinger und die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Graz-Stadt in 8010 Graz, Conrad von Hötzendorfstraße 14-18, gegen die Beschlüsse des Bundesfinanzgerichts jeweils vom 20. Juni 2022, Zlen. KR/2100001/2022 und KR/2100002/2022, betreffend Auskunftsverlangen nach § 8 KontRegG (mitbeteiligte Partei: Mag. M in G, vertreten durch die Kanzlei Kleiner Eberl Brandstätter Steuerberatung GmbH in 8010 Graz, Burgring 22), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Beschlüsse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Im Rahmen einer bei der mitbeteiligten Partei durchgeführten Außenprüfung (betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2018) wurde eine Kontenregisterabfrage durchgeführt; dabei wurden Konten und Depots bei zwei Banken festgestellt.

2        Mit Eingabe vom 7. Dezember 2020 beantragte das Finanzamt im Abgabenverfahren des Mitbeteiligten die Bewilligung der Konteneinschau für den Zeitraum 2014 bis 2017 für näher genannte Konten bei den beiden Banken.

3        Mit Beschlüssen vom 15. Dezember 2020 bewilligte das Bundesfinanzgericht (durch Einzelrichter) das Auskunftsverlangen des Finanzamts.

4        Mit Beschlüssen vom 9. Februar 2021 gab das Bundesfinanzgericht (durch einen Senat) dem Rekurs (u.a.) des Mitbeteiligten Folge und sprach aus, dass die Konteneinschau (jeweils) zu Unrecht bewilligt worden sei. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, im vorliegenden Fall sei zwar der (vom Abgabepflichtigen verschiedene) Kontoinhaber von der beabsichtigten Konteneinschau informiert worden und habe dazu eine Stellungnahme abgegeben, die vom Finanzamt in der Begründung des Auskunftsersuchens gewürdigt worden sei. Der Mitbeteiligte (als Abgabepflichtiger) sei hingegen nicht gesondert mit der Absicht der Konteneinschau konfrontiert worden. Eine derartige dokumentierte Konfrontation samt Stellungnahme des Abgabepflichtigen sei aber Anwendungsvoraussetzung für die Bewilligung eines Auskunftsersuchens. Die Einschau sei demnach zu Unrecht erfolgt. Die Revision wurde u.a. mit der Begründung als zulässig erklärt, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob eine Konteneinschau trotz fehlender Äußerung des Abgabepflichtigen zulässig sei.

5        Gegen diese Beschlüsse wurde keine Revision erhoben.

6        Mit Vorhalt vom 20. Mai 2021 teilte das Finanzamt dem Mitbeteiligten mit, die Abgabenbehörde beabsichtige, die Einsicht in näher genannte Konten für den Zeitraum 2014 bis 2017 gemäß § 8 KontRegG zu beantragen. Der Mitbeteiligte werde zur Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 KontRegG ersucht, dazu Stellung zu nehmen.

7        Mit Schreiben vom 21. Juni 2021 nahm der Mitbeteiligte zum Vorhalt Stellung.

8        Mit Eingabe vom 21. Dezember 2021 beantragte das Finanzamt die Bewilligung der Konteneinschau für den Zeitraum 2014 bis 2017 betreffend die bereits in der Eingabe vom 7. Dezember 2020 genannten Konten bei den beiden Banken.

9        Mit Beschluss vom 18. Jänner 2022 bewilligte das Bundesfinanzgericht (durch Einzelrichter) die Auskunftsverlangen des Finanzamts.

10       Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Beschluss Rekurs.

11       Mit den angefochtenen Beschlüssen gab das Bundesfinanzgericht (durch einen Senat) dem Rekurs Folge und sprach aus, dass die Konteneinschauen zu Unrecht bewilligt worden seien. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

12       Nach Schilderung der Rechtslage führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Abgabenbehörde habe dem Bundesfinanzgericht schon das Sammelauskunftsverlangen vom 7. Dezember 2020 zur Bewilligung übermittelt. Das Bundesfinanzgericht habe dieses Sammelauskunftsverlangen mit Beschlüssen vom 15. Dezember 2020 bewilligt, die Banken hätten daraufhin die verlangten Auskünfte im Jänner 2021 erteilt. Nach Rekurs habe das Bundesfinanzgericht mit Beschlüssen vom 9. Februar 2021 aber ausgesprochen, dass diese Konteneinschauen zu Unrecht bewilligt worden seien. Die Abgabenbehörde habe daraufhin die erteilten Auskünfte vernichtet.

