TE Vwgh Erkenntnis 2022/12/15 Ro 2019/13/0034

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Veröffentlicht am 15.12.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Wien 8/16/17 in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 3. Juni 2019, Zl. RV/7101030/2019, betreffend Umsatzsteuer für März 2015 (mitbeteiligte Partei: A GmbH in W, vertreten durch die HFP Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1030 Wien, Beatrixgasse 32), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der mitbeteiligten GmbH, einer Krankenanstalt iSd Wiener Krankenanstaltengesetzes 1987, Folge und änderte den Umsatzsteuerbescheid für den Voranmeldungszeitraum März 2015 ab, wobei es die von der mitbeteiligten Partei geltend gemachte Umsatzsteuerberichtigung von Rechnungen der Jahre 2004 bis 2013 anerkannte.

2        In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht aus, die Mitbeteiligte betreibe an einer näher angeführten Adresse in Wien eine Augenlaserklinik. In den Jahren 2004 bis 2013 habe die Mitbeteiligte der Ordination Dr. S bzw. Dr. G Geräte sowie Operationsräumlichkeiten und Nebenräume entgeltlich zur Verfügung gestellt, wobei sie für diese Leistungen 20 % USt in Rechnung gestellt habe. Im Jahr 2012 sei Dr. G in den Ruhestand getreten. Im März 2015 seien die Rechnungen, mit denen die Mitbeteiligte die an Dr. S in den Jahren 2004 bis 2013 erbrachten Leistungen verrechnet habe, insoweit berichtigt worden, als auf das ursprüngliche Entgelt nicht mehr der Normalsteuersatz von 20 %, sondern der ermäßigte Steuersatz von 10 % angewandt worden sei. Dr. S sei als Arzt unecht steuerbefreit. Der sich aus der Verminderung des Steuersatzes von 20 % auf 10 % ergebende Differenzbetrag sei von der Mitbeteiligten an Dr. S ausbezahlt und von diesem entsprechend dem Zuflussprinzip im Jahr 2015 als Einnahme im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung steuerwirksam erfasst worden. Dieser Sachverhalt sei vom Finanzamt nicht bestritten worden.

3        Im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung u.a. des Voranmeldungszeitraums März 2015 sei die von der Mitbeteiligten vorgenommene Umsatzsteuerberichtigung nur hinsichtlich der die Jahre 2008 bis 2013 betreffenden Rechnungen anerkannt worden. Hinsichtlich der Rechnungen der Jahre 2004 bis 2007 sei eine steuerwirksame Berichtigung im Voranmeldungszeitraum März 2015 wegen Eintritts der Verjährung der ursprünglichen Abgabenschuld versagt worden.

4        Gegen die - den Prüfungsfeststellungen Rechnung tragende - Festsetzung der Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum März 2015 habe die Mitbeteiligte Beschwerde erhoben, wobei sie sich gegen die zeitliche Befristung der Rechnungsberichtigung gewandt habe.

5        Nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung durch das Finanzamt, in der die Verjährungsbestimmungen der BAO analog angewandt worden seien, habe die Mitbeteiligte den Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht gestellt.

6        Rechtlich führte das Bundesfinanzgericht aus, ein Unternehmer, der in einer Rechnung für eine Leistung einen Steuerbetrag, den er für diesen Umsatz nicht schulde, gesondert ausweise, schulde gemäß § 11 Abs. 12 UStG 1994 diesen Betrag aufgrund des Ausweises in der Rechnung. Der Unternehmer könne eine solche Rechnung berichtigen, wobei in diesem Fall § 16 Abs. 1 UStG 1994 sinngemäß anzuwenden sei. Diese Vorschrift ordne allgemein die ex nunc-Wirkung der Berichtigung an, sodass es nicht zu einer Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung komme. Die Berichtigung sei erst im Veranlagungszeitraum der Änderung zu berücksichtigen. Da § 16 UStG 1994 eine Befristung der Korrektur nicht vorsehe, sei es gleichgültig, ob die ursprüngliche Steuerschuld bereits verjährt sei.