13       Im Dezember 2021 habe die Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht dasselbe Sammelauskunftsverlangen zur Bewilligung übermittelt. Das Bundesfinanzgericht habe dieses Auskunftsverlangen mit Beschluss vom 18. Jänner 2022 bewilligt.

14       Zweck des Auskunftsverlangens sei die Konteneinschau bei einem Kreditinstitut. Habe das Kreditinstitut aufgrund eines Auskunftsverlangens die verlangte Auskunft bereits einmal erteilt, könne dieselbe Auskunft vom Kreditinstitut nicht noch einmal verlangt werden; dies gelte auch dann, wenn die erteilte Auskunft wegen unrechtmäßiger Bewilligung des Auskunftsverlangens von der Abgabenbehörde vernichtet worden sei. Die nochmalige Bewilligung der Konteneinschauen sei daher zu Unrecht erfolgt.

15       Da keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage vorliege, ob ein nochmaliges Auskunftsverlangen an ein Kreditinstitut nach bereits erteilter Auskunft zulässig sei, sei die Revision zuzulassen gewesen.

16       Gegen diese Beschlüsse wendet sich die Revision des Finanzamts.

17       Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

18       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

19       Die Revision ist zulässig und begründet.

20       Gemäß § 114 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden darauf zu achten, dass alle Abgabepflichtigen nach den Abgabenvorschriften erfasst und gleichmäßig behandelt werden, sowie darüber zu wachen, dass Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht verkürzt werden. Sie haben alles, was für die Bemessung der Abgaben wichtig ist, sorgfältig zu erheben und die Nachrichten darüber zu sammeln, fortlaufend zu ergänzen und auszutauschen.

21       Nach § 143 Abs. 1 BAO ist die Abgabenbehörde zur Erfüllung der im § 114 BAO bezeichneten Aufgaben berechtigt, Auskunft über alle für die Erhebung von Abgaben maßgebenden Tatsachen zu verlangen. Die Auskunftspflicht trifft jedermann, auch wenn es sich nicht um seine persönliche Abgabepflicht handelt.

22       Nach § 161 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Abgabenerklärungen zu prüfen. Soweit nötig, hat sie, tunlichst durch schriftliche Aufforderung, zu veranlassen, dass die Abgabepflichtigen unvollständige Angaben ergänzen und Zweifel beseitigen (Ergänzungsauftrag). Nach § 161 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde, wenn sie Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenerklärung hegt, die Ermittlungen vorzunehmen, die sie zur Erforschung des Sachverhaltes für nötig hält. Sie kann den Abgabepflichtigen unter Bekanntgabe der Bedenken zur Aufklärung bestimmter Angaben auffordern (Bedenkenvorhalt). Erforderliche Beweise sind aufzunehmen.

23       Nach § 165 BAO sollen andere Personen (als der Abgabepflichtige) erst dann befragt oder zur Vorlage von Büchern und Aufzeichnungen herangezogen werden, wenn die Verhandlungen mit dem Abgabepflichtigen nicht zum Ziel führen oder keinen Erfolg versprechen.

24       Gemäß § 38 Abs. 1 BWG dürfen Kreditinstitute, ihre Gesellschafter, Organmitglieder, Beschäftigte sowie sonst für Kreditinstitute tätige Personen Geheimnisse, die ihnen ausschließlich auf Grund der Geschäftsverbindungen mit Kunden oder auf Grund des § 75 Abs. 3 BWG anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind, nicht offenbaren oder verwerten (Bankgeheimnis). Werden Organen von Behörden sowie der Oesterreichischen Nationalbank bei ihrer dienstlichen Tätigkeit Tatsachen bekannt, die dem Bankgeheimnis unterliegen, so haben sie das Bankgeheimnis als Amtsgeheimnis zu wahren, von dem sie nur in den Fällen des Abs. 2 entbunden werden dürfen. Die Geheimhaltungsverpflichtung gilt zeitlich unbegrenzt.

25       Nach § 38 Abs. 2 BWG besteht die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses u.a. nicht gegenüber Abgabenbehörden des Bundes auf ein Auskunftsverlangen gemäß § 8 Kontenregister- und Konteneinschaugesetz (Z 11).

26       §§ 8 und 9 Kontenregister- und Konteneinschaugesetz (KontRegG) lauten (in der hier anwendbaren Fassung BGBl. I Nr. 25/2021):

„§ 8. (1) Die Abgabenbehörde ist berechtigt, in einem Ermittlungsverfahren nach Maßgabe des § 165 der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, über Tatsachen einer Geschäftsverbindung von Kreditinstituten Auskunft zu verlangen, wenn

1.   begründete Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abgabepflichtigen bestehen, oder im Fall, dass der Abgabepflichtige trotz Aufforderung keine Angaben macht oder gemacht hat, Grund zur Annahme besteht, dass der Abgabepflichtige Angaben machen müsste, um Bestand und Umfang seiner Abgabepflicht offen zu legen,

2.   zu erwarten ist, dass die Auskunft geeignet ist, die Zweifel aufzuklären und

3.   zu erwarten ist, dass der mit der Auskunftserteilung verbundene Eingriff in die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Kunden des Kreditinstitutes nicht außer Verhältnis zu dem Zweck der Ermittlungsmaßnahme steht.

(2) Auskunftsverlangen bedürfen der Schriftform und sind vom Leiter der Abgabenbehörde zu unterfertigen. Auskunftsersuchen und ihre Begründung sind im Abgabenakt zu dokumentieren. Auskunftsverlangen der Finanzämter oder des Zollamtes können auch vom Fachbereichsleiter oder der Fachbereichsleiterin unterfertigt werden. Auskunftsverlangen des Amtes für Betrugsbekämpfung sind, soweit sie im Abgabenverfahren erfolgen, durch die Fachbereichsleiterin oder den Fachbereichsleiter der aktenführenden Abgabenbehörde zu unterfertigen.

(3) Außerhalb einer Außenprüfung sind im Verfahren zur Veranlagung der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer Auskunftsverlangen (Abs. 1) nicht zulässig, es sei denn, dass - nach Ausräumung von Zweifeln durch einen Ergänzungsauftrag nach § 161 Abs. 1 BAO - die Abgabenbehörde Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenerklärung hat, Ermittlungen gemäß § 161 Abs. 2 BAO einleitet und der Abgabepflichtige vorher Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Die Würdigung der Stellungnahme ist aktenkundig zu machen. § 8 Abs. 1 gilt sinngemäß.

(4) Wenn der Abgabepflichtige nicht Inhaber des Kontos, sondern vertretungsbefugt, Treugeber oder wirtschaftlicher Eigentümer ist, darf ein schriftliches Auskunftsverlangen erst dann gestellt werden, wenn der Inhaber des Kontos vorher Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Die Würdigung der Stellungnahme ist aktenkundig zu machen. § 8 Abs. 1 gilt sinngemäß.

§ 9. (1) Das Bundesfinanzgericht entscheidet durch Einzelrichter mit Beschluss über die Bewilligung einer Konteneinschau.

(2) Auskunftsverlangen (§ 8) bedürfen der Bewilligung durch das Bundesfinanzgericht. Dazu hat die Abgabenbehörde folgende Unterlagen elektronisch vorzulegen:

1.   als Nachweis betreffend die Wahrung des Parteiengehörs zu § 8 Abs. 1 Z 1 die Niederschrift über Anhörung des Abgabepflichtigen oder den diesbezüglichen Schriftverkehr, wenn es aus Gründen, die beim Abgabepflichtigen liegen, nicht zu einer Anhörung gekommen ist; in den Fällen des § 8 Abs. 4 auch die Würdigung der Stellungnahme der Person, die nicht Partei des Abgabenverfahrens ist,

2.   das gemäß § 8 Abs. 2 der Abgabenbehörde unterfertigte Auskunftsverlangen, und

3.   die Begründung.

(3) Das Bundesfinanzgericht prüft auf Basis des vorgelegten Auskunftsverlangens das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Konteneinschau nach diesem Gesetz. Die Entscheidung ist tunlichst binnen 3 Tagen zu treffen.

(4) (Verfassungsbestimmung) Gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts nach Abs. 1 kann ein Rekurs eingelegt werden, über den das Bundesfinanzgericht durch einen Senat entscheidet. § 288 BAO ist sinngemäß anzuwenden.