7        Die Mitbeteiligte sei somit berechtigt gewesen, im Zeitpunkt des Erkennens ihres Irrtums, dass bei den strittigen Rechnungen das ursprünglich abgerechnete Entgelt nicht korrekt mit dem ermäßigten, sondern mit dem Normalsteuersatz besteuert worden sei, die betreffenden Rechnungen entsprechend zu korrigieren, wobei die Wirkungen der Rechnungsberichtigungen ex nunc und somit für den Voranmeldungszeitraum März 2015 eingetreten seien. Der Umstand, dass hinsichtlich der Umsatzsteuer der Jahre 2004 bis 2007 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei, sei im Hinblick auf die ex nunc-Wirkung einer Rechnungsberichtigung nach § 16 UStG 1994 nicht entscheidungsrelevant.

8        Im revisionsgegenständlichen Fall lägen keine Hinweise auf eine missbräuchliche Anwendung der Berichtigungsvorschrift vor; auch das Finanzamt sei nicht von einem missbräuchlichen Vorgehen oder einer Betrugsabsicht der Mitbeteiligten ausgegangen. Die Mitbeteiligte habe den sich aus der Verminderung des Steuersatzes ergebenden Differenzbetrag an Dr. S ausbezahlt und dieser habe den Betrag im Jahr 2015 als Einnahme im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung gewinnerhöhend erfasst. Auch sei nicht von einem, die Anwendung einer Ausschlussfrist rechtfertigenden, Mangel an Sorgfalt der Mitbeteiligten auszugehen, zumal offensichtlich lediglich durch einen Irrtum im Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungslegung der Umstand, dass für das abgerechnete Entgelt ein ermäßigter Steuersatz zur Anwendung gelange, nicht erkannt worden sei.

9        Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil zur Frage, „ob in Folge bereits eingetretener Verjährung der ursprünglichen Steuerschuld eine steuerwirksame USt-Berichtigung iZm einer gemäß § 11 Abs. 12 UStG 1994 geschuldeten Umsatzsteuer vorgenommen werden kann“, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle.

10       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof - die mitbeteiligte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung - erwogen hat:

11       Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

12       § 11 Abs. 12 des Bundesgesetzes über die Besteuerung der Umsätze (Umsatzsteuergesetzes 1994 - UStG 1994) in der Stammfassung, BGBl. Nr. 663/1994, lautet:

„(12) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen Steuerbetrag, den er nach diesem Bundesgesetz für den Umsatz nicht schuldet, gesondert ausgewiesen, so schuldet er diesen Betrag auf Grund der Rechnung, wenn er sie nicht gegenüber dem Abnehmer der Lieferung oder dem Empfänger der sonstigen Leistung entsprechend berichtigt. Im Falle der Berichtigung gilt § 16 Abs. 1 sinngemäß.“

13       § 16 Abs. 1 UStG 1994 idF BGBl. Nr. 663/1994 lautet:

„(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 geändert, so haben

1.   der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag, und

2.   der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Die Berichtigungen sind für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgeltes eingetreten ist.“

14       Im revisionsgegenständlichen Fall ist unbestritten, dass für die Mitbeteiligte aufgrund eines überhöhten Steuerausweises in Rechnungen der Jahre 2004 bis 2013 eine Steuerschuld kraft Rechnungslegung nach § 11 Abs. 12 UStG 1994 entstanden war und im März 2015 eine Berichtigung dieser Rechnungen durch die Mitbeteiligte erfolgt ist, wobei diese berichtigten Rechnungen dem Empfänger auch zugeleitet wurden. Dass keine Steuerschuld aufgrund der Rechnung entstanden war, weil keine Gefährdung des Steueraufkommens vorgelegen hätte (vgl. EuGH 8.12.2022, C-378/21, P GmbH), wird in der Revision nicht behauptet und wurde auch vom Bundesfinanzgericht so nicht festgestellt.

15       Strittig ist allein, ob im Voranmeldungszeitraum März 2015 eine steuerwirksame Berichtigung der Rechnungen der Jahre 2004 bis 2007 erfolgen konnte, obwohl hinsichtlich der Umsatzsteuerschuld der Mitbeteiligten für diese Jahre - unbestritten - bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.