(5) Entscheidet das Bundesfinanzgericht nach Abs. 4 dass die Konteneinschau zu Unrecht bewilligt wurde, dann gilt bezüglich der bei dieser Konteneinschau gewonnenen Beweise ein Verwertungsverbot in dem Abgabenverfahren, in dem das Auskunftsverlangen gestellt wurde.“

1. Zur Bekämpfbarkeit der Entscheidungen des Bundesfinanzgerichts betreffend KontRegG:

27       Nach Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennt der Verwaltungsgerichtshof über Revisionen gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte sind die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen nach Art. 133 Abs. 9 B-VG sinngemäß anzuwenden. Inwieweit gegen Beschlüsse der Verwaltungsgerichte Revision erhoben werden kann, bestimmt das die Organisation und das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes regelnde besondere Bundesgesetz. Die Regelung dieses letzten Satzes des Art. 133 Abs. 9 B-VG erfährt ihre Konkretisierung in § 25a Abs. 2 und 3 VwGG, wo jene Beschlüsse genannt sind, gegen die eine Revision nicht zulässig ist.

28       Hiezu ist zunächst zu bemerken, dass § 9 Abs. 1 KontRegG vorsieht, dass der Einzelrichter mit Beschluss entscheidet. In welcher Form der Senat nach § 9 Abs. 4 KontRegG entscheidet, regelt das Gesetz nicht. Wenn dazu vorgesehen ist, dass § 288 BAO (also die Regelungen betreffend einen zweistufigen Instanzenzug bei Gemeinden, dazu wird zum Inhalt der „Berufungsentscheidung“ die sinngemäße Anwendung der für die Beschwerdevorentscheidung geltenden Bestimmungen normiert) sinngemäß anzuwenden ist, so kann daraus für die Form der Entscheidung nichts gewonnen werden; insbesondere kann nicht angenommen werden, dass das Bundesfinanzgericht mit Bescheid zu entscheiden hätte (§ 288 iVm § 262 Abs. 1 BAO; vgl. auch die Erläuterungen zum Ausschussbericht, 749 BlgNR 25. GP 3, die insoweit auf §§ 245, 246, 250, 254 und 256, nicht aber auf § 262 BAO verweisen). Entscheidungen des Verwaltungsgerichts erfolgen mit Erkenntnis oder Beschluss (§§ 278 f BAO). Da die durch Rekurs angefochtene Entscheidung in Form eines Beschlusses zu erfolgen hat, liegt es nahe, dass auch die Entscheidung des Senats über den Rekurs in Form eines Beschlusses zu erfolgen hat. Der Begriff des „Rekurses“ ist dem Verwaltungsverfahrensrecht im Übrigen fremd; im Bericht des Finanzausschusses (749 BlgNR 25. GP 3) finden sich insoweit keine näheren Erläuterungen. Der Begriff ist offenbar aus dem Zivilverfahrensrecht entlehnt. Im Verfahren nach der ZPO richtet sich ein Rekurs - wie auch im vorliegenden Fall - gegen einen Beschluss (§ 514 Abs. 1 ZPO); hierüber ist vom Gericht mit Beschluss zu entscheiden (§ 526 Abs. 1 ZPO). Auch dies legt nahe, dass die Entscheidung des Senates ebenfalls mit Beschluss zu erfolgen hat. Hiefür spricht schließlich auch der Umstand, dass § 31 Abs. 1 VwGVG allgemein normiert, dass Entscheidungen und Anordnungen des Verwaltungsgerichtes durch Beschluss erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Dass insoweit die Entscheidung mit Erkenntnis zu treffen wäre, ergibt sich aus dem Gesetz nicht; Erkenntnisse sind vorgesehen für Entscheidungen des Bundesfinanzgerichts über Beschwerden (einschließlich Maßnahmenbeschwerden oder Säumnisbeschwerden). Demnach ist - wie vom Bundesfinanzgericht auch vorgenommen - über den Rekurs mit Beschluss zu entscheiden.

29       Der Gesetzgeber hat die grundsätzliche Zulässigkeit der Erhebung einer Revision gegen Erkenntnisse und Beschlüsse eines Verwaltungsgerichts auf Grund der in Art. 133 B-VG enthaltenen Regelungen vorausgesetzt (vgl. VwGH 16.12.2021, Ro 2021/09/0008, mwN). Es besteht insoweit keine Einschränkung auf Entscheidungen über eine bestimmte Materie; selbst materiell betrachtet erstinstanzliche Entscheidungen können wie jede andere von einem Verwaltungsgericht erlassene Entscheidung beim Verwaltungsgerichtshof mit Revision bekämpft werden (vgl. VwGH 28.10.2021, Ro 2021/09/0007). Dies gilt zwar im Hinblick auf die (speziellere) Verfassungsbestimmung des § 9 Abs. 4 KontRegG nicht für die Entscheidung des Einzelrichters des Bundesfinanzgerichts (vgl. auch - zu Entscheidungen eines Rechtspflegers nach § 54 VwGVG - VwGH 24.1.2017, Ro 2017/05/0001, mwN). Die Entscheidung des Senats ist hingegen durch Revision an den Verwaltungsgerichtshof bekämpfbar, wenn kein Fall des § 25a Abs. 2 und 3 VwGG vorliegt.

30       Ein in § 25a Abs. 2 VwGG aufgezählter Beschluss liegt hier nicht vor. Nach § 25a Abs. 3 VwGG ist gegen verfahrensleitende Beschlüsse eine abgesonderte Revision nicht zulässig.

31       Auskunftsverlangen, die auf § 143 BAO gestützt werden, sind verfahrensleitende Verfügungen iSd §§ 94 und 244 BAO (vgl. auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 8 KontRegG 685 BlgNR 25. GP 4 f) bzw. verfahrensleitende Beschlüsse iSd § 25a Abs. 3 VwGG (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 143 Tz 15 mwN).

32       Die Abgrenzung zwischen anfechtbaren verfahrensrechtlichen Beschlüssen und bloß verfahrensleitenden Beschlüssen (iSd § 25a Abs. 3 VwGG) ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes danach zu treffen, ob im konkreten Fall ein Bedürfnis nach sofortiger Anfechtbarkeit der Erledigung besteht (vgl. z.B. VwGH 30.6.2015, Ra 2015/03/0022; 16.12.2021, Ro 2021/09/0008, je mwN). Davon ist hier auszugehen, zumal bereits der Gesetzgeber die sofortige Anfechtbarkeit der Entscheidung des Einzelrichters des Bundesfinanzgerichts im Wege eines Rekurses vorsieht. Dass betreffend die Entscheidung des Senats des Bundesfinanzgerichts sodann kein Rechtsschutzbedürfnis an der sofortigen Anfechtbarkeit bestünde, ist nicht erkennbar.

2. Zur Revisionslegitimation des Finanzamts:

33       Das Finanzamt ist schon im Hinblick darauf, dass es das Auskunftsverlangen dem Bundesfinanzgericht zur Bewilligung vorzulegen hat, Partei dieses Verfahrens (vgl. in diesem Sinne auch Grill, taxlex 2015, 372 ff). Es ist auch nicht erkennbar, dass das Rekursverfahren „einseitig“, also ohne Beteiligung der anderen Partei(en) erfolgen solle (vgl. hingegen § 521a ZPO); insoweit besteht auch keine zur Entscheidung durch den Einzelrichter vergleichbar kurze Entscheidungsfrist. Schließlich erfolgt das Auskunftsverlangen auch im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Abgabenbehörde (§ 8 Abs. 1 und 3 KontRegG); die Abgabenbehörde ist in diesem Verfahren sodann vor dem Bundesfinanzgericht die belangte Behörde. Als solche ist das Finanzamt auch im vorliegenden Verfahren dazu legitimiert, gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG Revision zu erheben.

3. Zur „Wiederholung“ von Auskunftsverlangen:

34       Ein Auskunftsverlangen an Kreditinstitute (über Tatsachen einer Geschäftsverbindung von Kreditinstituten) kann gemäß § 8 KontRegG von der Abgabenbehörde gestellt werden. Diese Auskunftsverlangen bedürfen aber der Bewilligung durch das Bundesfinanzgericht. Das Bundesfinanzgericht prüft dabei auf Basis des vorgelegten Auskunftsverlangens das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Konteneinschau nach diesem Gesetz, wobei die Entscheidung tunlichst binnen drei Tagen zu treffen ist. Im Hinblick darauf, dass nach § 9 Abs. 2 KontRegG nicht nur das von der Abgabenbehörde unterfertigte Auskunftsverlangen (Z 2), sondern auch dessen Begründung (Z 3) sowie Nachweise betreffend die Wahrung des Parteiengehörs (Z 1) vorzulegen sind, ist davon auszugehen, dass das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Konteneinschau auf Basis aller dieser vorzulegenden Unterlagen (und nicht nur des Auskunftsverlangens im engeren Sinn: Z 2) zu treffen ist. Ein eigenes Ermittlungsverfahren des Bundesfinanzgerichts oder auch die Gewährung von Parteiengehör durch das Bundesfinanzgericht ist - wie auch die kurze Entscheidungsfrist zeigt - hingegen nicht vorgesehen.