16       § 11 Abs. 12 UStG 1994 knüpft den Wegfall der Steuerschuld aufgrund der Rechnung an die tatsächliche Durchführung der Rechnungsberichtigung gegenüber dem Leistungsempfänger an und normiert im letzten Satz, dass im Fall der Berichtigung § 16 Abs. 1 leg. cit. sinngemäß gilt.

17       Durch den Verweis in § 11 Abs. 12 letzter Satz UStG 1994 auf § 16 Abs. 1 leg. cit. ergibt sich, dass für den Aussteller der Rechnung die Steuerschuld aufgrund der Rechnung zu dem Zeitpunkt (in jenem Voranmeldungszeitraum) wegfällt, in dem die Rechnung berichtigt wird (vgl. VwGH 8.9.2022, Ro 2020/15/0025). Für den Aussteller der Rechnung wirkt die Rechnungsberichtigung somit ex nunc, d.h. die Steuerschuld des Rechnungsausstellers entfällt durch die spätere Rechnungsberichtigung nicht etwa rückwirkend auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung (vgl. zur insoweit vergleichbaren Regelung des § 14c Abs. 1 iVm § 17 Abs. 1 dUStG BFH 31.5.2017, V B 5/17; 12.10.2016, XI R 43/14).

18       Hingegen ist der Empfänger der Rechnung durch § 11 Abs. 12 letzter Satz UStG 1994 nicht betroffen. Da mit der Steuerschuld kraft Rechnungslegung kein Recht auf Vorsteuerabzug durch den Rechnungsempfänger einhergeht, ist für diesen von vorneherein keine Vorsteuerabzugsberechtigung gegeben (vgl. nochmals VwGH 8.9.2022, Ro 2020/15/0025).

19       Damit kommt im revisionsgegenständlichen Fall für den Rechnungsaussteller eine Korrektur der Umsatzsteuerschuld erst im Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung, somit im Voranmeldungszeitraum März 2015, in Betracht.

20       Nach Ansicht des revisionswerbenden Finanzamts könne eine solche Rechnungsberichtigung aber nur solange umsatzsteuerrechtliche Wirkung entfalten, als das Veranlagungsjahr, in dem eine solche Rechnung ihren Ursprung bzw. ihre Wurzel (Leistungszeitraum) habe, noch nicht verjährt sei.

21       Dem ist entgegen zu halten, dass das UStG 1994 keine Befristung der Rechnungsberichtigung nach § 11 Abs. 12 leg. cit. vorsieht (vgl. Bürgler/Stifter in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON³, § 11 Rz 238; Ruppe/Achatz, UStG5, § 11 Tz 126; sowie zu § 14c Abs. 1 dUStG etwa Fleckenstein-Weiland in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 14c Rz 80.1; Leipold in Sölch/Ringleb, UStG, § 14c Rn. 120a). Eine solche ergibt sich - mangels Rückwirkung der Rechnungsberichtigung - auch nicht aus den allgemeinen Verjährungsbestimmungen der BAO.

22       Da aufgrund der in § 16 Abs. 1 UStG 1994 ausdrücklich angeordneten ex nunc-Wirkung der Rechnungsberichtigung die ursprüngliche Steuerfestsetzung unberührt bleibt, kann eine Berichtigung auch dann erfolgen, wenn für die ursprüngliche Steuerfestsetzung bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

23       Auch liegen im revisionsgegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte für die Annahme einer missbräuchlichen Gestaltung vor, die allenfalls die Versagung einer steuerwirksamen Rechnungsberichtigung rechtfertigen könnten.

24       Damit hat das Bundesfinanzgericht im revisionsgegenständlichen Fall zu Recht auch eine steuerwirksame Berichtigung der Rechnungen der Jahre 2004 bis 2007 im Voranmeldungszeitraum März 2015 anerkannt.

25       Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 15. Dezember 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2019130034.J00

Im RIS seit

01.02.2023

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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