35       Der Mitbeteiligte verweist in der Revisionsbeantwortung auf die Unwiederholbarkeit von Entscheidungen als eine der Rechtswirkungen einer Entscheidung (vgl. dazu z.B. Ritz/Koran, BAO7, § 92 Tz 5; vgl. auch Hengstschläger/Leeb, AVG, 1. Lfg § 68 Tz 16 ff). Diese Wirkung der Entscheidung beschränkt sich auf die „entschiedene Sache“ (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, aaO Tz 23 ff).

36       „Sache“ der Entscheidung des Einzelrichters des Bundesfinanzgerichts nach § 9 Abs. 1 KontRegG ist das Begehren auf Bewilligung des Auskunftsverlangens (Konteneinschau) auf Basis - ausschließlich - der von der Abgabenbehörde vorzulegenden Unterlagen. Die Entscheidung des Senats nach § 9 Abs. 4 KontRegG über einen Rekurs ist durch diese „Sache“ eingeschränkt, sodass im Rekursverfahren dazu insbesondere das bisher nicht gewährte Parteiengehör nicht wirksam nachgeholt werden kann. Eine gegenteilige Rechtsansicht würde dazu führen, dass das vor Entscheidung des Einzelrichters nicht gewährte Parteiengehör regelmäßig gerade durch die (für das weitere Verfahren auch als Vorhalt wirkende) Entscheidung des Einzelrichters nunmehr im Rahmen des Rekursverfahrens eingeräumt würde und dieser Mangel daher jedenfalls geheilt wäre. Eine zunächst wegen Unterlassung des Parteiengehörs verweigerte Bewilligung des Auskunftsverlangens wäre daher - über Rekurs der Abgabenbehörde - vom Senat schon deswegen in eine Bewilligung abzuändern. Eine derartige Auslegung würde daher dazu führen, dass die Vorlagepflicht der Abgabenbehörde betreffend Nachweise über Wahrung des Parteiengehörs vor der Entscheidung des Einzelrichters des Bundesfinanzgerichts regelmäßig entfallen könnte; eine derartige Regelung ist dem Gesetzgeber nicht zusinnbar.

37       Diese Beschränkung der „Sache“ des Verfahrens führt dazu, dass einem neuerlichen Begehren auf Bewilligung eines Auskunftsverlangens die Rechtskraft der früheren Entscheidung nicht entgegensteht, wenn nunmehr zwar das Auskunftsverlangen (im engeren Sinne; § 9 Abs. 2 Z 2 KontRegG) unverändert ist, aber entweder die Begründung des Auskunftsverlangens (§ 9 Abs. 2 Z 3 KontRegG) wesentlich von der bisherigen abweicht oder - wie hier - Nachweise über die (wirksame) Gewährung des Parteiengehörs erstmals vorgelegt werden. Insoweit liegt eine andere „Sache“ vor (vgl. auch - insoweit zur Abgrenzung der „Sache“ im Zusammenhang mit wiederholten Wiederaufnahmen - VwGH 28.10.2014, 2012/13/0102, mwN).

38       Die Rechtskraft der Entscheidung über das erste Auskunftsverlangen steht daher im vorliegenden Fall einer Bewilligung eines neuerlichen Antrags auf Auskunft nicht entgegen.

39       Die tatsächliche Erfüllung eines (ersten) Auskunftsverlangens kann aber - entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts - an sich der Bewilligung eines weiteren Auskunftsverlangens nicht entgegen stehen. Berücksichtigt werden könnte eine tatsächliche Erfüllung eines Auskunftsverlangens allenfalls im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 KontRegG. Liegen der Abgabenbehörde durch eine vorangegangene Konteneinschau gewonnene im Ermittlungsverfahren verwertbare Beweise vor, so wird regelmäßig nicht zu erwarten sein, dass die neuerlich begehrte Auskunft (betreffend dieselben Konten über denselben Zeitraum) geeignet sei, Zweifel aufzuklären (§ 8 Abs. 1 Z 2 KontRegG). Im Ermittlungsverfahren unverwertbare Beweise (§ 9 Abs. 5 KontRegG) werden aber im Allgemeinen einem weiteren Auskunftsverlangen nicht entgegenstehen können.

40       Die angefochtenen Beschlüsse waren demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 15. Dezember 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022130031.J00

Im RIS seit

01.02.2023

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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